Gedenkveranstaltungen 80 Jahre Bombardierung Stauwehr Kembs
Am 7. Oktober 2024 jährt sich zum 80. Mal die Bombardierung und teilweise Zerstörung des Stauwehrs Kembs. Diese Zerstörung hatte erhebliche Auswirkungen auf die Schifffahrt nach Basel, die für längere Zeit unterbrochen war. Im Rahmen eines trinationalen Netzwerks von historischen Vereinen, Institutionen und Privatpersonen sind im Oktober verschiedene Veranstaltungen wie Führungen, Ausstellungen und Gedenkveranstaltungen in Basel, Kembs, Märkt und Bad Bellingen geplant.
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Terminkalender
Geschichtlicher Hintergrund
Luftaufnahme der Royal Air Force des Stauwehr Kembs einige Tage vor der teilweisen Zertörung - Foto Schweizerisches Bundesarchiv BAR - Kolorierung Patrick Schlenker
Im September 1944 erhielt das Bomber Command vom Alliierten Hauptquartier (SHAEF) den Auftrag, das Rheinstauwehr bei Märkt, etwa 3 Kilometer nördlich von Basel, zu bombardieren und zu zerstören. Ziel war es, den Deutschen die Kontrolle über den Rhein und dessen Pegel zu entziehen. Die Alliierten gingen davon aus, dass die Deutschen das Wehr selbst sprengen würden, um die vorrückenden französischen und amerikanischen Truppen aufzuhalten, indem sie weite Gebiete unter Wasser setzten, wie sie es bereits in Frankreich und Holland getan hatten. Die Geschichte des Stauwehrs reicht bis in die frühen Kriegsjahre zurück: 1939 zerstörten die Franzosen den Fahrsteg nach Deutschland, und 1940 beschädigten sie Teile des Wehrs während der Kämpfe um Colmar.
Der Angriff auf das Wehr fand am 7. Oktober 1944 statt. Die 617. Bomberstaffel, bekannt als die "Dam-Busters", führte den Angriff aus. Die Staffel war bereits für die Zerstörung von Talsperren im Ruhrgebiet verantwortlich gewesen und spielte später eine Rolle bei der Versenkung des Schlachtschiffs Tirpitz. 13 viermotorige Lancaster-Bomber wurden für den Angriff mit je einer Tallboy-Bombe ausgerüstet, die speziell für solche Ziele entwickelt worden war und etwa 6 Tonnen wog. An diesem Tag flogen rund 5.000 alliierte Flugzeuge Einsätze gegen das Deutsche Reich und seine Verbündeten.
Die Angriffsstrategie bestand aus zwei Wellen: Sechs Lancaster-Bomber griffen im Tiefflug aus einer Höhe von 100 bis 125 Metern an, unterstützt von P-51 Mustang-Jägern, die zur Ablenkung und Zerstörung der deutschen Flak-Stellungen eingesetzt wurden. Die zweite Welle von sieben Lancaster-Bombern griff aus einer Höhe von 1.500 bis 2.500 Metern an. Der Himmel über dem Zielgebiet war bald von Flak-Geschossen und Leuchtspurmunition übersät, doch deutsche Jagdflugzeuge erschienen während des gesamten Angriffs nicht, sodass sich die Jäger vollständig auf die Bekämpfung der Luftabwehr konzentrieren konnten. Berichten zufolge waren 14 bis 16 Mustangs im Einsatz, die den Angriff absicherten.
Luftaufnahme aus einem Lancaster Bomber während des Angriffes - Foto Schweizerisches Bundesarchiv BAR - Kolorierung Patrick Schlenker
Während des Angriffs auf das Rheinstauwehr bei Märkt am 7. Oktober 1944 wurde die von F/Lt Christopher Howard geflogene Lancaster Mk.III, Kennung LM.482, Code KC°Q, schwer beschädigt. Beim ersten Anflug konnte die Tallboy-Bombe nicht abgeworfen werden, weshalb Howard zu weiteren Anläufen ansetzte. Beim dritten Versuch wurde die Maschine von Flakgeschossen getroffen, die den hinteren Rumpf in Brand setzten. Howard versuchte noch eine Notlandung, doch die Lancaster explodierte über den Baumwipfeln und stürzte zwischen Efringen und Kirchen nahe des Rheins ab. Keiner der Besatzungsmitglieder überlebte den Absturz.
Die Flakbatterie, die Howards Lancaster traf, war eine Heimatflak-Batterie 37/VII, deren Batteriebefehlsstelle in Istein lag. Diese Batterie wurde hauptsächlich von Schülern der Jahrgänge 1926-1928 aus den Gymnasien und Oberschulen der Region betrieben, aufgeteilt in Luftwaffenhelfer-Züge. Ein weiterer Zug bestand aus elsässischen Zwangsrekrutierten, die ebenfalls gegen die Angreifer eingesetzt wurden.
Je länger das Bombardement andauerte, desto schwächer wurde das Flakfeuer, da viele Flakstellungen durch die angreifenden Jäger ausgeschaltet wurden. Die Lancaster-Bomber warfen ihre Bomben nacheinander ab und zogen sich dann zurück. Um 17:10 Uhr meldete ein Schweizer Beobachtungsposten in Kleinhüningen, dass ein weiterer Bomberverband aus Richtung St. Louis anflog. Einer der Bomber brach aus dem Verband aus, flog nochmals im Tiefflug über das Wehr und drang in den Schweizer Luftraum ein, woraufhin die Schweizer Flak das Feuer eröffnete und den Bomber zum Abdrehen zwang. Drei Minuten später war der Luftraum wieder klar.
Um 17:14 Uhr wurde im Elsass Entwarnung gegeben, und der Wasserstand am Wehr wurde als normal gemeldet, ohne sichtbare Schäden an Kraftwerk und Wehr. Die restliche Bombenladung von Howards abgestürzter Lancaster explodierte um 17:23 Uhr zwischen Efringen und Kirchen, was eine gewaltige Detonation auslöste. Die Druckwelle liess in Basel und Kleinhüningen zahlreiche Fensterscheiben zerspringen, und Luftschutzsoldaten wurden zu Boden geworfen.
Um 17:35 Uhr wurde erneut Flugzeuglärm aus Richtung Laufen gemeldet. Eine einzelne Mosquito warf eine weitere Bombe auf das Wehr. Nachdem sich die Gischt gelegt hatte, stellte man fest, dass der eiserne Laufsteg auf der elsässischen Seite abgerissen war. Trotz Flakfeuer flog die Mosquito ein weiteres Mal über das Ziel und entfernte sich schliesslich um 17:42 Uhr in Richtung Westen. Kurz darauf wurde gemeldet, dass weitere Bomben beim Stauwehr explodiert seien, die bis zu 150 Meter hohe Wasserfontänen verursachten, jedoch ohne sichtbare Schäden zu hinterlassen.
Gegen 17:45 Uhr flogen erneut zwei Mosquito-Bomber, darunter die Mosquito KB.215, Code AZ°H der 627 Squadron, unter dem Kommando von F/Lt Hanlon und der Navigation von F/Lt K.G. Tice, in Richtung des Rheinstauwehrs bei Märkt. Diese Mosquitos waren von der RAF Film Production für Luftaufnahmen des Zielgebiets entsandt worden. Die Flugzeuge kreisten längere Zeit über dem Wehr, um die Zerstörungen festzuhalten. Die erhaltenen Aufnahmen, die im Imperial War Museum London aufbewahrt werden, zeigen detailliert das Stauwehr und dokumentieren die Auswirkungen des Angriffs.
Hanlon berichtete später, dass sie zweimal über das Wehr flogen: einmal um 17:40 Uhr in einer Höhe von 3.000 Fuss und erneut um 17:51 Uhr in 6.000 Fuss. Beim ersten Überflug konnten sie eine Explosion auf der Südseite des Wehrs beobachten. Neun Minuten später ereignete sich eine weitere Explosion, die einen Teil des Wehrs zerstörte und das Wasser durch das beschädigte Wehr strömen liess.
Kurz bevor die Mosquitos um 17:48 Uhr abdrehte, explodierte eine weitere Bombe mit Zeitzünder auf der linken Seite des Wehrs. Diese Explosion, die auf den Originalaufnahmen deutlich zu sehen ist, führte dazu, dass das Wehr zwischen dem ersten und zweiten Pfeiler erheblich beschädigt wurde. Der Druck auf das Wehr war so gross, dass es nicht mehr standhalten konnte und der Bereich zwischen den Pfeilern brach weg.
Zerstörte Teile des Stauwehrs - Foto Archiv Weil am Rhein
Um 17:57 Uhr wurde in Basel der Wasseralarm ausgelöst, nachdem die Zerstörung des Rheinstauwehrs bei Märkt durch die Alliierten Bombenangriffe festgestellt worden war. Sofort trat der im Voraus entworfene Rettungsplan in Kraft, um die Auswirkungen der Beschädigung des Wehrs zu bewältigen.
Um 18:04 Uhr ging die Meldung bei der Ständigen Feuerwache Basel ein, woraufhin sechs Einsatzkräfte das Löschboot „St. Florian“ besetzten. Das Boot fuhr schnell zum Hafenbecken am Dreiländereck. Beim Ablegen des Bootes war der Rheinpegel bereits um 40 cm gefallen. Um 18:20 Uhr hatte der Pegel um 1,22 Meter nachgelassen, und bis 18:30 Uhr betrug der Rückgang bereits 1,52 Meter. Bis 19:28 Uhr wurde eine maximale Wasserabsenkung von 3,40 Metern unter dem Pegel von vor dem Angriff erreicht.
Am folgenden Tag war der Pegel immer noch um 0,56 Meter gesenkt. Ein stetiger Strom bildete sich zwischen dem Hafenbecken und dem Rhein, und an vielen Stellen trat der Grund des Rheins hervor.
Gestrandete Schiffe im Hafenbecken 1 - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/104 (Foto Jeck Basel)
Mit aller verfügbaren Kraft versuchte man, so viele Schiffe wie möglich aus den betroffenen Hafenbecken in tiefere Gewässer zu verlegen. Zunächst wurde erfolgreich eine Formation von acht Schiffen aus dem Wendebecken gezogen. Weiterhin konnten 15 Schiffe aus dem II. Hafenbecken in das I. Hafenbecken gerettet werden. Für 15 weitere Kanalschiffe im Hafenbecken 2 und 4 sowie im Zufahrtskanal reichte die Zeit nicht mehr, und diese mussten zurückgelassen werden. Unter den zurückgelassenen Schiffen war auch ein italienisches Hochsee-Segelschiff, das während des Krieges in Basel gestrandet war. Das Hafenbecken 2 war vollständig entleert. Das Löschboot „St. Florian“ konnte zudem das Personenschiff „Rheinfelden“ rechtzeitig bergen.
Ein Kiesschiff löste sich aufgrund des starken Sogs und trieb führerlos im Hafenbecken. Dank raschem Eingreifen konnte auch dieses Schiff rechtzeitig gestoppt werden. Der zurückgeschnellte abgerissene Draht verursachte glücklicherweise keine Verletzungen. Viele Zivilisten halfen ebenfalls bei der Bergungsaktion.
Aufgrund des rasch gesunkenen Pegels musste das Löschboot „St. Florian“ die Nacht im Hafenbecken I verbringen. Erst am Sonntagmorgen konnte es, nach Überprüfung des aktuellen Pegelstands, zu seinem ursprünglichen Liegeplatz am Totentanz zurückkehren.
Sicht Richtung Johanniterbrücke in Basel bei einem Pegel von rund 60cm im Oktober 1944 - Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/3/643 (Foto Jeck Basel)
Fliegermord an einer Royal Air Force Besatzung
Von den 13 gestarteten Lancaster-Bombern kehrten nach dem Angriff aus das Stauwehr zwei nicht nach England zurück, und drei weitere landeten schwer beschädigt. Eines der vermissten Flugzeuge, die Lancaster Mark III (LM482) unter dem Kommando von Pilot Chris Howard, wurde von der deutschen Flak-Artillerie am Isteiner Klotz getroffen und stürzte in einen Weinberg bei Efringen-Kirchen. Alle acht Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben.
Das zweite Flugzeug, eine Lancaster B I NG180/KC-S unter der Führung von Pilot Drew Wyness, wurde ebenfalls getroffen und musste nach einem schweren Beschuss in den Altrhein bei Kembs/Märkt notwassern. Vier der sieben Besatzungsmitglieder konnten sich mit einem Schlauchboot retten, wurden jedoch von der starken Strömung durch das zerstörte Wehr in Richtung Rheinweiler abgetrieben. Dort wurden sie von lokalen Bewohnern aufgegriffen und gefangengenommen. Das weitere Schicksal dieser vier Männer führte zu einem der grausamsten Kriegsverbrechen der Region.
Hugo Grüner, der NSDAP-Kreisleiter von Müllheim, Lörrach und Thann, spielte eine zentrale Rolle in den Ereignissen, die sich in Rheinweiler an jenem Tag abspielten. Als Grüner von der Gefangennahme der britischen Flieger erfuhr, begab er sich eigenmächtig nach Rheinweiler, obwohl die zuständige Gendarmerie bereits den Luftwaffenstützpunkt Freiburg über die Gefangenen informiert hatte. Grüner handelte ohne Rücksprache und entschied, die Gefangenen unter dem Vorwand, sie nach Schliengen zu bringen, abführen zu lassen. Er ordnete an, dass die Gefangenen in einem Abstand voneinander von den anwesenden Gendarmen und einem Landwachmann Richtung Schliengen marschiert werden sollten. Doch anstatt sie wie angekündigt an die Luftwaffe zu übergeben, liess Grüner die Flieger auf dem Weg dorthin stoppen und erschoss sie eigenhändig am Rheinufer.
Die Namen der vier ermordeten britischen Soldaten, deren Leichen später im Rhein gefunden wurden, waren: Squadron Leader Drew Rothwell Cullen Wyness, Flight Officer Bruce James Hosie, Flight Lieutenant Ronald Henry Williams und Flying Officer Herbert Walter Honig. Ihre Leichen wurden an verschiedenen Stellen am Ufer des Rheins angeschwemmt und später auf Militärfriedhöfen beigesetzt. Die anderen drei Besatzungsmitglieder, Flight Sergeant Thomas James Hurdiss, Flight Sergeant Thomas Horrocks und Flying Officer George Edward Cansell, blieben bis zum heutigen Tag verschollen. Ob sie bei der Notwasserung ums Leben kamen oder später starben, konnte nie geklärt werden. Ihre Grabsteine auf dem Runnymede Air Force Memorial in Egham, Grossbritannien, sind die einzigen Hinweise auf ihr Schicksal.
Nach dem Krieg wurden die Beteiligten an diesem Verbrechen, neben Grüner auch Hans Reimer, Rudolf Birlin und Karl Bohny, die in der Gendarmerie von Schliengen dienten, von den französischen und englischen Militärgerichtsbehörden sowie der Zentralstelle in Ludwigsburg untersucht. Es konnte jedoch nie eine juristische Verurteilung erfolgen, und die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen.
Diese Verbrechen blieben lange Zeit weitgehend unbekannt, erst neu entdeckte Dokumente in verschiedenen Archiven erlaubten eine fast vollständige Rekonstruktion der Ereignisse. Die Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel der Regionalgeschichte ist jedoch unvollständig. Bis 2017 erinnerte eine Gedenktafel am Westwall-Bunker am Stauwehr Kembs/Märkt an die britischen Opfer, doch diese wurde entfernt, ohne durch ein neues Gedenken ersetzt zu werden.
Mehr dazu gibt es im Beitrag von BERND HAINMÜLLER: Ein Kriegsverbrecher im Markgräflerland