Vatermörder "stärken" leicht gemacht

Stärken wie zu Urgrossmutters Zeiten

erstellt am 17. September 2015

Über Hemden, resp. historische Hemdkragen haben wir im Januar 2014 schon einmal einen Blogbeitrag erstellt. Link

Nun wollen wir folgend erläutern, wie man die unterschiedlichen Krägen wie Vatermörder, Stehkragen mit Kläppchen und weitere Modelle, sowie Brüste und Manschetten heute stärken kann.

Familienfoto mit Sonntagskleidung um 1890. W. Hof vormals Jungmann. Basel, Hammerstrasse 53  Hochgeschlossener Herrenanzug oder Gehrock. kombiniert in diesem Falle mit einer gepunkteten Krawatte und einem Stehkragen. Um 1910-14, Aufnahme A. Monbaron, rue de l'Hôtel, Neuchâtel.

Man findet heute zwar noch immer gestärkte Krägen und Brüste, aber die meisten sind leider nicht mehr so weiss, wie zu ihren besten Zeiten. Waschen kann natürlich helfen, die Teile wieder weiss zu bekommen, jedoch reicht dies meist nicht aus und der Einsatz von Bleiche ist unumgänglich. Hier sollte man jedoch Vorsicht walten lassen und zum Schutze des Materials nicht allzu aggressive Bleiche verwenden.

 

Reinigungshausmittel vor 100 Jahren:

Um die unterschiedlichsten Flecken zu beseitigen, gab es vor 100 Jahren eine ganze Fülle von Tricks. Eine kleine Übersicht.

Oftmals versuchte die Hausfrau oder das Hausmädchen allfällige Flecken mit bürsten zu entfernen. War dies nicht von Erfolg gekrönt, wurde mit Wasser und Seife versucht, den Flecken zu entfernen. Je nach hartnäckigkeit des Fleckes wurde Spiritus dem Wasser beigemischt, um diese zu "verschärfen". Reichte auch das nicht, wurde reiner Spiritus verwendet. Dies natürlich unter Mithilfe einer Bürste.

Öl- und Fettflecken wurden mit Hilfe von Benzin entfernt, in dem man unter und auf den Stoff ein Löschblatt legte, in welchem das gelöste Fett oder Öl haften bleiben sollte. Um genügend Druck auf den Stoff zu erzeugen, wurde das kalte Bügeleisen auf die Stelle gedrückt.

Obstflecken auf weissem Tuch wurde man mit Schwefeldämpfen los, in dem man ein Stück Schwefel in einer Schale anzündete und den Dampf durch das zuvor angefeuchtete Tuch hindurch einwirken lies. Farbige Stoffe liessen sich so nicht reinigen, da der Schwefeldampf den Farbstoff mit hinausgelösten. In diesem Falle wurde mit Wasser verdünnter Salmiak verwendet.

Rotweinflecken liessen sich im noch nassen Zustand mit darübergestreutem Salz und Essig oder Rum herausreiben. Getrocknete Rotweinflecken wurden mit Salmiakgeist und warmen Wasser herausgewaschen.

Rostflecken, welche wir heute meist auf originalen Kleidungsstücken finden können, wurden kurzerhand über kochendes Wasser gehalten und mit pulverisiertem Meersalz bestreut. Eine andere Möglichkeit war die Bestreuung mit Zinnsalz. Beide Varianten mussten aber sofort mit reinem Wasser grosszügig nachgespült werden.

Eingetrocknete Tintenflecken bekämpfte man am besten mit verdünnter Weinsteinsäure, welche man in der Drogerie auch heute noch bekommen kann. Der Fleck wurden so lange damit behandelt, bis dieser verschwunden war. Danach wurde das ganze mit lauem Wasser ausgespült. Frische Tintenflecken wurden in süsse Milch oder Buttermilch eingelegt. Auch in diesem Fall wurde die behandelte Stelle mit lauem Wasser nachgespült.

Teer- und Wagenschmiere bestrich man mit Butter oder Schweinefett. Nach mehreren Stunden konnte das Stück normal gewaschen werden. Sollten sich danach immer noch Flecken auf dem Kleidungsstück befunden haben, wurde wie bei Öl- und Fettflecken Benzin zur Reinigung verwendet.

Kaffe- und Teeflecken auf Seidenstoffen und feinen Baumwollstoffen wurde durch den Einsatz von reinem Glycerin beseitigt. Nach dem auswaschen mit warmem Wasser wurde das Kleidungsstück noch feucht auf der Linken Seite gebügelt.

Um Krägen und Manschetten wieder strahlend weiss zu bekommen, wurden die Stücke mit einer Lösung aus Kernseife und Salmiak eingerieben und mit lauem Wasser ausgespült.

Ein weiteres vortreffliches Fleckenwasser wurde zudem aus den folgenden Komponenten zusammengestellt:

30gr Salmiakgeist, 30gr Weingeist, 4gr Lavendelöl und 15gr Regenwasser. Alles gut vermischt und geschüttelt half bei vielen anderen Flecken auf baumwollenen und leinenen Stoffen. Javelle gab es übrigens schon vor 100 Jahren und wurde unter dem Namen Eau de Javelle in Drogerien verkauft.

Waschküche

Waschküche anno 1914

Was wurde gestärkt und weshalb?

Stärke wurde hauptsächlich bei Kleidungsstücken verwendet, welche stärkerer Verschmutzung ausgesezt waren. Neben Krägen und Manschetten, auch Hauben und Schürzen der Bediensteten, sowie auch Tischtücher. Beim Stärken unterschied man jedoch nur in welcher Konzentration die Stärke verwendet wurde und ob diese gekocht oder ungekocht zum Einsatz kam. 

Mit gekochter Stärke wurden Kleider, Vorhänge, Schürzen, Tischtücher und zum Teil auch Laken. 

Mit ungekochter Stärke wurden Krägen, Manschetten, Herrenhemden, Brüste und weisse Frackwesten. Die gewaschenen und mit ungekochter Stärke behandelten Teile wurden noch im fechten Zustand gebügelt und geplättet. Die Krägen wurden zudem Glanzgeglättet. Gestärkt wurde prinzipiell dazu, dass die Teile weniger rasch wieder schmutzig und auch von der Abnützung geschützt wurden.

Wie stärkt man.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten seine Sachen zu stärken. Um Hemden und Westen zu stärken kann man heute flüssige Stärke kaufen, die man einfach beim Waschen in der Waschmaschine beifügen kann. 

Manschetten, Krägen und Brüste müssen aber viel stärker gestärkt werden, damit diese richtiggehend "hart" werden. Ist ein Kragen zu wenig gestärkt, wirft er Falten oder knickt ein. Dazu lassen sich die handelsüblichen Stärken nicht verwenden, da dise zu wenig stark stärken.

Bei unseren ersten Versuchen haben wir gemäss alten Hauswirtschaftsbüchern Reis, Weizen und Maisstärke verwendet. Das Resultat war für Manschetten und Brüste sehr ansprechend, jedoch reichte der Stärkegrad für Vatermörder und anderer Kragentypen nicht aus. Auf der Suche nach alten Stärkemitteln sind wir auf noch Originalverpackungen einer der ersten industriell hergestellten Stärke von 1900 gestossen und zwar von der Firma Hoffmann's. Diese Firma gibt es übrigens heute auch noch und sie stellt flüssige Stärke in unterschiedlichen Härtegraden her.

Stärkematerial für Wäsche

Bild: Originalkiste mit Verpackungspaketen der Firma Hoffmanns um 1900.

Ein Bekannter konnte kurze Zeit später mehrere Packungen von alter Stärke der Firma F. Remy & Cie erstehen, mit welchen wir die folgendend gezeigten Teile gestärkt haben.

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Man nehme einen halben Liter lauwarmes Wasser und streut etwa 80gr Stärkemittel ein, in diesem Fall jenes der Firma F. Remy & Cie, bis es eine leicht cremig anfühlenden Mischung entsteht. Darin wird das schon feuchte Tuch (Kragen, Brust oder Manschette) eingetaucht und gut durchgeknetet. Danach lässt man das Stück noch etwa 5 Minuten in der Lösung liegen. Es empfiehlt sich übrigens die Mischung nach Beendigung der Arbeiten zu entsorgen, da diese nach ein paar Tagen ganz übel anfängt zu riechen.

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Dass nun mit der Lösung getränkte Tuch wird von Hand ausgerungen und auf einem Frottetuch ausgebreitet. Hier kann man allenfalls sichtbare Rückstände der Stärke entfernen, die sich nicht ganz im Wasser gelöst haben. Nach dem auslegen der Brust die andere Hälfte des Frottetuchs darüber legen und mit dem Bügeleisen auf höchster Stufe bügeln. Niemals direkt mit dem heissen Bügeleisen auf das zu bügelnde Stück fahren, da das heisse Eisen unverzüglich kleben bleibt.

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Da die Brüste oftmals mit Zierfalten versehen sind, sollte man immer wieder nachkontrollieren, ob die Falten richtig liegen. Von Hand gebügelt wird so lange, bis das Stück eine saubere und gebügelte Oberfläche aufweist. Erst danach sollte man, wenn vorhanden, auf eine Mangel wechseln. Mit 3/4 Hitze lässt man die Brust, immer noch im Frottetuch eingepackt, so lange durchlaufen, bis diese komplett trocken ist. Sollte man sich bei einem der Vorgänge eine Falte eingebügelt haben, kann man meist wieder von vorne beginnen. Falten in stark gestärkten Stücken lassen sich kaum mehr rausbügeln. Auch nicht mit einer Mangel.
Wer keine Mangel zur Verfügung hat, kann den ganzen Vorgang auch mit einem Bügeleisen bewerkstelligen. Dies dauert einfach etwas länger. Leider ist es bei diesem Verfahren ohne Mangel kaum möglich, dass die gestärkte Brust oder auch die Manschette zum Schluss glänzt und somit auch möglichst viel Schmutz abweisen kann. (Glanzglätten) Aber das Resultat lässt sich trotzdem verwenden.

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Vatermörder kann man prinzipiell gleich stärken, wie schon bei der Brust beschrieben. Auch hier wird der Kragen zuerst von Hand in Form gebracht und danach in einem Frottetuch eingepackt mit dem Bügeleisen geglättet. Die ersten Durchläufe der Mangel sollte man den Kragen auf der Linken Seite pressen. Hier ist es wichtig, das der Kragen gerade bleibt. Ist der Kragen fast trocken, nimmt man diesen aus dem Frottetuch, dreht diesen auf die rechte Seite, um mit Hilfe der Mangel diesen in die fertige, runde Form zu bringen.

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Ist der Kragen trocken und in Form, kann man die Temperatur auf das Maximum hochdrehen und den Kragen noch Glanzglätten.
Leider hat sich bei unseren ersten Versuchen ohne Mangel gezeigt, dass es äusserst schwierig ist, einen von Hand gerade gebügelten und gestärkten Kragen in die runde Form zu bringen. Durch die Stärke knickte er meistens an ein paar Stellen ein und erzeugt auf der Innenseite Blasen, die beim tragen sehr unangenehm sein können.

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Fertig zum Einsatz: Gestärkter Vatermörder und Brust

Filmbeitrag Hemdkragenstärken anno 1900. Link

 

Wir immer können alle hier geziegten Kleider und Accessoires bei uns gemietet werden.

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