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Kriegsschäden und Ereignisse in Basel 1944 / 1945 - Teil 1

Juli 1944 bis 31. Dezember 1944

Einleitung

Bei meinen Recherchen zu den Bombardierungen in Basel in den Jahren 1940 und 1945 sowie den Ereignissen rund um die Bombardierung und teilweise Zerstörung des Stauwehrs Kembs am 7. Oktober 1944 stiess ich auf zahlreiche Dokumente, die belegten, dass die Schäden an Gebäuden und der Verlust von Menschenleben sich nicht ausschliesslich auf die genannten drei Termine beschränkten. Insbesondere im Zeitraum ab dem 7. Oktober 1944, dem Tag des Angriffs und zugleich der Ouvertüre zur Befreiung des Oberelsass, bis zum Kriegsende kam es im Kanton Basel-Stadt zu zahlreichen Schäden durch Granaten unterschiedlichster Art sowie durch Blindgänger.

Während im Oktober vor allem Flakgranaten Schäden verursachten, handelte es sich ab Ende November 1944 zunehmend auch um Artilleriegranaten. Diese wurden während der Gefechte um die Befreiung des Oberelsass entlang der Schweizer Grenze abgefeuert und richteten auf Schweizer Territorium sowohl an Gebäuden als auch an Menschen Schaden an.

In den kommenden Monaten werde ich hier fortlaufend verschiedene Ereignisse veröffentlichen und wie gewohnt zur Verfügung stellen.

Bekanntmachung des Truppenkommandos Basel, angeschlagen an einem Baum - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/733 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker


12. Juli 1944

Morgens um 01:35 wurde Basel ein weiteres mal aus dem Schlaf gerissen, als britische Bomber Basel in Richtung Rheinfelden überflogen. Die Schweizer Fliegerabwehr kam nicht zum Einsatz. Um 02:15 ertönte der Endalarm.

Kurz nach Mittag, um 12:15 Uhr, ertönten erneut die Sirenen in Basel. Amerikanische Bomber gerieten vor und nach der Bombardierung von Zielen im Elsass, nahe der Schweizer Grenze, über Schweizer Hoheitsgebiet. Eine Anzahl mehrmotoriger Bomber flog teils im Tiefflug von Frick und Zwingen kommend über Basel, woraufhin die Schweizer Fliegerabwehr im Raum Laufen (Flab Rgt. 25 - Flab Abteilung 39) und auf dem Gempen (Flab Rgt. 21 - Flab Abteilung 37) das Feuer eröffnete, ohne sichtbare Schäden an den Bombern anzurichten. 

Die Detonationen im nahen Elsass waren in Basel als ohrenbetäubender Lärm zu vernehmen.

Bericht der Armee

Flak-Splitter fielen auf Schweizer Gebiet

Als das Flak-Feuer von jenseits der Landesgrenze ertönte. Alle Neugierigen, die auf Strassen, Dächern und aus allen Fenstern ihre Hälse streckten, sofort eingehen sein mussten, dass nun plötzlich Gefahr für Leib und Leben bestand. Denn das Bellenn der Geschütze klang teilweise sehr bedrohlich nahe. Man hörte auch hier und da ein mahnendes Wort. Wie recht diese Warner hatten, geht aus der Tatsache hervor, dass nach Feststellung bis Mittwochabend ein Blindgänger und ein Granatsplitter auf Basler Stadtgebiet eingeschlagen haben. In der Liegenschaft Mittlere Strasse 35 durchschlug ein Blindgänger das Haus und fiel auf die Treppe zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk. Es handelt sich um ein sechs 16,5 cm langes Geschoss aus einer 3,7 cm Flak 37 (deutsches Geschoss), das nur geringen Schaden anrichtete und niemanden verletzte. Ein grösserer Granatsplitter durchbohrte eines der Dächer der Firma Thomi & Frank AG an der Horburgstrasse. Auch hier entstand nur unwesentlicher Sachschaden. Es muss also in beiden Fällen als glücklicher Zufall bezeichnet werden, dass keine Menschen verletzt wurden. Der Bomber war auf dem Weg nach Basel dem Rhein gefolgt. Über der Gegend von Rheinfelden und Augst geriet er ebenfalls in heftiges Abwehrfeuer zahlreicher Flakkanonen auf der badischen Uferseite. Die Bewohner auf der schweizerischen Seite wurden durch dieses Feuer so sehr beunruhigt, dass sie ihrer Neugier nachgaben und ihre Keller aufsuchten. 

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Um 14:35 Flugplatz meldet der Flugplatz Sternenfeld in Birsfelden die Landung eines USA Bombers - 10 Mann Besatzung, von denen 2 verletzt.

Die von 1st Lt Thomas P. Vann pilotierte B-24 der 8th Air Force, 389th Bomb Group mit dem Kennzeichen EE-K war auf dem Weg nach München noch vor dem Erreichen des Ziels in schweres Flakfeuer geraten, der Motor 3 lahmlegte. Kurz vor dem Bombenabwurf trafen weitere Geschosse Motor 4 und den Rumpf, wodurch der Navigator 1st Lt Leon Rosenthal und Stone selbst verletzt wurden. Trotz erfolgreichem Bombenabwurf konnte die beschädigte Maschine die Formation nicht mehr halten und verlor deren Schutz. Da die Besatzung befürchtet, leichte Beute von deutschen Jägern zu werden, entschied die Crew, in die Schweiz zu fliegen. Sie erhielten Geleitschutz von zwei Mustangs bis zur Grenze und landeten sicher in Birsfelden, nachdem das schlechte Wetter eine Landung in der Ostschweiz verhindert hatte. Beim Anflug auf den Flugplatz in Birsfelden geriet das Flugzeug jedoch unter Beschuss der deutschen Flak. 

Besatzung:

  • Pilot: Thomas P. Vann, Jr., 1st Lt
  • Copilot: Robert N. Stone, 2nd Lt
  • Navigator: Leon Rosenthal, 1st Lt
  • Bombardier: David J. Brick, 1st Lt
  • Bordmechaniker: Earl Field, T/Sgt
  • Funker: William F. Dwyer, Jr., S/Sgt
  • Kugelturm-Schütze: Perry V. Trotter, S/Sgt
  • Rechter Bordschütze: Glen W. Cusic, S/Sgt
  • Linker Bordschütze: Roland H. Rhodes, S/Sgt
  • Heckschütze: George A. Ristom, S/Sgt

Um 15:45 Uhr ertönte der Endalarm

 

 


11. September 1944

Da sich der Krieg Basel näherte, war dies nicht nur am Anstieg der täglichen Fliegeralarme zu spüren, sondern auch daran, dass die Rheinbrücken – wie schon 1939 und 1940 – verstärkt bewacht und Abwehrmassnahmen installiert wurden.

Am 5. September 1944 stellte das im Hotel Central untergebrachte Territorialkommando Basel beim Kommando des 2. Armeekommandos den Antrag, die Basler Rheinbrücken wieder bewachen und verminen zu lassen, um einer möglichen Umgehung über die Rheinbrücken durch beide Kriegsparteien entgegenzuwirken.

Tanksperre auf der Mittleren Brücke - Staatsarchiv Basel-Stadt NEG 21899 - Koloierung Patrick Schlenker

Die Bewachung sollte durch die HD-Bewachungskompanie 11 übernommen werden. Folgende Aufträge wurden dabei ausgelöst:

  • HD-Bew. Kp. 5 und 8 werden über Aufgebotsplakate aufgeboten.
  • HD-Bew. Kp. 5 übernimmt die Objektsicherung an der Birs und löst Kp. 22 ab.
  • HD-Bew. Kp. 8 bleibt vorläufig als Reserve im Pestalozzi-Schulhaus.
  • HD-Bew. Kp. 22 stellt eine Flugplatzwache am Sternenfeld (5 Mann) und löst HD-Bew. Kp. 11 am Bahnhof SBB ab.
  • HD-Bew. Kp. 11 verlegt nach der Ablösung nach Binningen als Reserve.

Fesselballon mit Schweizer Kreuz zur Luftraumischerung und markierung der Schweizer Landesgrenzen bei Wasserwerk Basel - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Im grenznahen St. Louis kam es immer wieder zu Angriffen amerikanischer Tiefflieger, die Hauptstrassen und Züge mit ihren Bordwaffen unter direktes Feuer nahmen. Betroffen waren auch Züge, die aus Deutschland in die Schweiz einfuhren, sodass die Schäden an einfahrenden Zügen deutlich sichtbar waren. 

Der 11. September war ein eher unruhiger Tag für die Basler. Nachdem bereits am 8. September viermal Fliegeralarm ausgelöst worden war, ertönten die Sirenen am 11. September ebenfalls mehrmals.

  • 10:06 bis 11:21 Uhr
  • 12:49 bis 14:20 Uhr
  • 14:34 bis 16:04 Uhr

Während des letzten Alarms konnten im Gebiet von Grenzach mehrere starke Detonationen gehört und eine dichte Rauchentwicklung beobachtet werden. Infolge des Einsatzes der deutschen Luftabwehr schlug ein Flakgeschoss oder dessen Überreste in das Dach des Gebäudes an der Hirzbodenstrasse 42 ein und beschädigten es.

Am 9. September 1944 schrieb Gertrud Löw, wohnhaft Ziegelstrasse 8 in Basel in ihr Kriegstagebuch:

"Das Näherrücken des Krieges spüren und hören wir in vermehrten (Flieger-)Alarmen (4 bis 8 mal täglich), in fast täglichen „Grenzverletzungen“ durch fremde Flugzeuge, in zweistündigem Patrouillenfliegen von zwei kleinen schweizerischen Jagdmaschinen in der Luft, in viel Soldaten um uns herum in der Stadt und in den Garagen im Hof (hinter unserem Haus), an den Barrikaden-Geschichten (Sandsäcke und Stacheldraht en masse im Spalentor u.a.m.) und einer allgemeinen, aufgeregten Unruhe. Auch die Kinder, die teilweise in anderen Schulhäusern Schule haben, weil in vielen Militär einquartiert ist, sind „am Drähtchen“. Wie muss erst das Kriegsgeschehen auf das sensible Kindergemüt (im Ausland) einwirken! "

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Bombardierung Schnellzug Zürich - Basel bei Pratteln

National Zeitung vom 12. September nach dem Angriff auf den Schnellzug Zürich - Basel - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Um 14:35 Uhr greifen drei amerikanische Jagdflugzeuge den Schnellzug von Zürich nach Basel zwischen Augst und Pratteln an. Mit Bordwaffen und leichten Bomben ausgestattet, nehmen sie den Zug ins Visier.

Kurz zuvor hatten dieselben drei Flugzeuge bei Augst bereits mehrere kleinere Bomben auf die Bahnanlagen abgeworfen. Zwei Bomben trafen links und rechts den Bahndamm am Südrand von Augst. Dabei blieben die Gleise unbeschädigt, jedoch wurde die Oberleitung heruntergerissen. Grössere Schäden an Wohnhäusern und der Umgebung wurden gemeldet. So wurden Fensterscheiben eingedrückt, Ziegel von den Dächern geschleudert, und Fensterläden hingen lose an ihren Verankerungen. Eine Frau erlitt eine Knieverletzung und musste ins Krankenhaus in Liestal gebracht werden.

Zwei weitere Bomben schlugen etwa 1 km ausserhalb von Augst auf freiem Ackerland ein, entwurzelten mehrere Bäume und beschädigten weitere. Die rund 150 Meter entfernten Häuser an der Ergolzstrasse wurden teils durch Splitter, teils durch den Luftdruck beschädigt. Vier weitere Bomben fielen zwischen Augst und Pratteln auf den Bahndamm. Zwei davon richteten nur Flurschäden an. Die auf dem Feld arbeitenden Bauern konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, allerdings wurde ein Pferd von einem Splitter verletzt.

Die anderen beiden Bomben trafen die Gleise und rissen die Bahnschwellen aus dem Boden, wodurch die Oberleitung zerstört wurde. Der Lokführer des Schnellzugs aus Zürich, der um 14:42 Uhr in Basel hätte eintreffen sollen, leitete geistesgegenwärtig eine Notbremsung ein, die den Zug rechtzeitig zum Stehen brachte. Auch hier richtete die Druckwelle Schäden an. Viele Zugfenster zerbarsten, und die umherfliegenden Glassplitter verletzten mehrere Fahrgäste. Weitere Passagiere wurden infolge der Notbremsung verletzt.

Der Lokführer, der nach dem Halt am Boden des Führerstandes der Lok Schutz suchte, wurde ebenfalls verletzt. Die Lok wies mehrere Einschüsse von Bordwaffen auf, nachem die amerikanischen Flieger nach dem abwurf ihrer Bomben mit Bordwaffen den Zug unter Feuer genommen hatten.

Fotografie, Bombardierung der Bahnlinie nach Augst - Kulturgüterportal Baselland - Inventarnummer D2.7547 - Fotograf Strübin, Theodor - Die Fahrleitung und die Geleise werden wieder Instand gesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


7. Oktober 1944

Im September 1944 erhielt das Bomber Command vom Alliierten Hauptquartier (SHAEF) den Auftrag, das Rheinstauwehr bei Märkt, etwa 3 Kilometer nördlich von Basel, zu bombardieren und zu zerstören. Ziel war es, den Deutschen die Kontrolle über den Rhein und dessen Pegel zu entziehen. Die Alliierten gingen davon aus, dass die Deutschen das Wehr selbst sprengen würden, um die vorrückenden französischen und amerikanischen Truppen aufzuhalten, indem sie weite Gebiete unter Wasser setzten, wie sie es bereits in Frankreich und Holland getan hatten. Die Geschichte des Stauwehrs reicht bis in die frühen Kriegsjahre zurück: 1939 zerstörten die Franzosen den Fahrsteg nach Deutschland, und 1940 beschädigten sie Teile des Wehrs während der Kämpfe um Colmar.

Der Angriff auf das Wehr fand am 7. Oktober 1944 statt. Die 617. Bomberstaffel, bekannt als die "Dam-Busters", führte den Angriff aus. Die Staffel war bereits für die Zerstörung von Talsperren im Ruhrgebiet verantwortlich gewesen und spielte später eine Rolle bei der Versenkung des Schlachtschiffs Tirpitz. 13 viermotorige Lancaster-Bomber wurden für den Angriff mit je einer Tallboy-Bombe ausgerüstet, die speziell für solche Ziele entwickelt worden war und etwa 6 Tonnen wog. An diesem Tag flogen rund 5.000 alliierte Flugzeuge Einsätze gegen das Deutsche Reich und seine Verbündeten.

Die Angriffsstrategie bestand aus zwei Wellen: Sechs Lancaster-Bomber griffen im Tiefflug aus einer Höhe von 100 bis 125 Metern an, unterstützt von P-51 Mustang-Jägern, die zur Ablenkung und Zerstörung der deutschen Flak-Stellungen eingesetzt wurden. Die zweite Welle von sieben Lancaster-Bombern griff aus einer Höhe von 1.500 bis 2.500 Metern an. Der Himmel über dem Zielgebiet war bald von Flak-Geschossen und Leuchtspurmunition übersät, doch deutsche Jagdflugzeuge erschienen während des gesamten Angriffs nicht, sodass sich die Jäger vollständig auf die Bekämpfung der Luftabwehr konzentrieren konnten. Berichten zufolge waren 14 bis 16 Mustangs im Einsatz, die den Angriff absicherten.

Luftaufnahme aus einem Lancaster Bomber während des Angriffes - Foto Schweizerisches Bundesarchiv BAR - Kolorierung Patrick Schlenker 

Während des Angriffs auf das Rheinstauwehr bei Märkt am 7. Oktober 1944 wurde die von F/Lt Christopher Howard geflogene Lancaster Mk.III, Kennung LM.482, Code KC°Q, schwer beschädigt. Beim ersten Anflug konnte die Tallboy-Bombe nicht abgeworfen werden, weshalb Howard zu weiteren Anläufen ansetzte. Beim dritten Versuch wurde die Maschine von Flakgeschossen getroffen, die den hinteren Rumpf in Brand setzten. Howard versuchte noch eine Notlandung, doch die Lancaster explodierte über den Baumwipfeln und stürzte zwischen Efringen und Kirchen nahe des Rheins ab. Keiner der Besatzungsmitglieder überlebte den Absturz.

Die Flakbatterie, die Howards Lancaster traf, war eine Heimatflak-Batterie 37/VII, deren Batteriebefehlsstelle in Istein lag. Diese Batterie wurde hauptsächlich von Schülern der Jahrgänge 1926-1928 aus den Gymnasien und Oberschulen der Region betrieben, aufgeteilt in Luftwaffenhelfer-Züge. Ein weiterer Zug bestand aus elsässischen Zwangsrekrutierten, die ebenfalls gegen die Angreifer eingesetzt wurden.

Je länger das Bombardement andauerte, desto schwächer wurde das Flakfeuer, da viele Flakstellungen durch die angreifenden Jäger ausgeschaltet wurden. Die Lancaster-Bomber warfen ihre Bomben nacheinander ab und zogen sich dann zurück. Um 17:10 Uhr meldete ein Schweizer Beobachtungsposten in Kleinhüningen, dass ein weiterer Bomberverband aus Richtung St. Louis anflog. Einer der Bomber brach aus dem Verband aus, flog nochmals im Tiefflug über das Wehr und drang in den Schweizer Luftraum ein, woraufhin die Schweizer Flak das Feuer eröffnete und den Bomber zum Abdrehen zwang. Drei Minuten später war der Luftraum wieder klar.

Um 17:14 Uhr wurde im Elsass Entwarnung gegeben, und der Wasserstand am Wehr wurde als normal gemeldet, ohne sichtbare Schäden an Kraftwerk und Wehr. Die restliche Bombenladung von Howards abgestürzter Lancaster explodierte um 17:23 Uhr zwischen Efringen und Kirchen, was eine gewaltige Detonation auslöste. Die Druckwelle liess in Basel und Kleinhüningen zahlreiche Fensterscheiben zerspringen, und Luftschutzsoldaten wurden zu Boden geworfen.

Um 17:35 Uhr wurde erneut Flugzeuglärm aus Richtung Laufen gemeldet. Eine einzelne Mosquito warf eine weitere Bombe auf das Wehr. Nachdem sich die Gischt gelegt hatte, stellte man fest, dass der eiserne Laufsteg auf der elsässischen Seite abgerissen war. Trotz Flakfeuer flog die Mosquito ein weiteres Mal über das Ziel und entfernte sich schliesslich um 17:42 Uhr in Richtung Westen. Kurz darauf wurde gemeldet, dass weitere Bomben beim Stauwehr explodiert seien, die bis zu 150 Meter hohe Wasserfontänen verursachten, jedoch ohne sichtbare Schäden zu hinterlassen.

Gegen 17:45 Uhr flogen erneut zwei Mosquito-Bomber, darunter die Mosquito KB.215, Code AZ°H der 627 Squadron, unter dem Kommando von F/Lt Hanlon und der Navigation von F/Lt K.G. Tice, in Richtung des Rheinstauwehrs bei Märkt. Diese Mosquitos waren von der RAF Film Production für Luftaufnahmen des Zielgebiets entsandt worden. Die Flugzeuge kreisten längere Zeit über dem Wehr, um die Zerstörungen festzuhalten. Die erhaltenen Aufnahmen, die im Imperial War Museum London aufbewahrt werden, zeigen detailliert das Stauwehr und dokumentieren die Auswirkungen des Angriffs.

Hanlon berichtete später, dass sie zweimal über das Wehr flogen: einmal um 17:40 Uhr in einer Höhe von 3.000 Fuss und erneut um 17:51 Uhr in 6.000 Fuss. Beim ersten Überflug konnten sie eine Explosion auf der Südseite des Wehrs beobachten. Neun Minuten später ereignete sich eine weitere Explosion, die einen Teil des Wehrs zerstörte und das Wasser durch das beschädigte Wehr strömen liess.

Kurz bevor die Mosquitos um 17:48 Uhr abdrehte, explodierte eine weitere Bombe mit Zeitzünder auf der linken Seite des Wehrs. Diese Explosion, die auf den Originalaufnahmen deutlich zu sehen ist, führte dazu, dass das Wehr zwischen dem ersten und zweiten Pfeiler erheblich beschädigt wurde. Der Druck auf das Wehr war so gross, dass es nicht mehr standhalten konnte und der Bereich zwischen den Pfeilern brach weg.

 

Zerstörte Teile des Stauwehrs - Foto Archiv Weil am Rhein

Um 17:57 Uhr wurde in Basel der Wasseralarm ausgelöst, nachdem die Zerstörung des Rheinstauwehrs bei Märkt durch die Alliierten Bombenangriffe festgestellt worden war. Sofort trat der im Voraus entworfene Rettungsplan in Kraft, um die Auswirkungen der Beschädigung des Wehrs zu bewältigen.

Um 18:04 Uhr ging die Meldung bei der Ständigen Feuerwache Basel ein, woraufhin sechs Einsatzkräfte das Löschboot „St. Florian“ besetzten. Das Boot fuhr schnell zum Hafenbecken am Dreiländereck. Beim Ablegen des Bootes war der Rheinpegel bereits um 40 cm gefallen. Um 18:20 Uhr hatte der Pegel um 1,22 Meter nachgelassen, und bis 18:30 Uhr betrug der Rückgang bereits 1,52 Meter. Bis 19:28 Uhr wurde eine maximale Wasserabsenkung von 3,40 Metern unter dem Pegel von vor dem Angriff erreicht.

Am folgenden Tag war der Pegel immer noch um 0,56 Meter gesenkt. Ein stetiger Strom bildete sich zwischen dem Hafenbecken und dem Rhein, und an vielen Stellen trat der Grund des Rheins hervor.

Gestrandete Schiffe im Hafenbecken 1 - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/104 (Foto Jeck Basel)

Mit aller verfügbaren Kraft versuchte man, so viele Schiffe wie möglich aus den betroffenen Hafenbecken in tiefere Gewässer zu verlegen. Zunächst wurde erfolgreich eine Formation von acht Schiffen aus dem Wendebecken gezogen. Weiterhin konnten 15 Schiffe aus dem II. Hafenbecken in das I. Hafenbecken gerettet werden. Für 15 weitere Kanalschiffe im Hafenbecken 2 und 4 sowie im Zufahrtskanal reichte die Zeit nicht mehr, und diese mussten zurückgelassen werden. Unter den zurückgelassenen Schiffen war auch ein italienisches Hochsee-Segelschiff, das während des Krieges in Basel gestrandet war. Das Hafenbecken 2 war vollständig entleert. Das Löschboot „St. Florian“ konnte zudem das Personenschiff „Rheinfelden“ rechtzeitig bergen.

Ein Kiesschiff löste sich aufgrund des starken Sogs und trieb führerlos im Hafenbecken. Dank raschem Eingreifen konnte auch dieses Schiff rechtzeitig gestoppt werden. Der zurückgeschnellte abgerissene Draht verursachte glücklicherweise keine Verletzungen. Viele Zivilisten halfen ebenfalls bei der Bergungsaktion.

Aufgrund des rasch gesunkenen Pegels musste das Löschboot „St. Florian“ die Nacht im Hafenbecken I verbringen. Erst am Sonntagmorgen konnte es, nach Überprüfung des aktuellen Pegelstands, zu seinem ursprünglichen Liegeplatz am Totentanz zurückkehren.

Sicht Richtung Johanniterbrücke in Basel bei einem Pegel von rund 60cm im Oktober 1944 - Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/3/643 (Foto Jeck Basel)

Fliegermord an einer Royal Air Force Besatzung

Von den 13 gestarteten Lancaster-Bombern kehrten nach dem Angriff aus das Stauwehr zwei nicht nach England zurück, und drei weitere landeten schwer beschädigt. Eines der vermissten Flugzeuge, die Lancaster Mark III (LM482) unter dem Kommando von Pilot Chris Howard, wurde von der deutschen Flak-Artillerie am Isteiner Klotz getroffen und stürzte in einen Weinberg bei Efringen-Kirchen. Alle acht Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. 

Das zweite Flugzeug, eine Lancaster B I NG180/KC-S unter der Führung von Pilot Drew Wyness, wurde ebenfalls getroffen und musste nach einem schweren Beschuss in den Altrhein bei Kembs/Märkt notwassern. Vier der sieben Besatzungsmitglieder konnten sich mit einem Schlauchboot retten, wurden jedoch von der starken Strömung durch das zerstörte Wehr in Richtung Rheinweiler abgetrieben. Dort wurden sie von lokalen Bewohnern aufgegriffen und gefangengenommen. Das weitere Schicksal dieser vier Männer führte zu einem der grausamsten Kriegsverbrechen der Region.

Hugo Grüner, der NSDAP-Kreisleiter von Müllheim, Lörrach und Thann, spielte eine zentrale Rolle in den Ereignissen, die sich in Rheinweiler an jenem Tag abspielten. Als Grüner von der Gefangennahme der britischen Flieger erfuhr, begab er sich eigenmächtig nach Rheinweiler, obwohl die zuständige Gendarmerie bereits den Luftwaffenstützpunkt Freiburg über die Gefangenen informiert hatte. Grüner handelte ohne Rücksprache und entschied, die Gefangenen unter dem Vorwand, sie nach Schliengen zu bringen, abführen zu lassen. Er ordnete an, dass die Gefangenen in einem Abstand voneinander von den anwesenden Gendarmen und einem Landwachmann Richtung Schliengen marschiert werden sollten. Doch anstatt sie wie angekündigt an die Luftwaffe zu übergeben, liess Grüner die Flieger auf dem Weg dorthin stoppen und erschoss sie eigenhändig am Rheinufer.

Die Namen der vier ermordeten britischen Soldaten, deren Leichen später im Rhein gefunden wurden, waren: Squadron Leader Drew Rothwell Cullen Wyness, Flight OFFI (Forces Françaises de l'Intérieur)cer Bruce James Hosie, Flight Lieutenant Ronald Henry Williams und Flying OFFI (Forces Françaises de l'Intérieur)cer Herbert Walter Honig. Ihre Leichen wurden an verschiedenen Stellen am Ufer des Rheins angeschwemmt und später auf Militärfriedhöfen beigesetzt. Die anderen drei Besatzungsmitglieder, Flight Sergeant Thomas James Hurdiss, Flight Sergeant Thomas Horrocks und Flying OFFI (Forces Françaises de l'Intérieur)cer George Edward Cansell, blieben bis zum heutigen Tag verschollen. Ob sie bei der Notwasserung ums Leben kamen oder später starben, konnte nie geklärt werden. Ihre Grabsteine auf dem Runnymede Air Force Memorial in Egham, Grossbritannien, sind die einzigen Hinweise auf ihr Schicksal.

Nach dem Krieg wurden die Beteiligten an diesem Verbrechen, neben Grüner auch Hans Reimer, Rudolf Birlin und Karl Bohny, die in der Gendarmerie von Schliengen dienten, von den französischen und englischen Militärgerichtsbehörden sowie der Zentralstelle in Ludwigsburg untersucht. Es konnte jedoch nie eine juristische Verurteilung erfolgen, und die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen.

Diese Verbrechen blieben lange Zeit weitgehend unbekannt, erst neu entdeckte Dokumente in verschiedenen Archiven erlaubten eine fast vollständige Rekonstruktion der Ereignisse. Die Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel der Regionalgeschichte ist jedoch unvollständig. Bis 2017 erinnerte eine Gedenktafel am Westwall-Bunker am Stauwehr Kembs/Märkt an die britischen Opfer, doch diese wurde entfernt, ohne durch ein neues Gedenken ersetzt zu werden.

Mehr dazu gibt es im Beitrag von BERND HAINMÜLLER: Ein Kriegsverbrecher im Markgräflerland

Einen ausführlichen Beitrag zur Bombardierung gibt es dazu auf der Webseite der "The Royal Air Force over Switzerland 1940-1945". 

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Gertrud Löw-Allemann, schrieb am 7. Oktober 1944 in ihr Tagebuch: 

Diesmal haben auch wir Basler wieder etwas vom Krieg gespürt. Das war ein fürchterliches Krachen, wie anno 40 nur ganz anders, weil von Bomben herrührend. Es zitterten bei uns die Fenster und bebten die Häuser. Aber es dauerte nicht sehr lang. (Ich selbst erinnere mich noch ganz genau an diesen Angriff auf das Kembser Stauwehr. Ich befand mich auf dem Heimweg von der Schule und zwar auf der Burgfelderstrasse entlang des heutigen Kannenfeldparkes zwischen der Strassburgerallee und dem Felix Platterspital, als mich eine sehr starke Druckwelle fast zu Boden warf. Und das, obwohl schon Endalarm gegeben worden war).   

Obwohl vor allem der rasche Pegelabfall zu reden gab und Basel beschäftigte, hatte der Angriff auch Auswirkungen auf die Bevölkerung der Stadt. Es gingen dutzende von Schadenmlendungen ein. 

Insgesamt gab es infolge der Detonationen und durch Flakgeschosse im ganzen Statdgebiet 32 Meldungen über Gebäudeschäden.

Schadensübersicht Kanton Basel-Stadt durch Granatsplitter und Blindgänger der deutschen Flak-Geschosse - Plan Geoportal Basel-Stadt / historische Karte 1940 - Bearbeitung Patrick Schlenker

In der Elsässerstrasse 256, bei Stächelin & Cie und an der Petersgasse 32, bei Velo Bohn, wurden durch die enorme Druckwelle der Detonationen der Bomben grosse Schaufenster zerstört. Weitere Schäden traten an verschiedenen Orten auf, darunter Eisengasse 16, Bachburgerstrasse 8, Kleinhüningerstrasse 169, Jungstrasse 4, Kannenfeldstrasse 23, Am Blumenrain 23/25, Septerstrasse 15, Feldbergstrasse 122, Hüningerstrasse 76, Wintergasse 9, Gotthardstrasse 111, Friedensgasse 4a, Grenzacherstrasse 292, Müllheimerstrasse 41, St. Albananlage 13, Kleinhüningeranlage 168, Wattstrasse 5, Schanzenstrasse 7-13, Lichtstrasse 35, Elsässerstrasse 91 & 258, Feldbergstrasse 126, Kleinriehenstrasse 54, Hammerstrasse 105 sowie in Riehen an der äusseren Baselstrasse 23. Die Gesamtschäden an den Gebäuden im Kanton Basel-Stadt beliefen sich damals auf 33'123,85 CHF, was heute etwa 350'000,00 CHF entspräche.

Zusätzlich wurden mehrere Kanalschiffe beschädigt, darunter die „Bernoulli“ der Basler Schifffahrts AG sowie die „Thur“, „Reuss“, „Lütschine“, „Ergolz“, „Birs“ und das Schulschiff „Leventina“ der Schweizerischen Reederei AG. Die „Thur“ wurde von einem Blindgänger eines deutschen Flak-Geschosses getroffen, als sie am St. Johannsquai als äusseres von vier Schiffen vertäut war. Auch die „Uri“ erlitt Schäden durch eine deutsche Flakgranate. Das italienische Hochseesegelschiff „Dijn III“ wurde beschädigt, als es im Hafenbecken II aufgrund abfliessenden Wassers zur Seite kippte. Die Gesamtschäden an den Schiffen beliefen sich auf 27'787,30 CHF, wobei der Grossteil dieser Schäden durch das Auflaufen auf den Grund entstand.

Schäden an Kanalschiffen nach der Bombardierung des Stauwehr Kembs bei Märkt am 7. Oktober 1944 


15. Oktober 1944

Seit Monaten waren in Basel schon tausende von Flüchtlingen eingetroffen. So auch am frühen Sonntag-Morgen des 15. Oktober 1944, als um 06:00 Uhr weitere 400 italienische Flüchtlinge ankamen. Abend m selben Tag sollten es weitere 500 sein. Um die grossen Mengen an Flüchtlingen aufnehmen zu können, wurden neben Turnhallen und anderen öffentlichen Gebäuden auch die Hallen der Messe Basel eingerichtet, um den Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Am 12. Juli 1944 hatte das EJPD die Weisung erteilt, alle an Leib und Leben gefährdeten Zivilpersonen aufzunehmen. 

Meldung  der Polizei Basel-Stadt vom September 1944 ans Territorial Kommando Basel über die Anzahl der eingetroffenen Flüchtlingskinder aus dem Raum Belfort zu Handen des Roten Kreut Kinderhilfe. - Quelle Bundesarchiv Bern

Auch über Basel tat sich wiederum einiges. Die Tage zuvor schon wurd in Basel bis zu 5 mal täglich Flieferalarm ausgelöst, als verschiedene Flugzeuge den Schweizer Luftraum überflogen. Darunter auch ein US Aufklärer, welche Aufnahmen vom teilweise zerstörten Stauwehr Kembs bei Märkt machte. Durch den ganzen Tag über, wurden aus Westen und Nordwesten schwere detonationen ausgemacht.  

Es kam wiederum zu mehrfachem Fliegeralarm:

  • 11:36 - 12:34 Uhr  - Fliegeralarm

Bei leichtem Föhn flogen um 11:40 Uhr elf Flugzeuge, vermutlich B-24 Liberator der USAAF, von Westen kommend über den Rhein in Richtung Schwarzwald. Diese kehrten um 12:25 Uhr auf demselben Weg zurück. 

  • 13:36 - 14:15 Uhr  - Fliegeralarm

Kurz nach  13:00 Uhr waren die heftigsten Detonationen des Tages zu hören, und die Erde vibrierte in der Umgebung von Basel so stark, dass die Häuser erzitterten.  Im Laufe des Nachmittags entwickelte sich diese Flugroute zu einer regelrechten "Luftstrasse", die von nachfolgenden Geschwadern beibehalten wurde. Die Route führte über das hügelige Gelände von Oberellen, über Stein und den Eingang des Kandertals in den südöstlichen Schwarzwald, von wo immer wieder Kampfgeräusche und schwere Detonationen zu hören waren. Zwar wählten die Flieger auch andere Richtungen, denn gegen 13:25 Uhr wurden Detonationen aus Westen, Nordwesten, Norden und Nordosten hörbar. Die genaue Entfernung dieser unaufhörlichen Bombardierungen konnte von der Grenze aus nicht festgestellt werden, da keine Rauchschwaden oder andere Anzeichen sichtbar waren. Die von Basel aus beobachteten Fliegeraktionen folgten teilweise so dicht aufeinander, dass es oft nicht möglich war, die einzelnen Aktionen voneinander zu unterscheiden. Daher war es auch schwierig zu sagen, wie viele Flugzeuge insgesamt an diesem Nachmittag am Himmel operierten. Es konnten nur alliierte Flugzeuge gezählt werden. Ständig gab es ein Hin- und Herfliegen, ein Kreisen und Suchen, und oft kehrte die Spitze eines langgezogenen Geschwaders um, um sich wieder der hintersten Staffel anzuschliessen. Von höheren Standorten aus konnte man für einen Moment 21 verschiedene Flugzeuge zählen, an anderen Orten wurde sogar die doppelte Anzahl festgestellt. 

Um 13:30 Uhr tauchten in grosser Höhe immer wieder Flugzeuge in die Wolkendecke ein. Etwa zwölf Maschinen flogen im Luftraum zwischen dem hügeligen Gelände des Elsass und dem Markgräflerland, wobei sie besonderes Interesse an der Gegend um Steinen und Kembs zeigten. Auch das Kanalgebiet, in dem sich viele Zivilisten und Soldaten aufhielten, erregte ihre Aufmerksamkeit. Trotz der Überflüge wurde unermüdlich weitergearbeitet, und keine deutschen Flugabwehrgeschütze oder andere Waffen traten in Aktion.

Um 14:15 Uhr ertönte in Basel Endalarm.

  • 15:15 - 18:11 Uhr  - Fliegeralarm

Ab 15:00 Uhr verstärkte sich die Aktivität der Flieger. Um 15:15 Uhr flogen zwölf Thunderbolts in Richtung Schwarzwald, und eine Viertelstunde später folgte ein Dutzend schwerer Bomber, die südwärts von schwerer Flak beschossen wurden. Kurz darauf kreisten unermüdlich zwei Aufklärungsflugzeuge zwischen Hüningen und Kembs, während aus dem Schwarzwald eine Reihe von Detonationen zu hören war, die auf Kämpfe in Richtung Freiburg hinwiesen. Die gesichteten Fliegerverbände blieben in den südöstlichen Bereichen, wechselten aber ständig den Kurs. 

Um 16:20 Uhr waren in nördlicher Richtung gleichzeitig 21 Maschinen zu sehen, die in Richtung Schwarzwald flogen, während andere weiterhin zwischen Hüningen und Kembs kreisten. Um 16:52 Uhr meldete Freiburg, dass im Raum Baden etwa 20 Jagdbomber kreisten. Wenige Minuten später verstärkte sich die Situation dramatisch. Zwischen 17:06 Uhr und 17:08 Uhr kehrten elf Flugzeuge aus Richtung des Kanals zurück. Sie waren tiefer geflogen als alle anderen und gerieten beim Überflug zwischen Hüningen und Kembs unter Beschuss der Flak.

Der Luftraum war bis nach 17:00 Uhr ununterbrochen von Flugzeugen besetzt, die abwechselnd auftauchten, verschwanden und dann wieder südwärts flogen. Die Bewohner im Grenznahen Elsass verhielten sich jedoch bemerkenswert ruhig. Kinder spielten auf den Strassen, und Erwachsene gingen unbeeindruckt ihren alltäglichen Tätigkeiten nach, als würden die Flugzeuge sie nicht betreffen. Es gab zwar keinen Hauptalarm im Elsass, und die Menschen waren nicht verpflichtet, Schutzräume aufzusuchen, doch auch Angst schien niemand zu verspüren. Die Leute drehten sich nicht einmal um, um die Flugzeuge zu beobachten, sondern kümmerten sich weiter um ihre Angelegenheiten.

  • 20:35 - 20:55 Uhr  - Fliegeralarm

P47 Thunderbold Absturz bei Schönenbuch 

Ein aufregendes Schauspiel bot sich nach 5:20 Uhr für diejenigen, die den Rückflug einer alliierten Fliegerformation von mehreren P47 Thunderbold's beobachteten. Zu dieser Zeit drehte die Formation, aus dem Wiesental kommend, nach Nordwesten ab, als plötzlich die Flugabwehrgeschütze auf Schweizer Seite zu feuern begannen. Eine Granate nach der anderen schoss den fremden Fliegern entgegen und im nächsten Augenblick konnte man deutlich erkennen, dass einer der Jäger mehrere Treffer abbekommen hatte. Die Thunderbold's gehörten den L'escadron de chasse II/3 Dauphiné und II/5 La Fayette an und waren auf dem Rückweg von einem Einsatz im Raum Freiburg zurück zu ihrer Base in Ambérieu, nordöstlich von Lyon.

Republic P-47 Thunderbolt der französischen Streikräfte - Aufnahme ort unbekannt - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Das Flugzeug begann nach den Treffern leicht zu schwanken, verlor den Anschluss an die Formation, und steuerte nach Backbord ab, während die anderen Maschinen unbeirrt richtung Osten abdrehend ihren Weg fortsetzten.

Die beschädigte Maschine befand sich ungefähr zwischen Hegenheim und Hésingue in einer Höhe von rund 2000 Metern, als sie plötzlich leicht nach vorne kippte und rasend schnell abwärts stürzte. In diesem Moment löste sich ein kleiner Punkt weg von dem abstürzenden Flugzeug, und kurz darauf öffnete sich ein weisser Fallschirm – der Pilot Sergent Collin war abgesprungen. Während der Fallschirm lautlos und langsam zur Erde sank, endete die rasende Fahrt des führerlosen Flugzeugs mit einem gewaltigen Expolsion westlich des Dorfs Schönbuch, etwa 50 Meter jenseits der Grenze und rund 100 Meter von den nächsten Häusern auf schweizer Gebiet entfernt. Die Maschine war auf einem riesigen Strohhaufen abgestürzt, der dort seinerzeit nach der Ernte aufgeschichtet worden war. Der Aufprall war so heftig, dass das Flugzeug augenblicklich in Flammen aufging. Ein Teil der Trümmer, sowie das Triebwerk der bulligen Maschine urde auf Schweizer Boden geschleudert und wurde sofort von der Grenzsicherung beschlagnahmt.

Währenddessen versuchte der abgesprungene Pilot mit rundern seiner Hände den Fallschrim in Richtung Schweizer Grenze zu bewegen. Er setzte etwa 500 Meter von Schönbuch entfernt auf einer Anhöhe des Klöpferhofs in Hagenthal-le-Bas auf einer Wiese auf. Entschlossen packte er den Fallschirm zusammen und machte sich offenbar auf den Weg, die durch Hoheitszeichen gekennzeichnete Grenze zu erreichen. Doch im nächsten Augenblick sah er, dass ein deutscher Wachposten auf ihn zukam und ihn aufforderte, sich mit erhobenen Händen zu ergeben. Der Pilot ergab sich widerstandslos und wurde abgeführt.

Unterdessen brannte das abgestürzte Flugzeug zusammen mit dem riesigen Strohhaufen bis in die Abendstunden hinein. Schliesslich musste gegen 21:00 Uhr die Feuerwehr aus Hagenthal gerufen werden, um den Haufen auseinanderzureissen und die Flammen zu löschen.

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Kurz zuvor war schon in Laufen BL eine P-47 der 81st Fighter Squadron, 50th Fighter Group notgelandet, welche beim Einsatz gegen deutsche Bodentruppen. Nahe der Schweizer Grenze wurde eine der P-47 von deutschen Jägern angegriffen. Im anschliessenden Luftkampf erlitt die Maschine einen Motortreffer und verlor stark Öl, was den Piloten, 2nd Lt Gerald V. Conlan, zwang, Richtung Schweiz zu fliegen. Da das Cockpit durch das austretende Öl verschmiert war, konnte er nicht sicher nach Lyon zurückkehren. Conlan flog in die Schweiz ein und setzte gegen 16:10 Uhr seine Maschine in der Nähe von Laufen not, wobei der Rumpf stark beschädigt wurde. Die Schweizer Luftwaffe untersuchte die P-47, konnte sie jedoch aufgrund fehlender Ersatzteile nicht reparieren. Nach dem Krieg wurde das Flugzeug mit Zustimmung der US-Regierung in der Schweiz verschrottet.


17. Oktober 1944

Die Tag nach der Bombadierung des Stauwehrs Kembs bei Märkt am 7. Oktober, waren äusserst unrugig und es folgten täglich Fliegeralarme. 

Am 8.10. gab es vier Alarme, am 11.10. zwei, am 12.10. vier, am 13. und 14.10. jeweils einen und am 15.10. nochmals vier Alarme. Die zahlreichen Einsätze liessen die Basler vermuten, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die ersten Bodenkämpfe in der Grenzregion zu sehen sein würden.

Am 17. Oktober wurde zwischen 08:53 und kurz vor Mittag drei Mal Fliegeralarm in Basel ausgelöst, in dessen Folge um 12:15 Uhr durch Flakbeschuss über Basel zu Schäden an Wohneigentum gab.

  • Freiburgerstrasse 62
  • Schäferweg 23 - Gaswerk Basel

Schäden an Gebäuden auf dem Kantonsgebiet der Stadt Basel häuften sich fast täglich. Hier durch eine durch das Dach geschlagene Flakgranate - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1045i 20/7/7

Fliegeralame:

  • 08:53 bis 09:32 Uhr
  • 09:37 bis 10:38 Uhr
  • 11:56 bis 13:13 Uhr

20. Oktober 1944

Schon kurz vor 10 Uhr, um 09:56, ertönte in Basel ein weiterer Fliegeralarm, als sechs amerikanische Bomber auf die Stadt zuflogen und dann nach Norden abdrehten. Gleichzeitig operierten vier Jäger der Schweizer Luftwaffe über Basel, um den Luftraum zu sichern. Nachdem um 10:32 der Endalarm gegeben worden war, heulten die Sirenen um 10:35 erneut auf. Diesmal konnten weitere zwölf Bomber über Basel gesichtet werden, die in Richtung Nordosten abflogen, als Luftabwehrfeuer, vermutlich von deutscher Seite, auf sie eröffnet wurde.

Bei den anschliessenden Bombenabwürfen, einschliesslich Brandbomben, wurden Haltingen und die Schiffbrücke getroffen. In der Folge brachen in Haltingen drei Brände und in Michelbach ein weiterer Brand aus. Zudem schlugen mehrere Brandbomben 50 Meter neben dem Hafenbecken 2 ein, und brennender Phosphor der Bomben konnte auf dem Rhein beobachtet werden. Aufgrund der Abwürfe kam es auch in Riehen, an der Niederholzstrasse 23 und 77, nach 11:15 Uhr zu Einschlägen bzw. Schäden. Nachdem um 13:44 Uhr der Endalarm ertönte, blieb der Nachmittag nicht von weiteren Ereignissen verschont. Kurz nach 16 Uhr wurden erneut Bomber über Basel gesichtet. Diese warfen weitere Bomben auf den Hafen von Weil und erneut auf die Schiffbrücke bei Haltingen. In Hüningen brach daraufhin ein Brand in der Färberei Schwarzenbach aus. Um 17:10 Uhr konnte schliesslich erneut Entwarnung gegeben werden.

Schiffsbrücke zwischen Hüningen und Haltingen im Sommer 1944 - Foto Basler Nachrichten 20. Oktober 1944

Insgesamt wurde in Basel im Monat Oktober 1944 40 mal Fliegeralarm ausgelöst. 


4. November 1944

Nachdem alliierte Truppen bis Oktober 1944 die Wehrmacht aus weiten Teilen Frankreichs vertrieben hatten, geriet ihr rascher Vormarsch an mehreren Frontabschnitten ins Stocken. An der belgisch-niederländischen und belgisch-deutschen Grenze sowie entlang der Mosel und ihrer Nebenflüsse gelang es der Wehrmacht, die Alliierten zu bremsen und eine vorübergehende Stabilisierung der Front zu erzwingen. Das Elsass und Lothringen blieben daher weiterhin unter deutscher Kontrolle.

Da sich der Fokus der Alliierten zu dieser Zeit hauptsächlich auf das Rheindelta und die Schlacht um Aachen richtete, beschränkten sich die militärischen Auseinandersetzungen im Oktober 1944 im Elsass und den angrenzenden Gebieten auf lokale Bodengefechte. Parallel dazu intensivierten die alliierten Luftstreitkräfte ihre Bemühungen, die deutschen Nachschublinien durch schwere Bombardements zu zerstören und empfindlich zu stören. Diese Angriffe zielten darauf ab, die Wehrmacht logistisch zu schwächen und den Widerstand an der Front zu brechen. Die Bodengefechte waren von intensiven Scharmützeln und Abwehraktionen geprägt, bei denen die deutschen Besatzer versuchten, ihre Stellungen zu verteidigen. Trotz des begrenzten Massstabs dieser Gefechte war die Lage angespannt und von wechselnden Frontlinien geprägt.

Für die deutschen Verteidiger bedeutete die vorübergehende Entlastung an anderen Frontabschnitten jedoch auch die Gelegenheit, sich neu zu formieren und auf künftige Kämpfe vorzubereiten. Sie konnten ihre Verteidigungslinien verstärken und ihre Truppen auf bevorstehende grössere Auseinandersetzungen einstellen. Die militärische Lage blieb jedoch weiterhin angespannt. Die kontinuierlichen Gefechte und die Massnahmen der Besatzungsmacht belasteten die Zivilbevölkerung stark. Viele Menschen mussten sich mit ständiger Unsicherheit, Mangelversorgung und der Gefahr durch Luftangriffe arrangieren, während der Krieg sich unbarmherzig durch die Region zog.

Frontverlauf am 27. Oktober 1944:

Blaue Pfeile: Angriffe Alliierter Verbände

6. US-Heeresgruppe - Generalleutnant Jacob L. Devers

Französische 1. Armee - General Jean de Lattre de Tassigny 

  • 1re division motorisée d’infanterie (1re DMI)
  • 2e division d’infanterie marocaine (2e DIM)
  • 3e division d’infanterie algérienne (3e DIA)
  • 4e division marocaine de montagne (4e DMM)
  • 9e division d’infanterie coloniale (9e DIC)
  • 1re division blindée (1re DB)
  • 2e division blindée (2e DB)
  • 5e division blindée (5e DB)

Rote Pfeile: Deutsche Gegenangriffe

  

Französische Flüchtlingskinder am Bahnhof SBB - Foto Staatsarchiv Basel NEG 21602 - Kolorierung Patrick Schlenker

Kurz nachdem um 09:00 Uhr die Bewachungskompanie 22 BS im De-Wette-Schulhaus vis-à-vis des Bahnhofs SBB begonnen hatte, die Bewachungskompanie 21 BS abzulösen, ertönte über Basel ein weiteres Mal Fliegeralarm. Im Keller des Schulhauses wurde es für einen Moment sehr eng, als beide Kompanien Schutz suchten. In der Folge überflogen drei US-Bomber die Stadt in Richtung Altkirch, wobei sie von der deutschen schweren Flak bei Kembs unter Feuer genommen wurden. Um 10:48 Uhr ertönte der Endalarm.

Am Vortag waren 416 Kinder aus dem benachbarten Elsass mit dem Zug in Basel eingetroffen. Am Abend um 20:00 Uhr kamen weitere 399 Kinder und 42 Frauen am Bahnhof an. Das Rote Kreuz und die Armee kümmerten sich um die Neuankömmlinge, versorgten sie mit Essen und Getränken und bereiteten ihre Weiterreise nach Zürich vor. 


9. November 1944

Vorbereitung der Offensive

Zur Vorbereitung der bevorstehenden Offensive der Alliierten zur Befreiung des Oberelsass rückten drei US-Kolonnen, unterstützt durch Panzer, südlich von Metz in Richtung Mailly-sur-Seille vor. Gleichzeitig gab es Vorstösse an zwei weiteren Brückenköpfen östlich der Mosel. Ziel war es, die Hauptstrasse Metz-Strassburg zu erreichen und die wichtige Verbindung zur Festung Metz zu kappen. In der Nacht gelang es den alliierten Truppen, bis auf 2,5 Kilometer an die strategisch bedeutende Strasse heranzurücken, die von deutschen Bunkeranlagen und Feldbefestigungen verteidigt wurde. Rasch herangeführte deutsche Artillerie lieferte den amerikanischen Geschützen ein stundenlanges Duell. Zur Unterstützung der Bodentruppen kreisten US-Jagdbomber über dem Gebiet und griffen gezielt ein. 

Weitere Flüchtlingen aus dem Elsass sind eingetroffen / erneut Bomber über Basel

Am Vortag wurden in Basel weitere Flüchtlings-Kinder, die bereits vor zehn Tagen aus Colmar angekommen waren, weitergeleitet. Um 11:30 Uhr ertönte erneut Fliegeralarm, und US-Bomber überflogen die Stadt. Vermutlich gehörten diese Bomber zu jenen, die das Städtchen Dietzenhofen sowie das Kraftwerk Eglisau und das Glattviadukt bombardiert hatten. Es erfolgte ein gezielter Bombenangriff auf das Kraftwerk Eglisau. Zwei Staffeln von US Bombern, bestehend aus jeweils sieben bis acht Bombern, liessen rund 20 weitere Bomben fallen. Die Umgebung der Bahnlinie Eglisau–Koblenz wurde getroffen, während andere Bomben 100 bis 300 Meter südlich des Kraftwerks einschlugen.

Bei dem Angriff kamen der Bahnhofgehilfe Troiblen, Herr Schenkel, und der Monteur Oberle ums Leben. Ein weiteres Opfer wird noch unter den Trümmern des Bahnwärterhäuschens vermutet, möglicherweise Frau Schenkel. Ein Mitarbeiter des Kraftwerks wurde schwer verletzt. Insgesamt gab es vier Verletzte, darunter drei Angehörige der Armee. Zahlreiche Häuser erlitten starke Schäden. Das Kraftwerk Eglisau selbst wurde nicht direkt getroffen, jedoch durch die Druckwelle erheblich beeinträchtigt; die Hochspannungsleitungen wurden an mehreren Stellen beschädigt und herabgerissen.

Angesichts der sich Basel nähernden Kämpfe informierte das Territorialkommando die Bevölkerung mittels Zeitungen und Anschlägen über Verhaltensmassnahmen zum Schutz. Ziel war es, die Bevölkerung bestmöglich auf mögliche Kampfhandlungen vorzubereiten und die Sicherheit in der Region zu erhöhen.


12. November 1944

Weitere Kämpfe im Elsass

Die Schlacht um Lothringen setzte sich bei einer leicht verbesserten Wetterlage fort und führte zu beachtlichen Fortschritten der amerikanischen Dritten Armee nördlich und südlich von Metz. Panzerverbände, die die Höhen von Delme erobert hatten, überschritten die wichtige Versorgungsstrasse Metz–Strasburg auf breiter Front und näherten sich auf nur 3 Kilometer der strategisch bedeutsamen Eisenbahnlinie zwischen diesen Städten. Die deutschen Truppen hatten sich jedoch entlang dieser Bahnlinie stark eingegraben und zeigten klaren Widerstandswillen.

Eine mutige Vorhut der Panzerkräfte erreichte das Dorf Haboudange, etwa 11 Kilometer nordöstlich von Château-Salins und 4 Kilometer südlich von Morhange. Weiter nördlich operierten Panzerverbände südlich von Metz entlang der Strasse von Pont-à-Mousson nach Saarbrücken und stiessen über 5 Kilometer vor. Die amerikanischen Einheiten erreichten zudem die Überlandstrasse und die Eisenbahnlinie Metz–Strassburg, wobei sie die Ortschaft Luppy einnahmen. Insgesamt erzielten die amerikanischen Truppen auf einer 30 Kilometer breiten Front Fortschritte von 5 bis 13 Kilometern. Eine Panzerkolonne rückte in Richtung Norden vor und stand zuletzt etwa 20 Kilometer östlich von Metz.

An der Schweizer Grenze in der Region Basel blieb es insgesmagt ruhig. Dass sollte sich in den ommenden Tagen schlagartig ändern. 

Anpassungen der Rationierungen ab 1. Dezember 1944

Am 12. Dezember 1944 teilte das Eidgenössische Kriegsernährungsamt mit, dass dank der im Laufe des Jahres eingeführten Massnahmen zur Steuerung der Milchverarbeitung der Lagerbestand an Butter erfreulicherweise so gross war, dass die gesamte Fettrationierung im Dezember auf 650 g erhöht werden konnte. Dies übertraf die Dezemberration des Vorjahres um 100 g. Die Eierration wurde hingegen auf zwei Stück reduziert, wobei auch die halben Karten nun einen Coupon für ein Ei enthielten. Fetter Käse wurde nicht mehr zugeteilt, dafür wurde die Menge an Vollfettkäse entsprechend erhöht.

Lebensmittelkarten aus unterschiedlichen Kriegsjahren - Privatsammlung Patrick Schlenker

In Bezug auf die bevorstehenden Feiertage blieb die Zuteilung von Tafelschokolade konstant, jedoch wurde die Konfiseriemenge auf 50 g erhöht. Abgesehen von der üblichen Zuteilung von Hafer, Erbsenmehl, Griess mit Gerste und Hülsenfrüchten gab es bei den anderen Rationen keine Änderungen. Alle rationierten Backwaren mussten gemäss einer Bewertungsrichtlinie, basierend auf dem enthaltenen rationierten Ausgangsprodukt, bewertet werden. Daher stimmte das Gewicht der auf dem Brot-Coupon angegebenen Menge nicht immer mit dem tatsächlichen Gewicht der bezogenen Backwaren überein.

Halbe Lebensmittekarte Links und halbe Brotkarte rechts - Privatsammlung Patrick Schlenker

Betriebe, die die Bewertungsrichtlinien nicht ausreichend beachteten, konnten die für die Wiederbeschaffung der zur Backwarenherstellung benötigten rationierten Ausgangsprodukte nicht in ausreichendem Masse nachweisen. Um diesen Zustand zu verbessern, führte das Kriegsernährungsamt ab dem 1. Dezember 1944 eine obligatorische Bewertungsliste für milchhaltige Backwaren ein und ersetzte das bisherige System durch neue Brotcoupons, die für 100 g gelten. Zusätzlich wurden Coupons für Mehl, Maismehl (75 g) oder Mahlzeiten-Coupons gleichwertig zu den neuen 100-g-Coupons festgelegt. Die obligatorische Bewertungsliste sollte ab Dezember 1944 in allen Verkaufsstellen für Backwaren deutlich sichtbar angebracht werden. Es sollte noch bis 1948 dauern, bis die Rationierungen aufgehoben werden sollten. 

Neubau der Handelsschule Basel soll für Flüchtlingsfamilien geöffnet werden

Postkarte mit dem Neubau der Handelsschule Basel - Privatarchiv Patrick Schlenker

Der Kanton Basel-Stadt requiriert nach dem Beschluss vom heutigen 13. November zusätzlich die Rämlichkeiten der Handeslschule aufgrund der Kriegsereignisse in der Nachbarschaft, da die Möglichkeit eines plötzlichen Massenübertritts von Flüchtlingen über die Landesgrenze in die Stadt und den Kanton in Betracht gezogen wurde. Um die daraus resultierenden Risiken für die Region zu minimieren, wurden vorsorgliche Massnahmen ergriffen, um die sofortige Erfassung und Beaufsichtigung der Flüchtlinge sicherzustellen, bis eine dauerhafte Unterbringung organisiert werden kann. Unter anderem wurden dafür geeignete Unterkünfte reserviert, darunter ursprünglich Schulhäuser. Da einige dieser Schulhäuser jedoch durch die kürzliche Belegung Basels mit Truppen beansprucht wurden, sollte als Ersatz die kantonale Handelsschule genutzt werden, jedoch nur für eine kurze Aufnahmezeit von zwei bis drei Tagen für Familien. 

Handgranatenunfall mit Todesfolge in Oberwil

Leutnant Georg Höfflin wird durch einen tragischen Unfall während einer Handgranatendemonstration im Militärdienst am 12. November 1944 in Oberwil, getötet. Der 1920 geborene Basler Jurastudent hinterlässt eine grosse Lücke bei seinen vielen Freunden und Weggefährten. Höfflin zeichnete sich durch sein Engagement in Schule, Sport, in der Zofingia-Studentenverbindung und in seiner Militär-Grenzschutzeinheit aus. Er war nicht nur ein geschätzter Kamerad, sondern auch für sein Interesse und seine Begabung im Künstlerischen sowie seine Hingabe an das Familienleben bekannt. In den letzten Jahren widmete er sich verstärkt seinem Jurastudium, war bis zu seinem Tod als Kapitän und Leiter der Handballsektion beim SC Rotweiss Basel aktiv, für den er seit 1936 spielte und beschäftigte sich intensiv mit den politischen Themen der Schweiz. Sein plötzlicher Tod hinterliess tiefe Trauer und grosses Bedauern. Bei dem Unfall wurden zudem einige Soldaten verletzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


15. November 1944 

Frontbewegungen im Elsass

In den Kämpfen um die Burgunderpforte haben französische Truppen, unterstützt durch Einheiten der FFI (Forces Françaises de l'Intérieur), das hart umkämpfte Dorf Arcy im Sturm genommen und stehen nun südwestlich von Belfort. Harte Gefechte werden in einer Entfernung von fünf Kilometern zur Schweizer Grenze gemeldet.

Die französischen, marokkanischen und algerischen Einheiten operieren unter massiver Artillerieunterstützung und nutzen das günstige Wetter, das jedoch den Boden nicht ausreichend trocknen konnte. Teilweise müssen die Truppen durch kniehohen Schlamm waten. Unter den am Donnerstag eingebrachten Gefangenen befanden sich viele ältere Männer sowie Jugendliche im Alter von 16 bis 17 Jahren. Auf dem Weg nach Belfort gilt es, eine Reihe deutscher 88-Millimeter-Geschütze zu überwinden. Infanteristen kämpfen an den Strassenrändern gegen feindliche Truppen, die sich in den Wäldern verschanzt haben, in schweren Bajonettkämpfen. Weiter im Norden erstürmten die Franzosen das seit mehreren Tagen heftig umkämpfte Dorf Le Tholy. In den noch von den Deutschen gehaltenen Städten St-Dié, Corcieux und Lescourt wüten Brände und Explosionen, was auf eine bevorstehende Räumung hindeutet. 

An der Grenze zur Schweiz

In Damvant, etwa 60 Kilometer von Basel entfernt, geriet eine Gruppe schweizerischer Aufklärungssoldaten während eines Feuergefechts zwischen französischen Soldaten und deutschen Besatzern unter Beschuss. Dabei wurde Hauptmann Jules Schaffner von einem französischen Soldaten ins Visier genommen und tödlich verwundet, da dieser ihn mit einem deutschen Soldaten hielt. Die Salve der Maschinenpistole traf den jurassischen OFFI (Forces Françaises de l'Intérieur)zier in der linken Schulter und verletzte seine Lunge schwer, woraufhin er kurz darauf verstarb.

Territorial-Kommando Basel

Im Kommando wird die aktuelle Lage an der Grenze aufmerksam beobachtet. Es wird erwartet, dass in den kommenden Tagen französische Truppen an der Grenze bei Basel auftauchen könnten. Inwieweit die Kämpfe Auswirkungen auf Basel haben werden, ist derzeit noch unklar. Die Bevölkerung wird weiterhin durch Hinweise in den Tageszeitungen auf bevorstehende Kämpfe an der Grenze aufmerksam gemacht. Zudem wird sie bei unbeabsichtigten Neutralitätsverletzungen über die Unterbringung in Notunterkünften informiert.

Orientierung über Notunterkunft des Territorial-Kommandos Basel vom November 1944 - Privatarchiv Patrick Schlenker

Die National Zeitung meldet in ihrer Ausgabe vom 15. November 1944

Die Annäherung der Front an das Elsass zeigt sich nicht nur in den Berichten der Heeresleitung, sondern vor allem auch durch den täglich intensiver werdenden Artilleriebeschuss, der besonders am gestrigen Dienstag von früh bis spät aus den Vogesengebieten zu hören war. Auch in der vergangenen Nacht und am frühen Mittwochmorgen war das dumpfe Grollen der Kanonen deutlich vernehmbar. Wie zu erwarten war, führte die Nähe der kriegerischen Ereignisse in den letzten Tagen zu einem erneuten Anstieg des Zustroms an Zivilflüchtlingen. Gleichzeitig kehren auch vermehrt Auslandschweizer aus Deutschland zurück. So traf aus Köln eine vierköpfige, völlig ausgebombte Schweizerfamilie in Basel ein, die – wie viele andere – ohne Strom, Gas, Wasser und andere lebensnotwendige Mittel lebte und bis zuletzt gehofft hatte, trotz aller Schrecken des aktuellen Krieges durchzuhalten. Ihr Gesundheitszustand war so schlecht, dass die gesamte Familie in die Obhut von Krankenhausärzten übergeben werden musste.


16. November 1944

Obwohl die gesamte Front im nahen Elsass in Bewegung war, hatten sich die Luftraumverletzungen seit einer Woche deutlich reduziert. Am 9. November ertönte zum letzten Mal Fliegeralarm in Basel. Niemand in der Stadt wusste, was die kommenden Tage bringen würden. Es war die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.

Territorial-Kommando Basel

In Vorbereitung auf mögliche unruhige Zeiten wurde die Sanitätshilfestelle im Basler Bürgerspital unter der aufmerksamen Leitung des Basler Territorialkommandanten Oberst De Bary intensiv beübt. Diese Übungen zielten darauf ab, das medizinische Personal bestmöglich auf eventuelle Notfälle und Kriegsverwundete vorzubereiten. Oberst De Bary, bekannt für seine Präzision und vorausschauende Planung, überwachte jede Bewegung und sorgte dafür, dass alle Abläufe reibungslos ineinandergriffen.

Währenddessen ging das alltägliche Leben in Basel mit einer Mischung aus gespannter Erwartung und routinierter Gelassenheit weiter. Die Bevölkerung versuchte, sich auf mögliche Eskalationen vorzubereiten. Hinter den Kulissen liefen die Vorbereitungen weiterhin auf Hochtouren. Es war eine Zeit des angespannten Wartens, in der jede Handlung darauf abzielte, die Stadt auf das Ungewisse vorzubereiten.

Neu im Kino PALERMO - *Wings for the Eagle*

Im Palermo Kino, vis-a-vis dem Stadttheater lief neu *Wings for the Eagle*, ursprünglich als *Shadow of Their Wings* bekannt. Der Film spielt teilweise in Burbank, Kalifornien, in der Nähe der Produktionsstätten der Lockheed Corporation, die eine bedeutende Anlage mit 45 Gebäuden auf über 550 Acres errichtet hatte. Warner Bros. erhielt die besondere Erlaubnis, Szenen direkt im Lockheed-Werk zu drehen. Aufgrund der Sicherheitsanforderungen während der Dreharbeiten mussten das Filmteam und die Schauspieler stets ihre Geburtsurkunde bei sich tragen.

In der ursprünglichen Besetzung sollte Ronald Reagan an der Seite von Dennis Morgan spielen, wurde jedoch später durch Morgan ersetzt, und Jack Carson übernahm die Rolle des "Kumpels". Warner Bros. nutzte die Verbindung mit Lockheed in einer gross angelegten Werbekampagne, darunter eine ganzseitige Anzeige im *Life*-Magazin. In dieser widmete das Studio den Film „den Arbeitern, die tatsächlich Wings for the Eagle bauen“, und würdigte die Männer und Frauen der amerikanischen Flugzeugindustrie, die sich dem patriotischen Aufruf „Wir können! Wir müssen! Wir werden!“ verschrieben hatten.

Die Dreharbeiten fanden in kurzer Zeit zwischen dem 12. Januar und Februar 1942 im Lockheed-Werk und in der Curtiss-Wright Aircraft Company in Buffalo, New York, statt. Der Film zeichnet sich durch einen beinahe dokumentarischen Stil aus und gewährt Einblicke in die Luftfahrtproduktion und die Anstrengungen der Heimatfront während des Krieges. Nach Abschluss der Dreharbeiten unterstützten die Hauptdarsteller Ann Sheridan, Dennis Morgan und Jack Carson die Kriegsanstrengungen mit einer Kriegsanleihereise. Während des Krieges besuchten Morgan und Carson zudem Krankenhäuser und Lager im Südpazifik, um den Truppen Unterstützung und moralischen Beistand zu leisten.

Der Luftfahrtfilmhistoriker Stephen Pendo betonte in seinem Buch *Aviation in the Cinema* (1985), dass *Wings for the Eagle* von der engen Zusammenarbeit mit Lockheed profitierte, insbesondere durch die Möglichkeit, die Zeremonie zur Fertigstellung des 2.000. für den Krieg produzierten Flugzeugs zu dokumentieren. Eine bemerkenswerte Anekdote betraf Billy Curtis, einen kleinwüchsigen Arbeiter, der während der Dreharbeiten eine innovative Lösung für ein Problem in der Rumpfkonstruktion demonstrierte. Der Film bietet somit nicht nur eine dramatische Erzählung, sondern auch wertvolle Einblicke in die industrielle Kriegsproduktion jener Zeit.

 


17. November 1944

Erste grenznahen Dörfer befreit

Die ersten grenznahen Dörfer, darunter Héricourt, wurden befreit. Französische Truppen rücken weiter vor und erzielen dabei teils bedeutende Geländegewinne. Sie setzen ihren Vormarsch in Richtung Belfort und Rhein fort.

In der Nacht vom 16. auf den 17. November 1944 zogen sich zudem die verbliebenen deutschen Einheiten aus dem Raum um Metz geordnet in Richtung Osten zurück, um entlang des Westwalls eine neue Verteidigungslinie aufzubauen. Der Rückzug markierte eine strategische Massnahme angesichts des zunehmenden Drucks der vorrückenden alliierten Streitkräfte.

Wie man von der französischen Grenze erfuhr, war auch das Gebiet von Montbéliard befreit worden. Bei den Kämpfen im Gebiet der Burgunderpforte, wurde die deutsche Front durchbrochen. Nach erbitterten Gefechten fielen die Ebene von Blamont, die von grosser militärischer Bedeutung war, und das Industriegebiet von Hérimoncourt in die Hände der Franzosen. Die deutschen Truppen zogen sich eilig in Richtung Delle zurück. Um 18:30 Uhr wurde die französische Fahne auf der alten Burg von Montbéliard gehisst. In der Stadt und im gesamten Gebiet von Montbéliard, das in der letzten Zeit besonders schwer gelitten hatte, herrschte unbeschreiblicher Jubel.

Französische Panzer M10 Wolverine in den Strassen von Montbéliard am 17.November 1944 - Postkarte Privatarchiv Patrick Schlenker

Augenzeugenbericht aus den Basler Nachrichten:

Von den Jurahöhen an der Grenze bot sich unseren Augen in der Nacht ein märchenhaftes Schauspiel. Während gewaltige Explosionen die Luft erschütterten, konnte man das Mündungsfeuer der Geschütze aufblitzen sehen, und oft wurde die Gegend für kürzere oder längere Zeit von den Einschlägen der Geschosse grell erleuchtet. Dazwischen stiegen fast ununterbrochen Raketen in den Himmel, vorwiegend rote, aber auch weisse und grüne. Die stärksten Detonationen kamen von schweren amerikanischen Geschützen, die erst vor kurzem über Maîche hergebracht worden waren. Obwohl diese nun die Höhen von Hérimoncourt beherrschten, rückten die Alliierten nur langsam vor. Die Wälder und die stellenweise sumpfigen Gebiete entlang der Westgrenze waren mit Minen gespickt, die das Vorrücken der Infanterie erheblich erschwerten, wenn sie empfindliche Verluste vermeiden wollten.

Bis jetzt sind neun Granaten auf Schweizer Boden gefallen, sechs in der Gegend von Grandfontaine, drei in der Nähe von Fahy. Zum Glück richteten sie keinen Schaden an, obwohl eine davon nicht weit vom Restaurant du Raisin in Fahy einschlug. Trotz des schönen Wetters, das am Freitagmorgen herrschte, war die Fliegertätigkeit verhältnismässig gering. Ein erster Alarm wurde vor 9 Uhr ausgelöst, gegen 10 Uhr kreisten vier Jäger über dem Bahnhof Pruntrut, und kurz vor 14 Uhr konnte noch einmal eine Viererstaffel beobachtet werden, die plötzlich über Delle in die Tiefe stiess. Die starke Kanonade hielt den ganzen Nachmittag über an und steigerte sich gegen 17 Uhr abends wieder zu einem Trommelfeuer, das Fenster und Türen erzittern liess. Gleichzeitig konnte man in Erfahrung bringen, dass die Amerikaner westlich und nordwestlich von Montbéliard Fortschritte erzielt haben.

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An der Schweizer Grenze bei Fahy baten rund 150 bis 200 erschöpfte und kampfesmüde Einheiten der Wehrmacht um Internierung am dortigen Grenzübergang. Andere flüchteten in die Wälder von Bure. Nach langen und verlustreichen Gefechten sahen sich viele Soldaten gezwungen, die Schweiz als neutralen Zufluchtsort zu wählen, um dem weiteren Kampf zu entkommen. Der Vorfall verdeutlichte den zunehmenden Zerfall der deutschen Verteidigungslinien und das Bestreben einzelner Einheiten, der aussichtslosen Lage an der Front zu entkommen.

Territorial-Kommando Basel

Nach der fast vollständigen Ruhe, die wegen des schlechten Wetters seit Wochen im Luftraum nördlich und westlich von Basel geherrscht hatte, setzten am Freitag die Fliegeraktionen wieder ein.  An diesem bedeckten, aber trockenen Tag heulen jedoch um 08:47 Uhr erneut die Sirenen in Basel, obwohl keine Flugaktivitäten wahrgenommen werden konnten. Obwohl um 09:15 Uhr Entwarnung gegeben wurde, kam es den ganzen Tag über zu Luftraumverletzungen entlang der Ost-West-Grenze der Schweiz sowie in Graubünden. Dabei überflogen vor allem amerikanische Bomber und französische Jäger diese Gebiete.

Um halb eins Uhr mittags konnte man von Basel aus sehen, wie sich der Himmel in Richtung Müllheim mit zahlreichen pechschwarzen Rauchwölkchen bedeckte. Bald darauf hörte man das Donnern der schweren Flak-Geschütze, die vermutlich weit hinter dem Istein aufgestellt waren. Schliesslich tauchte eine Anzahl Flieger aus den Wolken auf. In drei oder vier Gruppen mit bis zu acht Maschinen wurden etwa 17 viermotorige Bomber gesehen, die vom Badischen her nach Westen flogen. Die Fliegerabwehr vermochte sie nicht zu erreichen. In Basel wurde kein Fliegeralarm ausgelöst. 

Um 14:30 Uhr nahm die Fliegerabwehr in jener Gegend erneut ihre Tätigkeit auf. Die Flugzeuge konnten jedoch nicht mehr gesehen werden, da sich die Sicht inzwischen verschlechtert hatte. Bis kurz vor 16 Uhr hörte man mehrere sehr wuchtige Bombardierungen, insbesondere in nord-nordwestlicher Richtung (Mulhouse, Colmar oder Vogesen), die jeweils nur minutenlang andauerten.

Am Grenzübergang Lybüchel an der Grenze zu Frankreich herrschte das gleiche Treiben wie in den Tagen zuvor. Allerdings wurden, anders als in den Monaten zuvor, im Verlauf des Oktobers erneut Panzersperren auf der Strasse errichtet und der Grenzschutz verstärkt.

Grenzübergang Lybüchel Basel - St. Louis 1944 - Foto Links Staatsarchiv Basel "Tanksperre Grenze Lysbüchel NEG 21920" - Kolorierung Patrick Schlenker / Foto Rechts - Grenzübergang Lysbüchel im November 2024

Grenzübergang Lybüchel Basel - St. Louis im November 1944 - Foto Links Staatsarchiv Basel "Grenzbefestigungen St. Louis BSL 1060c 3/7/347 - Kolorierung Patrick Schlenker / Foto Rechts - Grenzübergang Lysbüchel im November 2024

Flüchtlingszahlen Schweiz

Da auch an diesem Abend wiederum eine Anzahl von französischen Flüchtlingskindern aus dem unkämpften Elsass erwartete werden, infomierte der Chef der Eidgenössischen Polizeiabteilung, Dr. Heinrich Rothmund, über den neuesten Stand der Flüchtlingsfrage. 

Internierte: Zu den Internierten zählen Soldaten, die entweder über die Grenze gekommen sind oder nach ihrer Landung in der Schweiz Zuflucht suchten. Zurzeit befinden sich rund 16.000 solcher Personen in der Schweiz.

Hospitalisierte: Das sind kranke ausländische Wehrmänner, die aufgrund von Vereinbarungen mit den kriegführenden Parteien in der Schweiz gepflegt werden. Derzeit beherbergt die Schweiz 385 lungenerkrankte Franzosen und 44 Finnen.

Entlassene Kriegsgefangene: Etwa 3.800 Personen aus rund 20 Nationen befinden sich in der Schweiz. Rund 6.000 Kriegsgefangene haben die Schweiz nach einem vorübergehenden Aufenthalt wieder verlassen, da der neutrale Staat nicht verpflichtet ist, sie dauerhaft zu behalten.

Deserteure: Dies sind Personen, die ihre militärischen Einheiten unrechtmässig verlassen und in die Schweiz geflüchtet sind. Ihre Zahl beträgt rund 700.

Emigranten: Die Anzahl der Emigranten, die sich derzeit in der Schweiz aufhalten, beträgt rund 7.500. Dem Eidgenössischen Kommissariat für Internierung und Hospitalisierung unterstehen neben den bereits genannten Flüchtlingen etwa 118.500 italienische Staatsangehörige.

Unterstellt wurden jene Personen, die nach ihrer Ankunft weder als Internierte, noch als Hospitalisierte, noch als entlassene Kriegsgefangene oder Deserteure galten, sondern Personen, die während des gegenwärtigen Krieges in der italienischen Armee gedient hatten, sich aber nach der Kapitulation Italiens zu Hause befanden und sich später durch Flucht in die Schweiz einem neuen Stellungsbefehl entzogen haben.

Eine weitere Kategorie bilden die sogenannten „Grenzflüchtlinge“, die sich je nach der Entwicklung der kriegerischen Ereignisse in die Schweiz retten konnten, um sofort oder später in einen ungefährdeten Teil ihres Heimatlandes zurückzukehren, wie etwa die Flüchtlinge, die bei Boncourt eintrafen, um die Schweiz in Richtung Berrières-Bontarlier wieder zu verlassen.

Fotografie, Boncourt, Begegnung an der Landesgrenze - Kulturgüterportal Baselland - Inventarnummer D2.7582 - Fotograf Theodeor Strübin - Frau Liechti verteilt Lebensmittel an Franzosenkinder über den Stacheldraht hinweg. Die Schweizer Soldaten schauen ruhig zu.

Es handelt sich bei den letztgenannten Personen um rund 9.000 Menschen.

Nach früheren Massnahmen zur temporären Aufnahme von Kindern im Rahmen von Erholungsaufenthalten in der Schweiz kamen in den letzten Wochen insbesondere aus dem Kampfgebiet um Belfort zahlreiche Grenzflüchtlingskinder in die Schweiz. Vom 16. September bis 10. November waren es rund 14.000. Zusätzlich kamen 1.000 Kinder aus dem Val d'Ossola. Mütter dieser Kinder, um die sich auch das Rote Kreuz kümmert, stammten aus diesen beiden Gebieten und zählten jeweils 2.000 Personen.

In den Monaten September und Oktober sind rund 26.000 neue Flüchtlinge eingereist, einschliesslich der erwähnten 15.000 Kinder.

Die Gesamtzahl aller am 1. November 1944 in der Schweiz anwesenden Flüchtlinge betrug rund 95.000.


18. November 1944

Frontbewegungen im Elsass

Von Westen her hatten sich am späten Freitagnachmittag, den 17. November, die französischen Streitkräfte an den Stadtrand von Montbéliard herangeschoben. Nach einem verhältnismässig kurzen Kampf gelangten sie um 18:30 Uhr in den Besitz der der Stadt vorgelagerten Zitadelle und hissten dort die französische Fahne. Die Stadt selbst, die nur etwa 15.000 Einwohner zählte, wurde im Verlauf der Nacht endgültig befreit, nachdem sich die deutschen Truppen bereits zuvor zurückgezogen hatten. Mit Montbéliard und Sochaux, dem Sitz der Peugeot-Werke, wurde einer der grössten westfranzösischen Industriebezirke mit mehr als 50.000 Bewohnern von den französischen Truppen erobert. Die deutschen Besatzungstruppen hatten vor ihrem Abzug den Grossteil der industriellen Einrichtungen entweder abtransportiert oder zerstört.

Im Verlauf der Nacht zum Samstag hatte die vom südlichen Doubs aus operierende französische Kräftegruppe die Ortschaft St-Dizier an der Schweizergrenze erreicht und damit die Hälfte des Weges von Abbévillers nach Delle zurückgelegt. Zur Unterstützung der vorrückenden Angriffsspitzen trat am Samstagvormittag die alliierte Luftwaffe in Aktion; sie griff die rückwärtigen Verbindungen der deutschen Truppen im Raum Altkirch trotz schweren Flakfeuers im Tiefflug an. Um die Mittagszeit war ein schweres Bombardement aus der Gegend von Mulhouse zu hören gewesen, und etwas später waren zwei amerikanische Jagdflugzeuge über St. Louis aufgetaucht. Kurz nach halb eins mittags folgte ein weiteres schweres Bombardement aus Richtung Istein. Danach herrschte für kurze Zeit Ruhe. Um 14:20 Uhr erschien erneut eine Bomberstaffel unweit der Schweizergrenze und wandte sich in Richtung des badischen Blauen. Von Rheinfelden aus konnte beobachtet werden, wie der Bahnknotenpunkt Schopfheim-Fahrnau im Wiesental von alliierten Flugzeugen angegriffen wurde; auch ein Beobachtungsturm zwischen Steinen und Hauingen im Wiesental war Ziel eines Angriffs gewesen, während ein weiterer schneller Kampfverband in der Gegend von Neuenburg operierte.

Am Samstagnachmittag gegen 15 Uhr besetzten französischen Streitkräfte das Fort de Roc bei Belfort, nachdem sie bereits um 11 Uhr vormittags mit rund 30 Panzern und Infanterie Delle erreicht hatten. Am Stadtrand kam es zu intensiven Gefechten, wobei mehrere Einwohner durch Granatsplitter ums Leben kamen. Die deutschen Truppen zogen sich rasch zurück, während die Gestapozentrale nur wenige Minuten vor dem Eintreffen der Franzosen von den Deutschen evakuiert wurde. Dank der Unterstützung durch die Forces Françaises de l'Intérieur (FFI) konnten rund 50 deutsche Soldaten gefangen genommen werden, darunter zwei Gestapo-Agenten. Die Bevölkerung von Delle zeigte grosse Erleichterung und Freude, wobei viele Einwohner während des Tages Zuflucht an der Schweizergrenze suchten. 

Im Verlauf des Nachmittags hatte die FFI (Forces Françaises de l'Intérieur) den Ordnungsdienst in der Stadt übernommen. Daraufhin setzten die französischen Panzerkolonnen ihren Vormarsch Richtung Elsass fort, wobei sie hauptsächlich die Strassen entlang der Schweizergrenze nutzten, während eine andere Kolonne von Delle aus in nördlicher Richtung auf Belfort vorrückte.

Weitere französische Truppen erreichten Altkirch und Dammerkirch und befreiten diese.

Territorial-Kommando Basel

Auf dem Petersplatz treten um 09:00 Uhr die Soldaten der Bew. Kp. 23 BS an, die ihren Dienst wieder aufnehmen und somit Teile der Bewachungs-Kompanie 22 BS ablösen, welche um 09:40 Uhr abtreten können. Von der Bewachungs-Kompanie 23 werden 45 Soldaten für die Bewachungsaufgaben benötigt. Der Rest wird entlassen. Die Ablösungen der Bewachungskompanien erfolgen im 14-tägigen Turnus. Um 10:30 Uhr wird dann auch der Rest der Bewachungs-Kompanie 22 BS entlassen, nachdem die eingerückten Soldaten des 23 ihre Posten übernommen haben.

 

 

 

 

 

 

 

Schweizer Soldaten beim Antreten auf dem Petersplatz - Foto Staatsarchiv Basel Vereidigung auf dem Petersplatz vor dem neuen Kollegiengebäude AL 31, 2

Um 13:40 Uhr wurde in Basel erneut Fliegeralarm ausgelöst. Mehrere Flugzeuge drangen im Raum Bodensee in den Schweizer Luftraum ein. Um 14:13 Uhr ertönte der Endalarm, bevor um 14:20 Uhr der Alarm erneut ausgelöst wurde, da weitere Flugzeuge über dem Puntruterzipfel in den Schweizer Luftraum eingedrungen waren. Kurz darauf erschienen die Bomber über Basel. Es wurden 12 Flugzeuge über Lörrach und 8 über Weil am Rhein gesichtet. Auf deutscher Seite war starkes Flakfeuer zu hören. Der Angriff galt wahrscheinlich Zielen hinter dem Isteiner Klotz. Spürbare Detonationen waren zu vernehmen.

Im Laufe des Nachmittags unternahm das Kommando des Territorial-Kommandos Basel eine Erkundung an der Grenze.


19. November 1944

Erste Panzer in der Nähe von Basel

Ab 7 Uhr morgens passiert eine Tausend Fahrzeuge den Brücke von Delle (Territoire de Belfort) über die Allaine, nur 10 Kilometer von der Grenze zum Haut-Rhin entfernt. Es ist der einzige Übergang für die Panzer. Der 1. Armeekorps, geführt von General Béthouart, und die 1. Panzerdivision setzen ihren Marsch mit 900 Panzern und Panzerfahrzeugen in Richtung Mulhouse und Chalampé am Rhein fort.

Zu Beginn des Vormarsches in Courtelevant, kurz vor Pfetterhausen im Gebiet von Belfort, wurden drei taktische Gruppen der voorückenden französsichen Trppen aufgestellt:

Die Gruppe Nr. 1 LEPINAY, die in Richtung Lepuix Neuf, Ueberstrass und Friesen vorrückte.
Die Gruppe Nr. 2 GARDY, unter dem Kommando von Leutnant de Loisy, die sich auf Seppois, Bisel, Feldbach, Riespach und Waldighoffen bis zum Rhein bei Rosenau konzentrierte.
Die Gruppe Nr. 3 DEWATTRE, unter dem Kommando von Oberst Dewattre, die gegen Mittag in Pfetterhouse ins Elsass eintrat. Die Bevölkerung begrüsste die Befreier mit Begeisterung. Die Panzer durchquerten das Dorf und überquerten die Largue um 12:10 Uhr. Kurz danach wurde einer ihrere Panzer, die „Tours“ durch eine Panzerfaust zerstört.  Um 13:30 Uhr gab Oberst Caldairon den Befehl an die Gruppe Dewattre, Moernach nicht zu überschreiten, aufgrund der Schwierigkeiten, die die beiden anderen Gruppen erlebten.

 

80 ans de la Libération de l'Alsace : la première offensive, partie de Montbéliard - Quelle Youtube France 3 Grand Est

Die Franzosen waren mit starken Panzerkräften von Delle aus durch die gefürchtete „Burgunder Pforte“ gestossen, die von mindestens 60.000 deutschen Soldaten bis zum Letzten verteidigt worden sein soll. Im Eiltempo und ohne auf erbitterten deutschen Widerstand zu treffen, erreichten sie am Sonntagmittag die deutsch-französische Sprachgrenze bei Pfetterhausen und stiessen weiter ins Elsass vor. Von Joncherey aus rollten die Panzer über Faverois nach Courtelevant und erreichten gegen 9 Uhr morgens Réchésy. Die Panzer standen damit an der französisch-deutschen Grenze und an der Strasse, die von Pfetterhausen nach Sept führt. Über Réchésy selbst lag am Sonntagmorgen ein undurchdringlicher Rauchschleier, der jede weitere Beobachtung unmöglich machte. Der deutsche Widerstand an der „Burgunder Pforte“, die an ihrer südlichen Flanke bereits durchstossen worden war, erwies sich als deutlich schwächer, als man zuvor angenommen hatte.

Als sich die französische Panzerspitze Courtelevant näherte, flohen rund hundert Einwohner der Ortschaft – Männer, Frauen und Kinder – über die Schweizergrenze, um einer möglichen Beschiessung durch die Angreifer oder die zurückweichenden Deutschen zu entgehen. Sie suchten innerhalb der schweizerischen Grenzpfähle nur einen vorübergehenden Aufenthalt, der ihnen seitens der Schweiz auch bewilligt wurde. Nach der Befreiung des Dorfes durch die französischen Streitkräfte kehrten im Verlauf des Sonntagnachmittags 80 Bewohner zurück, während der Rest die Nacht zum Montag auf Schweizer Boden verbrachte.

Moernach wurde ab 16:00 Uhr erreicht und gesäubert.

Nachstellung - M5 Stuart auf dem Weg zur Front im Elsass - Foto Patrick Schlenker

Im Verlauf der ersten Sonntagnachmittagsstunden konnte man von der Grenze aus beobachten, dass auf Weisung der sich zurückziehenden deutschen Truppen die Bewohner der nahe der Schweizer Grenze gelegenen Ortschaften Ottendorf und Luffendorf sowie diejenigen von Pfirt angewiesen wurden, ihre Dörfer zu verlassen. Kurz vor 16 Uhr war die Kolonne der evakuierten Dorfbewohner jedoch nicht über Pfirt hinausgekommen. Mittlerweile wurden auch die deutschen Grenzsicherungsorgane aus diesen Gebieten zurückgezogen. Später erfuhr man, dass die Zweite deutsche Panzerdivision in den Raum von Dannemarie verlegt worden war. Bis zum Sonntagvormittag waren aus den Kampfgebieten entlang der Schweizer Grenze rund 100 deutsche Soldaten auf Schweizer Boden übergetreten.

Im Zuge der Kämpfe wurden die beiden einzigen Eisenbahnbrücken über den Oberrhein zerstört: die Brücke von Neuenburg (Verbindung Mulhouse-Müllheim) und die Brücke von Breisach (Verbindung zwischen Colmar und Freiburg).

Von der Nordgrenze des Pruntruterzipfels aus war bereits Maschinengewehrfeuer aus der Gegend der Ortschaften Réchésy und Pfetterhausen (nördlich von Bonfol) zu vernehmen. Dies liess darauf schliessen, dass alliierte Patrouillen diese Gebiete erreicht hatten.

Um 17 Uhr war berichtet worden, dass eine alliierte Patrouille bis nach Waldighofen vorgedrungen war, sich jedoch wieder zurückgezogen hatte. Waldighofen lag am Endpunkt der Strecke St. Louis-Volkensberg-Waldighofen, genau 22 km westlich von Basel.

Um 17:30 Uhr erreichte Lieutenant Jean Bernard Marie Gérard Carrelet de Loisy mit seiner Gruppe Nr. 2 GARDY als erster den Rhein bei Rosenau bei Kembs. Um 13 Uhr rückten Loisy's Panzer mit Unterstützung des Regiments der Kolonialinfanterie aus Marokko (RICM) auf Seppois-le-Bas vor, das als erstes elsässisches Dorf in die Geschichte eingeht, das befreit wurde. Nachdem er den feindlichen Widerstand beseitigt hatte, setzte er seinen Vormarsch auf Bisel und Feldbach vor. In Waldighoffen wurde der Feind überrascht und zerstreut, bevor er reagieren konnte. Um 15:45 Uhr hatte Loisy schon Muesbach erreicht und war 50 Km vorgerückt. Weiter als alle anderen Gruppen an diesem Tag. Nachdem er viele deutsche Fahrzeuge zerstört und fast 300 Gefangene gemacht hatte, erreichte er als erster französische Offizier den Rhein. „Für einen Kavallerieoffizier“, sagte er abends in seinenen Freunden. « Pour un officier de cavalerie, disait-il le soir dans sa joie, voir cela et mourir »„Für einen Kavallerieoffizier,das zu sehen und zu sterben“.

Augenzeugenbericht von Frau Louise Kohler: Louise Kohler, damals 23 Jahre alt, lebte mit ihren Eltern in Seppois-le-Bas, welches am 19.11.1944 befreit wurde.

Schon Tage vorher hatte man die Kämpfe im Gebiet von Belfort gehört. Am Samstagabend kam die Nachricht, dass am nächsten Morgen die Befreier kämen. Am Sonntagmorgen, als Louise zur Messe ging, war es ruhig, aber bald näherten sich die Geräusche der Kämpfe. Gegen 10:30 Uhr kamen die ersten französischen Panzer. Ein Schuss eines deutschen Panzerabwehrkanons zerstörte einen der Panzer, der Schütze und ein weiterer Soldat wurden getötet. Louise begegnete einem Soldaten mit einer Bazooka und fühlte sich erschrocken, aber später applaudierte sie ihm und gab ihm sogar einen Kuss. „Wir verwandelten unser Haus in ein Lazarett, um Verwundete zu behandeln und sie nach Delle zu evakuieren. Die marokkanischen Truppen hatten sich im Vorbeugungsgebäude niedergelassen, ihre Maultiere halfen beim Transport.“

Denkmal "Lieutenant Jean de Loisy" in Rosenau an der Rue de Moulin - Foto Patrick Schlenker

Die Gedenktafeln am Denkmal „Leutnant Jean de Loisy“ tragen die Namen der Gefallenen des 2. Régiment de Chasseurs d'Afrique und der 2. Zouaves - Fotos Patrick Schlenker

Loisys original Sherman-Panzer wird bei der Befreiung von Mulhouse am 23. November 1944 von einer Panzerfaust getroffen. Loisy und ein weiteres Besatzungsmitglied kommen dabei ums Leben. 1968 wird Loisy in Rosenau ein Denkmal errichtet. Der Nachkriegs-Sherman-Panzer wird von den Vereinigten Staaten als Erinnerung an die „französisch-amerikanische Waffenbrüderschaft“ gespendet. Der originale Sherman-Panzer mit dem Namen „Austerlitz“ steht heute noch als Denkmal in Mulhouse. 

Lieutenant Jean de Loisy's Sherman "Austerlitz" in Mulhouse - Quelle Wikimedia

Territorial-Kommando Basel

Basel erlebte einen sehr unruhigen 19. November 1944. Den ganzen Tag hindurch kam es zu Grenzraumverletzungen durch alliierte Flugzeuge, was dazu führte, dass vier Fliegeralarme ausgelöst wurden. 

  • 08:50 - 09:55 Uhr
  • 10:54 - 11:50 Uhr
  • 13:34 - 13:55 Uhr
  • 14:44 - 15:39 Uhr

Am Nachmittag überschlugen sich die Ereignisse entlang der Grenze. Aus den Berichten der Armee ist zu entnehmen:

15:30 Uhr: Erste alliierte Panzer erreichen Pfetterhausen, an der Schweizer Grenze bei Beurnevésin. Diese versuchen offensichtlich Hüningen zu erreichen. Waldighofen, zwischen Altkirch und Ferrette, ist von Alliierten besetzt. Deutsche Panzer und Infanterie befinden sich bei Dannemarie im Abwehrkampf.

18:55 Uhr: Schweizer Posten melden Motorengeräusche bei Häsingen. Von Zivilpersonen aus dem Elsass wurde berichtet, dass die Juragrenze zur Schweiz bis Les Verreries von den Deutschen geräumt wurde. Zwischen Les Verreries und Basel stehen nur noch wenige deutsche Truppen.

19:15 Uhr: Das Infanterie-Regiment 23 meldet, dass Dannemarie und Pettenhausen in alliierter Hand ist. Alliierte Panzer versuchen, nach Hüningen durchzustossen. Ihnen gegenüber stehen bei Pfirt (Ferrette) deutsche Panzer. Da sich das Infanterie-Regiment nicht in einer gut rekognoszierenden Stellung befindet, kommen weitere Informationen teilweise verzögert. Der Kommandant des Infanterie-Detachements 8 wird sofort zum Regiment befohlen.

21:30 Uhr: Oberleutnant Lüscher informiert beim Rapport beim Territorialkommando Basel: Die Alliierten haben Pfirt, Dannemarie und Altkirch eingenommen (letzteres ist noch nicht bestätigt). Die Panzerspitze soll vor Mulhouse stehen (ebenfalls noch nicht bestätigt).

22:00 Uhr: Der Kommandant des Territorialkommandos Basel und der Kommandant des Infanterie-Regiments 23 begeben sich an die Grenze bei Allschwil. Hauptmann Halden, Kommandant der Bewachungskompanie 23 BS, stellt die gesamte Mannschaft für den 20.11. auf Pikett.

22:13 Uhr: Der Kommandant der Bewachungskompanie 10 BS wird orientiert. Die Kompaniewache wird um 5 Mann verstärkt.

23:07 Uhr: Die Bereitschaft des Infanterie-Regiments wird reduziert. Ein Drittel der Mannschaft bleibt in den Stellungen. Die Truppen in Allschwil und Schönenbuch können vom Bewachungsorts-Kommandanten nach Bedarf aufgeboten werden.

23:35 Uhr: 1. UOf und 5 Mann von Bew. Kp. 10 BS Wache KP aufgezogen. 


20. November 1944

Frontbewegungen im Elsass:

Im benachbarten Elsass war im Laufe des Vormittags eine allgemeine Rückzugsbewegung deutscher Truppen in Richtung Rhein zu beobachten. Von der Grenze aus sieht man grössere Kolonnen zurückfluten. Auch Teile der Zivilbevölkerung räumen ihre bisherigen Wohnstätten.

Am Vormittag tauchten motorisierte französische Patrouillen plötzlich an verschiedenen Stellen auf. Das kurze Artilleriefeuer, das ab 07:50 Uhr immer wieder aus der Gegend des Rheins und weiter rheinabwärts zu hören war, richtete sich allem Anschein nach gegen diese Aufklärungspatrouillen. Ein solches Panzerfahrzeug wurde beispielsweise auch in der Nähe von Hegenheim gesichtet.

Um 09:30 Uhr drangen französische Truppen in Belfort ein und besetzten die Stadt, nachdem sie bereits mehrere Verteidigungslinien durchbrochen und die deutschen Stellungen nahezu vollständig zerstört hatten.

Trotz der intensiven Kämpfe blieb die Stadt in mehrere Teile zersplittert, die nach und nach unter alliierte Kontrolle gebracht wurden. Widerstandsnester, die bis zuletzt hartnäckig verteidigt wurden, konnten lokalisiert und ausgeschaltet werden. Sabotageakte, wie die Zerstörung der Mann-Brücke, führten zu kurzfristigen Verzögerungen, änderten jedoch nichts am Schicksal Belforts.

Die Bevölkerung der befreiten Regionen begrüsste die alliierten Truppen mit überwältigendem Jubel.

Kurz nach 11:00 Uhr war aus der Gegend von Muhlouse zum ersten Mal heftiges Artilleriefeuer zu hören.

Auf Schweizer Gebiet ware bis 12:00 Uhr nur sehr wenige, kleine Gruppen von ein bis zwei zivilen oder militärischen Personen übergetreten.

Sobald die Deutschen eine Ortschaft verlassen haben, veranstalten die Elsässer grosse Freudenfeiern. Unter den deutschen Soldaten und Beamten scheint sich eine tiefe Depression breitgemacht zu haben. In Hünningen und St. Louis sieht alles nach einer beschleunigten, ja fast überstürzten Evakuierung von allem dessen, was zur deutsche Seite hielt.

Am Rheinufer bei Hünningen verläuft die Evakuierung mit Hilfe von Rheinfähren viel zu langsam. Ein deutsches Zollboot wurde daher herangeholt, um grössere Mengen Gepäck zu transportieren. Aus Militärfahrzeugen und Fuhrwerken werden ganze Berge von Gepäck abgeladen, die das Zollboot dann ans badische Ufer bringt.

Dem Birsigtal entlang sind alle Zollbediensteten im Laufe des Vormittags abgezogen. Auch an den Grenzzollämter rund um die Stadt Basel haben die Beamten ihre Posten verlassen. An einigen Stellen kehrten sie jedoch wieder zurück, vermutlich, weil keine Fahrzeuge für ihren Abtransport über den Rhein verfügbar waren. Die Zollbediensteten wiesen Zivilpersonen zurück, die sich an der Schweizer Grenze versammelt hatten, um auf neutrales Gebiet zu fliehen.

Kurz vor 13:00 Uhr: Acht französische Panzerfahrzeuge fahren auf der Strasse von St-Louis nach Hüningen und halten etwa in der ersten Hälfte des Weges an. Sie eröffnen sofort das Feuer auf eine Barrikade, die jenseits des Rhein-Rhône-Kanals errichtet worden war und offenbar den Angriff auf die ehemalige Hüninger Brücke verhindern sollte. In der Folge drehen die Panzer um und fahren zurück nach St-Louis. Beim Grenzübergang Lybüchel geraten sie jedoch in eine Sackgasse, wo sie von einer 21-köpfigen deutschen Einheit unter Beschuss genommen werden. Auch Zivilisten sind anwesend, von denen einige getroffen wurden, während andere sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen können.

Ein weiterer Panzerwagen der 4e escadron du 1er Régiment de Spahis Algériens de reconnaissance (RSAR) feuert vor dem Zollübergang Lybüchel auf die dort stehenden deutschen Soldaten und Zivilisten, die sich in der Schweiz in Sicherheit bringen wollen. Dabei stirbt ein deutscher Soldat und ein 4jähriges Mädchen, dessen Bruder verletzt wird. Sie hatten schon die Ausreisebewilligung erhalten, mussten aber wegen der grossen Anzahl an Flüchtlingen auf ihre Ausreise warten. Die beiden Leichen wurden, zusammen mit der Leiche eines deutschen Soldaten, der Selbstmord begangen hatte, gegenüber dem Zollhaus aufgebahrt.

Die Panzerwagen der 4e escadron du 1er Régiment de Spahis Algériens waren erst am frühen Morgen von Delle aus aufgebrochen. Unter ihnen Hauptmann Prouhet, Leutnant Durand (Kommandant des Vortrupps), Fähnrich Derocles (der die SS-Kaserne befreit), Leutnant Cavaille, Leutnant Roméo, Maréchal des Logis Casvaing, Spahi Grande, Spahi Bourel, Sergeant-Chef de Jobiun, Hauptmann Rophe (Kommandant des 2. Escadrons), Spahi Carvaja (Brigadier-Chef Chantier) und Spahi Gerard. Die meisten werden in den kommenden Tagen bei der Befreiung von Huningue fallen.

14:00 Uhr: Französische Panzer gehen auf der Rue de Huningue gegen deutsche Verteidigungs-Barrikade am Kanal de Huningue vor. Ein erster Vorstoss scheitert: eines der beiden Panzerfahrzeuge wird durch eine Panzerfaust ausser Gefecht gesetzt. Die Besatzung wird gefangen genommen und an Ort und Stelle erschossen. Ein weiteres Bataillon weicht nach Neudorf aus.

Nachdem die nur leicht bewaffneten deutschen Zollbeamten aus der ehemligen SS Kaserne Garde-Mobile in St. Louis abgezogen waren, leisteten die übrigen deutschen Truppen den Franzosen energischen Wiederstand, woraufhin die Panzer das Feuer rund um das Gebäude eröffnen. Bald darauf verschwindet ein weiterer Teil der deutschen Besatzung aus der Kaserne und fliehen in Richtung Rhein.

Nach dem französsichen Angriff auf Hüningen: Deutsche Wehrmachtsangehörige, die sich zunächst an der Hüninger Fähre zur Überquerung gesammelt hatten, zogen sich rheinaufwärts zurück und versteckten sich an der steilen Böschung oder in der alten Schiffsmühle. Später kehrten sie zurück und flohen durch Hüningen.

14:05 Uhr: Ein Basler Krankenwagen wird nach St. Louis entsandt. Es kehrt um 14:25 Uhr mit 4 verletzten deutschen Soldaten zurück, die nach Basel gebracht werden sollen. Einer der Verletzten stirbt später an seinen Lungenschüssen; drei weitere werdn operiert. Gleichzeitig drängt eine grössere Anzahl von Flüchtlingen in den vorgesehenen Bereich. Etwa 250 Personen, sowohl Soldaten als auch Zivilisten, flüchten in die Schweiz.

Im schweizer Zollgebäude werden die über die Grenze geflüchteten Personen empfangen und müssen die administrativen Passformalitäten über sich ergehen lassen. In einem speziellen Raum befinden sich auch zahlreiche Schweizer Staatsbürger, die ihr Hab und Gut im Elsass verlassen mussten und vor den Kriegsereignissen in ihr Land geflüchtet sind. Sie halten ihren Pass und Heimatschein in der Hand. In einem Kinderwagen liegt ein kleines Mädchen, das ruhig vor sich hin schläft. Die Flüchtlinge, verhalten sich weitgehend ruhig und besonnen.

Hinter dem Zollgebäude werden die über die Grenze gekommenen deutschen Militärangehörigen gesammelt und von Schweizer Soldaten bewacht. Es handelt sich überwiegend um Männer im Alter von vierzig Jahren und älter, mit selten jüngeren Gesichtern. Ihre Waffen, Munition und Handgranaten liegen auf dem Boden und werden ebenfalls von den Schweizer Soldaten überwacht. Ein grosser Leiterwagen enthält Koffer und Kisten der Internierten. Ein mit Laubwerk getarntes Lieferauto, das ebenfalls mit Gepäck beladen ist, wurde von den Soldaten konfisziert.

Am Zollübergang Volatstasse, im Niemandsland zwischen den Schweizer und deutschen Zollhäusern, direkt vor einem Drahtverhau, liegt ein angeschossener deutscher Lastwagen. Die vorderen Reifen sind durchlöchert, das Kühlwasser ist ausgelaufen, und unter den Vorderrädern liegt ein zerquetschter Beladungsgegenstand. Daneben finden sich Gepäckstücke.

Deutsche Soldaten flüchten am Grenzübergang Lysbüchel auf Schweizer Hoheitsgebiet und lassen sich internieren. Das Gebäude mit dem halbrunden Fenster steht heute nicht mehr. Dort befindet sich heute ein Parkplatz - Foto Daily Express London / F. Klein Bern - Kolorierung Patrick Schlenker

Der gleiche Ort wie damals vor 80 Jahren am Zollübergang Lysbüchel an der Avenue de Bâle. Die halbhohe Barracke auf dem Bild von 1944 musste der Erweiterung des Zollhauses Basel und dem Parkplatz weichen.

Deutsche Soldaten flüchten am Grenzübergang Lysbüchel auf Schweizer Hoheitsgebiet und lassen sich internieren. - Fotos Daily Express London / F. Klein Bern - Kolorierung Patrick Schlenker

14:15 Uhr: Zwei alliierte Jagdflugzeuge tauchen im Tiefflug auf. Sie streifen fast die Dächer von St-Louis und Hüningen und werden heftig von der deutschen Flugabwehr mit Leuchtspurmunition beschossen. Eines der Flugzeuge wird getroffen, fängt Feuer und hinterlässt eine Rauchspur, bevor es in Richtung Schweiz und über Basel hinweg verschwindet.

14:45 Uhr: Französische Panzertruppen beginnen ihren Angriff auf den Rhein bei Kembs.

15:00 Uhr: Der eigentliche Angriff gegen die in der Garde-Mobile-Kaserne verbliebene Kaserne und die deutschen Soldaten beginnt. Es folgten Leuchtspur- und Maschinengewehr-Salven aus 50er Kaliber Maschinengewehre, während die Panzer 37mm Granaten um Granaten abfeuerten. Im Verlauf der Auseinandersetzungen feuert einer der Panzer sogar in den Sicherheitsbereich der Justizvollzugsanstalt, verursacht jedoch keinen grösseren Schaden.

Auf der Schweizer Seite lassen sich die deutschen Soldaten widerspruchslos entwaffnen, während auf der Avenue de Bâle (damals Adolf Hitler-Strasse) in St. Louis ein französischer Zivilist sich ein deutsches Seitenwagen-Motorrad unter den Nagel reist - Fotos Daily Express London / F. Klein Bern

16:00 Uhr: Die FFI kommen auf einem deutschen Lastwagen, und ihre Soldaten sind mit deutschen Infanteriegewehren ausgerüstet. Die rund 200 Mann zählende Einheit setzt sich aus Einwohnern von St. Louis zusammen, von denen jeder eine blau-weiss-rote Binde am Ärmel trägt. 

Es war offensichtlich, dass französische Truppen sich weiter vorarbeiteten und die Gegend zunehmend unter Beschuss nahmen. Die Artillerie beschiesst in der Folge das badische Umland zwischen Friedlingen und Istein. Von der Grenze aus konnte man deutlich die Einschläge beobachten. In einem ersten Haus in Basel wurde ein schwerer Granaten Einschlag festgestellt (Mülhauserstrasse 98).

Grenze Alschwil / Schönenbuch

National Zeitung:

An der Schweizer Grenze bei Allschwil ist die Atmosphäre im Dorf Allschwil elektrisch beladen. Am Sonntagabend steigerten sich die Erwartungen und die Erregung, nachdem den ganzen Tag über immer lauter werdender Kanonendonner und das Näherrücken der Kriegshandlungen zu hören waren. Am Montagmorgen war in Allschwil das Läuten sämtlicher Kirchenglocken aus Buschwiler wieder deutlich hörbar. Bald darauf verbreitete sich in Allschwil wie ein Lauffeuer die Nachricht, dass Neuweiler, Hegenheim, Haltingen und Buschwiler von den Deutschen geräumt worden seien. Die Nachricht hat sich bestätigt.

Um 2:00 Uhr morgens bereits hat der Aufbruch der deutschen Truppen begonnen. Bis zur Stunde sind aber an den Grenzposten keine französischen Truppen erschienen. Von Schönenbuch aus jedoch sind auf der Strasse, die von Altkirch nach Häsingen führt, lange Reihen von Panzern sichtbar.

Links: Grenzübergang Allschwil - Hegenheim am 20. November 1944 - Foto Kriegstagebuch Gertrud Löw - Rechts: Der selbe Ort heute - Foto Patrick Schlenker

An den Grenzposten entlang der Strecke nach Häsingen sieht man um 10:30 Uhr noch 22 uniformierte Grenzer in einer Kolonne von den Hügeln hinter Allschwil herabkommen. Sie ziehen entlang der Kämpferarena in Richtung Burgfeld zurück, während auf der elsässischen Seite dieses Grenzübergangs bereits viele Einwohner von Häsingen stehen. Sie verständigen sich durch ihre Bindungen mit Freunden, Bekannten und Verwandten auf der Schweizer Seite und machen sich bereit. Überall in Allschwil versammeln sich die Leute; niemand scheint ernsthaft arbeiten zu wollen. Überall wird diskutiert. Auf dem Weg zum Grenzposten auf der Strasse Allschwil-Hegenheim hören man eine ältere Frau sagen, sie wartet. Sie habe die Franzosen weggehen sehen und will diese nun auch wieder zurückkehren sehen. In Schönenbuch erwartet man, dass am Mittag französische Truppen an der Grenze auftauchen. Während wir jetzt um 11:30 Uhr berichten, ist an der Schweizer Grenze Maschinengewehrfeuer zu hören.

Grenzübergang Schönenbuch am 20. November 1944 - Foto Kriegstagebuch Gertrud Löw

Augenzeigenbricht aus Allschwil vom 20. November 1944:

Nachdem das lärmende Gerassel von der Hagentalerstrasse her, das am Sonntagabend einsetzt hatte, auf Rückzugsbewegungen der deutschen Grenztruppen schliessen liess, traten im Laufe des heutigen Tages die erwarteten Veränderungen überraschend schnell ein. Unter dem Lärm der Fernkampfbatterien mischte sich Maschinengewehrfeuer. Die deutschen Grenzwächter zogen sich mit gesenktem Kopf zurück. Gegen die Mittagszeit wälzten sich von Hagental her einige Panzer, die mit Maschinengewehrfeuer die Gegend vom Feind säuberten. Eine Gruppe deutscher Soldaten versuchte, sich aus dem Kugelregen zu retten. Drei von ihnen vermochten es, die Schweizer Grenze zu passieren, allerdings mit schweren Verletzungen. Die anderen blieben tot liegen. 

Die alarmierten Grenzposten und Angehörige der Luftschutzorganisation in Allschwil brachten ihnen unter der Leitung eines Sanitätsoffiziers der Armee die erste Hilfe. Während sich der leichter Verletzte mit einem Grenzwächter nach Allschwil schleppte, wurde einem der anderen eine Kugel aus der Schulter operiert und dem dritten Notverbände an Brust und Beinen angelegt. Das Spitalauto kümmerte sich um den Abtransport dieser Schwerverletzten. 

Die Lkw und Panzerwagen hatten unterdessen Hegenheim erreicht. Der Zollposten wurde einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Die beiden deutschen Grenzsoldaten, die sich gerade noch rechtzeitig unter dem Drahtzaun an der Grenze in Sicherheit retten konnten, krochen kurz nach dem Abzug der kontrollierenden Marokkaner auf Schweizer Gebiet. Mittlerweile stauten sich viele Neugierige an der Grenze beim Hegenheimer Zollhaus. 

Über dem Eingang des elsässischen Zollhauses wehte bald die Trikolore. Am Bahnhof und den angrenzenden Strassen war reges Treiben. Der gesamte Bereich war von der aufgeregten Menge umstellt, und der Fluss der Menschen wurde durch die nahegelegene Grenze nicht gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt war das Gebiet vollständig in die Kontrolle der französischen Truppen gefallen.

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Am 20. November 1944 schrieb Gertrud Löw, wohnhaft Ziegelstrasse 8 in Basel in ihr Kriegstagebuch:

Wir „hören“ den Krieg wieder! Die Bahnhöfe von Weil und Haltingen sind unter ständigem Artilleriefeuer. Beide Ortschaften seien ohne Licht und Wasser. Motorisierte Verstärkungen formieren sich östlich der Burgundischen Pforte zum Zangenangriff gegen Mulhouse. 3. amerikanische Armee rückt an der ganzen Vogesenfront vor. Stellungskrieg in Erschweiler. 

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Sennheim, Thann, Hegenheim, Neuweiler und Burgfelden befreit

In Pfetterhausen, das tags zuvor befreit wurde, bereiteten die Bewohner den einziehenden Truppen einen stürmischen Empfang. Dann kam es zu Racheakten, bei denen ein Gestapo-Chef, ein Lehrer und ein Bahnangestellter getötet wurden. Kaum waren die französischen Truppen weitergezogen, geriet die Bevölkerung in Angst, denn plötzlich verbreitete sich das Gerücht, die Deutschen würden sich erneut rühren. In Scharen begaben sich die Menschen nun an die Schweizer Grenze, um im Zweifelsfall sicher zu sein. Die Deutschen zogen jedoch nicht als Rächer heran, sondern ihre dreissig Mann starken Truppen überquerten gegen halb sieben Uhr abends beim Gehöft Largin die Schweizer Grenze.

Vom Bois de Châtel bei Glay bis hinauf nach Thiancourt nördlich von Delle hielten sich immer noch deutsche Widerstandsnester, die verzweifelt kämpften. Das Hauptziel der alliierten Artillerie war Morvillars, wo am Sonntag gegen Abend ein Benzindepot in die Luft flog und einen Brand verursachte, der bis nach Bure hin zu sehen war. Mit Ausnahme von Glay und Écurcey haben die befreiten Orte verhältnismässig wenig gelitten. Die Fabriken wurden jedoch vollständig von den Deutschen geräumt.

Hegenheim von Teilen der 1er régiment de spahis algériens de reconnaissance befreit.

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Das Hauptquartier General Eisenhowers meldet (United Press.) Die alliierte Offensive gegen Deutschland hat in den folgenden zwölf Stunden ein bedeutendes Tempo angenommen. Insbesondere am Frontabschnitt in der Nähe der Schweizer Grenze wurden Geländestücke entdeckt, die an die Blitzvorstösse erinnern, die einst zu der erstaunlich schnellen Befreiung des grössten Teils von Frankreich führten. An den verschiedenen Fronten wurde heute Mittag Folgendes gemeldet:

Die Offensive gegen das Elsass:

Die Franzosen und Amerikaner, die entlang der Schweizergrenze operieren, haben in überaus schnellen Vorstössen den Rhein erreicht. Laut einem Frontbericht, der um die Mittagsstunde eintraf, haben sie die Ortschaften Hegenheim, Neuweiler und Burgfelden eingenommen. Daraufhin evakuierte der Feind Hüningen und St. Louis, und später griff er im Fünfquartier auch die Meldung über die Besetzung von St. Louis an.

Die Meldungen über die Frontbewegungen der amerikanischen und französischen Truppen an die elsässischen Front würden überstürzen, und es sei damit zu rechnen, dass vor heute Abend noch weitere beträchtliche Erfolge der Alliierten gemeldet werden. Bereits jetzt wird im alliierten Hauptquartier auf mögliche Gegenangriffe reagiert, die den unerwarteten Vorstoss gegen den Rhein gefährden könnten.

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Schäden in Basel

Bei der Beschiessung der Kaserne in St. Louis und eines Bunkers kam es im Rheinhafen Klein-Hüningen zu Schäden, da der Hafen genau in der Fortsetzung der Schusslinie zwischen dem Panzer und dem Bunker lag. Einzelne Granaten sausten über das Gebiet des Hafens hinweg, andere schlugen dort ein. So erhielten der Silo der Schweizer Reederei AG und die Rheinhafen AG Treffer, durch die die Mauern durchbohrt wurden. Eines der Geschosse sauste als Prellschuss nach Kleinhüningen hinunter und beschädigte die Turnhalle des Schulhauses. Es wurden auch noch weitere Splitterschäden festgestellt.

Zeitungsartikel der Basler Nachrichten aus dem Kriegstagebuch Gertrud Löw

"Wie notwendig es war, die Schule in Kleinhüningen vorerst einmal für diese Woche zu schliessen, beweist dieses Bild der Zerstörung, die der Einschlag eines Geschosses an der Turnhalle anrichtete. Dank der Vorsichtsmassnahmen der Schulleitung befanden sich im Augenblick des Einschlags keine Kinder in der Turnhalle. Aufgrund der verschiedenen Geschoss- und Splittereinschläge auf Schweizer Gebiet hält sich die Einwohnerschaft von Kleinhüningen während der Schiessereien im Innern der Häuser auf."

Während der Kämpfe in St. Louis kam es zu folgenden Schäden durch den Beschuss französischer Panzer:

11.15 Uhr - Nordquai - Renus AG

14.30 Uhr - Mülhauserstrasse 98

14.30 Uhr - St. Johannsring 133

15.00 Uhr - Hafenstrasse 13 - Renus AG 

15:20 Uhr - Geschosseinschlag am Ostquai Rhenus in den dort leerstehenden SBB K3 Nr.45360. Stirnwand durchschlagen, Oeffnung ca. 30 x 60 cm. Eine Anzahl Splitterlöcher im Dach und in den Wänden, Puffer und Pufferhülse angefressen. Anschliessender, mit Aepfel beladener SBB K3 Nr.42574 Stirnwand und Dach bei der Bremsplattform durch Geschossplitter durchlöchert. Streifspuren von Ge- schossplittern sind an den Schienen festgestellt. 

Das Bernoulli-Silo im Hafen Basel Kleinhüningen heute. Der Einschlag wurde mit anderen Backsteinen repariert und ist heute noch vom Hafenbecken 1 sichtbar. – Foto: Patrick Schlenker

Territorial-Kommando Basel

Aus den Berichten der Armee ist zu entnehmen:

Fliegeralrme:

  • 08:48- 09:06 Uhr
  • 09:11- 09:40 Uhr
  • 10:37 - 10:55 Uhr
  • 15:29 - 17:00 Uhr

00:20 Uhr: Grenzwach-Kommando 1 meldet: Keine neuen Meldungen. Biederthal bei Metzerlen wurde von den Deutschen geräumt.

01:00 Uhr: Grenzwach-Kommando 1 meldet: Deutsche Besatzung von Wenzwiler hat sich auf der Höhe Schönenbuch in Richtung Hagental zurückgezogen.

05:50 Uhr: Bei der Kirche in Hüningen wird ein Schiff beladen.

06:00 Uhr: Grenzwache 9 übernimmt am Grenzübergang "Neue Mühle" bei Roggenburg 50 deutsche Deserteure.

06:28 Uhr: Abfahrt mit Zivilisten in Richtung Weil.

06:40 Uhr: Grenzwach-Kommando 1 meldet: Leymen wurde am 19.11. von den Deutschen befreit. Seit gestern, 16:00 Uhr, stehen drei Autos zum Abtransport der Deutschen bereit. Alle deutschen Bauern sind abgereist. Vieh wurde zurückgelassen.

Weitere Meldungen: Deutsche Truppen in Burgfelden sollen am 19.11.1944 den Befehl erhalten haben, Burgfelden zu halten. Alliierte Kräfte sollen bis Kembs vorgestossen, jedoch eingeschlossen worden sein.

10:50 Uhr: Meldung von Oberleutnant Lüscher: Französische Panzer befinden sich in Leymen; die Panzerspitze steht vor Mulhouse. Grenzwach-Kommando meldet: Deutsche Zollposten in Lysbüchel haben sich in Richtung Mulhouse zurückgezogen.

12:00 Uhr: Grenzwach-Kommando meldet: Erste Jeeps auf der Strasse Hagenthal–Hégenheim gesichtet.

14:30 Uhr: Verschiedene Meldungen von Grenzübertritten in Lysbüchel, Burgfelden und Voltastrasse: etwa 225 Personen.
- Geschoss-Einschläge am Weg Spittelmatt-Weiher im Niederholz bei der Schleuse an der Wiese.
- Platzen einer Granate gegenüber der Sägerei Grüninger.

15:30 Uhr: Besprechung des Territorial-Kommandanten mit Oberst Fuchs, in Anwesenheit von Major Rufer, Territorial-Kommandant 4.

19:00 Uhr: Bew. Kp. 1 BL übernimmt die Begleitung und Bewachung der Flüchtlinge.

21:00 Uhr: Eintreffen des San. Zuges 12, bestehend aus 3 Wagen.

22:00 Uhr: Bis jetzt gemeldet: 255 deutsche militärische Flüchtlinge und 130 - 140 zivile Flüchtlinge.


21. November 1944

Allgemeine Lage:

Die Panzer der 1. DB (1ère Division Blindée) rücken in Mulhouse ein. Obwohl sie zahlenmässig in der Minderheit sind, führen sie zahlreiche Vortsösse durch die Hauptstrassen aus, um die Deutschen über ihre numerische Schwäche hinwegzutäuschen. Die Panzer erreichen Bourtzwiller und Pfastatt und werden dort von acht Kompanien der Forces françaises intérieures (FFI) unterstützt. Mulhouse wird befreit, doch die Nachricht von einer möglichen Gegenoffensive verbreitet sich schnell. Die Deutschen fassen neuen Mut und gehen in die Offensive. Sie greifen die alliierten Stellungen nordöstlich von Mulhouse an und stoppen auch den Vormarsch Richtung Chalampé, wobei sie die Kontrolle über die Brücke und das Eisenbahnknotenpunkt endgültig behalten.

Im Süden nterbrechen die Deutschen mehrfach die Versorgungswege des 1. Armeekorps. Die Strasse zwischen Delle und Seppois-le-Bas wird durch deutsche Bataillone abgeschnitten. Bei Suarce wird ein Teil des Regiments der Kolonialinfanterie aus Marokko sowie des 9. Zouaven-Regiments fast vollständig vernichtet. Am Abend wird die RD 463, die für die Versorgung mit Treibstoff und Munition der gesamten 1. DB zuständig ist, zwischen Faverois und Seppois blockiert.

Die Trikolore im Elsass weht wieder:

Im Verlauf des Vormittags meldet sich immer wieder Kampfgeschehen entlang der Frontlinien. Die französischen Truppen setzen ihre Angriffe an der Rheinfront fort. Nach neuesten Meldungen marschieren die Franzosen an einer 15 Kilometer langen Front am Rhein auf, unterstützt von ausgesuchten Verbänden der FFI (Forces Françaises de l'Intérieur), die an den Operationen beteiligt sind.

Augenzeugenbericht: FFI-Männer formieren sich in Gruppen auf der Hauptstrasse von St. Louis. Andere räumen das Dreifachamt und bringen deutsche Ausrüstungsgegenstände auf die Strasse. Aus dem Raum Blotzheim dringt heftiger Gefechtslärm, Maschinengewehr- und Gewehrfeuer herüber. Um 11:30 Uhr fahren drei Männer in die Garde-Mobile-Kaserne und erklären, sie seien zum Angriff bereit. Ein Detachement mit 40 Mann rückt auf dem offenen Feld zwischen Hüningen und St. Louis vor. Ihre MGs zielen auf Hüningen hinüber. Um 11:50 Uhr fährt vor dem Dreiviertelamt in Lysbüchel ein grosser Panzer auf. Die 3. Infanterie rückt in Richtung Garde-Mobile-Kaserne vor. 

Die Situation spitzt sich gegen Mittag zu, als die französische Artillerie das badische Rhein-Ufer erneut mit intensiven Bombardierungen überzieht. Kurz nach 12:00 Uhr schlagen etwa ein Dutzend Granaten in die Ortschaft Friedlingen ein, die nur wenige hundert Meter von der Schweizer Grenze entfernt liegt. Bereits zuvor ist der Kirchturm von Kembs in Brand geschossen worden. Diese wiederholten Artillerieangriffe führen zu schweren Zerstörungen, und die französischen Truppen gehen mit äusserster Entschlossenheit gegen die deutschen Besatzungstruppen vor.

Zur gleichen Zeit, im Raum St. Louis, bricht die Belagerung der Garde-Mobile-Kaserne nach einer erneuten Beschiessung durch französische Panzer und Fahrzeuge auf. Französische Panzer dringen in den Hof der Kaserne ein, doch in der Zwischenzeit gelingt es den dort versteckt gehaltenen deutschen Soldaten, unbemerkt durch Lauf- und Splittergräben zu entkommen und nach Hüningen durchzubrechen.

In St. Louis setzen französische Truppen und die FFI ihre Durchkämmungen zahlreicher Gebäude fort, um nach deutschen Soldaten zu suchen. Zuvor ist die Bevölkerung in den Räumlichkeiten der deutschen Gendarmerie und des Grenzschutzes aktiv geworden und hat diese geplündert. Es kursieren Gerüchte, dass sich auch Gestapo-Beamte unter die flüchtenden deutschen Soldaten gemischt haben, um unerkannt zu bleiben.

Auf der badischen Seite des Rheins wird der Verkehr nach Basel aufgrund der andauernden französischen Beschiessungen eingestellt. Auch auf der elsässischen Strecke verkehren vorübergehend keine Züge. In dieser Zeit nehmen die französischen Artillerieangriffe wieder zu und sorgen für weitere Zerstörungen. So wird die Hüninger Fähre, die die zerstörte Schiffbrücke ersetzte, durch einen Volltreffer zerstört. Das Boot liegt zertrümmert am Ufer. Auch die Fähre bei Märkt wird nach einem Angriff versenkt, wobei mehrere Menschen ertranken.

Die französischen Truppen setzen ihre Angriffe auf die deutschen Truppen mit äusserster Heftigkeit fort. Gegen 16:00 Uhr nachmittags lebt das Artilleriefeuer wieder auf, sodass sich die deutschen Behörden genötigt sehen, Weil-Leopoldshöhe und Haltingen endgültig zu evakuieren. In dieser Zeit wird erneut das Gebiet um Volksberg mit Granaten aus dem Raum des französischen Artilleriefeuers beschossen. 

Am Nachmittag setzen die französischen Truppen ihre Durchkämmungen in den umliegenden Regionen fort und die Gefechte zwischen Panzern und Bunkeranlagen nehmen merklich an Intensität zu. Aus den kleinen Kanonen der Panzer krachen Schuss um Schuss. Die Einschläge, sowohl neben als auch auf den Bunkern, werden immer häufiger beobachtet. Besonders laut und heftig ist der Kampf auf der Strasse zwischen Hüningen und St. Louis. Der Hüninger Gaskessel, ein exponiertes Ziel, gerät immer wieder in den Fokus der Artillerie, wobei Rauchwolken aus den Einschlägen aufsteigen. Den deutschen Soldaten, die in der Kiesgrube bei St. Louis Deckung gesucht hatten, gelingt es nicht, den heranrückenden Panzern zu widerstehen. Daraufhin werden gegen 16:55 Uhr Minenwerfer, deren Standorte schwer zu erkennen sind, eingesetzt. 

Links: FFI an der Grenze Lysbüchel am 21. November 1944 - Foto News Chronicle Iondon (Dr. Pentmann) - Kolorierung Patrick Schlenker Rechts: die selbe Stelle im November 2024

Kurz nach 17:00 Uhr erlischt plötzlich der Gefechtslärm. Die Panzer, die zuvor die Strassen von St. Louis durchzogen haben, verschwinden wieder. Doch es bleibt klar, dass weiterhin kleine Widerstandsnester der Deutschen in der Gegend existieren. An den Randzonen des Kampfgebiets werden die Panzer mit Maschinengewehrfeuer beschossen. Aus dem rechten Gebäudeteil der SS-Kaserne steigt den gesamten Nachmittag über schwelender Rauch auf.

Vor Einbruch der Dunkelheit steigen plötzlich Flammen aus den Fenstern des Erdgeschosses der SS-Kaserne. Innerhalb kurzer Zeit brennt es im Inneren des Gebäudes lichterloh. Es gibt keine sichtbaren Löschversuche, doch das Feuer erlischt nach etwa einer Stunde von selbst.

Gegen 17:12 Uhr steigen auf der gegenüberliegenden Seite der Schusterinjel weisse Rauchwolken auf, eine nach der anderen. Es ist sofort klar, dass es sich um Nebelgranaten handelt, die von der Artillerie zum Einschiessen verwendet werden. Ein neues Ziel wird rund einen Kilometer jenseits der Grenze gesucht. Die Situation lässt darauf schliessen, dass die Nacht ebenfalls unruhig werden wird.

In St. Louis gibt zunehmende Meldungen über Panik unter der elsässischen Grenzbevölkerung, die durch unkontrollierbare Gerüchte befeuert wird. Es wird behauptet, dass etwa 5000 deutsche Soldaten den Belagerungsring von Belfort hätten sprengen können, ein Teil sei jedoch in französische Gefangenschaft geraten, während der Rest sich in Richtung der Grenze bewegt habe. Diese Gerüchte führen zu einer regelrechten Fluchtbewegung auf die Schweiz zu.

Die Kämpfe rund um das Kraftwerk Kembs und die angrenzende Schleusenanlage nehmen zu. Immer wieder treffen Granaten das Gelände, und Fontänen von erheblicher Höhe spritzen in die Luft. Es ist anzumerken, dass die Beschiessung offensichtlich nicht auf das Kraftwerk selbst abzielt, da die Gebäude, die eigentlich ein leichtes Ziel bieten würden, unversehrt bleiben. Möglicherweise befinden sich deutsche Stellungen in der Nähe des Werkes, weshalb die Artillerie eher auf diese Positionen gerichtet ist. Die Gegend wird immer wieder von Explosionen erschüttert, und auch entlang des linksrheinischen Ufers bis zur Rosenau und vermutlich bis nach Loechle sind Detonationen zu hören.

Die militärische Lage bleibt angespannt, da sich die französischen Truppen weiterhin mit aller Entschlossenheit gegen die deutschen Besatzungstruppen zur Wehr setzen, was den Verlauf des 21. November 1944 zu einem bedeutenden und dramatischen Tag in dieser Region macht. Trotz des symbolischen Sieges in der Stadt bleibt die militärische Lage an der Front weiterhin unklar und gefährlich. In der Nacht kommen Meldungen, dass deutsche Soldaten auch weiterhin einzelne Orte besetzen und in einigen Fällen, wie in Neuf-Brisach und St. Louis, Scharmützel mit französischen Soldaten ausgetragen werden.

Basel

Im Laufe des Vormittags und über die Mittagszeit fuhr im äusseren St. Johann und im Gebiet von Kleinhüningen bis zur Dreitosenbrücke ein Lautsprecherwagen des Luftschutzkommandos herum, dessen Sprecher folgendes verkündete:

„Achtung, Achtung! Warnung des Luftschutzkommandos: Die Kämpfe im Elsass bedeuten eine ernste Gefahr. Dringende Aufforderung an die Bevölkerung: Keine Neugierde zeigen; die Strassen meiden; in den Häusern in abseitigen Räumen aufhalten. Bei Artillerieschiessen die Keller oder sonstige Deckung aufsuchen.“

Die militärischen Instanzen in der Region setzen verstärkte Grenzsicherungsmassnahmen, während die Polizeimannschaft im Elsässerquartier in erhöhter Bereitschaft ihre Aufgaben wahrnimmt.

Gegen Mittag verbreitet sich die Nachricht, dass der deutsche Grenzbeamte, der tags zuvor ins Spital Basel gebracht wurde und dort verstarb, von seinen eigenen Soldaten erschossen worden ist. Zuvor hat dieser versucht, desertierende Soldaten davon abzuhalten, in die Schweiz zu flüchten.

Beim Artilleriebeschuss der Leopoldshöhe und Haltingen zerstöre Granaten auch in Kleinhüningen ein Dach einer Reederei und richten dort erheblichen Schaden an. Die Hafenstrasse ist mit zerbrochenen Ziegeln übersät. Aufgrund der anhaltenden Angriffe stellen nahezu alle Reedereien im Kleinhüninger Hafenbetrieb ihren Betrieb ein.

Um 15:37 Uhr ertönt erneut Fliegeralarm in Basel und der näheren Umgebung, als 11 schwere alliierte Kampfflugzeuge, offenbar von einem Angriff auf Industriegebiete in Süddeutschland kommend, rheinabwärts fliegen und die Grenze in Richtung Elsass überqueren.

Am Abend erlebt Basel einen historischen Moment: Mitglieder der französischen Kolonie in der Stadt, darunter auch der als tot geglaubte Jules Pfyfer, der ehemalige Besitzer des bekannten Hotels-Restaurants in St. Louis, überbringen eine neue Trikolore der französischen Kolonie. Dies erfolgt im Rahmen einer kurzen Zeremonie, in der die französische Fahne hochgezogen und die „Marseillaise“ gesungen wird. Doch während in Basel dieser symbolische Akt stattfindet, donnert im Hintergrund weiterhin der französische Artilleriebeschuss über das badische Ufer, und Maschinengewehre der französischen Panzer zerrissen die Dunkelheit bei Hüningen.

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit beginnen hunderte Zivilisten, darunter Männer, Frauen und Kinder, mit allen erdenklichen Fahrzeugen und Wagen die Grenze zu erreichen. Sie tragen ihre Habseligkeiten mit sich und suchen in grösster Angst Zuflucht. Die Grenzsicherungsorgane gewähren ihnen vorübergehend Asyl, während die Flüchtlinge unter militärischer Begleitung in die Mustermessehallen in Basel gebracht werden. Nach den ersten Schätzungen sind zwischen 3000 und 4000 Personen während des Abends in die Schweiz übergetreten.

Menschen mit Gepäckstücken und einem Leiterwagen mit Habseligkeiten - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1060c 3/7/362 - Kolorierung Patrick Schlenker

Augenzeugenbricht: Den Beobachtern des Übertritts der Zivilbevölkerung von St. Louis bietet sich ein Bild, das sie wohl nicht so rasch wieder vergessen werden. Es ist deutlich zu sehen, dass die Flüchtlinge in aller Eile all das zusammengepackt haben, was ihnen notwendig und wertvoll erscheint. Das Gepäck der einen befindet sich in einem Rucksack oder in einer grossen Tasche, andere haben ihre Habseligkeiten auf Kinderwagen oder Leiterwagen verladen. Manche haben sich zusammengetan und ihre Koffer, Taschen, Bündel und Bettzeug auf einen gemeinsamen Wagen geladen. Nebenher schieben sie Fahrräder, oft überladen mit Gepäck. Der grösste Teil der Flüchtenden sind Frauen, man sieht es auch an ihrer Kleidung, dass sie sich in der Eile mehr nach der Zweckmässigkeit als nach der Schönheit orientiert haben.

Ergreifende Szenen spielen sich immer wieder ab, wenn sich da und dort aus den Zuschauern eine Frau oder ein Mann löst und laut einen Namen rufend zu der Gruppe der Flüchtlinge hinüberschreitet. Leute, die sich seit vier Jahren nicht mehr gesehen haben und oft kaum vom Schicksal der anderen wissen, sehen sich nun plötzlich wieder. „Seit vier langen, schweren Jahren, in denen wir immer wieder mit Sehnsucht nach Basel hinübergeblickt haben, ist es nun wahr geworden, dass wir wieder kommen können. Ich habe mir meinen ersten Gang nach Basel zwar anders vorgestellt“, sagt uns eine alte Frau, die vor dem Krieg jeden Tag mit frischem Gemüse in die Stadt gezogen ist. „Aber es kommt bald die Zeit, wo man ungezwungen hinüberkommen kann“, tröstet sie ein alter Mann, der nun schon zum dritten Mal während dieses Krieges flüchten muss.

Mit grossem Interesse erkundigt man sich natürlich nach dem, was die Flüchtlinge in den letzten Tagen erlebt haben. Die Aussagen der Evakuierten sind eindeutig, jedoch verschieden. Je nach dem persönlichen Temperament wissen sie von allerhand grösseren und kleineren Aktionen zu berichten. Überall sind Spuren der Kämpfe zu sehen, besonders die äusseren Liegenschaften von St. Louis sind teilweise stark beschädigt. In manchen Strassen liegen noch Reste von Toten. Die meisten Zivilpersonen haben es vorgezogen, sich während der Kämpfe in den Häusern zu verbergen, von einem geregelten Leben ist in den letzten Tagen natürlich nicht mehr zu reden. Eine grosse Zahl der noch in St. Louis verbliebenen jungen Elsässer haben sich den FFI (Forces Françaises de l'Intérieur) angeschlossen.

Schäden in Basel

Während des Beschusses des Fabrikareals an der Wiesenmündung am elsässischen Rheinufer flogen mehrere Geschosse und Granatensplitter in und über den Rhein. Im Rheinhafen wurde das Tankschiff „Furka“ getroffen und fing Feuer. Ein Detachement der Luftschutztruppen konnte den Brand jedoch erfolgreich löschen. Ein grosser Benzintank am Hafenbeckenquai wurde dreifach durchschlagen, hatte jedoch Glück, da er leer war. Zündköpfe und Splitter beschädigten Liegenschaften und Gärten. Es wird erwartet, dass bei Tageslicht noch viele weitere Granatsplitter und Granatentreffer gefunden werden. Eine Granate traf ein offenes Kohlelager am Hafenbeckenquai, während eine andere mitten in der Wiesenmündung landete und die dortige Eisenbahnbrücke beschädigte.

Schäden:

  • 08:30 Uhr – Westquaistrasse 31
  • 08:30 Uhr – Schulgasse 11
  • 08:30 Uhr – Dorfstrasse 51
  • 08:30 Uhr – Hafenstrasse 5 & 7, Schweizerische Reederei AG
  • 23:15 Uhr – Milchsuppe 175, Bürgerspital Basel

Bei den Elsässern in der MUBA

Aus den Basler Nachrichten

Als am 20. November den ganzen Tag die Kanonen donnerten, musste ich unablässig an meine Bekannten in Hüningen und St. Louis denken. Was machen sie nur? Müssen sie wohl noch einmal evakuieren? Da schrillt das Telefon. Eine Stimme auf gut elsässisch wünscht mir „Bon soir“. „Do simmer ändlig gen wider emol z'Basel!" Aber trotz der Freude klang die Stimme unterdrückt, denn meine Einladung durfte nicht angenommen werden. „Mir mien alle in de Muschtermäss!"

Menschen mit Gepäckstücken und einem Leiterwagen mit Habseligkeiten - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1060c 3/7/367 - Kolorierung Patrick Schlenker

Am anderen Morgen drängte sich vor der Tür zur Soldatenhalle, wo die Elsässer Quartier bezogen hatten, bereits eine grosse Menge. Es waren nicht nur Neugierige. Die meisten hatten das Verlangen, ihre lieben Elsässerbekannten zu begrüssen. Den Schweizer Soldaten fiel es schwer, die Leute abzuweisen, und wenn eine Frauenstimme bettelte „Oh, lassen Sie mich doch rasch meinen Bruder sehen!“, öffnete er wohl einen Spalt, um den Sehnsüchtigen das Wiedersehen zu ermöglichen. Namen wurden von aussen den drinnen Wartenden zugerufen, und wenn die Gerufenen endlich erschienen, war die Freude des Wiedersehens unbeschreiblich. „Wie geht's? Wie geht's?“ fragte ich meine Heimatbekannten. „Ah, jetzt kann uns nichts mehr passieren! Jetzt geht's uns gut, wir sind ja in der freundlichen Schweiz!“

Als ich dann die dicken Strohsäcke musterte und die wenigen Habseligkeiten, die herumlagen, fragte ich nach dem etwa Fehlenden. „Oh, Stoff und Madam, hett Se e Stickl Seif fir nis? Kennt Se verfün mir vielleicht e Zahnbürschtel besorge?" Alles Dinge, die die Flüchtlinge noch benötigten.

Auch in der Mustermesse in Basel, wo viele Elsässer Flüchtlinge untergebracht sind, gibt es jetzt eine spürbare Erleichterung. Die Elsässer Flüchtlinge, die vorläufig unter striktem Ausgehverbot stehen, finden sich gelassen damit ab. Sie geniessen die gute Suppe und den Milchkaffee, der ihnen von Luftschutzsoldaten serviert wird. Alle haben die feste Überzeugung, noch bis Ende der Woche wieder nach Hause zurückkehren zu können. Wenn sie sich in dieser Hoffnung nicht täuschen, wären unsere armen Elsässerfreunde, die schon so viel durch das wechselvolle Schicksal ihrer Heimat erduldet haben, endlich wieder in Sicherheit.

Flüchtlinge in Halle 2 - Foto Staatsarchiv Basel PA 1189b B 2-28 (1) 3-4 - Kolorierung Patrick Schlenker

Territorial-Kommando Basel

Fliegeralarme:

  • 08:48 - 09:09 Uhr
  • 09:11 - 09:44 Uhr
  • 10:37 - 10:59 Uhr
  • 15:37 - 17:03 Uhr

Aus den Berichten der Schweizer Armee ist Folgendes zu entnehmen:

01:00 Uhr: Deutsche Truppen ziehen sich nach Hüningen zurück. Mindestens ein deutsches Bataillon in Hüningen in Stellung.

06:00 Uhr: Die Säuberung des linken Rheinufers durch franz. Truppen soll beginnen.

06:40 Uhr: Der Bahnhof Weil steht unter Beschuss. Bahnmaterial wurde evakuiert.

07:00 Uhr: Die Stadtbrücke Rheinfelden wurde von acht deutschen Soldaten zur Sprengung vermint.

08:00 Uhr: Der Kommandant und der Adjutant begeben sich zur Grenze Kleinhüningen.

08:30 Uhr: Das Zeughaus Basel erhält den Befehl, Waffen, Munition und Kriegsmaterial der deutschen Internierten entgegenzunehmen.

08:35 Uhr: Mehrere deutsche Soldaten warten auf die Aufnahme der Civil-Transit-Flüchtlinge. Der Abtransport beginnt sofort.

08:40 Uhr: Auftrag an den Genie-Chef: Grenzmarkierungen an den Strassen nach St. Louis und Hüningen mit rot-weissen Bändern anbringen. Ausführung erfolgt mit Einverständnis des Kdt. Inf. Rgt. 23.

08:48 Uhr: 272 deutsche Militärinternierte werden nach Olten zur Reinigung abtransportiert.

09:00 Uhr:

  • Maj. Flückiger, Chef des 2. Armeekorps, und Hptm. Palm, Kdt. des Bewachungsdetachements 8, melden sich auf dem KP. Rekognoszierung technischer Verbesserungen im Abschnitt Basel.
  • Meldung über Geschosseinschläge in Kleinhüningen, unter anderem in die Kleinkinderschule, die geschlossen wurde.

14:00 Uhr:

  • Der Kommandant und der Stabschef inspizieren die Reederei und die MUBA.
  • Anschliessend Inspektion der Bewachungskompanien 1 BL und 10 BS.
  • Vorbereitung der Beisetzung eines im Spital verstorbenen deutschen Hilfszollassistenten, der tags zuvor am Grenzübergang Lysbüchel angeschossen wurde. Absprache mit dem deutschen Generalkonsul in Basel findet statt.

15:00 Uhr: 120 Flüchtlinge werden vom Zoll Friedlingen zum Zoll Hornfelsen (Grenzach) transferiert. Keine Pferde oder Vieh.

17:35 Uhr: Maj. Debrunner meldet, dass die Deutschen 2000 Mann auf das linke Rheinufer gebracht haben, um St. Louis anzugreifen.

17:40 Uhr: Meldung, dass Mulhouse wahrscheinlich von den Alliierten besetzt wurde.

18:10 Uhr: Am Lysbüchel warten 1000 Flüchtlinge auf Abholung.

18:20 Uhr: Meldung über einen möglichen deutschen Angriff aus dem Raum Belfort. Bewachungskompanie 1 BL (Birsfelden) wird auf Pikett gestellt.

18:30 Uhr: Die ersten 1000 Flüchtlinge werden in der MUBA untergebracht. Zwei zusätzliche Detachemente werden aufgeboten.

18:45 Uhr: Maj. Debrunner meldet, dass etwa 4000 Flüchtlinge in kleinen Gruppen eintreffen.

18:55 Uhr: Befehl des Territorialkommandanten: Einsatz der Bewachungskompanien 8, 21 und 23 BS am Korps-Sammelplatz.

18:56 Uhr: Platzkommando wird aufgeboten.

19:21 Uhr: Befehl des Platzkommandanten: Zusatzaufgebot von mindestens drei Lastwagen für 21:00 Uhr.

19:22 Uhr: Befehlsausgabe an die Bewachungskompanie 23 BS.

19:25 Uhr: Befehlsausgabe an die Bewachungskompanie 21 BS.

19:38 Uhr:

  • Rapport: Panik in St. Louis. Die Bevölkerung strömt nach Basel. Versammlung am Lysbüchel. Einsatz der Bewachungstruppen:
    • Detachement 1 BL in die MUBA.
    • Detachement 21 BS an die Grenze.
    • Detachemente 8 und 23 BS in Reserve.

19:57 Uhr: Meldung aus Lysbüchel: Der Zustrom nimmt ab. Zollorgane schätzen bisher etwa 2000 Flüchtlinge. Noch etwa 500 Flüchtlinge an der Grenze in Burgfelden. In Allschwil werden weitere 200–500 Flüchtlinge erwartet.

20:12–23:00 Uhr: Zahlreiche Kommandanten treffen im Kommandoposten ein.

23:10 Uhr: Inf. Rgt. 23 meldet Artilleriefeuer auf Leopoldshöhe Weil.

23:35 Uhr: Hptm. von der Mühll, Kdt. der Bewachungskompanie 21 BS, meldet: 100 Kinder aus Burgfelden wurden zur MUBA weitergeleitet.

 


22. November 1944

Weitere Kämpfe im Dreiländereck

Milchiggrau und beinahe undurchsichtig liegt ein Herbstnebel über der elsässischen Grenzgegend. Beim Zollamt Lysbüchel warten noch immer elsässische Flüchtlinge auf den Übertritt, der ihnen jedoch erst gestattet wird, wenn die Lage ernster wird.

Am Morgen, kurz vor Tagesanbruch, kehrt ein Trupp deutscher Soldaten unbemerkt zur gestern geräumten Garde-Mobile-Kaserne in St. Louis zurück, um einen zurückgelassenen Militärlastwagen zu bergen.

Gerade als die Deutschen den Wagen starten, wird der Handstreich von der FFI bemerkt. Die Franzosen nehmen die davonfahrenden Soldaten unter Gewehrfeuer, jedoch ohne Erfolg.

Um 11:40 Uhr beginnt aus dem Raum Belfort-Altkirch ein intensives Trommelfeuer. An der Peripherie von Basel erzittern die Häuser, und das Vibrieren der Erde ist spürbar. Kurze Zeit später sind auch schwere Artilleriesalven aus der Richtung von Mulhouse zu hören. Den donnernden Geräuschen zufolge schlagen diese Geschosse etwa 15 bis 20 Kilometer nordwestlich von Basel ein, in der Gegend von Sierenz und Habsheim.

 

 

Spuren des Gefechtes in der Nähe des Grenzübergang Lysbüchel in St. Louis - Das Foto wurde 1944 von der Militärzensur unter Verschluss gehalten  - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Die Gefechte weiten sich aus, und die französische Artillerie greift erneut das Wiesental in der Nähe von Stetten und Lörrach an. Dabei kommen auch Sturmgeschütze aus der Sundgaubügel-Region und erstmals Geschütze aus Istein zum Einsatz. Eine kurze, aber intensive Salve aus dieser Richtung deutet auf einen Versuch hin, die Feuerkraft der deutschen Verteidigung zu verstärken.

Kurz nach 14 Uhr erschüttert eine heftige Detonation die Garde-Mobile-Kaserne. Eine zweite und dritte folgen, danach detonieren in schneller und ununterbrochener Folge weitere Explosionen.

Die deutschen Truppen eröffnen schweres Minenwerferfeuer auf das umstrittene Kasernengelände, das französische Panzerstreitkräfte am Vormittag nach kurzer Schiesserei eingenommen haben. Etwa eine halbe Stunde lang geht das Minenwerferfeuer nieder – mal zu kurz, mal zu lang, zwischendurch aber mit schweren Treffern. Staub wirbelt auf, getroffene elektrische Leitungen funken, und zerborstene Dachziegel sausen in den Hof.

Kurz darauf rattert heftiges Maschinengewehrfeuer gegen einen grossen schwarzen Schuppen am Nordrand des Geländes. Schwere Salven schlagen in die Schiessscharten ein, während dazwischen einzelnes Gewehrfeuer knallt. Aus dem elsässischen Hinterland donnern schwere französische Geschütze, und nach wenigen Sekunden sind Einschläge aus Weil-Leopoldshöhe und Haltingen zu hören.

Um etwa 14:30 Uhr eröffnen französische Panzer von zwei Seiten das Feuer auf die alte Hüninger „Schiffmühle“ und die ehemalige chemische Fabrik am Rhein, in der sich vermutlich deutsche Truppen befinden. Eine halbe Stunde lang wechseln Maschinengewehrsalven und Schüsse aus Panzergeschützen einander ab, bevor eine kurze Gefechtspause eintritt.

Ob dies der Beginn eines umfassenden Angriffs auf die eingeschlossenen deutschen Truppen in Hüningen ist oder nur ein vorsichtiges Abtasten, bleibt unklar.

Artilleriefeuer auf Hüningen

Um 15:25 Uhr beginnen schwere französische Batterien mit der Beschiessung von Hüningen. Salve um Salve schlägt ein, nachdem die Franzosen zuvor mit Nebelgranaten das Ziel eingeschossen haben. Zunächst treffen die Geschosse den Stadtrand, dann das Innere der Stadt, wo gewaltige Rauchwolken aufsteigen. Rings um den Lysbüchel erzittern die Häuser unter der Wucht der Detonationen.

Hüningen unter Beschuss - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Die Kiesgrube zwischen St. Louis und Hüningen wird ebenfalls mit Nebelgranaten eingehüllt.

Zur selben Zeit erschüttert eine gewaltige Detonation die Luft. Entweder explodiert eine Mine direkt vor der Garde-Mobile-Kaserne oder ein Munitionslager wird getroffen. Der genaue Sachverhalt bleibt zunächst unklar.

Um 16:00 Uhr entwickeln sich auch Bodenkämpfe. Zwischen den deutschen Besatzungen der Rheinbunker und angreifenden leichten motorisierten französischen Streitkräften entbrennen Gefechte. Die Franzosen setzen Maschinengewehre, Gewehre, Minenwerfer, kleinere automatische Waffen und Panzerfäuste ein. Aus der Garde-Mobile-Kaserne heraus schiessen sie auf das Gelände der Geigy-Fabrik, das oberhalb des Rhein-Rhône-Kanals nahe der Schweizer Grenze liegt.

Fährverkehr bei Hüningen wieder aufgenommen

Nachdem das Fährboot, das seit der Zerstörung der Hüninger Schiffsbrücke den Verkehr zwischen dem badischen und dem elsässischen Ufer übernommen hatte, am Montag und Dienstag durch Artilleriebeschuss zerstört worden war, nimmt heute, am Mittwochmorgen, ein neues Boot den Betrieb wieder auf. Lange Kolonnen von Flüchtlingen, meist Deutschen, warten geduldig auf ihre Ausschiffung über den Rhein. Auf dem Weg zur Anlegestelle hatten die zurückweichenden Deutschen, die anscheinend in den letzten Tagen weitgehend auf sich selbst angewiesen waren, teilweise ganze Viehherden vor sich hergetrieben. Doch je länger der Weg dauerte, desto mehr Herden wurden aufgegeben oder von der Bevölkerung übernommen. Bereits in den frühen Stunden des Tages setzen kleinere Gruppen von etwa 15 Soldaten lebhaft über den Rhein von Friedlingen nach Hüningen über.

Aus dem Hauptquartier von General Eisenhower (United Press)

Ausweitende Kampfhandlungen nördlich von Basel. Laut Frontberichten hat das deutsche Oberkommando Verstärkungen in die Region entsandt.

Die Erste Französische Armee, die inzwischen den Rhone-Rhein-Kanal überschritten und Teile von Mulhouse eingenommen hat, muss mit massiven deutschen Gegenangriffen rechnen. Bereits gestern Nachmittag begannen deutsche Truppen mit einer Reihe von Gegenschlägen, die laut unbestätigten Berichten sogar zur Rückeroberung einer Ortschaft zwischen Belfort und dem Rhein führten.

Am heutigen Nachmittag wird ein deutscher Gegenangriff in einem Frontbericht thematisiert. Ein Korrespondent meldet nach Gesprächen mit einem hohen Offizier, dass diese Angriffe wohl nicht entscheidend sein dürften, da französische Verstärkungen über die Burgundische Pforte heranströmen.

Die französischen Offiziere zeigen sich zuversichtlich, dass die deutschen Gegenangriffe nicht zur Rückgewinnung des verlorenen Terrains führen. Die französischen Kräfte bereiten sich darauf vor, ihre Positionen zu halten und ihre Offensive fortzusetzen.

Situation in Belfort

Belfort bleibt ein Schauplatz heftiger Kämpfe. In der Zitadelle halten rund 40 deutsche Soldaten die Stellung und beschiessen weiterhin die Stadt mit Artillerie und Mörsern. Die Kapitulation wird verweigert, während amerikanische Truppen Massnahmen ergreifen, um den Widerstand zu brechen.

Das Fort Valdoie in der Nähe von Belfort konnte am Dienstag von marokkanischen Tirailleurs eingenommen werden. Diese Truppen hatten bereits zuvor entscheidende Siege in Italien errungen, als sie die Gustav-Linie bei Garigliano durchbrachen. Ihre Verluste bei der Einnahme des Forts waren vergleichsweise gering, während die deutschen Truppen erhebliche Verluste erlitten.

Gefechte im Jura

Im Gebiet von Lepuix kommt es zu heftigen Kämpfen zwischen einem deutschen Verband, der auf etwa 15.000 Mann geschätzt wird und in dieser Gegend eingeschlossen ist, sowie französischen Einheiten. Das Kampfgebiet liegt unweit der Schweizer Grenze. Die Deutschen setzen alles daran, bis an die Grenze zu gelangen, um die Nachschublinie der französischen Truppen zu durchschneiden, die entlang der Grenze verläuft. Die französische Artillerie, die bei Delle Stellung bezogen hat, beschiesst ununterbrochen die von den Deutschen besetzten Linien. Die Deutschen haben die beiden Dörfer Suarce und Lepuix zurückerobert.

In der Grenzregion zwischen Basel und dem Pruntruterzipfel flüchtet die Bevölkerung in Massen in die Schweiz. Die Lage ist angespannt.

Das Alliierte Oberkommando meldet, dass die Erste französische Armee Mulhouse besetzt hat. Laut Frontberichterstattern haben die Franzosen in Mulhouse etwa 1.000 Gefangene gemacht, darunter auch einen Teil des Stabes der 19. deutschen Armee. Im Bereich der Mülhauser Kasernen leisten vereinzelte deutsche Detachements noch Widerstand.

Schäden und Flüchtlinge in Basel

Der Grenzverkehr von der Schweiz nach Baden wird von deutscher Seite vollständig gesperrt.

Zum wiederholten Mal wurde der Siloturm in der Nähe von Hüningen getroffen, und auch die Reederei AG erlebte ähnliche Schäden. Schliesslich schlug eine Granate in einen grossen Drehkran ein. Weitere Geschosse explodierten im Rhein, und auch eine der Bahnbrücken, die über die Wiese führt, erhielt einen direkten Treffer, was dazu führte, dass die schweren Eichenbäume am Ufer in Brand gerieten. Die Tankanlagen wurden ebenfalls beschossen, waren jedoch zu dieser Zeit leer.

Gleich zu Beginn der Panzerangriffe auf deutsche Bunker und Feldstellungen bei Hüningen fiel eine Panzergranate in die Ackerstrasse und explodierte mit einem heftigen Knall, glücklicherweise ohne grösseren Schaden anzurichten. Auch am Wiesendamm 62 und 64 landete ein Geschoss und zertrümmerte zwei Fensterscheiben einer Parterrewohnung. In der gleichen Strasse scheint ein weiteres Geschoss auf einer Terrasse eingeschlagen zu sein, wodurch Schranktüren beschädigt wurden. Auch im Kleinhüninger Areal der Ciba landete eine Granate, die Schäden an der Gleisanlage verursachte. Spät abends fielen Granatensplitter in der Nähe des Schweizerischen Zollamts im Badischen Bahnhof. Aufgrund dieser wiederholten Angriffe auf das untere Kleinbasel und das Elsässerquartier mussten verschiedene Vorkehrungen getroffen werden, um die Zivilbevölkerung zu schützen.

So stellte die Chemische Fabrik vorm. Sandoz ihren Betrieb in den an der Grenze gelegenen Fabrikationsräumlichkeiten ein. Auch die Tramlinien, wurden eingestellt, da das Depot Wiesenplatz und die Umgebung wiederholt getroffen worden waren. Die Tramwagen wurden vor dem Badischen Bahnhof, an Endstationen und an weniger exponierten Orten über Nacht abgestellt. Es kann fast als ein Wunder bezeichnet werden, dass die Einschläge keine Opfer gefordert haben.

Um 15:40 Uhr explodierte eine Granate auf der Matte bei der „Bändelgasse“ zwischen Klybeck- und Gärtnerstrasse nahe dem Depot Wiesenplatz. Splitter und aufgeworfene Erde schlugen auf das Depotdach ein und beschädigten die Einfriedung der Matte.

In der Folge wurden aus Kleinhüningen zahlreiche Kinder nach anderen Orten der Stadt evakuiert, und auch die Bewohner der Aussenquartiere der Stadt wurden von militärischer Seite aufgefordert, die Keller aufzusuchen.

Schäden:

  • 12:45 - Hegenheimerstrasse 37
  • 16:15 - Kleinhüningerstrasse 188
  • 14:00 - Westquaistrasse 12 - Rheinische Kohlen-Umschlags AG Basel
  • 14:00 - Uferstrasse 80 - Standard Mineralölprodukte AG
  • 14:00 - Uferstrasse 90 - Benzin- & Petroleum AG
  • 14:15 - Wiesendamm 62 & 64
  • 15:40 Uhr Bändelgasse

Im Verlauf des Tages ziehen mehrere Kolonnen von Flüchtlingen aus der badischen Nachbarschaft, begleitet von Schweizer Soldaten, durch die Peripherie von Basel. So wird beobachtet, dass ein Trupp von Evakuierten aus Weil am Rhein, die von den Langen Erlen kommend zum Grenzübergang am Hörnli marschieren, unter Begleitung von Soldaten zieht. Sie führen auf Handwägelchen und von Kühen gezogenen Fuhrwerken ihre Habe mit sich. Auf einem der Wagen sitzt ein zitternder Greis, auf dem anderen eine alte Frau. Die Flüchtlinge, hauptsächlich Frauen und Kinder, machen einen niedergeschlagenen Eindruck. Einige erzählen weinend, dass sie gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen, weil sie sonst nicht entkommen wären. Gerüchten zufolge sieht es in der Gegend von Weil und Haltingen nach den Beschiessungen durch die französischen Geschütze sehr schlimm aus.

Deutsche Flüchtlinge mit Hab und Gut auf der Flucht von den Kämpfen - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Schäden in Basel

16.45 Uhr - Artilleriefeuer auf Hüningen aus Richtung Elsass durch allierte Truppen - Treffer der unterste Wiesenbrücke (Rheinquaibrücke): Geschosseinschläge in den Pfosten, Streben und Obergurten der beiden Hauptträger, in den Längsträgern der Fahrbahn und in den Geländern. Stützweite der einspurigen Brücke. Verschiedene Konstruktimsteile müssen ausgewechselt werden. Die Brücke ist weiterhin fahrbar. Schadenssumme ca. 10'000 SFr.

Territorial-Kommando Basel

Aus den Berichten der Schweizer Armee ist Folgendes zu entnehmen:

00:10 Uhr: 150 Personen, darunter Kinder, wurden von der Grenze Burgfelden zur MUBA gebracht.

09:00 Uhr: Reg. Kdt. Ludwig auf KP zur Orientierung. Anschliessend Rundfahrt mit dem Territorial-Kommandanten.

10:50 Uhr: Redakteur der Basler Nachrichten teilt mit, dass gemäss seinen Informationen im Raum St. Louis französische Infanterietruppen eingeschlossen seien. Schwerpunkt des französischen Angriffs soll sich gegen die Kirche von Hésingue richten.

11:30 Uhr: Artilleriefeuer aus Richtung Volksberg nimmt zu.

12:45 Uhr: Rapport
Massnahmen betreffend eines eventuellen Angriffs auf Hüningen:

  • Über den Nachmittag wurden alarmiert: Luftschutz-Kompanie 8, Ciba, Sandoz, Bell, ACV (Coop), Schweizerhalle.
  1. Lautsprecherwagen steht bereit. Polizeiposten Kleinhüningen dient zur Orientierung der Bevölkerung.
  2. Kompanie Spiegelhof wird genutzt, da kein zweiter Lautsprecherwagen zur Verfügung steht.

14:00 Uhr: Rapport

  1. Orientierung über die Lage.
  2. Flüchtlingsfragen.

14:00 - 17:30 Uhr: Beobachtungsposten Siloturm meldet:

  1. Garde Mobile-Kaserne St. Louis unter Artilleriefeuer.
  2. Artilleriefeuer auf Bahnhof Haltingen und Friedlingen.
  3. Artilleriefeuer auf Geigy-Fabrik hinter Rheinufer.
  4. Mehrere französische Panzer in der Garde Mobile-Kaserne St. Louis gesichtet.
  5. Nach Einschlägen von Nebelgranaten vorübergehend starker Beschuss der Kiesgrube St. Louis gegenüber Silo und des Kanals.
  6. Einschläge auf Kohlenhaufen Hafen Kleinhüningen, Beschuss der Wiesenbrücke und BP-Tankanlage. Ferner Einschlag auf Wiesendamm bei Ciba Kleinhüningen und Niedergehen von Geschosssplittern an verschiedenen Stellen des Hafengebiets.

17:40 Uhr: Es wird auf Anfrage des Territorial-Kommandanten autorisiert, den Personen, die während des Artilleriebeschusses im Freien arbeiten müssen, Stahlhelme auszuleihen.

Nachmittag: Alle aufgebotenen Luftschutzeinheiten bereit.

Im Einsatz - Passiver Luftschutztruppe (Feuerwehr) - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

20:20 Uhr: Starker Artilleriebeschuss aus Richtung Hüningen und St. Louis.

20:30 Uhr: Neben Artilleriefeuer auch MG-Gefechtsfeuer hörbar aus Richtung St. Louis.

21:20 Uhr: Artilleriebeschuss auf Friedlingen.


23. November 1944

Allgemeine Lage

 

Bei den Kämpfen um Belfort ist der französische General Brosset gefallen. Er war seit 1941 Generalstabschef von General de Gaulle. Ebenfalls gefallen ist Leutnant Jean de Loisy, der am 19. November als erster französischer Offizier den Rhein bei Rosenau erreicht hatte (siehe auch 19.11.1944). Am späten Nachmittag fanden in Belfort immer noch Strassenkämpfe statt.

Unter den in Mulhouse eingebrachten 1.000 Gefangenen befand sich fast der gesamte Stab der deutschen 19. Division. Auch hier fanden noch vereinzelte Strassengefechte statt, aber fast auf allen Gebäuden wehte bereits wieder die Trikolore. Die Stadt war von der französischen Ersten Panzerdivision befreit worden, die bereits an der ersten Landung in Südfrankreich am 15. August beteiligt war.

Von Gérardmer aus haben französische Truppen gegen rasch abnehmenden Widerstand die Passhöhe des nach Colmar führenden Col de La Schlucht erreicht. Während sich hier der deutsche Rückzug ordnungsgemäss abwickelt, hat er weiter im Norden stellenweise die Formen einer überstürzten Flucht angenommen. An allen Strassen liegen grosse Mengen an zurückgelassenem Kriegsmaterial.

Von St-Dié aus vordringend, haben andere französische Verbände die Ortschaft Saales besetzt und die Verfolgung des sich auf Schlettstadt zurückziehenden Feindes aufgenommen. Westlich von Saarburg stehen motorisierte Voraustruppen der Siebten Armee General Patchs noch rund 20 Kilometer vor Strassburg.

Am Mittwochvormittag hielten der Präfekt des Departements Mosel und der Bischof von Metz ihren Einzug in Metz. Die Stadt ist freudig erregt. Überall sind französische und alliierte Fahnen zu sehen, die während der Besetzung verborgen gehalten wurden. In den Strassen sind tanzende Mädchen in der Tracht Lothringens zu erblicken.

Schwere Verwüstungen in den badischen Grenzorten - Französische Artillerie schiesst seit drei Tagen über den Rhein

Nach eindrücklichen Schilderungen von Grenzgängern und Flüchtlingen hat die Beschiessung des grossen Verschiebebahnhofs in Weil, Leopoldshöhe und Haltingen, die mit kurzen Unterbrechungen bereits seit drei Tagen anhält, enorme Verwüstungen angerichtet. Bevor sich die französische Artillerie genau eingeschossen hatte, landeten die ersten Granaten entweder in der Bahnböschung oder in dem darunterliegenden Wäldchen, wo sie grosse Löcher in den Baumbestand rissen. Seither liegt das Bahnareal, das sich über drei Kilometer von der Schweizer Grenze bis zum Nordrand des Stadtteils Haltingen erstreckt, ununterbrochen unter direktem Beschuss.

Schon in den ersten Stunden werden Gas- und Wasserleitungen getroffen, und schwere Einschläge setzen die elektrische Stromversorgung ausser Betrieb. Die Häuser stürzen zwar nicht ein, da die Geschosse die Mauern durchschlagen und die Wohnungen verwüsten. Daher erscheint die Zerstörung von aussen geringer, als sie in Wirklichkeit ist. Noch in derselben Nacht, unbekümmert um die Granaten, die aus dem elsässischen Hügelgelände herübergeschleudert werden, hat die Technische Nothilfe die Schäden notdürftig wieder ausgebessert, sodass am 21. November diese lebenswichtigen Einrichtungen wieder funktionieren. Seither ist die Gas- und Stromversorgung jedoch vollständig unterbrochen, und die Bewohner, die sich keine warmen Speisen mehr zubereiten können und ohne Licht sind, müssen in fliegersichere Gegenden evakuiert werden, sofern sie es nicht zuvor schon vorgezogen haben, ihre Heimstätten zu verlassen.

Viele sind in der zweiten Nacht der Beschiessung mit ihren wenigen Habseligkeiten über den Tüllinger Hügel nach Lörrach gewandert und von dort aus ins hintere Wiesental gefahren. Mittlerweile hat der Zugverkehr, den man anfänglich noch mit einem Triebwagen aufrechtzuerhalten versuchte, völlig aufgehört, da während der Nachtzeiten sämtliche verfügbaren Lokomotiven abtransportiert worden sind.

Da in den letzten Tagen die Franzosen zeitweise auch die übrige, nach Freiburg i. Br. führende Bahnstrecke bis zum Tunnel von Istein unter Feuer nehmen, sind die Ortschaften Eimeldingen, Kirchen und Efringen nicht minder stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Besonders schwere Schäden hat Friedlingen, das dicht an der Schweizer Grenze liegt, durch die dreitägige Beschiessung des rechtsrheinischen Brückenkopfs der früheren Hüninger Schiffbrücke und der nach Weil-Leopoldshöhe führenden Zufahrtsstrasse erlitten.

Beinahe der Grossteil der beträchtlichen Friedlinger Industrieunternehmen liegt in Schweizer Händen; diese Fabriken sind stark verwüstet, sodass man sich genötigt sieht, jegliche Arbeit einzustellen.

Stark beschädigte Industriegebäude auf deutscher Seite nach Beschuss durch französische Truppen – Foto / Kolorierung Privatarchiv Patrick Schlenker.

Im Verlauf des gestrigen Tages hat die grosse Brücke bei Leopoldshöhe, eine solide Eisenkonstruktion, einen schweren Treffer erhalten. Die Reparaturarbeiten werden sofort in Angriff genommen, wie auch in der ersten Hälfte der vergangenen Nacht an beiden Brückenköpfen der einstigen Hüninger Schiffbrücke trotz Verdunkelung eifrig gehämmert und gezimmert wird, scheinbar um bessere Landestellen für die auf dem Rhein zirkulierenden Sturmboote zu schaffen.

Immerhin ist zu erfahren, dass der Schaden, den die französischen Geschütze in Friedlingen, Weil und Haltingen angerichtet haben, sehr gross ist.

Situation in St. Louis / Hüningen

Das Wetter hat umgeschlagen, und die ganze Nacht hindurch hat es ausgiebig geregnet. Die Sicht ist zum Teil noch schlechter geworden. Trotzdem aber dämmert die französische Artillerie ohne Unterbruch aus dem elsässischen Hügelgelände nach Weil hinüber. Ununterbrochen dröhnt der Kanonendonner vom Sundgau her. Es steht fest, dass neue französische Kräfte im Anrücken sind und dass die unterhalb Basels massierte Artillerie inzwischen beträchtlich durch noch schwerere Geschütze verstärkt worden ist.

Seit heute früh um 6:25 Uhr schiesst sie unaufhörlich gegen das linke Rheinufer, wo bekanntlich in der Gegend von Rosenau die zurückgefallenen Deutschen noch kleine „Igelstellungen“ aufrechterhalten haben. Bei Tagesanbruch hat es sich heute Morgen gezeigt, dass die in Hüningen eingeschlossenen deutschen Truppenteile über Nacht nicht untätig gewesen sind.

Sie erstellten am Rhein einen Landungssteg für die Schnellboote und haben gleichzeitig begonnen, die zahlreichen Fliegerabwehrbatterien im Raum von Hüningen zu demontieren und über den Rhein zurückzuschaffen. Anscheinend treffen sie doch Anstalten, sich aus dem Hüninger Brückenkopf zurückzuziehen.

Von Zeit zu Zeit tauchen französischen Panzerwagen auf und jagen einige Granaten gegen Häuser und Fabrikkomplexe am linken Rheinufer, in denen sie deutsche Truppenansammlungen vermuten. Dann verschwinden auch sie wieder.

11:30 Uhr: Es wird von der Grenze aus beobachtet, wie die Deutschen von Hüningen aus mit Minenwerfern gegen die Garde-Mobile-Kaserne einen kurzen Angriff unternahmen. Das Krachen dieser Geschosse war in unserer Stadt gut vernehmbar. St. Louis befindet sich fest in französischer Hand, und man erwartet das baldige Eintreffen von französischer Infanterie, die längs der Schweizergrenze vorzugehen scheint.

Zur Mittagszeit patrouillieren Lautsprecherfahrzeuge der französischen Armee in St. Louis bis an die Grenze von Lysbüchel und Hüningen und warnen die Zivilbevölkerung vor Kugeln und Schrapnellen. Sie empfehlen sogar eine vorübergehende Evakuierung. Die Menschen müssen sich keine Sorgen mehr um ihr Hausrat machen, da "Plünderung mit dem Tod bestraft wird." 

Es wird in deutscher und französischer Sprache amtlich Bekanntmachung verlesen:

  • Als neuer Maire von Hüningen (das zwar immer noch von eingeschlossenen deutschen Truppen gehalten wird und nach neuen Meldungen auf Befehl ihrer Offiziere unbedingt verteidigt werden muss) wurde Herr Brandenburger gewählt (von wem, wurde nicht gesagt).
  • Am Donnerstag um 12 Uhr wurde ein absolutes Ausgehverbot erlassen. Bei Zuwiderhandlung droht eine 24-stündige Arreststrafe.
  • Höchstpreise für Lebensmittel wurden festgesetzt
  • Plünderung mit dem Tod bestraft
  • Die Elektrizitätsversorgung funktioniert wieder. Die Gaszufuhr ist jedoch weiterhin unterbrochen, und die Wasserversorgung klappt nicht, da die grenznahen Häuser ihr Wasser aus einer Basler Hydrantenleitung beziehen.
  • Jeder Bürger hat alle sich in seinem Besitz befindlichen Waffen der FFI (Französische Widerstandsbewegung) abzugeben, die gegenüber der Behörde verantwortlich ist.

Der Bekanntmachung folgte das Abspielen der „Marseillaise“ und der „Sambre et Meuse“.

Grenzübertritt Hüningerstrasse – Im Hintergrund der Lautsprecherwagen der französischen Armee – Im Vordergrund der Wehrmacht-Lkw, der Tage zuvor zusammengeschossen aufgegeben wurde – Foto ATP Bilderdienst / Privatarchiv, Kolorierung Patrick Schlenker.

Um die Mittagszeit verbreitete sich in der Grenzzone die Meldung, dass in einer bekannten Ortschaft des elsässischen Hügelgeländes die Spitzen der heranmarschierenden französischen Infanteriekolonnen der Neunten Division (bestehend aus Marokkanern) eingetroffen seien. Die Geplänkel und Scharmützel mit immer wieder auftauchenden und versprengten deutschen Truppenteilen in einer Stärke von oft bis zu 100 Mann sollen den Vormarsch wesentlich verzögert haben.

Hauptquartier General Eisenhowers, 23. November (Exchange):

Der über Erwarten günstige Verlauf der Operationen in den Vogesen und am linken Ufer des Oberrheins veranlassen die Frontberichterstatter zur optimistischen Voraussage, dass das Gesamtgebiet des Elsass binnen weniger Tage vom Feinde befreit sein werde. Das völlige Scheitern der deutschen Gegenstösse zur Durchschneidung der nach dem Rhein vorgedrungenen französischen Verbände und die zunehmende Verwirrung der noch in den Vogesen stehenden feindlichen Truppen haben zu einer Nachrichtensperre über die an den südlichsten Abschnitten der Vogesenfront vor sich gehenden Operationen geführt.

Vor Verhängung dieser Nachrichtensperre traf die Meldung von der Säuberung des ganzen Gebiets zwischen den östlichen Hängen der Vogesen und dem Rhone-Rhein-Kanal sowie der Besetzung von Colmar ein. Bei Dannemarie, südwestlich von Mulhouse, erzwangen französische Panzertruppen einen Übergang über den Kanal und vernichteten einen Teil der sich nach den Vogesen fliehenden deutschen Entlastungskräfte.

Interview mit General Delattre de Tassigny

Im Feldhauptquartier General Delattre de Tassigny, 23. November. General Delattre de Tassigny erklärte einem Frontkorrespondenten der „Exchange":

„Es ist eine Tatsache, dass sich unser Gegner immer und immer wieder überraschen lässt und die Gebote der militärischen Wachsamkeit in der erstaunlichsten Weise vernachlässigt. Im bisherigen Verlauf unserer Offensive bestätigte sich mehrfach die Erfahrung, dass der Feind sich von der Überzeugung leiten liess, man könne bei dem Hundewetter, das augenblicklich an der Westfront herrscht, keine militärischen Unternehmungen führen. Zweifellos aber hat auch die Knappheit an Reserven die feindliche Verteidigung aufs empfindlichste geschwächt.

Wie kritisch es in dieser Beziehung auf deutscher Seite aussehen muss, erhärtet der Tatbestand, dass Belfort selbst nach knappen Bemessungen nur zur Hälfte mit den benötigten Truppen besetzt war. So wurde z. B. das Fort  lediglich von 150 deutschen Soldaten einschliesslich drei Offizieren gehalten. Ohne die Leistungen unserer Armee herabsetzen zu wollen, muss deshalb anerkannt werden, dass zweifellos der dünne deutsche Truppenaufmarsch an der enormen Offensivfront der Alliierten den raschen Vormarsch begünstigte und ermöglichte.

Was meine Männer betrifft, so kann ich nur feststellen, dass ihre Leistungsfähigkeit in keiner Weise mit jener zu vergleichen ist, die 1939/1940 im Kampf stand. Dies gilt aber nicht nur für die Ausrüstung, sondern auch für den Kampfgeist und die allgemeine Moral. Was bei Belfort unter den denkbar schlechtesten Wetterverhältnissen geleistet wurde, geht oft über das durchschnittliche Stehvermögen eines kräftigen Mannes hinaus. Man darf nicht vergessen, dass meine Soldaten tagelang in Regenlöchern zubrachten und nicht einen trockenen Fetzen am Leib hatten. Das Gleiche gilt auch von den Männern der FFI, die sich in härtesten Schlachten mit unvergleichlicher Bravour und Geschicklichkeit geschlagen haben.

Ich darf versichern, dass ein Gedanke uns alle inspiriert hatte: der Rhein. Wir wissen, dass wir eine sehr dunkle Periode in der Geschichte der französischen Armee gutzumachen haben. Glauben Sie mir, jeder Offizier und jeder Mann ist von dem brennenden Wunsch erfüllt, seinen Teil dazu beizutragen, dass Frankreichs ruhmreiche Tradition neu ersteht und der Feind zu spüren bekommt, dass sich die Franzosen nicht vor dem sogenannten 'Herrenvolk' zu beugen gedenken."

Burgfeldergrenze - Sappuer Pompier bewache die Grenze zur Schweiz - Foto Kriegstagebuch Gertrud Löw

Gestapo Akten St. Louis / Mulhouse 

In der Basler „Arbeiter Zeitung“ veröffentlicht ein Autor seine Eindrücke beim ersten Besuch von St. Louis und Mulhouse:

"Im Gestapo-Hauptquartier in St. Louis wurden neben vielen anderen Akten auch Statistiken und Nachschlagewerke gefunden, die deutlich zeigen, wie stark sich die ehemaligen deutschen Besatzungsstellen des Elsass für schweizerische Verhältnisse interessierten. Neben Telefonbüchern und Adressen war auch ein Stadtplan von Basel vorhanden, auf dem die Panzersperren unserer Stadt eingezeichnet waren. Besonders aufschlussreich sind ebenfalls gefundene Fotos und Unterlagen zu Schiffen der Schweizer Reederei, Rheinschiffen und den Basler Rheinhafenanlagen.

Vom Besuch in Mulhouse wird berichtet, dass die Stadt kaum grösseren Schaden genommen hat. Das gesamte Gebiet von St. Louis bis Mulhouse ist, abgesehen von wenigen deutschen Widerstandsnestern, völlig frei und steht unter der Leitung einheimischer FFI-Organe (Französische Widerstandsbewegung), welche die zivile und ordnungspolitische Gewalt übernommen haben.

33 zum Tode verurteilte Elsässer, die am 20. November in Mulhouse hätten hingerichtet werden sollen, entgingen ihrem Schicksal, da die Deutschen sich nach der Nachricht vom Herannahen der Franzosen zurückzogen."

Basel

Todesopfer in den Langen Erlen - Fritz Brändle 

Ca. 09:00 Uhr: Ein Artilleriegeschoss schlägt zwischen der Schliessi und Spittelmatte in den Langen Erlen ein. Fünf Mitarbeiter der Gärtnerei Brändle, die zu dieser Zeit ihre Gärtnerei im Hirshalm 10 betreiben, sind gerade dabei, Laub zum Abdecken von Beeten zu sammeln, als die anfliegende Granate sich mit einem Pfeifen ankündigt. Die Arbeiter werfen sich sofort ins Unterholz. Als sich der Staub gelegt hat, liegt der 19-jährige Fritz Brändle schwer verletzt auf dem Boden. Er hatte erst kürzlich seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner in Oetwil am See abgeschlossen und war ins familiäre Geschäft zurückgekehrt.

Während die Kollegen erste Hilfe leisten, fährt ein anderer mit dem Fahrrad zur Spittelmatte, um Hilfe zu holen und telefonieren. Der sofort aufgebotene Krankenwagen bringt Fritz ins Bürgerspital nach Basel, wo man eine schwere Rücken- und Beinverletzung feststellt. In der Folge muss ihm das Bein amputiert werden.

Eine seiner zwei heute noch lebenden Schwestern, erinnert sich im Frühlich 2024: „Wir gingen ganz normal zur Schule. Erst als wir zum Mittagessen nach Hause kamen, wurden wir von der Mutter informiert, dass unser Bruder im Spital sei wegen eines Geschosseinschlages. Fritz' Verletzungen waren zu schwer. Er starb tags darauf im Spital gegen 12 Uhr. Auf dem Sterbebett bat er seinen Vater, der ebenfalls Fritz hiess, um Vergebung für den Unfug, den er als Jugendlicher angestellt hatte.“

 

 

 

Fritz Brändle - 25. April 1925 † 24. November 1944 

Auf Spurensuche in den Langen Erlen im Sommer 2024 mit der Schwester und Nichte von Fritz Baumann - Zeitungsartilkel aus den Basler Nachrichten 

Gärtnerei Brändle im Hirshalm 10 Riehen - Fotos z.V.g. Fam. Brändle - Kolorieung Patrick Schlenker

Flüchtlinge aus dem Markgräflerland

Der Strom der deutschen Flüchtlinge, die Basel passierten, wollte gestern nicht abreissen. Über den Otterbach kamen sie aus den benachbarten Markgräflerdörfern – von Friedlingen, Weil am Rhein, Haltingen – mit Gepäck, das unsere Soldaten zum Teil auf Lastwagen verluden, in denen auch ältere Leute und kleine Kinder Platz fanden. Mit Vieh, kleinen Haustieren, Wägelchen und Handkarren voller Koffer und Bettzeug zogen sie durch die Strassen nach dem Zollamt Hörnli und dort ins Reich zurück. Niedergeschlagen und traurig war die Stimmung. Auch Schweizer waren unter den Flüchtlingen, die all ihre Habe im Stich liessen. Nach einem herzlichen Abschied von ihren Leidensgenossen in Basel blieben sie dort. Gesprächig war niemand von diesen Transitierenden, denn jeder hütete seine Zunge.

Schäden in Basel:

09:00 Uhr: Geschosseinschläge in der Hegenheimerstrasse und Colmarerstrasse.

12:45 Uhr: Einschlag einer Granate in der Rütlistrasse 52. 

Territorial-Kommando Basel

Das Territorialkommando an Basels Bevölkerung

Es besteht die Gefahr, dass bei Kampfhandlungen in der Nähe unserer Grenze verirrte Geschosse oder Geschossteile auf Schweizer Gebiet fallen. Die Bevölkerung, vor allem der grenznahen Quartiere, wird dringend gebeten, sich nicht mehr als zur Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben erforderlich im Freien aufzuhalten.

Verhalten während Kampfhandlungen:
Auf keinen Fall sollte aus Neugier versucht werden, Kampfhandlungen von Strassen, Plätzen, Brücken, Fenstern oder Dächern aus zu beobachten.

Wichtige Verhaltensregeln:

  • Bei Kampfhandlungen in Grenznähe: Strassen räumen, Deckung aufsuchen.
  • Beachten Sie dazu die Hinweise der Behörden.

___________

Aus den Berichten der Schweizer Armee ist Folgendes für den 23.11.1944 zu entnehmen:

Gegen Morgen: Starkes Artilleriefeuer aus derselben Richtung wie gestern (Volksberg).

Während der Nacht: 150 Zivilflüchtlinge wurden von Lysbüchel nach MUBA gebracht.

08:55 Uhr: Frau Durand meldet einen Blindgänger (75 mm) in ihrem Areal.

09:00 Uhr: Weitere Meldungen über Geschosseinschläge in der Hegenheimerstrasse und der Colmarerstrasse.

09:05 Uhr: Polizeiposten Badischer Bahnhof meldet: Granateneinschlag bei der Schliessi in den Langen Erlen sowie am Wiesendamm. Mehrere Verletzte. Spitalauto ist unterwegs.

10:00 Uhr: Das Bürgerspital meldet einen Schwerverletzten infolge des Granateneinschlags.

10:30 Uhr: Infanterie-Regiment 23 meldet: Der Granateneinschlag in den Langen Erlen wurde zweifelsfrei als Beschuss durch französische Truppen identifiziert.

11:00 Uhr: Der Kommandant des Regiments informiert über die Übernahme der Verantwortung für die Zivilbevölkerung in den gefährdeten Gebieten.

11:30 Uhr: Beobachtungsposten auf dem Silo meldet: An der Südost-Ecke der CIBA-Fabrik sind vier deutsche Minenwerfer eingegraben. Französischer Beschuss erfolgt aus der Garde-Mobile-Kaserne in St. Louis. Dadurch sind der Rheinhafen und das Tanklagergebiet stark gefährdet.

14:40 Uhr: Der Stabschef befindet sich am Lysbüchel und Rheinhafen.

16:00 - 17:30 Uhr: Zeitweises Artilleriefeuer auf Hüningen entlang des Kanals (Kaliber 7–10 cm).

MG-Feuer mit Leuchtspurmunition aus der Garde-Mobile-Kaserne gegen die Geigy-Fabrik. Dabei wurden deutliche Einschläge beobachtet, die über den Rhein auf Schweizer Gebiet flogen.

Panzer beschiessen die Geigy-Fabrik.

 3 km östlich von Bartenheim; später ein weiterer Brand in Richtung Helfrantzkirch.

19:55 Uhr: Beobachtungsposten auf dem Silo meldet: Aus Richtung Kandertal erfolgt Artilleriebeschuss auf das Zentrum von St. Louis (Kaliber 75 mm).


24. November 1944

Befreiung Strassburg

Das aussergewöhnlich schlechte Wetter behindert die alliierten Luftstreitkräfte erheblich und erlaubt nur einen eingeschränkten Einsatz von Fliegerverbänden. Dies spielt den Deutschen vor allem an den nördlichen Frontabschnitten in die Karten. In der Oberrheinebene jedoch schreitet die Offensive der Generäle Delattre de Tassigny und Patch trotz widriger Bedingungen weiter voran.

Französische Panzertruppen rücken bis an die Vororte von Strassburg vor und dringen im Laufe des Tages tief in die Stadt ein. Ein Kriegsberichterstatter meldet: „Die französischen Streitkräfte, die als erste in die Innenstadt vordrangen, trafen nur auf geringen Widerstand. Amerikanische Infanterie folgte südlich hinter den französischen Panzern und beseitigte vereinzelte deutsche Widerstandsnester."

Dies trifft jedoch nicht auf alle Teile der Stadt zu. Andernorts toben in Strassburg heftige Strassenkämpfe. Gleichzeitig greifen grössere Einheiten der Forces Françaises de l’Intérieur (FFI) im Stadtzentrum die deutschen Truppen an. Sie versuchen, die Rheinbrücken nach Kehl zu blockieren, um den deutschen Rückzug zu verhindern. Um die Zerstörung der historischen Stadt und ihres berühmten Münsters zu vermeiden, ordnet General Leclerc den Verzicht auf Artilleriebeschuss an.

Während einige französische Panzer direkt in die Stadt einmarschieren, umgeht ein anderer Teil der mobilen Truppen Strassburg im Südwesten und stösst durch die oberelsässische Ebene in Richtung Erstein vor. Ziel ist es, möglichst rasch die Verbindung mit den bei Colmar kämpfenden Einheiten der französischen Ersten Armee herzustellen und so die Einkesselung der Vogesen abzuschliessen.

Zwischen Strassburg und Colmar sind nach einer amtlichen Schätzung rund 50.000 deutsche Soldaten von der Einkreisung bedroht. Deutsche Truppen unter General von Blaskowitz versuchen verzweifelt, einen Rückzugskorridor über den Rhein zwischen Colmar und Strassburg offen zu halten. Die Deutschen versuchen zudem, sich über den Rhein nach Deutschland zurückzuziehen. Dazu laufen die Vorbereitungen für diesen Rückzug bereits auf Hochtouren. Überall werden Pontons und Flussschiffe aller Art zusammengezogen, um die Truppen über den Strom in Sicherheit zu bringen.

Stabsoffiziere unter General Delattre de Tassigny zeigen sich jedoch zuversichtlich und äussern die feste Überzeugung, dass der Gegner seinem „Dünkirchen am Rhein“ nicht entkommen werde.

Die amerikanische Siebte Armee unterstützt den Vorstoss der Franzosen, indem sie nordöstlich von Saverne gegen Hagenau Druck ausübt. Dadurch verhindert sie, dass die deutsche Fünfte Panzerarmee einen Gegenangriff auf die Nordflanke der Franzosen bei Strassburg startet. Gleichzeitig entsteht durch die Zusammenarbeit der Siebten und Dritten Armee am Oberlauf der Saar eine zusammenhängende, verkürzte Angriffsfront.

Grenze St. Louis / Basel

Kampfgeschehen in der Elsässischen Grenzregion

Noch immer tobt der Krieg in der elsässischen rechten Grenzregion bei Basel, wenn auch in der vergangenen Nacht die Intensität etwas nachgelassen hat. Im Verlauf der Nachmittagsstunden konnte man einen weiteren Panzerwagenangriff verfolgen, der sich nur knapp 200 Meter von der Landesgrenze entfernt abspielte.

Durch das vom neu eingesetzten Bürgermeister von St. Louis erlassene Ausgehverbot sind die Strassen in St. Louis buchstäblich menschenleer. Nur an der Grenzübergangsstelle stehen die Wachen. Ununterbrochen donnern im westlichen Hügelgelände die französischen Batterien, und nach einigen Sekunden rollt vom Tüllinger Hügel das Echo der Granateinschläge über den Rhein. Plötzlich tauchen rechts von der Gardemobile-Kaserne zwei Panzerwagen auf. Ihr Tarnungsanstrich passt sich dem Gelände an, und nur das Rattern der Motoren verrät ihre Nähe. Schon kracht der erste Schuss. Drüben an der Strasse nach Hüningen, vor einem kleinen Haus, zwischen der „alten Schiffmühle“ und der früheren Geigyschen Fabrik, wirbelt Staub auf – zuerst auf der Strasse, dann links und nachher rechts. Ein deutscher Spähtrupp der Hüninger Besatzung soll sich dort auf die Lauer gelegt haben.

Der andere Panzerwagen feuert ebenfalls. Sein erster Schuss trifft das Dach eines Gebäudes; roter Ziegelstaub wirbelt auf. Aber nichts regt sich. Es scheint, als ob Hüningen ausgestorben wäre. Und doch weiss man, dass sich dort neben der Besatzung noch viele Bewohner aufhalten. Sie verbringen den Tag in ihren verschlossenen Häusern und steigen, wenn die Beschiessung anfängt, in ihre Keller. Rund 2000 Panzergranaten pfeifen über das freie Feld und schlagen ein.

Nach diesem Feuerüberfall fahren die Panzerwagen ab, tauchen jedoch im nächsten Augenblick an einer anderen Ecke der Kaserne wieder auf und schleudern von dort aus ihre Granaten auf die Hüningerstrasse. Dann verschwinden sie völlig aus dem Gesichtsfeld, noch bevor ihnen das Minenwerferfeuer aus dem deutschen Brückenkopf etwas anhaben konnte.

Über dem Kampfgebiet ist die Dämmerung hereingebrochen. Weiter hinten aber donnern die Geschütze. Ihre Rohre richten sich noch immer gegen die gleichen Ziele: den Bahnhof und den Bahndamm von Weil Leopoldshöhe und Haltingen. Plötzlich kracht es aber auch links und rechts an der Einmündung des Süninger Kanals in den Rhein und in der Nähe der katholischen Kirche von Hüningen. Man zählt nur einige wenige Einschläge; dann kehrt Ruhe ein.

Französische Truppen am Grenzübergang Lysbüchel im Gespräch mit Schweizer Soldaten - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Im Kampfraum zwischen St. Louis und Hüningen hat den ganzen Freitag über bis spät in den Nachmittag hinein Ruhe geherrscht. Einzig in der Gegend von Mulhouse gab es derart schweres Artillerietrommelfeuer, dass selbst der Basler Seismograph Einschläge wie Erschütterungen eines Erdbebens registrierte. Gegen Mittag und in den frühen Nachmittagstunden schossen die deutschen Truppen Minenwerfer auf St. Louis. Bei dieser Gelegenheit gab es einige Verletzte, darunter eine ältere Frau und ein junger Mann, die in einem ehemaligen deutschen Sanitätsauto zur ärztlichen Behandlung nach Basel verbracht wurden. In St. Louis selbst beschränkt sich das Ausgehverbot nun täglich von 12 Uhr bis 6 Uhr am nächsten Morgen.

Aspach, Morschweiler und Giromagny befreit

Bei der Ersten Französischen Armee, 24. November (Reuter). Trotz des schlechten Wetters haben die Franzosen weitere Fortschritte erzielt. Sie haben Morschweiler in der Gegend von Mulhouse, Aspach nördlich Altkirchs und Giromagny nördlich Belforts befreit.

Die Deutschen schlagen sich um ihr Leben, so fasst der Londoner Korrespondent von „Dagens Ryheter“ einen militärischen Kommentar der englischen Wochenzeitung „Spectator“ zusammen.

Vom deutschen Standpunkt aus sei es jetzt das wichtigste Problem, sich vom Gegner rechtzeitig loszulösen, um sich ungefährdet zurückziehen zu können. Es sei unzweifelhaft ein Vorteil für die Alliierten, wenn die Deutschen auf dieser Seite des Rheins eine Entscheidungsschlacht akzeptieren, aber es sei beinahe undenkbar, dass das OKW ein solches Risiko auf sich nehmen werde, wenn es dies noch vermeiden könne. Alles komme jetzt darauf an, die deutsche Tankwaffe vernichtend zu besiegen. Man habe sicherlich die entscheidende Phase des Feldzuges gegen Deutschland erreicht.

Auch nach der Stimmung zu urteilen, die in hiesigen deutschen Kreisen herrscht und die der deutschen Gesandtschaft nahesteht, wird die militärische Lage Deutschlands allgemein als hoffnungslos beurteilt. Auch bei leitenden Stellen der Nationalsozialistischen Partei mache sich eine zunehmende Depression bemerkbar.

Mit der Verschlechterung der militärischen Situation soll auch das Geheimnis des Schweigens Hitlers zusammenhängen, das in hiesigen politischen Kreisen immer wieder zu neuen Spekulationen und Gerüchten Anlass gibt. Auf alliierter Seite habe sich die Auffassung verstärkt, dass der deutsche Kanzler entweder ernstlich erkrankt oder durch die extremistische Gruppe der Partei unter Führung Himmlers vollständig entmachtet worden sei. 

Grenzübergänge

Nachdem seit dem 23. November jeglicher Verkehr auf den Strassen in St. Louis untersagt wurde, sind seitdem keine Flüchtlinge mehr an der Grenzübergangsstelle beim "Lysbüchel" eingetroffen.

Mittlerweile hat die Zahl der in der Basler Migrationsunterkunft untergebrachten Zivilpersonen aus der elsässischen Grenzzone eine leichte Abnahme erfahren, da einige Hundert von ihren Verwandten in Basel oder anderswo aufgenommen wurden, so dass sich gestern Abend dort noch etwa 2000 Personen befanden.

Fahrzeug des Roten Kreuzes am Grenzbergang Lysbüchel - Foto Staasarchiv Basel BSL 1013 1-24 1 - Kolorierung Patrick Schlenker

In den letzten Tagen haben sich ungezählte Flüchtlinge, die hauptsächlich aus Mulhouse stammen, nach der Schweizer Grenze begeben. Sie legten grösstenteils die mehr als 40 Kilometer lange Strecke zu Fuss zurück, wichen dem Gefechtslärm aus und hatten sich im hinteren Birsigtal in Leimen vereinigt, um dort auf die Bewilligung zum Grenzübertritt auf Schweizer Boden zu warten. Da für sie dort jedoch keine unmittelbare Gefahr bestand, konnte aus begreiflichen Gründen ihrem Ansuchen nicht entsprochen werden. Als sie jedoch unter bitterer Not zu leiden begannen, nahm sich Regierungsrat Dr. H. De Schwind in Therwil ihrer an. Dabei wurde festgestellt, dass die Lebensmittelversorgung in Leimen zwar beschränkt, jedoch nicht besorgniserregend ist. Trotzdem ist erstmals die Schweizer Spende beider Basel in Aktion getreten. Im Verlauf des gestrigen Tages wurden in Basel 2000 Portionen Brot, Milch, Suppe und Tee hergerichtet und auf einen Lastwagen verladen. Zwei Dutzend freiwillige Helfer unterstützten die Aktion.

Territorial-Kommando Basel

Auch in dieser Nacht kam es zu Schäden durch Beschuss durch franz. Truppen. 

Um 02:15 Uhr kam es zu Schäden an der Liegenschaf der Hegenheimerstrasse 43 und Lothringerstrasse 98.

Die Grenztruppen mussten mehrere Zivilersonen von der Grenze wegweisen, die verscht hatten, die Kampfahndlungen aus der Nähe zu betrachten. 

Am Nachmittag jagen zwei unrichtig visierte Geschosse über das Ziel hinaus und explodieren abermals am Siloturm im Kleinhüninger Hafengebiet. Bereits bei einem ähnlichen Angriff zur gleichen Stunde sind vier Granaten herübergekommen: zwei landeten in einem Kohlenhaus der Gasfabrik, ein drittes traf eine Kleinhüninger Kiesgrube, und ein weiteres krachte ebenfalls gegen den Siloturm. Um 05:15 Uhr explodierte ein Artilleriegeschoss beim Grenzwachtposten nahe dem Hafenbecken II im Kleinhüninger Rheinbereich. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gaskessel der Gaskohlerei Kleinhüningen mit überdimensionalem Schweizerkreuz - Foto Staatsarchiv Basel BD-REG 11b 1-7 1-2 - Kolorierung Patrick Schlenker

Aus den Berichten der Schweizer Armee ist Folgendes für den 24.11.1944 zu entnehmen:

09:00 Uhr: Kdt. Besprechung mit Regierungspräsident Brechbühl

10:30 Uhr: Rundgang mit Regierungspräsident Brechbühl und Regierungsräten aus den Kantonen Freiburg, Schwyz, Genf und Luzern. Besuchen Lysbüchel, Flüchtlingslager MUBA und Rheinfelden.

18:00 Uhr: Rapport des Stabes Ter. Kdo. Basel.

 


25. November 1944

Alliierter Vormarsch in der oberelsässischen Ebene

Die französische Zweite Panzerdivision, die für ihre Befreiung von Paris im August bekannt ist, stösst heute gemeinsam mit der amerikanischen Siebten Armee in die oberelsässische Ebene vor. Seit der Einnahme von Zabern am Mittwochnachmittag gerät der deutsche Widerstand zunehmend ins Wanken.

Französische Panzertruppen haben Birkenwald besetzt und setzen ihren Vorstoss in Richtung Strassburg fort. Gleichzeitig dringen sie nördlich von Zabern in die Ebene vor und bewegen sich mit beeindruckender Geschwindigkeit auf Hagenau zu. Die deutsche Verteidigung setzt alles daran, diesen Vormarsch zu stoppen, wobei selbst unerfahrene und nicht kampftaugliche Kräfte mobilisiert werden.

Besonders auffällig ist die Gefangennahme einer Kompanie, die vollständig aus tauben und schwerhörigen Soldaten besteht – ein beispielloser Vorfall in der Militärgeschichte. Weitere Gefangene hinterlassen einen erschütternden Eindruck: Sie tragen zerrissene Uniformen oder improvisierte Zivilkleidung mit Volkssturmarmbinden, sind völlig erschöpft und haben Tage ohne Nahrung im Freien verbracht.

Während die französischen Panzer die deutschen Linien durchbrechen, versuchen die Verteidiger, mit der Taktik der „elastischen Verteidigung“ Lücken hinter den Panzern zu schliessen. Doch die alliierten Truppen setzen entschlossen nach: Französische und amerikanische Infanteristen folgen in engen Wellen und führen kontinuierliche Sturmangriffe durch. Sie räumen das flache Gelände systematisch von gegnerischen Kräften und sichern so den weiteren Vormarsch.

Der Vormarsch der Alliierten zeigt, wie sehr der deutsche Widerstand in dieser Region an Schlagkraft verliert. Mit der Einnahme von Zabern und weiteren strategischen Fortschritten rückt die Befreiung des Elsass immer näher, während der Druck auf die deutsche Verteidigung unaufhaltsam steigt.

United Press meldet:

Es wird bekanntgegeben, dass Strassburg vollständig vom Feind gesäubert ist. Am Vormittag finden in der Nähe des Rheinufers heftige Kämpfe statt, während ein grosser Teil der Stadt bereits vom Feind gesäubert wurde. Als ich in die Stadt fahre, stehen in den östlichen Bezirken bereits dichte Menschenmengen auf beiden Seiten der Strassen, um den einrückenden französischen und amerikanischen Truppen einen begeisterten Empfang zu bereiten. Tausende von französischen Flaggen werden geschwenkt, und die Menge jubelt stundenlang, als in langen Kolonnen die alliierten Motorfahrzeuge vorbeifahren. Auf den Plätzen stehen französische Panzer, während Sturmgeschütze bereits über den Rhein in das deutsche Territorium feuern. Alle drei Rheinbrücken sind noch unversehrt, und die Deutschen halten noch einen kleinen Perimeter um jeden Flussübergang auf französischem Gebiet. Auch in den Waldungen am Stadtrand sind noch deutsche Nachhutverbände aktiv, die durch gelegentliches Minenwerfer- und Maschinengewehrfeuer den Verkehr auf den Ausfallstrassen behindern.

 

 

Kämpfe an der Grenze zu Basel

Die Nacht steht im Zeichen von schwerem Artilleriefeuer. Die badische Nachbarschaft wird erneut beschossen, und in Kleinhüningen erzittern die Häuser unter dem Dröhnen der Granateneinschläge in Friedlingen. Auch die Bahnstrecken von Weil und Haltingen sowie die Umgebung von Istein geraten unter Feuer. Die ehemalige SS-Kaserne Garde-Mobile Kaserne in St. Louis wird am erneut von deutscher Artillerie in Baden-Stellung bombardiert. Direkte Treffer sind zu beobachten. Das Maschinengewehrfeuer nimmt wieder zu. Minenwerfer kommen zum Einsatz und treffen das Gebiet zwischen der Gasfabrik und der Evangelischen Kirche in Hüningen.  Zwischen der SS-Kaserne und dem Fabrikgelände der Schiffsmühle wechseln Salven mit Leuchtspurmunition die Seiten und durchschneiden die Dunkelheit. Über St. Louis steigt eine rote Leuchtrakete auf, während aus der Region um Mulhouse das ununterbrochene Donnern von Geschützen hallt.

Ehemalige SS-Kaserne Garde-Mobile in St. Louis - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Eine französische Panzereinheit, unterstützt von der FFI, hat die Stadt St. Louis komplett gesäubert. Trotzdem wird Hüningen weiterhin wahllos mit Minenwerfern beschossen. Die Granaten treffen verschiedene Stadtteile, besonders das untere Hüningen, und verursachen Schäden an Wohn- und Geschäftshäusern. Dabei gibt es auch Verletzte.

Zwischen Hüningen und Friedlingen ruht der Fährenverkehr aufgrund des Hochwassers des Rheins. Währenddessen bleibt auch die französische Artillerie im Raum Haltingen und Leopoldshöhe am Freitagvormittag überwiegend inaktiv. Ziele in der Umgebung von Weil und Friedlingen stehen zwar kurzzeitig unter Beschuss, aber grössere Bewegungen bleiben aus. Französische Panzerwagen treten ebenfalls nicht sichtbar in Erscheinung.

Deutsche schwere Geschütze greifen auch die Region Kembs an. Französische Streitkräfte, vermutlich gepanzerte Fahrzeuge, rücken bis in die Nähe der 10 km entfernten deutschen Festung Istein vor, flussabwärts von Basel. Um 16:35 Uhr wird erstmals aus der Festung Istein gefeuert. Mehrere Salven werden in das elsässische Vorgelände geschossen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Explosionsgranaten, da bei den Einschlägen keine Detonationen zu hören sind.

Ein kurzer Zwischenfall ereignet sich gegen 19:00 Uhr, als ein deutscher Stosstrupp aus dem "Niemandsland" bis zur Garde-Mobile Kaserne vordringt. Von dort nehmen sie den Bahndamm unter Feuer, ziehen sich jedoch nach einer kurzen Schiesserei wieder zurück.

Französische Artillerie beschiesst zwischendruch Grand-Huningue, während am Abend sind zahlreiche französische Fahrzeuge aller Art zu sehen sind, die mit eingeschalteten Scheinwerfern auf den Strassen des Haute-Alsace unterwegs sind. Nach 21:00 Uhr Uhr nimmt die Artillerieaktivität wieder zu. Gleichzeitig erlöschen die beiden Brände bei Kembs spät am Abend, was zumindest eine kleine Erleichterung bringt. 

Französische Truppen am Rhein vor Huningue – Im Hintergrund die Tankanlagen auf Schweizer Boden, mit einer Schweizer Flagge gekennzeichnet. Die Tankanlage im Hintergrund befanden sich auf Höhe Inselstrasse / Schlossgasse / Altrheinweg  – Foto United Press / Privatarchiv / Kolorierung Patrick Schlenker.

Bericht aus dem Badischen

Obschon das nasskalte Wetter keineswegs sommerlich anmutet, liegt seit einigen Tagen über der badischen Nachbarschaft eine schwüle, die sich in Nervosität und gedrückter Stimmung äussert. Die badische Grenzbevölkerung ist immer besser informiert gewesen als viele andere, zum Beispiel die Mitteldeutschen. Die Ereignisse der letzten Tage haben das Bild der nahenden Gefahr weiter verfestigt: der Kriegslärm, der immer näher kommt, die häufigen Luftangriffe der Alliierten und viele andere Begebenheiten, die seit den Maitagen 1940 nicht mehr erlebt wurden. All das spricht eine deutliche Sprache.

Der Kanonendonner ist hier ununterbrochen Tag und Nacht zu hören, mal aus Richtung Basel-Belfort, mal nördlich aus Richtung Mulhouse-Ballon d'Alsace oder auch aus noch weiter entfernten Gebieten. Nachts sieht man am schwarz verhängten Himmel die Kriegszeichen des Feuers, und wer darüber hinwegsehen wollte, der könnte durch den stossweisen nächtlichen, aussergewöhnlichen Bahnverkehr aufmerksam werden, der immer wieder auffällt. Der Kriegsalltag scheint in den Regionen am Oberrhein eingezogen zu sein, mit all seinen Geräuschen und Zeichen der nahen Front.

Die badische Grenzbevölkerung ist zwar nicht in Panik, aber doch zunehmend nervös und fiebrig, was sich in vielerlei Ungewöhnlichkeiten zeigt. In den Dörfern und Städten werden Vorbereitungen für mögliche Evakuierungen getroffen, die Koffer werden gepackt, und militärische Arbeiten lassen auf Verteidigungsmassnahmen schliessen. Das Grenzland hat sich von der ausgelassenen Stimmung von 1940, als man in einem Anflug von Übermut die Soldaten als „Schwyzerlöli“ bezeichnete, weit entfernt. Damals, im ersten Kriegsjahr, hielt man die militärische Bedrohung für weit entfernt und reagierte entsprechend unvorbereitet.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Ein Bekannter von „drüben“, der zuvor noch schwärmte, für seinen Führer an der Front kämpfen und sterben zu dürfen, redet heute nur noch von zukünftigen Ferien in der Schweiz – ein deutlicher Wandel in der Wahrnehmung der Kriegslage.

Deutsche Flüchtlinge in Kleinhüningen Ende November 1944 auf dem Weg zum Grenzübergang Grenzach - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker

Territorial-Kommando Basel - Weitere Schäden durch Beschuss in Basel

Der Territorialkommandant von Basel hat in Petit-Huningue und den umliegenden Gebieten von Kleinbasel Mitteilungen an die Bevölkerung verteilt. Er informiert darüber, dass Vorbereitungen getroffen wurden, um provisorische Unterkünfte für Kriegsopfer bereitzustellen. Die Bewohner werden aufgefordert, Kleidung und Essen für zwei Tage bereitzuhalten, falls sie auf diese Unterkünfte angewiesen sein sollten. Es wird ausdrücklich betont, dass keine Einschränkungen beim Aufenthalt in den Unterkünften bestehen. Über Lautsprecher wird den Anwohnern zudem mitgeteilt, dass keine unmittelbare Gefahr besteht. Die Massnahmen dienen lediglich der Vorsicht und der rechtzeitigen Vorbereitung.

Zusätzlich zu diesen Massnahmen wurden im Bildungsbereich weitere Schritte unternommen. Nachdem zu Beginn der Woche die Schule in Kleinhüningen wegen ihrer exponierten Lage geschlossen wurde, hat man nun entschieden, auch das Inselschulhaus bis kommende Woche zu schliessen. Dieses Schulhaus diente nicht nur den Schülern des umliegenden Quartiers, sondern auch Primarschülern aus dem St. Johannsquartier.

Viele Eltern dürften die vorsorgliche Schliessung begrüssen, da die Sicherheit ihrer Kinder während der Artilleriebombardements auf dem Schulweg eine grosse Sorge war. Am kommenden Montag wird, abhängig von der militärischen Lage in der Nachbarschaft, entschieden, ob der Unterricht im Inselschulhaus wieder aufgenommen werden kann.

Im Grenzgebiet bei Burgfelden kommt es erneut zu Granateneinschlägen. Eine Granate detoniert nahe der Grenze bei Burgfelden, eine weitere trifft das Gelände der Tramschlaufe an der Burgfelderstrasse. Eine dritte Granate barst im weichen Wiesengelände, während eine vierte den Bahndamm der Elsässer Bahn trifft. Ein Schweizer Grenzwächter, der an der Bahnlinie seinen Dienst versieht, wird durch den Luftdruck zu Boden geworfen. Glücklicherweise bleibt er unverletzt und erleidet keine bleibenden Schäden. Die wiederholten Vorfälle entlang der Grenze verdeutlichen die Gefahren, die in der Region herrschen. Die Bewohner und auch die Einsatzkräfte sind weiterhin erheblichen Risiken ausgesetzt, während die Spannungen im Grenzgebiet anhalten.

Durchschlag durch ein Dach während der Gefechte in der Grenzregion - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1060c 314116 - Kolorierung Patrick Schlenker

Zu weiteren Schäden in Basel kommt es an folgenden Orten:

05:00 Uhr: Nordquai 20 - Rheinschiffahrtsamt des Kantons Basel-Stadt

11:00 Uhr: Elsässerstrasse 261

11:00 Uhr: Kohlenstrasse 84 - Wirz AG

11:00 Uhr: Schlachthofstrasse 10

11:00 Uhr:Elsässerstrasse 256 - Stächelin & CIe

12:40 Uhr:Elässerstrasse 215 - ACV beider Basel

19:10 Uhr: Mittlerestrasse 150

20:00 Uhr: Paradieshofstrasse 63

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Aus den Berichten der Schweizer Armee ist Folgendes für den 25.11.1944 zu entnehmen:

09:15 Uhr: Kdt Rapport mit Kdt Inf. Rgt. 23 und Polizei Offizier.

11:30 Uhr: Verteilung der "Orientierung über Notunterkunft" an die Bewohner in den Gefahrenzonen.

14:00 Uhr. Rapport 

15:30 Uhr: Oberarzt bei Kdt.

15:45 Uhr: Staschef bei Zollübergang Lysbüchel

 


26. November 1944

Weitere Kämpfe in der Region

Die Franzosen beschiessen Hüningen mit Granaten

Die Kämpfe zwischen den ins Elsass eingedrungenen französischen Truppen der Armee von General Delattre de Tassigny, die im Abschnitt von Delle bis Basel unter dem Kommando von General Béthouard stehen und den deutschen Truppen im Raum Delle, Grandvillars, Rhein-Rhône-Kanal, Lepuix-Suarce, Chavannes-les-Grandes und im Hartwald bis nach Neudorf und Hüningen, gehen mit unverminderter Erbitterung weiter.

Die eingekesselten deutschen Angreifer in der östlichen Ajoie verteidigen sich buchstäblich bis zur letzten Patrone. Schliesslich brechen sie, müde und ausgezehrt, auf Schweizer Boden durch – etwa zwei Kompanien, begleitet von etwa 50 Verwundeten. Ein anderes Entkommen bleibt ihnen nicht, da die französische Artillerie eine verheerende Feuerwand gegen sie aufgebaut hat.

Alliierter Nachschub im Hinterland – das schlechte Wetter behindert teilweise den Vorstoss – Foto: Sie & Er Illustrierte Januar 1945 - Privatarchiv Patrick Schlenker

Im Vorfeld der einstigen Maginot-Linie

Am Nachmittag herrscht entlang der ehemaligen Maginot-Linie rege Gefechtstätigkeit, die sich hauptsächlich auf Artillerie und schwere Infanteriewaffen beschränkt. Minenwerfer schleudern in unregelmässigen Abständen Geschosse aus Hüningen in Richtung des Bahnhofs von St. Louis, während deutsche Artillerie zeitweise die Strasse nach Burgfelden mit Sprenggranaten belegt.

Nach Stunden der relativen Ruhe auf französischer Seite eskaliert der Kampf kurz vor 16:00 Uhr Uhr. In der Gegend von Bartenheim, Bartenheim la Chaussée, St. Louis, Rosenau und Neudorf entwickelt sich der bisher heftigste Kampf. Auf diesem etwa sieben Kilometer langen Streifen hämmern zahlreiche Geschütze – darunter Panzerabwehrkanonen und Flugabwehrgeschütze – aufeinander ein. Minenwerfer greifen in das Gefecht ein, Granaten aller Kaliber explodieren, und Maschinengewehre tackern unaufhörlich. Ein dichter Pulverdampf legt sich über das Schlachtfeld, und irgendwo zwischen Rosenau und Kembs, das unaufhörlich vom badischen Ufer aus beschossen wird, bricht ein weiterer grösserer Brand aus.

Es blitzt und donnert, als ob die gesamte Gegend in Schutt und Asche gelegt werden soll. Hoch über den sich auflösenden Rauchwolken kreisen Erkundungsflugzeuge. Dann lässt die Intensität des Kampfes nach, und der Feuerüberfall, der etwa 30 Minuten dauert, ebbt langsam ab.

Artilleriebeschuss und Geländegewinne bei St. Louis

Die Franzosen erzielen am Nordrand von St. Louis einen grösseren Geländegewinn. Nach Einbruch der Dämmerung ändert die französische Artillerie ihr Ziel und richtet Granate um Granate gegen die einstige chemische Fabrik an der Strasse nach Hüningen, die offenbar deutschen Truppen als Unterkunft dient. Der Beschuss dauert jedoch nur zehn Minuten, bevor erneut Ruhe einkehrt.

Nur noch vereinzelte Leuchtspurgeschosse, die vermutlich zur Zielmarkierung dienen, werden vom ehemals rechtsrheinischen Hüninger Brückenkopf aus über den Rhein gefeuert. Diese Geschosse pfeifen über den „Lysbüchel“ und schlagen harmlos im Wiesland ein.

Grenzübergang Lysbüchel - Blickrichtung St. Louis von der Schweizer Grenze aus. Französische Truppen mit Jeeps und einer Harley Davidson - Foto Daly Mail - Kolorierung Patrick Schlenker

Die nächtliche Lage in der Grenzregion

Fahler Mondschein liegt über dem verdunkelten elsässischen Grenzzipfel. In den langen Häuserschatten stehen FFI-Wachen, die nun zum Teil bereits mit französischen Karabinern ausgerüstet sind. Für sie hat der Autor des weltberühmten französischen Soldatenliedes La Madelon ein neues Marschlied geschaffen: Nous avons lutté dans l'ombre mais aujourd'hui nous sommes les plus forts... „Wir haben im Schatten gekämpft, aber heute sind wir die Stärksten...“

In der Kampflinie regt sich kaum etwas. Ein deutscher Soldat, der am vergangenen Dienstagmorgen versucht hat, aus St. Louis zu entkommen, über die Felder nach Hüningen rennt und dort von einer französischen Kugel niedergestreckt wird, liegt noch immer unbestattet im feuchten Gras. Niemand scheint ihm ein Soldatengrab schaufeln zu wollen. (Anmerkung des Autors: Schweizer Soldaten werden ihn im Laufe des Abends begraben – siehe Eintrag Territorial-Kommando Basel).

Am Horizont leuchtet ein grosser Feuerschein aus der Gegend von Kembs, während weiter im Hintergrund Lichter aufblitzen und das monotone Rattern von Motorfahrzeugen ununterbrochen zu hören ist. Es ist bereits nach Mitternacht. Ein schwerer Dunst liegt über der Ebene, und das Thermometer zeigt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Grenzwächter und Wehrmänner stehen in Mäntel gehüllt an der Grenze, ihre Gewehre schussbereit, während ihre Blicke in die Dunkelheit bohren.

Lage nördlich von Strassburg

In der Nacht befinden sich die deutschen Truppen in einer chaotischen Flucht über den Rhein. Sie nutzen Boote, Flösse und alles, was schwimmfähig ist, um aus der Vogesentasche südlich von Strassburg zu entkommen.

Die Überreste der geschlagenen deutschen Vogesen-Armee gerieten in Verwirrung, als sie entdeckten, dass die französische Artillerie und Maschinengewehre nun ihre wichtigste Rückzugsstrasse beherrschen. Das brillante Manöver von General Leclerc führte zu einer vollständigen Überraschung der Deutschen. Sie haben sich mit der neuen Lage noch nicht abgefunden.

In Strassburg selbst werden derzeit die letzten Widerstandsnester beseitigt. Die Stadtbevölkerung geht trotz der Kriegshandlungen weitgehend ihren normalen Tätigkeiten nach. Die Deutschen beschiessen die Stadt weiterhin vom Rhein aus. Noch in der Nacht zum 25. November war Strassburg schwerem Beschuss ausgesetzt. Die Strassen waren voller deutscher Kriegsgefangener.

Widerstand wird immer noch im halbmondförmigen Stadtteil zwischen dem sogenannten Kleinen Rhein und dem Rhein geleistet. Die Deutschen halten weiterhin die Strassenbrücke, die Holzbrücke und die Eisenbahnbrücke, die bei Strassburg über den Rhein führen. 

Das Strassburger Münster wurde beim letzten Luftangriff auf die Stadt am 25. September erheblich beschädigt. Eine Bombe durchschlug die Vierungsturmspitze und richtete auch im Inneren der berühmten Kirche bedeutende Schäden an. Im Turm fehlen fast alle Fensterscheiben, und ein Hauptpfeiler links gegenüber dem Haupteingang musste mit Gerüsten abgestützt werden. Der Haupteingang wurde durch eine Bretterverschalung gesichert, doch ein Seiteneingang bleibt offen und führt zu den Luftschutzräumen in den Gewölben. Auch die Uhr des Münsters wurde bei dem plötzlichen, ohne vorherigen Alarm erfolgten Angriff beschädigt. Ein erster Rundgang durch die Stadt zeigt jedoch, dass Strassburg insgesamt nur geringe Schäden davongetragen hat. Lediglich vereinzelte Bombentreffer haben sichtbare Zerstörungen hinterlassen.

 

 

Proklamation von General Leclerc

Paris, 26. November:
Der provisorische Gouverneur von Strassburg, General Leclerc, lässt eine Proklamation veröffentlichen. Darin heisst es:
„Während des vierjährigen grossen Kampfes, den wir unter der Führung von General de Gaulle geführt haben, war euer Münster unser ständiges Anliegen. Wir haben geschworen, unsere Fahne wieder auf seinem Turm wehen zu sehen. Das ist nun der Fall. Ich fordere euch auf, allen, die für die Befreiung Strassburgs gefallen sind, zu huldigen. Frankreich und seine Alliierten werden die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen; sie werden sicherstellen, dass der ewige Eindringling nicht zurückkehren kann.“

Territorial-Kommando Basel

Fliegeralarm:

Nachdem die vorhergehenden Tage von Regenschauern und Wolken geprägt waren, klarte das Wetter auf, was wiederum zu vermehrten Grenzraumverletzungen durch fremde Flugzeuge führte.

  • 09.38 - 10:22 Uhr: Kurz darauf donnern Flugzeugverbände in west-östlicher Richtung über die Grenzregion hinweg.
  • 11:53 - 12:21 Uhr
  • 14:17 - 15:01 Uhr - Ein weiterer Verband überfliegt das Grenzgebiet über Basel. 

Aus den Berichten der Schweizer Armee für den 26. November 1944:

07:50 Uhr: Zwei verwundete Angehörige der Forces Françaises de l’Intérieur (FFI) werden vom Bataillonsarzt des Regiments 56 ins Bürgerspital Basel transportiert.

10:22 Uhr: Kommandant und Hauptmann befinden sich in Allschwil.

11:00 Uhr: Meldung über das Eintreffen französischer Infanterie in St. Louis.

Ab 16:00 Uhr: Artillerie- und Minenwerfergranaten schlagen in Grenznähe ein.

22:15 Uhr: Meldung: Am nächsten Vormittag werden 300 bis 400 Flüchtlinge am Grenzübergang Lysbüchel/St. Louis erwartet.

22:25 Uhr: Mitteilung: Eine Aktion zur Bergung eines deutschen Toten in Grenznähe soll eingeleitet werden.

  • 27 Flüchtlinge: Nach MUBA (Messegelände Basel) weitergeleitet.

27. November 1944

Der Flüchtlingsstrom und Kämpfe in der Region

Seit dem Morgengrauen verstummen die Kanonendonner im umkämpften Sundgau nicht. Ein dichter Nebel liegt über dem Gebiet südlich von Basel und verdeckt jegliche Sicht. Langsam beginnt die Sonne, den Nebel zu durchbrechen, und enthüllt das Elsass in seiner ganzen Weite. Doch die Ruhe trügt: Von Zeit zu Zeit grollt Kanonendonner in der Ferne, wie ein vorbeiziehendes Gewitter.

In den Morgenstunden fliehen die letzten verbliebenen Bewohner von St. Louis. Die französischen Militärbehörden fordern die Zivilbevölkerung eindringlich auf, das Gebiet zu verlassen. Gegen 09:00 Uhr Uhr bildet sich ein ununterbrochener Flüchtlingsstrom, der sich eilig zur elsässisch-schweizerischen Grenze am Lysbüchel bewegt. Männer, die kurz vor dem Einmarsch der Franzosen noch von deutschen Besatzungsbehörden zum Arbeitsdienst gezwungen wurden, schieben Handkarren, beladen mit dem Allernötigsten. Frauen führen ihre Kinder, einige tragen Säuglinge, während andere hastig zusammengepacktes Gepäck in Kinderwagen stapeln.

Die Menschen drängen sich an der Grenze. Viele sind erschöpft, manche weinen still vor sich hin. Die jüngeren Frauen, deren Männer entweder zum Volkssturm eingezogen oder noch irgendwo in Deutschland sind, wirken gefasst, doch die Last der Situation ist ihnen anzusehen. Eine Mutter trauert um ihren 18-jährigen Sohn, der in den letzten Nächten getötet wurde. Einige Flüchtlinge transportieren ältere Familienmitglieder mit Handkarren. Ein Sohn schiebt seine 86-jährige Grossmutter über die Grenze, während andere gebrechliche oder nahezu blinde Personen im Lazarettwagen in die Schweiz gebracht werden.

Die Schweizer Grenzwacht und Soldaten handeln schnell und mitfühlend. Sie organisieren den Übertritt reibungslos und geleiten die Flüchtlinge zu den bereitgestellten Tramzügen, die sie zur Mustermesse in Basel bringen. Bis zum Mittag überqueren rund 400 Menschen die Grenze. Einige wenige bleiben jedoch zurück. Eine junge Frau ruft ihrer Mutter in Basel zu: „Ich lasse meine Hühner und Kaninchen nicht allein!“ und radelt entschlossen zurück nach St. Louis.

Flüchtlinge am Grenzübergang Lysbüchel – Schweizer Soldaten und Grenzwächter (mit Cape) nehmen die Flüchtlinge in Empfang – Foto News Chronicle London - Kolorierung Patrick Schlenker

Zerstörungen in St. Louis

Der Beschuss von St. Louis durch deutsche Minenwerfer richtet schwere Schäden an. Eine Mine trifft das Dach des Hôtel de Paris und explodiert im Inneren, wodurch das Gebäude erheblich beschädigt wird. Auch das neue Schulhaus am Marktplatz erleidet einen schweren Treffer. In einem grossen Umkreis zerbrechen Fensterscheiben durch die Druckwellen. Auf dem Gelände einer Abfallverwertungsfirma am St. Johanns-Bahnhof explodiert eine weitere Mine, deren Splitter Fenster durchbohren und den Geschäftsführer leicht verletzen.

Französischer M8 in den Strassen von St. Louis - Foto United Press - Kolorierung: Patrick Schlenker

Die militärische Lage im Oberelsass

Im Sundgau bleibt die militärische Lage unklar. Franzosen halten Kembs, während die Deutschen in Rosenau und Loesch weiterhin präsent sind. Auch Hüningen und Neudorf stehen nach wie vor unter deutscher Kontrolle. Jedoch gelingt es den Franzosen am Sonntagnachmittag, südlich von St. Louis bei den Abzweigungen nach Hüningen und Neudorf festen Boden zu gewinnen. Die deutsche Abwehr reagiert mit intensivem Beschuss, der den kleinen Weiler Michelfelden nahezu vollständig zerstört.

Die Katastrophe von Freiburg im Breisgau

Freiburg im Breisgau erlebt einen verheerenden Luftangriff, der als eine der schwersten Katastrophen des Luftkriegs bezeichnet werden muss. Die Stadt wird durch die Überraschung des Angriffs und die vorherige Sorglosigkeit der Bevölkerung besonders schwer getroffen.

Seit Kriegsbeginn bleibt Freiburg weitgehend verschont. Bis auf einige wenige Bomben in den Anfangsjahren hat die Stadt die Schrecken des Luftkrieges nicht kennengelernt. Regelmässig überfliegen alliierte Bomber die Stadt, wenn Ziele wie Stuttgart oder München angegriffen werden. Doch nie fällt eine Bombe auf Freiburg. Diese Tatsache führt zu der Überzeugung, dass die Stadt wegen der zahlreichen Militärlazarette in ihrer Umgebung verschont bleibt. Selbst als die Front näher rückt und Angriffe auf Städte in Südwestdeutschland zunehmen, bleibt Freiburg ruhig.

Auch am Morgen zieht eine Bomberstaffel über die Stadt hinweg, ohne etwas auszulösen. Als gegen 20:00 Uhr weitere Flugzeuge Freiburg anfliegen, wird nur eine Vorwarnung ausgegeben, keine unmittelbare Bombengefahr gemeldet. Viele Bewohner schenken den Flugzeugen daher keine Beachtung.

59 Mosquito-Bomber der No. 8 Pathfinder Group markieren das Zielgebiet. Die Hauptbombardierung erfolgt durch 292 Lancaster-Bomber der No. 1 Bomber Group. Es hageln Spreng- und Brandbomben 20 Minuten lang ununterbrochen auf die Stadt. Es werden über 3.000 Spreng- und 11.500 Brandbomben abgeworfen. Die Zerstörungen sind gewaltig und hinterlassen ein Bild des Schreckens. Das Stadtgebiet zwischen dem Hauptbahnhof und der Bahnlinie Zähringen-Haslach bis zum Fuss des Schlossbergs verwandelt sich in ein Trümmerfeld. Tage später ist der Bereich noch von Rauch und Staub eingestürzter Häuser bedeckt. Herdern, ein Stadtteil von Freiburg, ist Berichten zufolge zu mehr als der Hälfte zerstört.

In der Altstadt richten die Bomben erhebliche Schäden an. Das berühmte Freiburger Münster bleibt zwar weitgehend erhalten, doch der gotische Langbau und das romanische Querschiff werden durch Brandbomben beschädigt. Der prächtige 116 Meter hohe Turm weist leichte Splitterschäden auf. Rund um den Münsterplatz trifft die Bombardierung viele Gebäude schwer: Das Erzbischöfliche Palais wird vollständig zerstört, ebenso das Kaufhaus mit seiner kunstvollen Rundbogenvorhalle.

Folgen und Verluste

Der Angriff fordert 2.797 Tote und etwa 9.600 Verletzte. Unter den Opfern befinden sich prominente Persönlichkeiten wie der Theologe Johann Baptist Knebel und der Künstler Hermann Gehri. Nach der Bombardierung fliehen viele Bürger aus der Stadt. Die grosse Schweizerkolonie in Freiburg im Breisgau hat glücklicherweise keine Todesopfer zu beklagen. Allerdings wird berichtet, dass alle Schweizer ausgebombt wurden und unser Konsul nur knapp sein Leben retten konnte. Alle Schweizer in Freiburg sind zur sofortigen Rückkehr in ihre Heimat aufgefordert worden.

Territorial-Kommando Basel

Die Schule in Kleinhüningen bleibt vorerst bis und mit Mittwoch geschlossen. Die Primarschüler erhalten Hausaufgaben. Die Sekundarklassen von Kleinhüningen werden im Dreirosenschulhaus unterrichtet. Die Lage aktuelle erlaubte es, das Inselschulhaus wieder zu öffnen. In Riehen bleiben die Primarschulklassen mit Ausnahme der 4. Klassen geschlossen. Die Schüler der 4. Klassen werden im Burg-Schulhaus unterrichtet, die übrigen Primarschüler erhalten Hausaufgaben.

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

04:11 - 05:02 Uhr: Fliegeralarm

05:37 - 06:59 Uhr: Fliegeralarm - Starke Luftabwehr auf deutscher Seite. Luftschutz gibt Granatsplitter im KP ab.

Meldung der Funkstation 254 des Flieger-Regiments 3 von der Batteriestellung.

09:05 - 09:50 Uhr: Bergung einer deutschen Leiche durch den Luftschutz und Übergabe an deutsche Soldaten am Zollamt Hüningen

12:48 - 13:23 Uhr: Fliegeralarm

17:00 - 17:50 Uhr: Rapport

21:00 Uhr: Ankunft von 430 weiteren Flüchtlingen aus St. Louis in der MUBA. Auf Anfrage teilt die Grenzwache Lysbüchel mit, dass sich in St. Louis noch schätzungsweise 500 Zivilisten befinden (Einwohnerzahl ca. 5000).

Flüchtlingslager MUBA: Eingang 430 Personen, Ausgang 150 Personen

Flüchtlinge begleitet von Schweizer Soldaten in der Isteinerstrasse, hinter der MUBA - Foto Staatsarchiv Basel / Flüchtlingskinder aus dem Elsass - BSL 1045i 1-3-1/6 - Kolorierung Patrick Schlenker


28. November 1944

Die Schlacht im Hardt-Wald beginnt

Die französischen Einheiten setzten sich aus folgenden Regimentern und Divisionen zusammen:

  • 1. Marokkanisches Tirailleurs-Regiment (4. Marokkanische Gebirgsdivision)
  • 6., 21. und 23. Kolonialinfanterieregiment (9. Kolonialinfanteriedivision)
  • 5. und 9. Kolonialinfanterieregiment (1. Panzerdivision)
  • Kolonialregiment der Panzerjäger (1. Panzerdivision)
  • 1. Bataillon der Zuaven Portés (1. Panzerdivision)
  • 68. Divisionsartilleriebataillon
  • 88. Pionierbataillon

Deutsche Streitkräfte

Den französischen Truppen gegenüber standen Einheiten der 19. deutschen Armee unter dem Kommando von General Wiese:

  • 654. Schwere Panzerjäger-Abteilung mit schweren Jagdpanther Jagdpanzern
  • Unterstützung durch Flakpanzer IV „Wirbelwind“ zur Sicherung gegen feindliche Infiltration
  • 189. Infanterie-Division
  • 1213. und 758. Grenadierregiment

Die deutschen Soldaten kämpften entschlossen, motiviert durch den Befehl, „den kaiserlichen Boden zu verteidigen“, nachdem das Elsass 1940 annektiert und dem Reich angegliedert wurde.

Die Franzosen errichten einen Brückenkopf an der Bouc-Brücke am Huningue-Kanal. Eine Aufklärung zur Grünhütte-Kreuzung und der Hombourg-Schleuse wird durchgeführt. Die Deutschen sprengen die Hombourg-Brücke. In der Nacht gibt der deutsche General Wiese befehl einen Gegenangriff, um die Chalampé-Brücke zu schützen. Die Franzosen werden südlich des Kanals zurückgedrängt.

Altkirch

Zwischen der Autobahn Basel-Altkirch-Belfort und der Schweizergrenze, von Delle bis Sept, kämpfen immer noch vereinzelnt deutsche Einheiten, Überreste einer deutschen Division. Diese Division wurde nach dem Durchbruch der französischen Truppen durch die „Burgunder Pforte“ in Eilmärschen von Mulhouse nach Altkirch befohlen. Aufgrund der anhaltenden Bedrängung durch die Truppen der 1. französischen Armee löst sich die Division in kleine Widerstandszentren auf.

Obschon die Front schon weit vorgeschoben ist, befindet sich die Widerstandszentren rund um die Ortschaften Strueth, Hindlingen, Friesen und Ueberstrass. Von hier aus bedrohen die deutschen Truppen die grosse Überlandstrasse Delle-Basel bei Seppois. Diese Strasse ist täglich unter dem Feuer der deutschen Minenwerfer, ebenso wie die Umleitung über Pfetterhausen. Trotz der fast pausenlosen Beschiessung durch die französische Artillerie auf der Höhe zwischen Lébétain und Delle, die auf die ständig wechselnden deutschen Stellungen zielt, halten die deutschen Truppen stand. Besonders in Friesen richten die Bombardierungen grosse Verwüstungen an und entfachen Brände.

Ein weiteres Gefechtszentrum befindet sich südöstlich von Belfort entlang der Strasse Belfort-Réchésy. Das Zentrum dieser Kämpfe liegt in der Ortschaft Vellescot, an der Kreuzung der Strassen Delle-Alt-Münsterol und Dammerkirch. Auch die Orte Alt-Münsterol und Chavannes-les-Grandes befinden sich im Bereich schwerer französischer Artilleriebatterien. Die Kämpfe sind, wie an der Grenze berichtet wird, für beide Seiten sehr verlustreich. In einem kleinen Waldstück werden 170 gefallene deutsche Soldaten aufgefunden. Gleichzeitig wird auch jede Ortschaft, in der sich die Deutschen bisher noch halten konnten, systematisch von den Franzosen zerstört.

Die befestigten Werke Bourogne und Le Fougerais, die die Befestigungsanlagen der Burgunder Pforte vor den Belforter Linien sperrten, sind mittlerweile von marokkanischen Truppen der Armee de Lattre de Tassigny erobert worden. Die Kämpfe werden auf beiden Seiten unerbittlich geführt. So gerät eine französische Sanitätskolonne in den Wäldern von Réchésy unter das Feuer der Deutschen, wobei Ärzte, Sanitäter und Rotkreuzfahrerinnen ums Leben kommen.

Abschied auf Zeit - Im Vordergrund Schweizer Soldaten - Foto Schweizer Illustrierte November 1944 - Privatarchiv Patrick Schlenker

Kämpfe bei Neu-Breisach und Colmar - Hüningen noch nicht gefallen

Drei Stunden lang dauert das schwere Trommelfeuer der französischen Artillerie gegen den deutschen Brückenkopf Neu-Breisach auf der linken Rheinseite. Dieser Vorstoss der Franzosen steht zweifellos im Zusammenhang mit dem schweren Luftangriff auf Freiburg im Breisgau am Montagabend, da die Stadt über eine Eisenbahnlinie mit der festen Rheinbrücke zwischen Alt- und Neu-Breisach und dem nur 23 Kilometer entfernten Colmar verbunden ist. Über den Ausgang des Kampfes liegen bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Meldungen vor.

Neudorf und Rosenau unter Artilleriebeschuss

04:00 Uhr: Mit einem Schlag eröffnen die französischen Batterien ein heftiges Trommelfeuer gegen die Kanalbrücke in Neudorf, die die Verbindung nach St. Louis sowie zu den Ortschaften Langenhäuser und Haberhäuser entlang der „Chaussée“ bildet. Granaten schlagen links und rechts des Übergangs und auf beiden Seiten des Kanals ein und werfen grosse Staub- und Erdfontänen auf. Etwas später wechseln die Franzosen das Ziel und beschiessen die Gegend von Rosenau, dessen Bewohner sich grösstenteils, sofern sie nicht bereits nach Deutschland deportiert wurden, nicht scheuen, den fast zehn Kilometer langen Weg zur Schweizer Grenze zu Fuss zurückzulegen.

20:00 Uhr: Die französischen und deutschen Batterien beschiessen gegenseitig die gegnerischen Stellungen und Ansammlungen zwischen Neudorf und Nation die ganze Nacht hindurch bis Mittwochmorgen.

Übertritt an der Schweizer Grenze

Nur noch der Übertritt auf Schweizer Boden bleibt den überlebenden deutschen Soldaten übrig: Heute trifft eine Handvoll deutscher Soldaten, die französische und amerikanische Gefangene mit sich führen, an der Schweizergrenze ein und ersucht um Erlaubnis, die Grenze zu überqueren. Die Deutschen werden interniert, während die Amerikaner und Franzosen gemäss der Haager Konvention wieder an die Grenze zurückgeführt werden.

Deutsche Truppen an einem Schweizer Bahnhof warten, bewacht von schweizer Soldaten,auf ihren weitertransport in eine Internierungslager. Soldaten an einem Bahnhof - Staatsarchiv Basel BSL 1060c 37853 - Kolorierung Patrick Schlenker

Ältere elsässische Flüchtlinge werden in Heimen untergebracht

Es hat sich gezeigt, dass unter dem grossen Flüchtlingsstrom elsässischer Emigranten und Evakuierter zahlreiche ältere, gebrechliche und kranke Menschen sind, die nicht in den Mustermessehallen mit den anderen Flüchtlingen untergebracht werden können. Das Schweizerische Rote Kreuz hat sich daher zur Aufgabe gemacht, besondere Altersheime einzurichten.

Ein erstes Heim für 50 Personen wird in Hedwigsheim eröffnet, und weitere werden heute und in den kommenden Tagen eingerichtet. Die Bevölkerung wird dazu aufgerufen, durch Spenden von Matratzen, Betten, Wäsche und anderen Hilfsgütern tatkräftige Unterstützung zu leisten.

Übernahme eines gehunfähigen Flüchtlings durch schweizer Truppen an der Grenze - Der Sanitätssoldat in der Mitte trägt noch ein Faschinenmesser der Ordonannz 1842 / 52 - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1013 1-24 2 - Kolorierung Patrick Schlenker

Augenzeugenbericht

Am Dienstagmorgen war die Grenzgegend von einem dichten Nebel bedeckt. Es war gespenstisch still, abgesehen von gelegentlichem, entferntem Geschützfeuer, das kaum zu hören war. Gegen Mittag, als die Sicht klarer wurde, begann plötzlich ein intensives Artilleriefeuer von französischer Seite. Die Einschläge waren deutlich zu sehen, besonders auf die Brücke über den Hüninger Kanal am Westausgang von Neudorf. Eine Granate nach der anderen explodierte auf der Brücke und in ihrer unmittelbaren Umgebung. Gleichzeitig antworteten deutsche Geschütze aus Haltingen. Von dort feuerten sie einige Schüsse auf das nahegelegene Dorf St. Louis. Die Atmosphäre war angespannt, und die Detonationen liessen die Luft vibrieren. Gegen Abend nahm die Intensität des Feuers auf beiden Seiten deutlich zu. Die französischen Batterien richteten ihre Angriffe jetzt auch auf Ziele rechts des Rheins. Die zahlreichen Einschläge waren selbst aus der Entfernung unüberhörbar, und die Situation wirkte, als würde der Konflikt bald noch heftiger werden. Es war ein Tag voller Spannung und schwerer Kämpfe, der die ohnehin schon belastete Region weiter erschütterte.

Territorial-Kommando Basel

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

03:00 Uhr: Ein Kurier überbringt die Divisionsbefehle für den Truppeneinsatz.

09:10 - 11:00 Uhr: Major Zangg bespricht sich mit dem Luftschutz in Riehen aufgrund der Sichtung einer Fliegerbombe.

11:15 Uhr: Der Kommandant ist am Badischen Bahnhof, um die Aufnahme von Flüchtlingen zu koordinieren.

17:00 Uhr: Der Marie von St. Louis besucht die Flüchtlinge am Lysbüchel und versucht, sie zu beruhigen.

18:00 Uhr: Inspektion des Grenzabschnitts Allschwil - Basel.

Flüchtlingslager MUBA

  • Eingang: 14 Personen
  • Ausgang: 130 Personen
     

29. November 1944

Weitere Kämpfe im Hardt-Wald 

Am Morgen gelingt es den marokkanischen Schützen, die Bouc-Brücke wieder einzunehmen. Den ganzen Tag über folgen heftige deutsche Gegenangriffe, die abgewehrt werden.

Huningen weiter unter Beschuss

Nach 14:00 Uhr erleben die Bewohner von Hüningen, die nur zum kleineren Teil evakuiert worden sind, erneut angespannte Stunden. Nahezu drei Stunden lang liegt der Ort unter schwerem Artilleriefeuer französischer Truppen. Der Artilleriebeschuss konzentriert sich teils auf elsässische und badische Orte vor den Mauern Basels, teils auf das Stauwehr und das Kraftwerk Kembs. Die genaue Wirkung des gegenseitigen Beschusses lässt sich von Basel aus nicht eindeutig feststellen, da auch am Morgen dichter Nebel über der Rheinebene liegt. Sicher jedoch ist, dass die deutschen Truppen weiterhin die Kontrolle über Hüningen und Neudorf haben. Es gibt keine Pausen zwischen den Salven – Schuss um Schuss fällt, teils in die Nähe, teils in die Stadt, wodurch die Bewohner gezwungen sind, sich in den Kellern zu verstecken, um sich vor den gefährlichen Einschlägen zu schützen.

Kriegsschäden im Elsass - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1060c 3/5-67/13 - Kolorierung Patrick Schlenker

Hüningen, wie auch Neudorf, ist nach wie vor ein hart umkämpftes Gebiet, das unter der Kontrolle der deutschen Truppen steht. Besonders dramatisch ist, dass die Bewohner, die seit fast zehn Tagen kaum das Haus verlassen konnten, nun wieder mit unmittelbarer Gefahr konfrontiert werden. Trotz des anhaltenden Artilleriefeuers und der ständigen Bedrohung durch Einschläge scheint die Stunde der Befreiung durch die französischen Truppen näher zu rücken. Möglicherweise sind die heftigen Angriffe nur ein Vorbote der kommenden Offensive.

Die Artillerie hat immer wieder präzise Einschläge vorgenommen, oft mit Granaten, die genau dort treffen, wo die Artilleriebeobachter sie erwarten. Besonders schwer betroffen ist das Niemandsland zwischen der ehemaligen SS-Kaserne und dem südlichen Rand von Hüningen, wo zahlreiche Schutzgräben und Bunker liegen, die als Vorposten der Deutschen dienen. Diese Gräben werden gezielt getroffen, was die enorme Präzision der französischen Artillerie unterstreicht.

Der Artilleriebeschuss zieht sich bis in den späten Nachmittag hinein, als gegen 17:00 Uhr eine kurze Ruhepause eintritt. Die deutschen Truppen, die in der Region aktiv sind, bleiben jedoch bis zum Einbruch der Dunkelheit relativ ruhig, was Hoffnung auf eine mögliche Wende der Ereignisse gibt. Die Bewohner von Hüningen sind nach wie vor im Kriegsgebiet gefangen, der Ort stark von deutschen Truppen besetzt. Doch es gibt die leise Hoffnung, dass das Ende des Beschusses und die zunehmende Aktivität der französischen Truppen auf eine bevorstehende Befreiung hindeuten könnten.

Aus dem nahen Elsass

Reisebericht von einem unbekannten Redaktor der National-Zeitung vom 29. Nobember 1944:

Da ich von verschiedenen Seiten gefragt wurde, auf welchem Wege ich nach Mulhouse, Altkirch und wieder zurück gelangt sei, möchte ich meine bisher nicht geschilderten, aber recht abwechslungsreichen Reiseeindrücke in chronologischer Reihenfolge zusammenfassen. Nachdem ich schon anfangs der Woche Volkensberg besucht hatte, fuhr ich von dort mit dem Fahrrad auf der von Festungen der Maginot-Linie flankierten Höhenstrasse nach Norden. Die weiter westlich in der Rheinebene verlaufende Strecke über Sierenz und Habsheim, so hatte man mir versichert, liege angeblich in der Schusslinie. Ein Milchmann habe anderthalb Stunden in einem Strassengraben liegen müssen, während die Kugeln über ihn hinwegpfiffen. Doch nichts von alledem war auf der wohlgeschützten Militärstrasse zu bemerken. Nur Wind und Regen begleiteten mich, doch dank unterhaltsamer Weggefährten verkürzte sich die Fahrt angenehm.

Drei Tage zuvor hatte in der Region ein mehr oder weniger blinder Alarm für Aufregung gesorgt, der zu einer regelrechten Massenflucht führte – vor allem bei Männern, sicher nicht den mutigsten. Die aus Mulhouse vertriebenen Deutschen waren offenbar in Panik geraten, als fünf Panzer scheinbar aus der Hard in Richtung Mulhouse vorstiessen. Der Propagandachef hatte vor seinem Wegzug alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren zum Volkssturm aufgeboten. Doch diejenigen, die dem Aufgebot nicht gefolgt waren, glaubten, man werde sie holen, und flohen Hals über Kopf bis zur Schweizer Grenze. Nun kehrten sie zurück, um Milchflaschen, Nahrungsmittel oder andere Dinge zu holen, um einige Erfahrungen reicher und sehr gesprächig. So verschwand ich unauffällig in der Menge.

Befreite feiern mit Befreiern - Foto L'Illustre November 1944 - Privatarchiv Patrick Schlenker

In Niedermagstadt besuchte ich den Volkssturm und traf dort auf einen alten Bekannten, einen früheren Mitarbeiter der National-Zeitung. Obwohl er bereits 78 Jahre alt war, wirkte er noch gesund und rüstig. Obwohl als „politisch unzuverlässig und franzosenfreundlich“ eingestuft, hatte er die letzten vier Jahre relativ unbeschadet überstanden, wenngleich die gestrengen Herren ihn wegen einiger Gedichte zur Rechenschaft gezogen hatten. In seinem gastlichen Haus, das er mit seinem Neffen, einem Rutengänger, bewohnte, lernte ich auch den Ortsgeistlichen kennen. Dieser schilderte eindrucksvoll die anfangs ablehnende Haltung der elsässischen Bauernbevölkerung gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie. Auch die Beeinflussung der Jugend durch Schule und Hitlerjugend stellte sich langfristig als völliger Fehlschlag heraus. Der elsässische „bon sens“ (gesunder Menschenverstand) zeigte sich offenbar schon in den Köpfen der Kleinen. So brachte ein Junge ein nationalsozialistisches Propagandabüchlein mit einem Bild des Führers aus der Schule nach Hause. Seine Eltern wollten es ihm gerne wegnehmen, doch der Junge verteidigte es energisch. Auf die Frage, was er damit machen wolle, antwortete der Bub: „Ins Häusle tragen.“

Der Pfarrer erzählte mir auch von einer tragischen Begebenheit: Zwei Tage zuvor zogen etwa 400 deutsche Zivilgefangene aus Mulhouse durchs Dorf. Die Soldaten, die sie eskortierten, hatten strenge Anweisungen, niemanden heranzulassen oder mit den Gefangenen sprechen zu lassen. Eine Frau wollte dennoch einem Gefangenen Trinkwasser bringen. Ein Marokkaner aus der Eskorte, der die Flinte im Anschlag hielt, hob reflexartig den Arm, und ein Schuss tötete die unvorsichtige Frau. In Mulhouse zeigte sich ein anderes Bild. Neben den bereits geschilderten Flieger- und Explosionsschäden fiel mir auf, dass dort Strassenbahnen mitten auf der Strasse stehen geblieben waren. Die Hotels waren überfüllt mit Flüchtlingen aus den von Deutschen noch besetzten Dörfern oder aus Stadtteilen, die im Feuerbereich lagen. Das Strassenbild war geprägt von Pritschenwagen, beladen mit Plunder, Kindern oder alten Leuten. Junge Männer zogen diese Wagen oft selbst, und meist befand sich ein Käfig mit einem Kanarienvogel darauf. Doch die Elsässer erwiesen sich als gastfreundlich und herzlich. Die gemeinsame Not öffnete die Herzen und liess Kleinlichkeiten verschwinden. 

Häuser mit Kriegsschäden im Elsass - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1060c 3/5-67/5 - Kolorierung Patrick Schlenker

In Mulhouse ist die Versorgungslage schwierig: 250 Gramm Fleisch pro Woche, Käse nur etwa 100 Gramm im Monat. Milch gibt es in kleinen Mengen: Kinder bis sechs Jahre erhalten einen halben Liter pro Tag, ältere einen Viertelliter. Gemüse muss mühsam organisiert werden, wenn kein eigener Garten vorhanden ist. Der Markt findet alle vierzehn Tage statt.

Das Haus, in dem ich wohnte, war durch Zentralheizung angenehm erwärmt. Elektrisches Licht funktionierte, und das Radio spielte. Doch die Gasversorgung war unterbrochen, da die Gasfabrik im Norden der Stadt auf deutschbesetztem Gebiet lag. So musste die Hausfrau mit improvisierten Mitteln kochen. Interessanterweise stellte ich in einem Grenzdorf Überfluss fest. Die Bewohner hatten ein Schwein geschlachtet – unter den Deutschen wäre das streng verboten gewesen. Wie es jetzt geregelt wird, wusste niemand, und so hatte man vorsichtshalber gehandelt.

In jedem Dorf gab es noch die Überbleibsel der nationalsozialistischen Propaganda. Grosse Parolen prangten an den Mauern: „Angloamerikaner, Juden und Bolschewiken bringen Chaos, Not, Hunger und Anarchie.“ Oder: „Demokratie und Bolschewismus bedeuten den Untergang der Menschheit. Der Nationalsozialismus ist ihre Rettung – darum kämpfen wir bis zum Endsieg!“ Doch heute waren diese Parolen nur noch grotesk, und die neuen Regierenden liessen sie stehen, wohl wissend, wie lächerlich sie sich im Licht der Gegenwart ausnahmen. Eine neue Zeit begann. Die französische Armee, mit modernen Fahrzeugen und einer guten Ausrüstung, zog mit Macht durch die Strassen. Während die alte deutsche Herrschaft mit ihrer Propaganda verblasste, bedeutete dies für das neue französische Regime einen vielversprechenden Anfang. Dennoch bleibt das vierjährige Erbe der deutschen Herrschaft in Form zerstörter Städte und menschlichen Leids bestehen.

Rache und Abrechnung mit NS-Kollaborateuren

Ein prägendes Element des Berichts sind die Szenen von Abrechnungen mit ehemaligen Kollaborateuren und NS-Anhängern:

  • Ein Mann namens Rüsch, genannt „der Langhaarige“, wurde von einer aufgebrachten Menge aus seinem Haus geholt. Er wurde für persönliche Tragödien verantwortlich gemacht, darunter den Tod von Familienangehörigen und Deportationen.
  • Ein anderer Fall betrifft den sogenannten „Protokollmeyer“, einen ehemaligen Polizeichef, der wegen seiner rigorosen Strafverfolgung besonders gehasst war. Bei seiner Verhaftung wurde er von wütenden Frauen misshandelt.

Altkirch

Die Kleinstadt im Elsass trägt sichtbare Spuren der andauernden Kriegswirren. Obwohl die Gefallenen begraben wurden, bleiben Überreste der Kämpfe unübersehbar. Helme, Waffen und weitere militärische Ausrüstung sind in der Nähe von zerstörten Fahrzeugen verteilt. Die Umgebung wirkt zunehmend kriegsgeprägt, je näher man der Stadt kommt. Alliierte Flugzeuge patrouillieren im Nordwesten. Deutsche Fliegerabwehr eröffnet regelmässig das Feuer, jedoch bleiben sichtbare Erfolge aus. Am Himmel zeigen sich nur die weissen Wolken der Detonationen, keine Maschinen gehen zu Boden.

Eine zentrale Verbindung, die Brücke zwischen dem Bahnhof und der Stadt, ist zerstört. Während Fussgänger und geschickte Kletterer sie noch überqueren können, erfordert der Weg mit einem Fahrzeug oder Fahrrad eine Umleitung zur nächsten intakten Brücke. In der Stadt sind Kriegsgefangene ein häufiges Bild. Ein Lastwagen mit jungen deutschen Gefangenen wurde gesichtet, ebenso wie Gruppen deutscher Soldaten, die innerhalb des Stadttors in einem Hof untergebracht sind. Diese werden von französischen Truppen bewacht, während zahlreiche Patrouillen die Strassen sichern und umliegende Wälder durchsuchen. Die französischen Widerstandskämpfer der FFI, bekannt als Maquisards, sind ebenfalls vor Ort und unterstützen die Militäraktionen. Die Strassen Altkirchs sind gezeichnet: herabgestürzte Ziegel bedecken den Asphalt, viele Häuser tragen deutliche Spuren der Gefechte. Die Kämpfe haben auch die örtliche Bevölkerung betroffen, die sich an diese Bedingungen anpassen muss. Historisch betrachtet ist Altkirch kein Fremder im Kriegsgeschehen. Bereits 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, entstand hier der erste Schützengraben. Die heutigen Soldatenfriedhöfe markieren diese Stellen. Im Jahr 1918, am Tag nach dem Waffenstillstand, war die Stadt fast vollständig verlassen, abgesehen von einigen einquartierten deutschen Soldaten. Heute jedoch ist Altkirch wieder Schauplatz intensiver militärischer Auseinandersetzungen. Die Lage bleibt angespannt. Häuser, Infrastruktur und die Menschen der Stadt sind gleichermassen vom Krieg gezeichnet. Altkirch steht exemplarisch für viele Orte im Elsass, die die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs direkt erfahren. Ein Ende des Konflikts ist hier noch nicht in Sicht.

Territorial-Kommando Basel

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

08:00 - 12:00 Uhr: Rapport 2. Armee-Korps / Inf. Rgt. 23

11:15 Uhr: Besuch verschiedener Kommandanten des Flüchtlingslagers Mustermesse.

15:00 Uhr: Meldung vom Bahnhof SBB: Lastwagen 13756C defekt. Hinterachse gebrochen. Fahrzeug soll Reparatur in die Garage des ACV gebracht werden. Transport durch Herrn Thommen (ACV) organisiert.

Flüchtlingslager MUBA

  • Eingang: 11 Personen
  • Ausgang: 129 Personen

30. November 1944

Situation im Elsass

Die Schlacht um das Elsass nähert sich ihrem Ende. Die amerikanische Siebte Armee erweitert ihre Position nördlich und südlich von Strassburg, dringt in den Wald um Hagenau ein und arbeitet sich in Richtung Schlettstadt und Colmar vor. Gemeinsam mit General Leclercs Truppen wurde Erstein befreit, und Kämpfe südlich davon dauern an.

Die deutschen Truppen ziehen sich schrittweise zurück, errichten Blockaden, sprengen Brücken und nutzen Pontonbrücken bei Breisach, um Truppen über den Rhein zu verlegen. Die schlechte Wetterlage behindert die alliierte Luftwaffe, dennoch wurden über 1300 Einsätze gegen deutsche Ziele geflogen.

Die französische Erste Armee macht Fortschritte in den Vogesen und erreicht den Rhein bei Niffer. Unklar bleibt, ob die Deutschen ihre Truppen vollständig hinter den Rhein zurückziehen. Weitere Vorstösse zielen auf Schlettstadt und Colmar.

Im Hardt-Wald kämpfen sich französsiche Infanteristen, unterstützt von Sherman-Panzern des 5. African Hunter Regiment vor und erobern Punkt 232 und die Grünhütte-Kreuzung. Ein Angriff der Puig-Kompanie dringt in den Wald vor, wird jedoch zurückgeschlagen. Wiederholte Versuche am Folgetag scheitern an starken deutschen Verteidigungsstellungen.

Strassburg, 30. November (United Press): General Leclerc, Kommandant der französischen Truppen, die Strassburg befreiten, hat in der ganzen Stadt eine Proklamation anschlagen lassen. Darin kündigt er strenge Massnahmen gegen Heckenschützen und bewaffnete Widerständler an.

Die Proklamation erklärt, dass für jeden französischen Soldaten, der durch deutsche Heckenschützen oder Partisanen getötet wird, fünf deutsche Geiseln hingerichtet werden. Diese Regelung tritt am Samstagabend um 17 Uhr in Kraft. Zudem wurde eine Frist bis zu diesem Zeitpunkt festgesetzt, innerhalb der alle Waffen an die FFI (Forces Françaises de l'Intérieur) abgeliefert werden müssen. Wer nach Ablauf der Frist weiterhin illegal Waffen besitzt, wird mit dem Tode bestraft. In der Proklamation wird auch klargestellt, dass deutsche Soldaten, die in Zivilkleidung aufgegriffen werden, als Deserteure betrachtet und standrechtlich erschossen werden. General Leclerc betonte, dass die Geiseln, falls ihre Hinrichtung notwendig werde, aus einer Gruppe von Gefangenen ausgewählt würden, die bereits in Gewahrsam sind.

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Weitere Kämpfe um Hüningen

Elf Tage, nachdem die Panzertruppen der 1. französischen Armee unter General Delattre de Tassigny ihren stürmischen Vormarsch in St. Louis fortsetzen und die Versorgungswege entlang der grossen Überlandstrasse Delle-Basel von versprengten deutschen Truppen gesäubert wurden, beginnt die französische Artillerie ihren Angriff auf den deutschen Brückenkopf. Dies wird durch ein intensives Bombardement eingeleitet.

Um 06:50 Uhr beginnt die Beschiessung von Neudorf, nachdem in der vorausgegangenen Nacht das hart umkämpfte Rosenau den Deutschen entrissen wird. Um 07:28 Uhr rückt die französische Infanterie entlang des Rhein-Rhone-Kanals vor. Ein französischer Stosstrupp sprengt die von Artilleriebeschuss heimgesuchte Kanalbrücke bei Neudorf, um einen Ausbruch der stark bedrängten Deutschen zu verhindern. Kurz vor 10:00 Uhr wird die Ortschaft vollständig gesäubert und ist fest in der Hand der Angreifer.

Die deutschen Verteidiger ziehen sich in Richtung Hüningen zurück. Während der Angriff gegen den Hüninger Brückenkopf von Neudorf aus planmässig voranschreitet, erreichen erste französische Infanteristen, begleitet von Mitgliedern der FFI, den Hüninger Zoll. Gut gedeckt bewegen sie sich entlang der Basler Strasse in Richtung Hüningen und stehen gegen Mittag bereits in der Nähe der ehemaligen chemischen Fabrik.

Gegen 11:15 Uhr, nachdem die französische Infanterie und schwere Waffen Hüningen von allen Seiten umfassen und Artillerie sowie Minenwerfer vorgerückt sind, beginnt der Kampf jenseits der Grenzpfähle mit all seinen Auswirkungen. Die französische Artillerie schiesst unaufhörlich, Granaten aus Minenwerfern explodieren im Zielgebiet, und der Boden zittert unter der Wucht der Einschläge. Fenster klirren, Häuserfronten brechen ein, und Erdfontänen wirbeln auf. In den Kellern sucht die Bevölkerung Hüningens Schutz, während Granateinschläge die Stadt erschüttern.

Jenseits des Lysbüchels wartet eine kleine Reserve französischer Infanteristen, mit Maschinengewehren, Maschinenpistolen und Panzergranaten ausgerüstet. Diese Soldaten tragen gelbbraune Khaki-Uniformen mit der französischen Kokarde am linken Ärmel. Schwere Fahrzeuge stehen bereit, von denen eines das aus dem französischen Zollhaus entfernte Bild des „Führers“ zeigt.

Bis etwa 14:00 Uhr tobt der Kampf unvermindert weiter. Immer wieder mischt sich das Explodieren deutscher Minenwerfer in das donnernde Artilleriefeuer. Kurz vor 14:00 Uhr wird ein weiterer verletzter französischer Soldat am Lysbüchel eingeliefert, der schwere Verwundungen durch eine deutsche Minenwerfergranate erlitten hat.

Etwa 30 Minuten später lässt das Artilleriefeuer nach, und um 15:00 Uhr herrscht plötzlich Stille. Zu diesem Zeitpunkt werden die ersten deutschen Gefangenen eingebracht, die nach einem Verhör ins Hinterland transportiert werden. Um 16:00 Uhr verläuft die Frontlinie entlang der Hüninger Strasse zwischen der alten „Schiffmühle“ und der ehemaligen chemischen Fabrik.

Französische Vorhuten geraten dort in ein Kreuzfeuer der inzwischen verstärkten deutschen Vorposten. In der Nähe der Strasse liegen die Leichen eines deutschen und eines französischen Soldaten dicht nebeneinander. Nördlich von Hüningen tobt zu dieser Zeit ein schwerer Infanteriekampf im Vorfeld von Neudorf. Die Franzosen haben Hüningen umzingelt und sind dabei, den deutschen Widerstand systematisch zu brechen. Der Angriff verläuft unter schweren Kämpfen, sowohl entlang der Basler Strasse als auch in den nördlich gelegenen Gebieten. Die deutsche Verteidigung hält an einigen Punkten noch stand, ist jedoch bereits erheblich geschwächt.

Deutscher Volksturm mit Panzerfäusten - Foto Schweizer Illustrierte Dezember 1944 - Privatarchiv

Flüchtlingsituation an der Grenze zu Basel

Viele Menschen erfuhren nach jahrelanger Ungewissheit endlich wieder Neuigkeiten von ihren Angehörigen. Seit dem Abzug der deutschen Grenzbeamten und Hilfszöllner war es wieder möglich, über die schweizerischen Grenzpfähle hinweg zu grüssen und zu sprechen. Am Grenzbach oder Schlagbaum trafen sich Verwandte und Freunde von beiden Seiten der Grenze. Nach langer Trennung lagen sie sich weinend in den Armen und feierten ein freudiges Wiedersehen.

Doch als in der vergangenen Woche Tausende von Flüchtlingen zur Schweizer Grenze drängten, wurden ihre Hoffnungen zunächst enttäuscht: Die Grenze blieb verschlossen. Ein hoher Funktionär erklärte dazu: „Man darf sich nicht nur von Gefühlen oder Mitleid leiten lassen, sondern muss auch den Verstand walten lassen.“ Er betonte, dass viele elsässische Flüchtlinge in Orten wie Oltingen oder Leimen genauso sicher seien wie in der Schweiz. Sollten sich die Umstände drastisch verschlechtern, hätten sie weiterhin die Möglichkeit, in die Schweiz zu fliehen. Doch wenn man sie ohne zwingenden Grund schon jetzt ins Land lasse, könnten die Herausforderungen durch den Flüchtlingszuzug noch grösser werden. Zudem könnte eine spätere Ausreise dieser Menschen auf Schwierigkeiten stossen, die weder für sie noch für die Schweiz wünschenswert seien.

Flüchtlinge am Lysbüchel - Staatsrarchiv Basel BSL 1013 1-25 2 - Kolorierung Patrick Schlenker

Die basellandschaftliche Bevölkerung zeigte grosse Solidarität. Unter der Leitung von Regierungsrat Dr. Gschwind, dem Direktor der Kriegswirtschaft und des Innern, wurden zahlreiche Massnahmen organisiert. Gschwind, der bei einem Grenzgang selbst nur knapp einer gefährlichen Feuersalve entging, sorgte dafür, dass etwa 500 Flüchtlinge an der Grenzübergangsstelle Allschwil-Hegenheim, 120 bei Schönenbuch und 400 bei Leimen mit Brot, Tee, Kaffee und Suppe versorgt wurden. Dank der Vermittlung durch Schweizer Behörden konnten Tausende Flüchtlinge aus Mulhouse, Bartenheim und anderen Orten in grenznahen Gemeinden untergebracht werden.

Die Unterstützung war jedoch keine einfache Aufgabe. Die strengen administrativen Vorgaben und die Rationierung erschwerten schnelle Hilfe. Nur Persönlichkeiten mit umfassenden Vollmachten konnten solche Hürden überwinden.

Es ist daher besonders hervorzuheben, dass Regierungsrat Dr. Gschwind als Chef der basellandschaftlichen Kriegswirtschaft, Kriegsfürsorge und der Schweizer Spendenaktion Baselland (Aktion Beider Basel) unverzüglich handelte. Er veranlasste vor Ort alle notwendigen Massnahmen, um den Flüchtlingen schnellstmöglich zu helfen, und koordinierte ergänzende Hilfen zielgerichtet und effektiv.

Paketaktion ACV - Frauen stellen Pakete zusammen - Staatsrarchiv Basel BSL 1060c 3/7/1114 - Kolorierung Patrick Schlenker

Territorial-Kommando Basel

Der Oberbefehlshaber der Armee, General Guisan, hat den Fürsorgechef der Armee mit der Organisation der Soldatenweihnacht 1944 beauftragt. Zur Finanzierung der Soldatenpakete wird am 9. und 10. Dezember in der gesamten Schweiz ein Abzeichenverkauf durchgeführt.

Zum Verkauf steht eine Anstecknadel mit dem Symbol eines Soldatenkopfes auf rot-weissem Band. Das Tragen dieses Abzeichens ist gemäss Armeebefehl vom 21. November den Angehörigen der Armee gestattet. Da der Erlös aus dem Abzeichenverkauf nicht ausreicht, um die benötigten Mittel für die Weihnachtspakete bereitzustellen, wird durch die Post ein Aufruf an alle Haushalte versandt. Dieser fordert dazu auf, Geldbeträge zu spenden:

  • Ganzes Paket: 10 Franken
  • Halbes Paket: 5 Franken
  • Viertelpaket: 2.50 Franken

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Um 11:00 Uhr kam es zu weiteren Schäden durch Granatsplitter auf Basler Boden und zwar an der Dorfstrasse 26 - AVC beider Basel und an der Hochbergerstrasse 60.

 

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

08:00 Uhr: Artilleriefeuer ist zu hören.

09:00 Uhr: Es trifft eine Meldung auf dem KP ein, dass ein Gegenangriff auf Hüningen läuft. Bis 11:00 Uhr sind die Geschütze hörbar.

11:20 – 11:40 Uhr: Drei verschiedene, jeweils 5 Minuten andauernde Beschiessungen auf Hüningen.

11:20 Uhr: Meldung von der Stückfärberei (Anmerkung des Autors – heutiges Stücki-Areal), dass infolge des Beschusses der Betrieb eingestellt wird.

Gegen Mittag: Leichte Aufhellungen über dem Rhein, woraufhin französische Infanterie zum Angriff ansetzt.

14:00 Uhr: Meldung, dass die 47. französische Infanterie mit FFI angreift.

16:00 Uhr: Eine Arbeiterin der Firma Leutinger SA ruft an und fragt, ob die Firma nicht verpflichtet sei, die Arbeiten infolge der Gefährdung durch Granatsplitter auszusetzen. Sie wird an das Arbeitsamt verwiesen.

16:20 Uhr: Nach ständigen Angriffen auf die Geigy-Fabrik ziehen sich die Deutschen an diversen Stellen zurück.

Während des Nachmittags werden am Zollamt Lysbüchel drei verwundete FFI von einem Sanitätsarzt des Infanterie-Regiments 23 übernommen und interniert.

17:00 Uhr: Der Badische Bahnhof stellt den Betrieb ein.

17:15 Uhr: Meldung vom Zollübergang Hüningen: Mit Lautsprecherwagen werden die Bewohner von Hüningen zum Verlassen der Ortschaft aufgefordert.

Flüchtlingslager MUBA

  • Eingang: 19 Personen
  • Ausgang: 112 Personen

1. Dezember 1944

Hüningen wird von den Franzosen besetzt – Dreiländerecke von allen deutschen Truppen geräumt

Am frühen Morgen liegt Hüningen unter dichtem Dezembernebel, der die Vorgänge in der Stadt zunächst verschleiert. Bis etwa 09:00 Uhr bleibt die Lage ruhig, nur vereinzelte Artillerieschüsse, die von badischer Seite aus abgefeuert werden, schlagen in der Stadt ein. Gegen 09:10 Uhr klärt sich die Situation langsam. Zivilisten erscheinen auf der Landstrasse in Richtung Schweizer Grenze, ein langer Zug von Menschen schiebt sich vorwärts. Kurz darauf erreichen die ersten französischen Patrouillen die Kanalmündung. Eine Stunde später folgen weitere Truppen und Einheiten der Forces françaises de l'intérieur (FFI). Doch ihr Vormarsch wird von Maschinengewehrfeuer deutscher Stellungen auf badischer Seite gestoppt, sodass die Soldaten Deckung suchen müssen.

Der Einmarsch schreitet erst voran, nachdem französische Artillerie das badische Hinterland – insbesondere die Dörfer Friedlingen und Weil – unter Beschuss nimmt. Granatsplitter treffen auch das Rheinhafengebiet, beschädigen Gleisanlagen und Gebäude. Das Zollamt in Hüningen bleibt nicht verschont: Fensterscheiben zerspringen, und das grosse Schweizerkreuz am Zollgebäude wird zur Hälfte zerstört. Trotz der Zerstörung gibt es keine Verletzten.

Seit elf Tagen haben französische Panzertruppen die Stadt eingeschlossen und die deutsche Garnison unter Druck gesetzt. Panzer rücken von St. Louis bis auf zweihundert Meter an den Stadtrand vor, beschiessen die deutschen Bunker und Vorposten mit Maschinengewehrsalven und Panzergranaten. Die deutschen Soldaten – vor allem Grenzsicherungsorgane und Hilfszöllner – antworten mit eigenem Maschinengewehrfeuer und Minenwerfern aus gesicherten Positionen. Ziele wie die Garde-Mobil-Kaserne, die Kreuzstrasse und der Bahnhof von St. Louis geraten regelmässig unter Beschuss.

Die zerstörte Ecole Maternelle an der Rue Boulangers in Hüningen nach dem Abzug der deutschen Truppen - Foto Ville de Hunique - Kolorierung Patrick Schlenker

Die Versorgung der deutschen Truppen, die vermutlich 800 bis 1000 Mann stark sind, wird täglich organisiert. Milch wird aus einem nahegelegenen Bauernhof herbeigeschafft, während die Bevölkerung Fleisch aus dem Viehbestand kaufen kann, den Reichsdeutsche aus dem Altreich mitgebracht haben. Viele dieser Bauern ziehen jetzt mit ihrem Vieh aus der Stadt ab, da die deutschen Truppen sich zurückziehen.

Die Sprengung der neuen Kanalbrücke markiert einen dramatischen Moment. Obwohl die Brücke bereits miniert ist, zögern die Deutschen zunächst, die Ladung zu zünden. Erst als ein französischer Panzer auf die Brücke feuert, trifft er die Sprengladung, und eine gewaltige Explosion zerstört die Brücke.

Während sich der Einschliessungsring weiter verengt, setzen kleine Gruppen deutscher Soldaten mit Fähren bei Friedlingen über den Rhein. Dabei versuchen französische Artilleristen, die Überfahrt zu verhindern, und nehmen die Brückenköpfe am rechten Rheinufer unter Beschuss. Dennoch gelingt es den meisten deutschen Soldaten, ins Badische zu entkommen.

Mit dem Aufklaren des Nebels am Vormittag ziehen weitere französische Truppen und amerikanische Jeeps in Hüningen ein. Die wenigen verbleibenden Bewohner der Stadt begrüssen sie als Befreier. Damit endet die deutsche Besetzung Hüningens, und eine neue Phase in der Geschichte der Stadt beginnt.

Französische Jeeps am Grenzübergang Hüningen nach der Befreiung der Ortschaft - Foto Basler Nachrichten - Privatarchiv

Video aus der Schweizer Wochenschau zur Flucht von französischen Flüchtlingen aus Hüningen vom 1. Dezember 1944 - Menschen fliegen zu uns (0217-1)

Hard-Wald

Die marokkanischen Schützen versuchen erfolglos, das Forsthaus Battenheim zu erreichen. Der Befehl lautet, „die erreichten Positionen zu halten und zu festigen“. Die Deutschen bereiten einen Gegenangriff vor.

Territorial-Kommando Basel

Rund 1500 Flüchtlinge an der Schweizer Grenze

Am Morgen des Tages, als sich der dichte Dezembernebel lichtet und die Artilleriebeschiessung nachlässt, wagen sich die Bewohner Hüningens vorsichtig auf die Strassen. Schnell verbreitet sich die Nachricht, dass die deutschen Truppen die Stadt verlassen haben. Die Angst vor einem möglichen Gegenangriff der deutschen Artillerie und die ungewisse Lage treiben die Menschen dazu, Schutz auf Schweizer Boden zu suchen. Es wird beschlossen, in grosser Zahl über die Grenze zu flüchten.

Gegen 09:00 Uhr setzt ein unübersehbarer Flüchtlingsstrom ein. Männer, Frauen und Kinder, beladen mit wenigen Habseligkeiten, führen Haustiere mit sich, während sie über die Grenze in die Schweiz strömen. Schweizer Grenzwächter und Militärangehörige nehmen die Flüchtlinge in Empfang. Schwerverletzte werden zur weiteren Versorgung in Krankenhäuser gebracht. Unter den Verletzten befindet sich eine ganze Familie, deren Zustand kritisch ist, sowie zwei schwerverletzte französische Soldaten. Einer von ihnen erliegt später seinen Verletzungen.

Hüninger auf der Flucht in die Schweiz am 1. Dezember 1944, begleitet von einem Schwizer Soldaten beim Grenzübergang Hüningen - Basel

In Hüningen bleiben nach Berichten nur etwa dreissig bis vierzig Familien zurück, während nahezu die gesamte Bevölkerung die Stadt verlässt. Darunter sind auch viele Bewohner des benachbarten Neudorf, die mit ihrem Hab und Gut über das Zollamt Hüningen in die Schweiz flüchten. Die Flüchtlinge werden in der Basler Mustermesse untergebracht, die als provisorisches Lager dient. Bis zum Mittag sind dort mehr als 2.000 Personen gezählt worden.

Währenddessen treffen am Badischen Bahnhof in Basel seit der vergangenen Nacht in unregelmässigen Abständen kleine Güter- und Materialzüge sowie Züge mit leeren Personenwaggons ein. Die Ankunft dieser Züge verstärkt das Bild einer chaotischen Fluchtbewegung, die Hüningen und die umliegenden Gebiete in diesen Stunden prägt.

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Aus den Berichten der Schweizer Armee:

Schweres Geschützfeuer durch die ganze Nacht.

04:35 - 05:08 Uhr: Fliegeralarm.

Schweres Artilleriefeuer Richtung Hüningen.

Meldung von Lysbüchel, dass 300 Hüninger an der Hüninger Grenze stehen und in die Schweiz flüchten wollen.

09:00 Uhr: Schwerer Beschuss von Friedlingen. Viele Splitter im Hafengebiet.

09:15 Uhr: Meldung von der Grenze, dass 2.000 Hüninger an der Grenze stehen.

Kdt. und Stabschef begeben sich an die Grenze.

10:00 - 12:00 Uhr: Übertritt von 1.100 Flüchtlingen an der Grenze.

10:15 Uhr: Anscheinend räumen die Deutschen Hüningen.

10:10 Uhr: Meldung, dass deutsche Infanterie (ca. 300 Mann) nach Weil marschiert.

12:00 - 16:00 Uhr: Gegenseitiges Artillerieduell.

14:48 Uhr: In Hüningen werden die Glocken geläutet.

18:00 - 18:45 Uhr: Rapport.

Flüchtlingslager MUBA:

  • Eingang: 1.394 Personen
  • Ausgang: 73 Personen

2. Dezember 1944

Die letzten Tag der Belagerung von Hüningen

Am gestrigen Tag rund 2000 Zivilflüchtlinge aus Hüningen in Basel eingetroffen. Sie wurden wiederum in die Hallen der Mustermesse geführt. Es war ein wahrhaft trauriges Bild, das diese Flüchtlinge – Kinder, Männer, Frauen und Greise – boten. Ihren Gesichtern und ihrer Haltung war deutlich anzusehen, dass sie in den letzten Tagen Schweres durchgemacht hatten. Alle waren zum Umfallen müde; die meisten hatten seit zwei oder drei Tagen nicht mehr geschlafen.

Als die Franzosen gegen den Rhein vordrangen, verliessen nahezu alle politischen Funktionäre der Deutschen die Gegend. Zurück blieben nur Wehrmachtssoldaten und Grenzwächter. Zeitgleich mit den Bewohnern von St. Louis versuchten auch die Hüninger, nach Basel zu gelangen, wurden jedoch von den Deutschen daran gehindert und gezwungen, in der belagerten Stadt zu bleiben. Ihre Bündel, die sie zur Flucht bereitgemacht hatten, hielten sie zusammen und bewahrten sie an geschützten Orten. Trotzdem verloren viele bei Volltreffern auch diesen letzten Rest ihrer Habe. Ein Mann zeigte uns einen kleinen Leiterwagen, dessen eine Seitenwand vollständig zerstört war. Die Schuhe und notwendige Wäsche, die in einem Koffer verstaut waren, hatten durch Splitter Beschädigungen erlitten. „Wir hätten das alles besser drüben gelassen, es ist ja sowieso alles hin“, sagte seine Frau müde, während sie auf einer Kiste sass.

Französische Truppen und Mitglieder der FFI haben nahe der Schweizer Grenze deutsche Gefangene gemacht. Im Hintergrund sind Gebäude auf Schweizer Gebiet zu sehen, die mit einer Flagge gekennzeichnet sind - Foto Kriegstagebuch Gertrud Löw

Die ersten Tage der Belagerung

Anfangs richtete sich das Feuer der Franzosen auf ausserhalb der Ortschaft liegende Objekte. Die Menschen glaubten, die Befreiung Hüningens stünde kurz bevor und warteten darauf, die Erlaubnis zur Evakuierung zu erhalten. Diese wurde ihnen jedoch strikt verweigert. Die Lage verschärfte sich, als Gas-, Wasser- und Stromzufuhr zerstört wurden. Die Menschen kochten notdürftig ihre spärlichen Mahlzeiten, die gerade so zum Überleben reichten. Es mangelte nicht an Fleisch, da Viehbestände aus Deutschland nach Hüningen gebracht, aber nicht weitertransportiert worden waren. Auch Brot war in ausreichender Menge vorhanden. Doch Milch, Zucker, Butter und Fett wurden knapp. Die ohnehin prekäre Ernährungslage verschlechterte sich täglich, und viele Flüchtlinge hatten seit Mittwoch nichts mehr gegessen.

Die letzten Tage unter Beschuss

Augenzeugenbericht: Furchtbar waren die letzten Tage, als die Artillerie nahezu ununterbrochen die Stadt beschoss. Am 2. Letzten Tag der Belagerung schlugen allein zwischen 8 und 9 Uhr morgens etwa 2.000 Granaten die Häuser und Strassen ein. Der Lärm der Detonationen und die allgegenwärtige Zerstörung prägten den Tag. In Spitzenzeiten gab es bis zu 40 Einschläge pro Minute. Während der Vormittag von Beschüssen aus Minenwerfern dominiert wurde, folgte später das schwerere Feuer der Artillerie. Aus einer Entfernung von acht bis neun Kilometern regnete ein Hagel aus Geschossen auf die Stadt herab. Rauchwolken verdunkelten den Himmel, und das Stadtbild schien für Momente vollständig ausgelöscht zu sein. Doch erstaunlicherweise blieben einige Bauwerke, darunter die Kirche und Schornsteine, trotz des infernalischen Feuers stehen – ein Anblick, der wie ein Wunder wirkte.

Über den Häusern und dem Rhein kreisten Flugzeuge, und immer wieder schwirrten Zugvögel, die dem Chaos zu entkommen schienen, in Richtung Süden. Auch Flugabwehrgeschütze mischten sich in die Kämpfe ein. Ihre grell leuchtenden Geschosse zeichneten bizarre Bahnen am Himmel – ein beinahe surrealer Anblick, wäre die Situation nicht so schrecklich.

Nur in den frühen Morgenstunden wagten sich die Bewohner aus den Kellern, um in Eile etwas Essbares zu sammeln. Doch viele Häuser in Hüningen hatten keine ausgebauten Luftschutzkeller, und zahlreiche Menschen verbrachten die Stunden in dunklen, feuchten Räumen. Eine junge Frau, die ein drei Monate altes Kind auf dem Arm trug, erzählte uns: „Unser Keller war so feucht, dass wir ihn kaum nutzen konnten. Unser Haus ist stark gebaut, und wir dachten, es würde genügen, die Fenster im Erdgeschoss zu verrammeln. Doch während der ersten Beschiessungen wurde bereits ein grosser Teil des Daches zerstört. Am Mittwoch und besonders am Donnerstag war es, als befänden wir uns in der Hölle. Die Geschosse schlugen Schlag auf Schlag ein. Innerhalb weniger Stunden war unser Haus fast vollständig zerstört, und wir lagen – mein Mann, meine fast achtzigjährige Mutter, mein Kind und ich – unter den Trümmern begraben. Es war dunkel, staubig und kaum auszuhalten. Es grenzt an ein Wunder, dass wir mit dem Leben davongekommen sind.“

Am Grenzübergang Hüningen bitten junge Frauen um Wasser, da die gesamte Versorgung mit Wasser, Elektrizität und Gas unterbrochen ist. – Foto aus dem Kriegstagebuch von Gertrud Löw

Flucht am Freitagmorgen

Ein junger Mann schilderte anschaulich die Flucht: „Als ich nach 48 Stunden im Keller Brot für meine Kinder holen wollte, erkannte ich die Strassen kaum wieder. Sie waren mit Schutt und Ziegeln bedeckt. Die Häuser waren Ruinen, durch die man den Himmel sehen konnte. Ein ehemaliger Gendarm rief uns zu, wir sollten zur Schweizer Grenze eilen, da die Franzosen vorgedrungen seien und uns passieren liessen. Wir packten in aller Eile das Nötigste und schlossen uns dem Zug der Hüninger Bevölkerung an. Vorneweg trug jemand eine Stange mit einem Leintuch daran, um den Franzosen zu zeigen, dass wir Zivilflüchtlinge waren. An der Grenze nahmen uns freundliche Schweizer Helfer in Empfang.“

Bis Mittag hatten fast alle Zivilpersonen Hüningen verlassen. Etwa zwanzig Schwerkranke und Verwundete blieben zurück, sollten jedoch ebenfalls noch in Sicherheit gebracht werden.

In der Mustermesse

In Halle III der Mustermesse wurden die Flüchtlinge registriert und einer sanitären Untersuchung unterzogen. Kranke und Gebrechliche wurden in Spitäler und Altersheime gebracht. Danach erhielten die Flüchtlinge ein kräftiges Essen, bestehend aus Erbsensuppe, Wurst, Kartoffeln, Brot und Tee. Viele waren so erschöpft, dass sie kaum essen konnten. Doch mit dem ersten Bissen kam der Appetit.

Auch zahlreiche Kinder waren unter den Flüchtlingen. Ein etwa vierjähriges Mädchen klagte, dass sein „Teddybär“ vergessen worden sei und jetzt „verhungern“ müsse. Trotz allem spielten die Kinder bald wieder miteinander und schienen die Schrecken der vergangenen Tage für einen Moment zu vergessen.

Basel ist wieder Dreiländerecke

Durch die Besetzung von Neudorf und Hüningen sowie die Säuberung des linken Rheinufers von der Schweizergrenze rheinabwärts bis zum Hüninger Kanal und darüber hinaus Richtung Kembs, ist Basel wieder zur Dreiländerecke Schweiz-Frankreich-Deutschland geworden. Trotz der zunehmenden Zahl der in der Mustermesse untergebrachten Flüchtlinge aus Hüningen bleibt das Flüchtlingslager dort ungefähr konstant, da die Bewohner von Burgfelden wieder in ihre Heimstätten zurückkehren. Die Bewohner von St. Louis können wohl in den nächsten Tagen zurückkehren, wenn die Lage etwas geklärt ist.

Hüningen erleidet schweren Schaden. Die Zahl der Todesopfer soll jedoch nicht gross sein. Seit Freitagmittag, nachdem die Deutschen Hüningen räumen und die Franzosen dort einziehen, herrscht in der ehemaligen Grenzstadt relative Ruhe. Am Nachmittag und auch zu Beginn des Abends schiesst die im Kandertal postierte deutsche Artillerie noch mehrmals auf den geräumten Brückenkopf. Ein schwerer Artilleriekampf tobt jedoch den gesamten Abend hindurch in der Gegend von Mulhouse.

Seitdem die Franzosen Hüningen besetzen, breitet sich in der badischen Nachbarschaft eine nervöse Stimmung aus. Bereits am Tag zuvor rufen die Behörden die Volkssturm-Mannschaften auf, und in Lörrach kursiert noch am gleichen Abend das Gerücht, die Franzosen seien bereits über die Basler Rheinbrücken marschiert. Von Lörrach bis in die Gegend von Säckingen legen die Menschen Schanz- und Laufgräben an. Gleichzeitig werden die Bewohner von Friedlingen, Haltingen und Weil in sicherere Gegenden evakuiert. Aktuell steht auch die mögliche Evakuierung von Lörrach zur Diskussion.

Die badische Bevölkerung errichtet entlang der Schweizer Grenze und ausserhalb ihrer Ortschaften Barrikaden und Panzersperren, wobei diese Arbeiten von Militärpersonen beaufsichtigt werden. Meist sind es Frauen und ältere Menschen, die sich an diesen Arbeiten beteiligen müssen - Foto Kriegstagebuch Gertrud Löw

Seitdem sich die deutschen Truppen, wie bekanntgegeben wird, „unbemerkt vom Feind absetzen“, herrscht in der elsässischen Grenzregion relative Ruhe.

Kleinhüningen im Schatten des Krieges

Während die Kanonensalven unablässig über die Stadt hinwegdonnern, fällt es nicht jedem sofort ein, an die entlegensten Teile der Stadt zu denken – jene, die unmittelbar an der Grenze liegen. Um die Lage besser zu verstehen, begeben wir uns nach Kleinhüningen. Die Dorfstrasse wirkt wie erstarrt, und während wir uns ihr langsam nähern, unterbricht eine heftige Kanonade die Stille. Es ist unüberhörbar, wie laut und nah die Abschüsse und Einschläge in diesem Grenzgebiet hallen.

Wie reagiert die Bevölkerung?

Aber wie gehen die Bewohner Kleinhüningens an verschiedene Orte des alltäglichen Lebens mit der ständigen Bedrohung um  – Gasthäuser, die Polizeistation, kleine Läden. Überall begegnen wir Menschen, die sich austauschen, von Neuigkeiten berichten und Sorgen teilen. Der Gesamteindruck überrascht: Trotz der Gefahr bewahren viele eine bemerkenswerte Ruhe. Diese Standhaftigkeit, so zeigen es Berichte aus unzähligen Kriegsgebieten, scheint tief in der Natur der Menschen verankert. Doch die Angst ist spürbar, besonders bei den Einschlägen, die über das blosse Donnern der Kanonen hinausgehen. Einschläge und Schäden häufen sich. Die Turnhalle verlor Dachziegel, das Haus des Blasenmeisters wurde so schwer getroffen, dass es evakuiert werden musste. Bewohner, deren Häuser betroffen sind, suchen Schutz, doch die Verunsicherung bleibt.

Warnungen des Territorialkommandos und die unablässigen Durchsagen der Lautsprecherwagen erinnern die Menschen an die Gefahr. Manche Familien verlassen ihre Häuser, um bei Verwandten in der Stadt sicherer zu übernachten, kehren jedoch tagsüber zurück, um ihre Aufgaben fortzusetzen. Der Alltag wird so gut es geht bewältigt, aber die Unsicherheit bleibt ein ständiger Begleiter.

Trotz allem versuchen die Kleinhüninger, ihre Routinen aufrechtzuerhalten. Eine junge Ladenbesitzerin berichtet, dass ihre Mutter die Stadt verlassen hat, um in Ruhe schlafen zu können: „Man kann tagsüber nicht im Laden stehen, wenn man nachts kein Auge zubekommt.“ Einst ein geschäftiges Zentrum mit internationalem Flair, ist Kleinhüningen heute still. Früher klingelten hier Münzen aus Frankreich, Holland, Deutschland und der Schweiz in den Kassen. Heute ist davon wenig übrig.

Im Gespräch mit einem Matrosen der Schweizerischen Reederei AG wird klar, wie unterschiedlich die Menschen die Situation erleben. Er bleibt gelassen: „Das hier ist nichts im Vergleich zu Mannheim,“ sagt er mit einem Schulterzucken. Für ihn sei das alles relativ. Dennoch musste auch in Kleinhüningen die Arbeit für mehrere Tage ruhen, bis sie, begleitet von ständigen Luftalarmen, wieder aufgenommen wurde.

Trotz einzelner Panikreaktionen bleibt die Mehrheit der Bevölkerung entschlossen. Einige Familien suchen für die Nächte Schutz in sichereren Teilen der Stadt, kehren aber jeden Morgen zurück, um ihr Leben fortzusetzen. Kleinhüningen zeigt, wie belastbar und widerstandsfähig eine Gemeinschaft sein kann. Selbst im Schatten des Krieges bewahren die Menschen ihre Würde und schaffen es, ihren Alltag so gut wie möglich weiterzuführen. Ihre Beharrlichkeit ist ein Zeichen dafür, dass auch unter schwersten Bedingungen Hoffnung bestehen bleibt.

Territorial-Kommando Basel

Fliegeralarm:

14:12 - 15:10 Uhr

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

Während der ganzen Nacht Artillerietätigkeit. Nach Tagesanbruch weitere Artillerietätigkeit.

18:48 Uhr: Meldung - Einschlag in die Kirche von Hüningen - Zerstörung des Zifferblattes.

13:00 - 15:00 Uhr: Fliegeraktionen im badischen Gebiet.

14:24 Uhr: Friedlingen wird bombardiert.

Verschiedene Telefonate mit dem Bürgerspital bezüglich Verwundeter beider Seiten.

16:00 Uhr: Meldung vom Spital - es wurden keine Verletzten abgesetzt.

16:15 Uhr: Hauptmann Halden mit 6 Mann zur Grenze bezüglich verletzter Soldaten.

16:45 Uhr: Hauptmann Halden meldet, dass die Verletzten noch nicht eingetroffen sind.

17:15 Uhr: Verletzte eingetroffen - benötigt werden weitere 20 Soldaten und der Bataillonsarzt.


3. Dezember 1944

Der Kampf in der Ajoie ist beendet

Während sich die französischen FFI-Bataillone zum Angriff auf die deutschen Widerstandsstellungen im elsässischen Grenzgebiet und am Oberrhein vorbereiten, geht die Säuberung der deutschen Stellungen jenseits der Ajoie im Largtal ihrem Ende entgegen. Im Wald von Rechesy, der durch tagelangen Beschuss der französischen Artillerie nahezu „abgeholzt“ wurde, halten sich nur noch vereinzelte Gruppen deutscher Soldaten. Auch an der Strasse von Don-Dammarkirch nach Altkirch sind die deutschen Truppen nur noch in Kompagnienstärke aktiv. Sie werden jedoch von den französischen Einheiten stark bedrängt und sind gezwungen, sich weiter zurückzuziehen.

Fotografie: Ajoie, Grenzpatrouille, Begegnung mit deutschen Soldaten - Kulturgüterportal Baselland - Inventarnummer D2.7597 - Fotograf StrübinTheodor - An der Grenze in der Ajoie aus unbekümmernden Tagen. Schweizer Radfahrersoldaten begegnen zwei Wehrmachtssoldaten am Grenzzaun. Die beiden Wehrmachtssoldaten tragen die Uniform Modell 1943. Es sind offenbar keine Kampfhandlungen zu befürchten, denn keiner der Deutschen trägt Waffe, Stahlhelm oder Kampfausrüstung. Die Schaufel in der Hand des einen lässt vermuten, dass in der Nähe Schanzarbeiten an Stellungen verrichtet werden. Schweizer und Deutsche befinden sich im legeren Gespräch, es wird geraucht. Obwohl das Rauchen im Dienst streng verboten war, geschah es an der Grenze oft.

Heute besteht keine Gefahr mehr für die wichtige Verkehrsverbindung von Delle nach Basel. Auch die Strasse von Belfort über Dammarkirch und Altkirch nach Basel ist fest in den Händen der Franzosen. Dies bedeutet, dass die alliierten Truppen nun eine ungehinderte Kontrolle über diese strategisch wichtigen Routen haben.

Am Nachmittag, gegen 14:00 Uhr, beginnt ein intensives Artilleriefeuer, das sich über die gesamte Region ausdehnt, bis weit über Müllheim hinaus. Der Lärm und die Erschütterungen dieses Feuers sind noch bis in die Zentralschweiz zu hören und setzen sich die ganze Nacht fort. Das Artilleriefeuer setzt das umliegende Gebiet weiter unter Druck und führt zu noch mehr Zerstörungen.

Wiederum feuert die deutsche Artillerie auf Neudorf, das bereits während des Kampfes schwere Schäden erlitten hat. Diese Schäden sind das Ergebnis des Angriffs der anrückenden französischen Truppen und der hartnäckigen Verteidigung der deutschen Soldaten. Der deutsche Widerstand fügt den anrückenden französischen Truppen erheblichen Schaden zu, was den Rückzug der deutschen Einheiten einleitet. Kurz nach Mittag beginnen die Neudörfer, das Nötigste zusammenzupacken. Sie verlassen ihre Wohnstätten und ziehen gemeinsam in Richtung St. Louis. Dort überqueren sie die Grenze und werden in bereitgestellte Trams zur Mustermesse transportiert. Es ist ein bedrückendes Bild für die Spaziergänger in der Stadt, die miterleben müssen, wie alte, gebrechliche Menschen, Frauen und Kinder an der Grenze Abschied nehmen, auch wenn dieser Abschied nur vorübergehend ist.

Viele der schwer beschädigten Gebäude im Bereich um die Rue du Raisin / Rue Vauban nach dem Krieg abgerissen - Foto Ville de Hunique - Kolorierung Patrick Schlenker

Ein ähnliches Bild zeigt sich am Nachmittag an der Grenzübergangsstelle in Weil. Auch dort beginnt die Evakuierung des Stadtteils Weil-Ost, des ehemaligen Industriegebiets am Südosthang des Tüllinger Hügels. Innerhalb weniger Stunden erhalten alle Bewohner den Befehl, sich für die Evakuierung bereitzuhalten. Trotz der offiziellen Bestätigung, dass bislang kein feindliches Geschoss auf Weil-Ost gefallen ist, wird der Räumungsbefehl erteilt. Rund 200 Personen verlassen ihre Wohnungen und machen sich auf den Weg ins Wiesental an der Grenze. Begleitet werden sie von Landwirten, die ihre Wagen mit Futter und Hausrat beladen haben. Der traurige Zug setzt sich in Bewegung und erreicht bald die Grenze.

Die Evakuierung ist für alle Beteiligten eine schwere und emotionale Erfahrung. Die Familien müssen in Eile ihre Häuser und Besitztümer zurücklassen, und die Menschen fragen sich, ob sie jemals in ihre Heimat zurückkehren werden. Doch der unaufhaltsame Vormarsch der alliierten Truppen macht eine Rückkehr unter den aktuellen Umständen unmöglich. Der Zug der Evakuierten setzt sich weiter fort, wobei der Anblick von abermals vertriebenen Zivilisten, die ihre Heimat auf ungewisse Zeit verlassen müssen, die ganze Region erschüttert.

Artillerie- und Minenwerferfeuer über den Rhein

Die beidseitig des Rheins gelegenen elsässischen und badischen Nachbarorte, die sich im Bereich der französischen und deutschen Geschütze befinden, werden nach und nach in Schutt und Trümmer gelegt, falls sich der Krieg nicht bald aus der Dreiländerregion entfernt. Bereits jetzt sind Neu-Breisach, Hüningen, Haltingen und Weil bei Leopoldshöhe von schweren Verwüstungen und Beschädigungen betroffen, die bei der momentan herrschenden Materialknappheit kaum in absehbarer Zeit behoben werden können. Mit dem herannahenden Winter und der damit verbundenen Kälte stehen den wenigen Bewohnern, die noch in diesen einst blühenden Dörfern und Stadtteilen verblieben sind, unsagbar schwere Zeiten bevor. Es wird ein wahres Wunder sein, wenn die Einwohner von Burgfelden, St. Louis und Hüningen nicht auch erneut ihre Wohnungen verlassen müssen. Viele von ihnen hatten bereits im Jahr 1940 ihre Habseligkeiten gepackt und waren vor der deutschen Invasionsarmee nach Südfrankreich geflüchtet. Inzwischen sind viele dieser Flüchtlinge zwar zurückgekehrt, doch nun hat sie die neue Völkerwanderung erneut erfasst.

Hüningen, das bereits schwer beschädigt ist, liegt auch am Vormittag weiterhin unter dem Feuer der deutschen Artillerie. Einige Bewohner, die sich in der Frühe des Freitagmorgens, kurz vor dem Einmarsch der Franzosen, in die Schweiz geflüchtet haben, kehren wieder zu ihren Wohnungen zurück. Später erfährt man, dass der Kampf um Hüningen nach den bisherigen Feststellungen aller Wahrscheinlichkeit nach 17 Todesopfer fordert: fünf unter den Angreifern und zwölf unter der Zivilbevölkerung.

Um 14:00 Uhr beginnt die französische Artillerie, die Umgebung von Friedlingen und die badischen Grenzgebiete zu beschiessen. Kurz darauf folgt ein Artillerietrommelfeuer im Raum Mulhouse, Colmar und Neu-Breisach von einer bislang nie erlebten Heftigkeit. Der Geschützdonner ist so laut, dass er in Basel die Häuser erzittern lässt und selbst in der Schweiz noch vernehmbar ist.

In der Nähe von Weil-Leopoldshöhe wird das Gebäude der Färberei Schusterinsel, rechts an der nach Altkirch führenden Strasse, durch eine Brandgranate in Brand gesetzt. Innerhalb kürzester Zeit beginnt das gesamte Gebäude lichterloh zu brennen, und eine mächtige Rauchwolke breitet sich über die Gegend aus. Trotz Versuchen, mit einer Schlauchleitung das Feuer einzudämmen, wird dieser Versuch bald aufgegeben, und das Feuer wird sich selbst überlassen, bis es gegen Abend schliesslich von selbst erlischt.

Es kommt weiterhin zu wiederholten Gefechten zwischen den deutschen und französischen Posten auf beiden Seiten des Rheins. Maschinengewehrsalven werden gewechselt, und an mehreren Stellen schlagen Granaten ein. Der Krieg zieht sich wie ein bleierner Schleier über die Region, während die Zivilbevölkerung unter den ständigen Angriffen und Zerstörungen leidet.

Église du Christ-Roi an der Rue des Vosges nach der Befreiung von Hüningen und heute - Foto Ville de Hunique - Kolorierung Patrick Schlenker

Luftangriff auf das badische Grenzgebiet

Kurz nach 14:00 Uhr wird von Basel aus die Bewegung von zwei Geschwadern von etwa 20 Thunderbolt-Maschinen beobachtet. Zunächst fliegen die Maschinen in einer grossen Schleife über dem Elsass, doch dann brechen sie plötzlich aus ihrer Formation und teilen sich in kleinere Gruppen von vier bis zehn Flugzeugen auf. Da sich diese Jagdbomber nun in der Nähe von Basel bewegen, wird um 14:11 Uhr Fliegeralarm ausgelöst. Es tauchen kontinuierlich Bomber- und Jägerformationen auf, die sowohl auf der deutschen als auch auf der französischen Seite der Grenze von der Fliegerabwehr unter Beschuss genommen werden.

Bereits um 13:45 Uhr führen drei Jagdbomber einen Tiefangriff auf Efringen, etwa acht Kilometer unterhalb von Basel, durch und werfen Sprengbomben ab. In der Umgebung von Istein sind daraufhin mehrere Detonationen zu hören, die möglicherweise mit den abgeworfenen Bomben in Verbindung stehen.

Die Luftangriffe setzen sich fort, als eine ganze Reihe von Jagdbombern nahezu gleichzeitig auf ihre Ziele losstürzen und ihre Bomben abwerfen. Kurz vor diesen Angriffen wird auch die Gegend des Tüllinger Hügels von einigen Maschinen mit Bordwaffen attackiert. Während des Angriffs fällt ein Granatzünder auf die Strasse zwischen Riehen und Stetten.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie am Sonntagvormittag hält das Artilleriefeuer weiterhin an. Aus der Region um Mulhouse und Altkirch werden erneut Granaten abgefeuert, und die Gegend ist weiterhin von heftigen Kämpfen und Zerstörungen geprägt.

Schäden an Gebäuden in ganz Hüningen - Rue de Fort 19 in Hüningen im 1944 und 2024 - Foto Ville de Hunique - Kolorierung Patrick Schlenker

Angriffe und Zivilopfer in Neudorf

Gestern kehrten etwa 200 Bewohner aus Burgfelden, die vor acht Tagen in die Schweiz geflüchtet waren, wieder in ihre Heimat zurück. Auch in Neudorf trifft man viele alte Bekannte, die man seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie berichten von den dramatischen Ereignissen des vergangenen Donnerstags, als der Ort stundenlang unter schwerem Beschuss der französischen Artillerie lag. Die französischen Truppen hatten angenommen, dass der Ort längst evakuiert worden sei. Doch trotz des Eindringens der französischen Infanterie in den Ort wehrten sich die deutschen Soldaten weiterhin verbittert. Der Strassen- und Haus-zu-Haus-Kampf setzten sich fort, verstärkt durch einen dichten Nebel, der die Sicht erheblich erschwerte.

Rue de Fort 17 Hüningen vor 80 Jahren und Heute - Foto Ville de Hunique - Kolorierung Patrick Schlenker

Das Rückzugsgefecht der deutschen Truppen, die von allen Seiten angegriffen wurden, gestaltete sich zäh und erbittert. Auf dem Viehweg und in anderen Strassen wurden mehr als 70 tote Soldaten gezählt, sowohl unter den deutschen als auch unter den französischen Truppen. Besonders stark unter dem Artilleriebeschuss litten die Häuser entlang des Kanals, doch glücklicherweise gab es keine weiteren Opfer unter der Zivilbevölkerung. Ein einziger Mann kam ums Leben, als er die Tür öffnete, um einem Soldaten zu helfen, der sich vor den anrückenden französischen Truppen in Sicherheit bringen wollte. Der Mann wurde von einem französischen Gewehrschuss tödlich getroffen.

In einem anderen Wohnhaus, in dem etwa 30 Bewohner im Keller Zuflucht gesucht hatten, schlugen nacheinander drei Granaten ein, und eine vierte Granate durchbohrte die Kellerdecke. Als die Überlebenden schliesslich aus den Trümmern hervorkamen, stellte sich glücklicherweise heraus, dass niemand verletzt worden war.

Französischer Rückzug im Hardt-Wald

Um 5:00 Uhr beginnt ein deutscher Artilleriebeschuss auf die französischen Stellungen an der Bouc-Brücke. Um 06:00 Uhr erfolgt der Angriff durch das 1213. und 758. Grenadierregiment. Die Franzosen erobern die Brücke durch einen Gegenangriff zurück. Ab 10:00 Uhr erfolgen deutsche Angriffe auf Grünhütte und Punkt 232. Französische Einheiten werden abgeschnitten, ein Rückzug zur Bouc-Brücke wird organisiert. Um 23:10 Uhr überqueren die letzten französischen Panzer den Kanal über eine improvisierte Lastkahnbrücke. Diese wird anschliessend zerstört.

Der erbitterte Widerstand der 19. deutschen Armee im Hardt-Wald stoppte den französischen Vormarsch im südlichen Elsass. Die Verzögerung der Alliierten führte in der Folge zur Bildung des Kessels von Colmar.

Verluste im Hardt-Wald am 3.12.1944

1.000 deutsche Soldaten und 400 französische Soldaten kamen ums Leben.

Basel spendet

Basler Kinder spenden für die Elsässer Buben und Mädchen

Am Samstagnachmittag wird unter dem Motto „Kinder helfen Kindern“ eine Sammelaktion durchgeführt, die die Erwartungen der Organisatoren bei weitem übertrifft. Ein grosser Lastwagen, der eigens auf dem Basler Marktplatz abgestellt wurde, ist längst nicht genug, um all die Spenden zu fassen, die in nur wenigen Stunden abgegeben werden. Kinder aus Basel bringen ihre Spielsachen, Teddybären, Holzspielzeug, Malkästen und Geduldsspiele. Selbst die Kleinsten, die noch nicht zur Schule gehen, tragen stolz ihre Schätze herbei, die sie für den guten Zweck spenden möchten.

Schweizerspende "Kinder helfen Kindern" auf dem Marktplatz - Foto Staatsarchiv Basel NEG 21555 - Bernhard Wolf-Grumbach - Kolorierung Patrick Schlenker

Neben Spielwaren werden auch Lebensmittel abgegeben: frische Äpfel, Nüsse, Haselnüsse und sogar Käse- und Seifenrationen, die aus dem eigenen Vorrat abgegeben werden. Die Basler Bevölkerung zeigt eine überwältigende Solidarität und bringt Kleidungsstücke, saubere Kinderkleidung, Winterhandschuhe, Socken und Decken. Auch Dinge des täglichen Bedarfs wie Zahnbürsten und Zahnpasta finden ihren Weg in die Spendenboxen.

Besonders berührend ist das Engagement der Frauen, die selbstgemachte Konfitüre beisteuern. Ein kleiner Junge gibt sein einziges Geduldsspiel ab, und ein Mädchen, dessen Familie nicht viel hat, verschenkt ihre einzige Pelerine. Diese persönlichen Opfer und Gesten berühren die Herzen aller, die an der Aktion teilnehmen.

Auch in der Mustermesse, wo ebenfalls Geschenke gesammelt werden, füllen sich die Kisten schnell mit Schokolade, Lebkuchen und Grättimännern. Ein Bäckerbursche bringt einen ganzen Stapel frisch gebackener Weggli. Zusätzlich wird ein Betrag von etwa 200 Franken in bar gespendet, was die Hilfsbereitschaft noch weiter unterstreicht.

Diese spontane und herzliche Unterstützung aus Basel bringt die Herzen der Elsässer Kinder zum Leuchten. Wenn am kommenden Mittwoch der Samichlaus zu den bedürftigen Kindern kommt, wird er ihnen nicht nur Geschenke überreichen, sondern auch die Erinnerung an all jene Menschen in Basel wachrufen, die mit ihren Spenden dazu beigetragen haben, diesen besonderen Tag möglich zu machen.

Schweizerspende "Kinder helfen Kindern" auf dem Marktplatz - Foto Staatsarchiv Basel NEG 21556 - Bernhard Wolf-Grumbach - Kolorierung Patrick Schlenker

Schäden durch Artilleriefeuer oder Flaksplitter:

Wiederum kommt es in Basel zu zahlreichen Schäden druch Artillerie- und Grantenbeschuss, bezw. Splitter und zwar an folgenden Gebäuden:

  • Eptingerstrasse 25
  • St. Alban-Anlage 72
  • Sevogelstrasse 28
  • Rosengartenweg 16
  • Grenzacherstrasse 106
  • Bergalingerstrasse 44 

Territorial-Kommando

Fliegeralarm:

09:57 - 10:54 Uhr

12:18 - 15:02 Uhr

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

08:30 Uhr: Schweres Artilleriefeuer (anscheinend weit entfernt).

09:10 Uhr: Meldung an die Bereitschaft zur Bereitstellung von Lastwagen, damit diese am 4.12.44 um 06:00 Uhr abfahren können.

Ständige Nachfrage von Soldaten, die ihre Einheit suchen.

Gegen Mittag: Ständiges Artilleriefeuer.

14:45 Uhr: Funkoffizier des Rgt. 5 bringt 15 Versprengte zur Befragung.

15:05 Uhr: Meldung über 200 Flüchtlinge, die von Neudorf via St. Louis - Lysbüchel warten. Der Kommandant schickt Camions.

16:20 Uhr: Meldung eines Granateneinschlages in der Epingherstrasse 23. Weiterleitung der Meldung an das Kommando zur Feststellung.

Diverse Telefonate mit verschiedenen Offizieren.

Anfrage über den Grenzübertritt von Zivilisten aus der Gegend von Weil.

Während der Nacht: Artilleriefeuer aus Richtung Mulhouse - Colmar.

Flüchtlingslager MUBA:

  • Eingang: 346 Personen
  • Ausgang: 0 Personen

In den vier geräumigen Hallen der Schweizer Mustermesse, in denen bis heute rund 4000 elsässische Flüchtlinge Aufnahme gefunden haben, fühlen sie sich zumindest für den Moment sicher und geborgen. Sie bangen jedoch um ihr Heim und Gut, das sie in aller Eile im Stich lassen mussten. Es ist durchaus verständlich, dass sie sich gruppenweise wieder sammeln und ihre Heimkehr antreten wollen, wie es in den letzten Tagen zahlreiche andere Bewohner getan haben.


4. Dezember 1944

Verstärkter Wiederstand der Deutschen Truppen im Elsass

Zwischen Saarunion und Hagenau befinden sich die amerikanischen Truppen in intensiven Gefechten. Deutsche Panzerverbände griffen wiederholt entlang der Strasse von Saargemünd nach Hagenau an. Das Dorf Diemeringen, östlich von Saarunion, wurde zum Schauplatz schwerer Nahkämpfe, blieb jedoch unter amerikanischer Kontrolle.

Weiter östlich wechselte das Dorf Wingen in den Vogesen mehrmals am Tag den Besitzer. Noch ist unklar, ob die motorisierten Einheiten der Siebten Armee den Durchbruch in das dicht bewaldete elsässisch-deutsche Grenzgebiet erreicht haben. Gleichzeitig liegt die belagerte Festung Hagenau weiterhin unter schwerem Artilleriebeschuss der Amerikaner.

Die französische Erste Armee konnte mit der Eroberung von Rappoltsweiler (Ribeauvillé) und St. Hippolyte, südwestlich von Schlettstadt, den östlichen Zugang zum Pass von Marsilly blockieren. Deutsche Truppen befinden sich dort auf dem Rückzug in Richtung Rhein. Schlettstadt, das am Sonntag kurzzeitig von französischen Kräften gehalten wurde, ist erneut Schauplatz intensiver Strassenkämpfe. Eine aus den Vogesen abziehende deutsche Einheit hat sich dort festgesetzt.

Zeitgleich unternahmen deutsche Truppen vom Rhein aus einen Entlastungsangriff, offenbar mit dem Ziel, die Verbindung zwischen den südlichen und nördlichen Kolonnen von General Leclerc zu unterbrechen. Genauere Informationen über diesen Sektor, in dem sich die deutschen Truppen hartnäckig an ihren Brückenköpfen in Neubreisach verteidigen, lagen in der Nacht zum Dienstag noch nicht vor.

Westlich von Mulhouse mussten die französischen Truppen bei Thann einige Gebiete an die Deutschen abgeben, die dort erfolgreich einen Gegenangriff führten.

Am Grenzübergang Hüningen - Französische Truppen - Foto Kriegstagebuch Gertrud Löw

Vereinzeltes Artilleriefeuer

Vormittag ist in der Grenznachbarschaft Basels nur vereinzeltes Artilleriefeuer festzustellen, das ausschliesslich von französischer Seite abgegeben wird. Die Artillerie schiesst sich mit Nebellgranaten auf ihre verschiedenen Ziele ein, und Einschläge sind an einem Bahndamm bei Haltingen sowie insbesondere am deutschen Brückenkopf der alten Eisenbahnbrücke Hüningen-Weil zu beobachten. Weitere Einzelschüsse treffen Friedlingen, Haltingen und das Gebiet zwischen Haltingen und Fimeldingen.

Der Geschützdonner aus der Gegend des mittleren Hardtwaldes bei Mulhouse verstummt. Fliegeraktionen finden nicht statt, offenbar wegen des schlechten Wetters.

Basel - Lage in der Mustermesse

Die Flüchtlingskinder brauchen Wäsche

Nachdem sich die elsässischen Flüchtlinge in der Mustermesse allmählich eingelebt haben, wird zunehmend deutlich, was ihnen alles fehlt. Viele von ihnen hatten vielleicht nicht damit gerechnet, dass ihr Aufenthalt in der Schweiz länger dauern würde. Jetzt stellt sich heraus, dass die Buben und Mädchen dringend ihre Unterwäsche wechseln sollten.

Es fehlt jedoch an Hosen für Mädchen und an Unterhosen für Jungen. Besonders dringend ist der Mangel an Windeln für kleine Kinder, was die Mütter stark belastet. Darf man die Basler bitten, den Familien in dieser Notlage zu helfen? Jede Mutter wird diesen Wunsch nachvollziehen können und, sofern möglich, versuchen, ihn zu erfüllen.

Die benötigten Kleidungsstücke können entweder am Eingang der Mustermesse an der Isteinerstrasse oder im Empfangszentrum des Roten Kreuzes am SBB abgegeben werden.

 

 

Flüchtlingskinder mit einer Rot-Kreuz Schwester - Foto Pivatarchiv & Kolorierung Patrick Schlenker

Besuch und Abholen von Flüchtlingen 

Es wird auf Folgendes hingewiesen (Aus den Basler Nachrichten):

Der zeitweise starke Andrang von Personen, die Flüchtlinge in der Mustermesse besuchen oder abholen möchten, hat die zuständigen Stellen veranlasst, Massnahmen zu ergreifen, um eine reibungslose Abwicklung sicherzustellen. Personen, die Bekannte oder Verwandte im Flüchtlingslager Mustermesse besuchen möchten, werden gebeten, ihren Besuch den betreffenden Personen im Voraus schriftlich mitzuteilen, dabei Tag und Uhrzeit genau anzugeben. Wenn jemand unangekündigt erscheint, um eine bestimmte Person zu sehen, kann das Lagerkommando nicht garantieren, dass diese Person ohne Weiteres ausfindig gemacht und vorgeladen werden kann. Die Zahl der Flüchtlinge ist bekanntlich recht gross. Besuche sollten daher ausschliesslich zwischen 14:00 und 17:00 Uhr erfolgen.

Personen, die Flüchtlinge in eine private Unterkunft aufnehmen möchten, werden gebeten, dies ebenfalls schriftlich den betreffenden Flüchtlingen mitzuteilen und genau anzugeben, wann sie sie in der Mustermesse abholen möchten. So kann sichergestellt werden, dass der betreffende Flüchtling rechtzeitig bereit ist. Für das Abholen von Flüchtlingen sind die Zeitfenster 8:00 bis 11:00 Uhr sowie 14:00 bis 17:00 Uhr vorgesehen.

Die Mitteilungen an die Flüchtlinge können entweder per Post gesendet oder direkt in der Mustermesse an der Isteinerstrasse abgegeben werden.

Flüchtlinge: Menschengruppe mit Kindern - Foto Staatsarchiv Basel - BSL 1060c 3/7/361 - Jeck, Lothar - Kolorierung Patrick Schlenker

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

Rückgabe der ausgeliehenen Lastwagen.

Gegen Mittag klingt das Artilleriefeuer aus dem Raum Mulhouse ab.

11:50 Uhr: Pol. Gfr. meldet den Tod eines Radfahrers der Radfahrer-Kp. 24.

14:00 Uhr: Besprechung des Kdt. und Hptm. der Radfahrer-Kp. 24 – die Kp. will den Radfahrer selbst bergen.

Ter. Kdo. 2 schickt von Pontrut einen deutschen Flüchtling mit Kind.

Die Polizei bringt den Kopf einer Granate, die tags zuvor auf dem Marktplatz niedergegangen ist.

Ziemlich ruhige Nacht.

Flüchtlingslager MUBA:

  • Eingang: 75 Personen
  • Ausgang: 276 Personen – davon 83 zurück nach Frankreich

5. Dezember 1944

Die Situation am Oberrhein

Amerikanische mobile Verbände schlugen am Nachmittag Stösse der deutschen Panzereinheiten nördlich von Strassburg zurück. Gegen die 5. Panzerarmee versuchten sie dann von Neuem, zwischen Hagenau und dem Oberrhein vorzustossen. Südlich von Strassburg, wo die Deutschen alle noch vorhandenen Panzer zu Gegenangriffen einsetzten, kamen die Truppen Leclercs nur langsam vorwärts, während in den Vogesen von der Zaberner Senke bis in das Gebiet nördlich von Belfort die methodischen Säuberungsaktionen weitergeführt wurden.

Bomberangriff auf Lörrach

Zur Mittagszeit wurde Lörrach von schweren Bombenangriffen getroffen. Eine Welle von 19 schweren Bombern flog von Westen kommend in östlicher Richtung über das Oberelsass und bombardierte gezielt die Stadt.

Die ersten Bomben fielen in den Hofgarten der Liegenschaften an der Baumgartner-Kreuzstrasse, gegenüber dem Gasthaus „Ochsen“. Drei Häuser wurden schwer beschädigt, wobei vor allem die oberen Stockwerke betroffen waren. Der erste Stock eines Hauses wurde durch den gewaltigen Luftdruck nach aussen auf die Strasse gedrückt. Die Decken des zweiten Stocks stürzten ein. In diesem Gebäude brach zudem ein kleiner Brand aus, nachdem herabgefallene Matratzen auf einen brennenden Gegenstand gefallen waren. Der Brand konnte jedoch schnell gelöscht werden.

Im Nachbarhaus wurde das gesamte Treppenhaus mitsamt den umliegenden Zimmern bis hinauf zum Dach vollständig zerstört. Die Hausfrau, die nicht mehr rechtzeitig in den Luftschutzkeller flüchten konnte, wurde von den Trümmern beinahe bis zum Hals verschüttet. Sie erlitt einen Beinbruch sowie weitere Verletzungen und musste ins Spital eingeliefert werden. Auch die angrenzenden Gebäude wurden durch herumgeschleuderte Trümmer schwer beschädigt.

Tragischerweise kamen bei diesem Angriff zwei Kinder ums Leben – ein 2 ½-jähriges und ein 5 ½-jähriges Kind aus der Baumgartner- und Kreuzstrasse.

Eine weitere Bombe schlug in der Nähe der Wiesentalbahn, vor dem Bezirksamt (Landratsamt), ein. Hier wurden die Gleisanlagen zerrissen und verbogen. Eine Bombe explodierte nicht, was ein grösseres Unglück verhinderte. Dennoch wurden benachbarte Häuser beschädigt, und einige Bewohner mussten in andere Stadtteile umquartiert werden.

Ein weiterer Bombenabwurf traf die Schützenstrasse, insbesondere das Eckhaus der Köchlinstrasse, gegenüber der Lörracher Milchzentrale. Hier war der Gebäudeschaden beträchtlich. Ein riesiger Steinbrocken, der durch die Explosion hochgeschleudert wurde, durchschlug das Dach des Gasthauses „Engel“ auf dem Viehmarktplatz. Der Stein fiel durch zwei Stockwerke und landete schliesslich in der Gaststube. Glücklicherweise wurde der Betrieb der Milchzentrale nicht erheblich beeinträchtigt.

Zwei weitere Bomben trafen die Gleise in der Nähe der Lörracher Volksschule. Hier wurden die Signalanlagen zerstört und die Bahngleise erheblich beschädigt.

Die Angriffe kamen im Zusammenhang mit verstärktem Luftverkehr über dem Oberelsass. Die Bomberstaffeln, die in geschlossenen Formationen flogen, bewegten sich zielgerichtet weiter nach Osten. Die Angriffe sorgten für erhebliche Unruhe in der gesamten Region.

Territorial-Kommando

Schäden:

Am Mühlistiegrain 7 in Riehen kam es zu einem Schaden durch Feindbeschuss.

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Aus den Berichten der Schweizer Armee:

07:00 - 10:00 Uhr: Stärkeres Artilleriefeuer

11:55 Uhr: Meldung von Hpm. von der Mühle, dass seine Bew. Kp. 21 BS beim De-Wette-Schulhaus entlassen habe (41 Mann).

12:14 - 13:22 Uhr: Fliegeralarm

14:00 Uhr: Sitzung bei Regiment mit Regierung:

Besprochen wurde in Anwesenheit des Eidgenössischen Polizeidepartements die Einreisebewilligung von Deutschen betreffend Härtefälle. Es wurde eine Lösung im Sinne beschlossen, dass dem Kanton Basel-Stadt delegiert wird, persönliche Ausnahmebewilligungen auszustellen. Voraussetzung für Härtefälle bildet, dass die Einreisewilligen besonders enge Verbindungen zur Schweiz halten und dass sie politisch nicht gefährlich sind.

Rücknahme von Flüchtlingen nach St. Louis

Anfrage von Pfarrer Schweizer betreffend Übertritt nach Hégenheim, um eine Frau zu beerdigen. Es wird eine einmalige Sonderbewilligung für den einmaligen Übertritt ausgestellt.

23:21 - 23:49 Uhr: Fliegeralarm

Gegen 21:30 Uhr, ertönt in Basel das Rotorengeräusch mehrerer Flugzeuge, die aus nordöstlicher Richtung kommen. In der Folge wird in Basel sowie in der umliegenden Region, einschliesslich der badischen Nachbarschaft, Fliegeralarm ausgelöst. Die unbekannten Maschinen bewegen sich westwärts und verschwinden schliesslich hinter dem hügeligen Gelände des Oberelsass. 

Flüchtlingslager MUBA:

  • Eingang: 36 Personen
  • Ausgang: 754 Personen 

6. Dezember 1944 

Lage im Elsass

Erfolge der französischen Armee im Elsass

General Delattre de Tassigny erklärt, dass die Erste Französische Armee deutsche Truppenverbände in der Stärke von drei Divisionen im Elsass zerschlägt. Die französischen Streitkräfte arbeiten weiterhin an der Befreiung von Colmar und der Erweiterung der Frontlinie am Rhein. Der General lobt ausdrücklich die Forces Françaises de l’Intérieur (FFI) für ihren entscheidenden Beitrag zu den Kämpfen im Elsass.

Region Strassburg

Südlich von Strassburg verlangsamt sich der Vormarsch der Alliierten durch Verminungen, zerstörte Strassen und Überschwemmungen. Dennoch gelingt es ihnen, am östlichen Rand der Vogesen bei einem Vorstoss von St.-Hippolyte aus Roderen einzunehmen. Schlettstadt ist endgültig vom Feind gesäubert, während sich die deutschen Truppen eilig in Richtung Rhein zurückziehen.

Im Raum von Thann erobern die französischen Streitkräfte verlorenes Gelände zurück, stossen jedoch auf ausgedehnte Minenfelder im Forst von Thann, die ihre Operationen erheblich behindern. Nördlich von Gérardmer stürmen französische Infanteristen an der Südseite des Schluchtpasses den Hohneck, den zweithöchsten Berg der Vogesen mit 1361 Metern.

Im Elsass halten sich etwa 40.000 deutsche Zivilpersonen auf, die zuvor aus dem Reich zugewandert sind. Die Alliierten planen, diese Menschen vorübergehend in ehemaligen Konzentrationslagern unterzubringen, bevor sie nach Deutschland zurückgeführt werden.

Region Mulhouse

In Mulhouse marschiert die entwaffnete deutsche Garnison hinter einem alliierten Panzerjäger in Achterkolonnen ab. Dieser Abzug unterstreicht den Verlust weiterer strategischer Positionen durch die Wehrmacht in der Region.

Ein optimistischer Bericht aus Berlin meldet angebliche Erfolge der Wehrmacht. Laut dem Berichterstatter Alex Schmalfuss erzielen deutsche Kräfte im Raum Schlettstadt zwar Einbrüche, scheitern jedoch bei einem Vorstoss nach Süden auf Colmar bei Gemar. Gemar liegt wenige Kilometer östlich der von den Deutschen aufgegebenen Stadt Rappoltsweiler. Im Thann-Tal entbrennen erneut schwere Kämpfe, bei denen die Wehrmacht eine strategisch wichtige Höhe zurückerobert. Nördlich des Hüninger Kanals zeichnet sich das Ende dreier eingeschlossener französischer Regimenter ab. Über 300 Gefangene gehen bereits in deutsche Hände, und die Säuberung des Hardwaldes soll weitere im Unterholz versteckte feindliche Soldaten ans Licht bringen. Währenddessen setzen die Alliierten ihren Druck auf die deutschen Verteidigungslinien unerbittlich fort.

Interniertentransport: Deutsche Soldaten in einem Eisenbahnwagen - Foto Staatsarchiv Basel - BSL 1060c 3/7/1048 - Jeck, Lothar - Kolorierung Patrick Schlenker

Erfolge der französischen Armee im Elsass

General Delattre de Tassigny erklärt, dass die Erste Französische Armee deutsche Truppenverbände in der Stärke von drei Divisionen im Elsass zerschlägt. Die französischen Streitkräfte arbeiten weiterhin an der Befreiung von Colmar und der Erweiterung der Frontlinie am Rhein. Der General lobt ausdrücklich die Forces Françaises de l’Intérieur (FFI) für ihren entscheidenden Beitrag zu den Kämpfen im Elsass.

Artilleriebeschuss im südlichen Elsass

Am Morgen intensiviert die französische Artillerie ihre Angriffe im südlichen Elsass. Kurz nach 08:00 Uhr beginnt der Beschuss der Ortschaften Märkt und Eimeldingen, gefolgt von Angriffen auf die Schusterinsel, die etwa einen Kilometer südlich von Basel liegt. Auch die Rhein-Hafenanlagen in Weil am Rhein geraten unter Feuer. Die Angriffe zielen zudem auf militärische Befestigungen und Baracken in der Umgebung sowie auf die zerstörte Eisenbahnbrücke zwischen Bamlach und Hüningen. Zusätzlich wird die Strasse von Friedlingen nach Leopoldshöhe unter Beschuss genommen.

In Friedlingen und weiteren Teilen der Dreiländerregion greifen französische Minenwerfer das Gebiet um Weil und Hüningen an. Gleichzeitig verstärkt die französische Artillerie den Beschuss in der Umgebung von Eimeldingen, was die Region weiter destabilisiert.

Nördlich des Rheins verschärft sich die Lage. Der Verkehr auf den wenigen noch befahrbaren Strassen nimmt deutlich zu. Besonders in der Nacht entstehen lange Fahrzeugkolonnen, da viele Fahrzeuge mit abgeblendeten Scheinwerfern fahren, um möglichst unauffällig zu bleiben. Die meisten dieser Kolonnen bewegen sich in Richtung Rhein, was die allgemeine Anspannung in der Region weiter steigert.

Gegen 09:00 Uhr bricht in Märkt ein grossflächiger Brand aus, der für längere Zeit anhält.

Basel 2. Weltkrieg - Blick auf das Paulusquartier von Binningen aus - Foto Staatsarchiv Basel - NEG 9859 - Fotoarchiv Wolf - Kolorierung Patrick Schlenker

Luftangriffe auf Bahnanlagen im unteren Wiesental

Ein alliierter Luftangriff legt die Bahnanlagen im unteren Wiesental lahm. Gleisanlagen bei Lörrach und die Strecke von Weil am Rhein nach Steinen werden schwer beschädigt. Der Bahnverkehr in diesem Bereich kommt fast vollständig zum Stillstand. Ein Pendelverkehr mit Automobilen wird ab Steinen eingerichtet, um die Verbindung nach Stetten aufrechtzuerhalten.

Der Bahnverkehr in der gesamten Region bleibt massiv beeinträchtigt. Zahlreiche Signalanlagen sind zerstört, und Reparaturen sind dringend notwendig. Die unterbrochenen Verkehrswege erschweren die Versorgung und die Mobilität der Bevölkerung erheblich.

Region Basel

Am Lysbüchel überqueren fast 500 deutsche Zivilpersonen die Grenze in die Schweiz (Siehe auch Eintrag Ter. Kommando Basel vom 5.12.44 - Bewilligung Übertritt Deutscher Flüchtlinge). Viele von ihnen kehren in ihre Heimatorte zurück, getrieben von Heimweh und der Hoffnung, ihre früheren Wohnstätten wieder aufsuchen zu können.

Militär: Armeelastwagen voller Soldaten, im Fokus eine Frau beim Anzünden einer Zigarette - Foto Staatsarchiv Basel - BSL 1060c 3/1/3133 - Foto Jeck Basel - Kolorierung Patrick Schlenker

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

08:00 - 10:45 Uhr: Einweisung von Dienstpersonal im Bereich des AK 2.

13:30 Uhr: Die Mannschaft trifft bei der MUBA (Basler Mustermesse) ein.

14:30 Uhr: Hauptmann Stalder meldet: Bewachungsdetachement 23, bestehend aus 43 Mann, ist eingerückt. Die Mannschaft begibt sich anschliessend zur Sanitätsmusterung und Verpflegung.

14:30 Uhr: Das Schweizerische Rote Kreuz stellt eine Anfrage zur Bewilligung der Ausfuhr von 100 kg Nahrungsmitteln für die Gemeinde St. Louis.


7. Dezember 1944 

Der Krieg an der Dreiländerecke

Trotz der stürmisch-regnerischen Witterung hält die Artillerietätigkeit rings um die Dreiländerecke in der Nacht an, wenn auch in etwas schwächerer Intensität als in den vorhergehenden Nächten. Ein schweres Artillerieduell tobt am abend zwischen 19:00 und 20:00 Uhr im Raum zwischen Mülhausen und Colmar. Anschliessend beschränkt sich die französische Artillerie auf Störfeuer gegen Ziele auf der rechtsrheinischen Seite in der Gegend von Märkt. Heute früh, nach 06:00 Uhr, wird die Beschiessung der Ortschaften nahe der badisch-schweizerischen Grenze wieder intensiver.

Im elsässischen Hügelgelände wird beinahe die ganze Nacht über ein aussergewöhnlich hoher Motorfahrzeugverkehr beobachtet. Auf der gegenüberliegenden Seite ist der „Volkssturm“ trotz Regenwetters bis zum Einbruch der Dunkelheit mit Schanzarbeiten beschäftigt.

 Sertorius: „General Patch überschätzt seine Kräfte“

Berlin, 7. Dezember. Der deutsche Militärkorrespondent Ludwig Sertorius kommentiert die Lage im Elsass: „Der starke Feinddruck im Elsass hält zwar weiterhin an, doch die Lage gibt inzwischen keinen Anlass mehr zu ernsthaften Besorgnissen. Es zeigt sich nun, dass General Patch seine Kräfte überschätzt. Nachdem er nach einem Durchbruch bei Strassburg glaubt, durch gleichzeitige offensive Vorstösse eine doppelte operative Wirkung erzielen zu können, erreicht er keines seiner Ziele.“

Im Süden, jenseits der Pfälzergrenze, kann die deutsche Führung jedoch weiterhin starke Sperrstellungen errichten, um die Amerikaner aufzuhalten. Auch die Stosstruppen der 7. Armee, die versuchen, den deutschen Sperrwall zwischen Rheinau und Schlettstadt zu durchbrechen, stossen auf zähen Widerstand. Der weitere Vorstoss im Gebiet der Vogesen ist nach wie vor stark eingeschränkt.

Die Kriegsschäden in den Grenzgebieten

Das Kriegsgeschehen hat sich inzwischen langsam von der Grenze entfernt, doch die verheerenden Auswirkungen bleiben bestehen. Die Menschen in den betroffenen Regionen werden noch lange an die schweren Zeiten erinnert. Der Boden rund um Montbéliard und Belfort ist von unzähligen Kratern durchzogen, die durch Minenexplosionen verursacht wurden. Viele dieser Minen sind noch nicht explodiert und stellen weiterhin eine Gefahr dar. In Villars-les-Blamont, einem Ort in der Nähe der Schweizer Grenze, verlieren vor wenigen Tagen zehn französische Soldaten ihr Leben durch eine dieser nicht explodierten Minen.

Die Schäden an den Häusern durch Bombardierungen und Artilleriebeschüsse sind weniger schlimm als zunächst befürchtet. Die grossen Peugeot-Werke in Sochaux tragen zwar deutliche Spuren des Krieges, sind jedoch nicht völlig zerstört. Allerdings wurden alle Maschinen und Ausrüstungsgegenstände aus den Werken geraubt. Während der Kämpfe um die Zugangsstrassen zum Elsass, die auf die Befreiung von Delle folgten, müssen die Einwohner von Chavannes-les-Grandes fünf Tage lang ohne Nahrung in ihren Kellern verbringen. Die „Tribune de Genève“ berichtet, dass die Erleichterung der Menschen nach der Befreiung verständlich ist, obwohl sie den Grossteil ihres Besitzes verloren haben. Diese schweren Verluste sind für die Bevölkerung, die ihre Häuser, Hab und Gut und oft auch ihre Lebensgrundlage verloren hat, kaum zu ertragen.

Fremde Flugzeuge beschiessen Niederweningen

Am frühen Morgen überfliegen fremde Flugzeuge unbekannter Nationalität das Hoheitsgebiet der Schweiz. Die Flüge finden zwischen 03:44 Uhr und 05:45 Uhr an der Nordwestgrenze zwischen Zurzach und Allschwil statt. Dabei beschiessen die fremden Flugzeuge über Niederweningen die Maschinenfabrik Bucher-Guyer (heute Bucher Industries) und einige Arbeiterhäuser mit Bordwaffen. Es entsteht Sachschaden, aber glücklicherweise wird niemand verletzt.

In Liestal kommt die Flab Batterie mit ihren 7.5cm Geschützen zum Einsatz und feuert 13 Schuss auf die fremden Flieger ab. 

Augenzegenbericht: „Am frühen Morgen, kurz vor 04:00 Uhr, wird die Bevölkerung des Zürcher Surbtals plötzlich durch lauten Motorenlärm und das Dröhnen von Maschinengewehren aus dem Schlaf gerissen. Noch bevor die Bewohner genau wissen, was passiert, verschwindet das fremde Flugzeug wieder. Ein einzelnes Flugzeug nähert sich aus nordwestlicher Richtung dem Dorf Niederweningen und feuert wiederholt mit einer oder mehreren Bordkanonen vom Kaliber 20 Millimeter auf die Dächer der Maschinenfabrik Bucher Guyer, die aus Ziegeln und Glas bestehen. Auch einige Arbeiterhäuser werden getroffen, was Schäden an den Hausfassaden, Dächern und Fensterscheiben verursacht. Der Materialschaden, der durch diese Beschiessung entsteht, wird auf etwa 4.000 bis 5.000 Franken geschätzt. Glücklicherweise wird niemand verletzt und der Betrieb der Maschinenfabrik Bucher Guyer wird nicht unterbrochen.“

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

03:49 - 04:31 Uhr: Fliegeralarm 

11:45 Uhr: Major Burkhardt meldet: Die politische Abteilung kommt mit den Leuten aus St. Louis zurück. Sie möchten zu ihren Kindern in die Schweiz. Die politische Abteilung und das Rote Kreuz, Kinderhilfe, sind einverstanden, dass die Kinder von der Kinderhilfe mitgenommen werden können und gleich behandelt werden wie jene aus Belfort.

11:16 - 12:00 Uhr: Fliegeralarm - Mehrmals ist das Brummen von Flugzeugmotoren zu hören, jedoch hindert ein dichter Bodennebel eine klare Sicht.

11:50 Uhr: Ter. Kommando 4 bestellt für den 9.12.1944 einen PW.

Mitteilung über Spionageurteile

Amtlich wird mitgeteilt:

Zwölf Angeklagte erhielten geringere Strafen, während mehrere schwerwiegendere Urteile wie folgt lauten:

Vom Divisionsgericht 9 wurden 6 Personen verurteilt:

  1. L. W. geboren 1917, Kanonier, von Burgasch (Solothurn), Reichsbahngehilfe, Schaffhausen, zu lebenslänglichem Zuchthaus.
  2. N. M. geboren 1918, Fahrer, von Beterzell (St. Gallen), Reichsbahnarbeiter, Schaffhausen, zu lebenslänglichem Zuchthaus.
  3. W. L. E. geboren 1902, deutscher Reichsangehöriger, Reichsbahnassistent, Wilchingen, zu lebenslänglichem Zuchthaus.
  4. L. M. H., geboren 1916, Fahrer, von Tscherlach (Walenstadt), Reichsbahnarbeiter, Hallau, zu 18 Jahren Zuchthaus.
  5. W. P. geboren 1903, H.D. Motf., von Mnau (Zürich), Chauffeur, Schaffhausen, zu 15 Jahren Zuchthaus.
  6. F. E. K. geboren 1906, deutscher Reichsangehöriger, Chauffeur, Zürich, zu 4 Jahren Zuchthaus.

In diesem Verfahren wurden zudem sechs Angeklagte, die sich im Ausland befinden, in contumaciam zu Strafen von lebenslänglichem bis zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Die Spionagetätigkeiten der Gruppe Grimm und Konsorten erstrecken sich über den Zeitraum von Mitte 1941 bis Herbst 1942, jene der Gruppe Leiz und Konsorten von Ende 1941 bis Anfang 1943.

Todesurteile vollstreckt

Die Todesstrafe gegen die wegen Verräterei verurteilten, deren Begnadigungsgesuche von der Vereinigten Bundesversammlung abgelehnt wurden, ist vollstreckt worden.

Die Vollstreckung des Urteils gegen Fourier P. musste aufgrund einer Erkrankung des Verurteilten verschoben werden.


8. Dezember 1944

Umgebung des Kraftwerks Kembs beschossen

Strategische Bedeutung und zunehmende Spannungen

Die Region um Basel, mit ihrer Nähe zur Dreiländerecke, ist erneut Schauplatz intensiver militärischer Aktivitäten. Die Beobachtungen von Flugzeugen, die Präsenz des „Fieseler Storchs“ und die starken Beschiessungen verdeutlichen die strategische Bedeutung dieses Gebiets. Die anhaltenden Spannungen und die sichtbaren Rauchzeichen von Nebelgranaten und anderen Geschossen lassen die Menschen in der Umgebung nicht zur Ruhe kommen.

Flugzeuge und Artilleriebeschuss in der Region um Basel

Moderne Aufnahme einer P-47 Thunderbold - Quelle Youtube WingsTV Channel

Am Mittag erscheinen erneut Flugzeuge nördlich von Basel. Gegen 13:00 Uhr Uhr sichtet man in der Gegend um Istein etwa zehn Maschinen, die vermutlich Thunderbolts sind. Immer wieder tauchen sie aus den tiefhängenden Wolken auf, die das badisch-elsässische Grenzgebiet überspannen. Auch ein „Fieseler Storch“, einst eine Seltenheit in diesem Gebiet, ist wieder präsent. Er scheint sich mittlerweile in der Region heimisch zu fühlen. Heute inspiziert er die Elsässer Hardt sowie die Hügelkette rund um Istein völlig ungestört. Üblicherweise löst jedes fremde Flugzeug, das sich diesem Gebiet nähert, sofortige Reaktionen aus, doch der „Fieseler Storch“ kann unbehelligt bis an den Rand des elsässischen Hügelgebiets fliegen und sogar die Ortschaften von Häsingen bis Bartenheim überblicken.

Morane-Saulnier MS.505 Criquet - Lizenzbau der „Fieseler Storch“ - Foto Patrick Schlenker

Zur selben Zeit beginnt vom elsässischen Boden aus ein intensiver Minenwerferbeschuss auf Friedlingen. Diese Beschiessung dauert mit Unterbrechungen bis in den späten Nachmittag an. Über einen weiten Bereich, der vom Rheinufer bis hin zum Bahnhof reicht, schlagen immer wieder Geschosse ein. In Kleinhüningen hört man die Explosionen deutlich, sie sind an zahlreichen Stellen wahrnehmbar. Es handelt sich offenbar um eine gezielte Störaktion, die verhindern soll, dass sich jemand aus der Deckung wagt. Jede verdächtige Bewegung auf der gegenüberliegenden Seite wird von deutscher Seite umgehend mit Maschinengewehrfeuer beantwortet.

Ein ungewöhnliches Schauspiel 

Von den Anhöhen rund um Basel beobachten Anwohner ein aussergewöhnliches Szenario, sobald die Regenwolken kurz aufreissen und die Sicht wieder klar wird. Weisser Rauch, blendend hell und weithin sichtbar, steigt aus Nebelgranaten auf und ist über eine Distanz von mehr als 20 Kilometern zu sehen. Besonders auffällig sind diese Rauchsäulen südwestlich von Mülhausen. Anfangs steigen sie schmal und gerade wie Säulen in die Luft, doch der Wind zerstreut den Rauch schnell. Die weissen Wolken vermischen sich mit denen weiterer Granaten und bilden schliesslich breite, dichte Rauchschleier, die sich über das Gebiet ausbreiten.

Ähnliche Rauchsäulen erblickt man in der Region von Sierentz, in der Umgebung von Habsheim und an anderen Stellen im Hardtwald. Diese Aktivitäten deuten auf eine zunehmende Intensität der militärischen Operationen hin.

Gegen Mittag wird Friedlingen besonders stark von den Minenwerfern auf der elsässischen Seite unter Beschuss genommen. Die Geschosse treffen in einem breiten Bereich von der Nähe des Rheins bis in die Stadtgebiete hinein. Der ohrenbetäubende Lärm der Detonationen ist an allen Ecken und Enden zu hören. Dies führt dazu, dass die Menschen in ihren Schutzräumen verbleiben und sich kaum ins Freie wagen.

Auf deutscher Seite bleibt man aufmerksam. Jede verdächtige Bewegung „drüben“ wird beobachtet und sofort mit Feuer erwidert. Maschinengewehrsalven peitschen über die Grenze, sobald etwas Ungewöhnliches auf der elsässischen Seite bemerkt wird.

Tüllinger Hügel mit Weil am Rhein im Vordergrund vor der Beschiessung der Stadt und des Hügels - Postkarte Friedrich Gütermann Lörrach /Baden - Kolorierung Patrick Schlenker

Luftraumverlegungen

Amtlich wird mitgeteilt: Im Verlauf des 8. Dezember überflogen in der Zeit von 08:07 bis 08:30 Uhr und von 12:17 bis 16:44 Uhr fremde Flugzeuge, deren Nationalität nicht festgestellt werden konnte, den Kanton Graubünden sowie die Grenzgebiete von Brugg, Brüntrut, Schaffhausen, Genf und das Mittelland nordwestlich der Linie Aarau-Olten-Bern. Fliegeralarm wurde in den gefährdeten Gebieten ausgelöst.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

10:15 - 11:15: Platzkommandant auf dem Kommandoposten.

12:20 - 13:14: Fliegeralarm.

Eingang einer Meldung eines Bewohners der Gemeinde Riehen bezüglich der Beobachtung von Truppen in der Gegend von Landau.

16:21 - 16:51: Fliegeralarm.

17:00 Uhr: Besprechung des Kommandanten mit dem Arzt des Gebirgs-Infanterie-Regiments 5.

18:00 - 19:00 Uhr: Rapport des Territorialkommandos.

Traktandum:

  • Die Behandlung und Aufnahme der Schäden durch Flieger- bzw. Artilleriebomben (eigene und fremde) wird Oblt. J. übertragen.
  • Die Luftschutz-Kompanien bleiben Ansprechpartner für die Privatpersonen.
  • Das Regiment stellt zwei Funkwachen zur Verfügung.
  • Zehn PW ohne Chauffeure.
  • Da das Infanterieregiment 5 zu wenig zu tun hat, stellt es Mannschaften für das Krankenzimmer (KZ) Muba zur Verfügung.
  • Der Kdt. teilt mit, dass der neue Regimentbefehl mit den Grenzorganen zu tun hat und die Gespräche über die Grenze an Polizei-Offiziere delegiert wurden.
  • Der Kdt. teilt zudem mit, dass mit der Rückführung der Kinder nach Belfort demnächst begonnen werden kann. Der Kdt. will dafür sorgen, dass die Transporte so organisiert werden, dass die Kinder nicht nochmals in Basel übernachten müssen.
  • Die in Allschwil diensttuende Kompanie fordert vier Mann des örtlichen Werkschutzes (Luftschutz) an.
  • HD-Bew.-Kp. 4 meldet, dass im Flüchtlingslager MUBA nicht genügend Leute im Dienst seien.
  • Det. 23 wird administrativ unter das Kommando von BS 1 gestellt.
  • Besprechung der zu treffenden Massnahmen, falls die Hüninger Flüchtlinge längere Zeit nicht zurückkehren können.

Flüchtlingslager MUBA:

  • Eingang: 143 Personen
  • Ausgang: 235 Personen
  • Bestand: 1.142

 


10. Dezember 1944 

Heinrich Himmler Oberbefehlshaber über Deutsche Truppen im Elsass

Nachdem am 2. Dezember 1944 die 19. Armee aus der Heeresgruppe G herausgelöst und der neu gebildeten Heeresgruppe Oberrhein unterstellt wurde und direkt dem Führerhauptquartier untersteht, wird ab sofort Heinrich Himmler Oberbefehlshaber. Ziel der Neuorganisation ist es, den alliierten Vorstoss in das Elsass zu stoppen und eine stabilere Verteidigungslinie zu etablieren.

Kämpfe bei Hagenau und Umgebung

An den südlichen Abschnitten der elsässischen Front setzen die deutschen Truppen ihre Verteidigung mit äusserster Härte fort. Ihr Ziel ist es, den Rückzugskorridor von Colmar zum Rhein offen zu halten. Die alliierten Verbände, die konzentrisch auf Colmar vorstossen, machen nur geringe Fortschritte. 

Französischer Vorstoss im Oberelsass

In der Morgenfrühe werden die Bewohner von Basel und Umgebung durch ein heftiges Artilleriefeuer aufgeschreckt. Es entsteht der Eindruck, dass eine grössere Aktion im Gange ist, und es sich nicht mehr um das übliche Störfeuer handelt. Tatsächlich scheint ein gezielter Vorstoss gegen die von den Deutschen weiterhin besetzte Umgebung des Kraftwerks Kembs eingeleitet zu werden.

Nach einer vollkommen ruhigen Nacht beginnt es um 06:30 Uhr im Hügelgelände südlich von Mülhausen mächtig aufzublitzen. Kurz darauf explodieren Dutzende Granaten auf dem linksrheinischen Gebiet in der Nähe des Kraftwerks Kembs und der Ortschaft Loechle. Die Einschläge erfolgen so dicht, dass man fast von einem Trommelfeuer sprechen kann. Den Detonationen nach handelt es sich um mittelschwere Kaliber.

Wenig später wird das Artilleriefeuer auf das badische Rheinufer in die Nähe von Istein verlagert. Gegen 08:00 Uhr setzen auch französische Maschinengewehre ein. Gleichzeitig bricht in Loechle eine schwere Feuersbrunst aus. Über dem Gebiet, das unter dem Beschuss der französischen Artillerie liegt, kreisen fortwährend drei alliierte Flugzeuge.

Efringen-Kirchen an der Bahnhofstrasse 34, heutiges Walsers Landhotel & Restaurant nach dem Beschuss französischer Artillerie - Foto Postkarte Friedrich Gütermann Lörrach /Baden - Kolorierung Patrick Schlenker

Um 09:30 Uhr verstärkt sich der Geschützdonner erneut. Aufgrund der inzwischen trüben Sicht können die Einschläge jedoch nicht mehr genau beobachtet werden.

In der Dreiländerecke kommen im Verlauf des Vormittags auch Minenwerfer zum Einsatz. Die Gegend von Friedlingen bis dicht an die Schweizer Grenze gerät unter Beschuss.

Zerstörte Gebäude in Haltingen / Weil am Rhein an der Kirchstrasse, Blickrichtung Georgskirche unterhalb des Tüllinger Berges. Kirchtürme waren beliebte Ziele der französischen Artillerie, da sie dem Gegner durch ihre erhöhte Position einen Überblick über das Gefechtsfeld ermöglichten. Das gesamte Gebiet unterhalb der Georgskirche wurde mehrfach beschossen und grösstenteils zerstört - Foto zeitgenösische Postkarte - Kolorierung Patrick Schlenker

Haltingen, Grosse Gass 21nach der Zerstörung durch Artillerie und Bombardierungen. Das selbe Gebäude heute (Vogtskeller) - Foto zeitgenösische Postkarte - Kolorierung Patrick Schlenker

Am Mittag eröffnen französische Batterien aus dem Raum westlich von Sierentz das Feuer. Mehrere Granaten schlagen in der Umgebung von Märkt und in der Nähe des dortigen Stauwehrs ein. Deutsche Artillerie antwortet bereits in den frühen Morgenstunden mit Beschuss aus dem badischen Hinterland und nimmt die französischen Stellungen bei Sierentz und Habsheim unter Feuer.

Kurz nach 14:00 Uhr werden aus nördlicher Richtung, möglicherweise aus der Gegend von Müllheim, mehrere heftige Detonationen wahrgenommen, die auf ein Luftbombardement hindeuten. Kurz darauf kehren alliierte Flugzeuge aus der gleichen Richtung zurück.

Um 14:37 Uhr erscheinen über dem Tüllinger Hügel vier weitere alliierte Flugzeuge, die von deutscher Flak aus dem vorderen Wiesental beschossen werden. Zwischen 14:40 und 15:10 Uhr feuert französische Artillerie mehrere Nebelgranaten in Richtung der Felsen des Isteiner Klotzes. Die Granaten hinterlassen schneeweisse Rauchpilze, die die Felder für kurze Zeit vollständig einhüllen. Der Wind vertreibt den Rauch jedoch rasch.

Vom badischen Ufer sind darüber hinaus Maschinengewehrsalven zu hören, die in Richtung Hüningen abgefeuert werden.

Der Brunnen an der Kerngasse in Haltingen hat die Zerstörung nahezu unbeschadet überstanden und ist, abgesehen von wenigen Ausnahmen, der einzige Zeitzeuge in der Strasse Foto Postkarte Friedrich Gütermann Lörrach /Baden - Kolorierung Patrick Schlenker 

Brunnen an der Kerngasse in Haltingen heute. Ein stummer Zeuge mehrer Kriege in der Region mit entsprechenden Beschädigungen durch Beschuss

Dank der Hüninger an ihre Nachbarn in Basel

Aus der National Zeitung: Für die einzigartige Anteilnahme und die hochherzige, liebevolle Unterstützung seitens der gastfreundlichen und verständnisvollen Basler Bevölkerung entbieten die schwergeprüften Hüninger Flüchtlinge ihren lieben und sympathischen schweizerischen Nachbarn den tiefempfundensten, herzlichsten Dank nebst einem kräftigen „Vergelt’s Gott“.

Ein dankbarer Flüchtling aus Hüningen, im Namen vieler: Diesen Dank übermitteln wir insbesondere an die hochwohllöbliche städtische Behörde, an das rührige Rote Kreuz, an die wohllöbliche Presse, an den schweizerischen Rundfunk, an das Bürgerspital, das Altersheim und sonstige Institutionen, den Elsässer Verein, das Elsässer Theater, den Arbeiter-Musikverein und sonstige Gesellschaften und Genossenschaften, sowie an die gesamte hochherzige und gastfreundliche Bevölkerung Basels. Sie alle haben uns Flüchtlingen in der Stunde der schwersten Prüfung und grössten Gefahr durch ihre edle, hilfreiche Geste unsägliche und wohltuende Freude gespendet. Dies hat uns in unserer zerrütteten geistigen und moralischen Verfassung wieder Hoffnung, Mut und Selbstvertrauen eingeflösst. Nie werden wir Hüninger Flüchtlinge diesen uns erwiesenen edlen Samariterdienst sowie dieses prächtige Werk menschlicher Anteilnahme vergessen: Wir werden unseren hilfreichen Basler Nachbarn ewig dankbar sein. Möge die göttliche Vorsehung gerade in der gefährlichsten aller Zeiten Einsicht mit der rührigen Stadt und Bevölkerung Basels walten lassen und sie unbehelligt, glücklich und in Frieden von diesem grausigen Toben und Ringen um Basels Mauern unberührt, heil und verschont bewahren.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

06:45 Uhr: Schweres Artilleriefeuer Richtung Hardt.

Mittags aufflammende Gefechtstätigkeit.

16:10 Uhr: FFI-Offizier auf KP. FFI möchte die verwundeten französischen Soldaten im Bürgerspital Basel versorgen lassen. Wird nach Rücksprache mit Hptm. Gerster bewilligt.

14:37 - 15:10 Uhr: Fliegeralarm.

In den Abendstunden vereinzelt Artilleriefeuer.

Flüchtlingslager MUBA:

  • MUBA: 1180 Personen
  • Privat aufgenommen: 996 Personen
  • Bestand: 2.176

 

Das alte Bürgerspital Basel zwischen Hebel- und Spitalstrasse - In diesen Gebäuden wurden auch schon im 1. Weltkrieg Soldaten Kriegsführender Parteien behandelt.

Links: Seite Hebelstrasse. Das Gebäude steht heute noch - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1012 535 - Alfred Kugler - Kolorierung Patrick Schlenker

Rechts: Seite Spitalstrasse 1/3 - Heute steht dort das Klinikum 1. welches ab 1939 erbaut wurde  - Foto Staatsarchiv Basel NEG 6006 - Fotoarchiv Wolf - Kolorierung Patrick Schlenker

Aktuell im Kino Palace

Untere Rebgasse 10 / Basel

Der Film "El Alamein" (englisch Desert Victory) stellt die beiden Schlachten als zentrale Wendepunkte im Krieg gegen das nationalsozialistische Deutschland dar. Dabei greift er nicht nur auf britisches Filmmaterial zurück, sondern nutzt auch erbeutete Aufnahmen der deutschen Wehrmacht, um die deutsche Kriegsführung und militärischen Strategien zu veranschaulichen. Gleichzeitig erfüllt der Film eine propagandistische Funktion, indem er die Leistungen der Soldaten der British Army und der Arbeiter in der Rüstungsindustrie glorifiziert. Letztere hebt er als entscheidende Faktoren für den Sieg in den Schlachten hervor.

Für seine beeindruckende Umsetzung erhält der Film bei der Oscarverleihung 1944 den Oscar für den besten Dokumentarfilm.


11. Dezember 1944

Weiterer Artillerie Beschuss Kembs

Zwischen 23:30 und 00:30 Uhr richtet die französische Artillerie eine Reihe kurzer Feuerschläge gegen Richardshäuser, ein Dorf etwa einen Kilometer südlich des Kraftwerks. Die Angriffe deuten darauf hin, dass sich dort immer noch deutsche Widerstandsnester befinden. Nach diesen Feuerschlägen wird das Feuer auf die linksrheinische Umgebung des Kraftwerks vollständig eingestellt. Auch in der Nacht zum Dienstag fällt kein weiterer Schuss in diese Richtung.

Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse am Nachmittag sind von der Grenze aus keine direkten Beobachtungen möglich. 

Zwischenfall bei Hüningen:

Zwischen 21:20 und 21:45 Uhr kommt es zwischen den Rheinufern bei Hüningen zu einem heftigen Gefecht zwischen deutschen und französischen Maschinengewehren. Bereits um 19:20 Uhr findet ein kurzes Feuergefecht statt. Die 

Richtung Mülhausen:

Nach Mitternacht lodert in Richtung Mülhausen ein grosses Feuer, das den Horizont weithin rot erleuchtet.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

10:15 Uhr: Hauptmann Jean meldet, dass er in den kommenden Tagen Verwandte besuchen möchte. Er informiert, dass sein Stellvertreter währenddessen übernimmt.

10:20 Uhr: Hauptmann Palm teilt mit, dass er einen zweiten Befehl zur Erweiterung der Sicherungsmassnahmen an der Dreirosenbrücke erhalten hat. Diese sollen mit den Massnahmen an der Johanniterbrücke abgestimmt und kombiniert werden. Ein Vorschlag für zusätzliche Massnahmen an der mittleren Brücke wurde entgegengenommen. Auftrag: Erstellung der ersten Sicherungsmassnahmen an der Weissensteinbrücke.

12:30 - 13:27 Uhr: Fliegeralarm.

Flüchtlingslager MUBA:

  • Eingang: 6 Personen
  • Ausgang 174
  • Bestand: 958

12. Dezember 1944

Thann befreit

Ein deutscher Sender meldet: Stadt Thann im südlichen Elsass, westlich von Mülhausen ist geräumt worden.

Gegen 16:00 Uhr starten die alliierten Bomberverbände schwere Angriffsoperationen gegen Müllheim, die Umgebung von Neuenburg und das badische Hinterland. Nachdem die Bombenangriffe abgeschlossen sind, kehren die Bomberverbände auf ihrem Rückflug zurück, als die französische Artillerie im Raum von Blossheim bis Sierenz die Beschiessung des rechtsrheinischen Ufers und des badischen Vorgeländes erneut aufnimmt.

Der Artilleriebeschuss richtet sich zunächst gegen Eimeldingen, Kirchen und Efringen. Danach nehmen die französischen Geschütze überraschend Ziele auf dem Hügelrücken des Isteiner Kloves unter Feuer. Schliesslich schleudern sie ihre Granaten auch weiter nördlich in die Gegend von Schliengen. Währenddessen feuern Minenwerfer auf Friedlingen und das dichtbewaldete Gebiet bei Märkt. Wie bereits im Sommer 1940 sind von beiden Seiten des Rheins, von Hüningen und Friedlingen stromabwärts, Maschinengewehre auf jede verdächtige Bewegung gerichtet. Erst mit Einbruch der Dämmerung lässt die gegenseitige Aktivität nach.

„Unternehmen Habicht“ 

Am frühen Morgen starten die deutschen Truppen ihren Angriff. Die Einheiten bestehen grösstenteils aus unerfahrenen Soldaten, darunter junge Rekruten und schlecht ausgebildete Luftwaffensoldaten, die erst vor kurzem zu Infanteristen umgeschult wurden. Die Angriffskräfte sollen einen Zangenangriff von Schlettstadt und südlich von Ribeauvillé ausführen, um die Alliierten von den Vogesen zurückzudrängen und neue Verteidigungslinien auf den Höhen zu errichten.

Die Truppen, darunter das Regiment Reimer und das Regiment Ayrer, stehen vor schwierigen Bedingungen. In der Nacht kämpfen sich die Soldaten durch aufgeweichten Boden und steiles Gelände. Viele sind bereits durch die Ausrüstung, die sie tragen müssen, erschöpft. Erste Einheiten erreichen die Ausgangsstellungen zu spät, wodurch die Koordination verloren geht.

Mit Tagesanbruch beginnt der Angriff. Die deutschen Truppen stossen bei Kaysersberg und Riquewihr sofort auf massiven Widerstand. Die US-amerikanischen Verteidiger sind gut vorbereitet und nutzen ihre überlegene Artillerie sowie Maschinengewehrstellungen effektiv. Der Angriff bleibt an mehreren Fronten liegen. Soldaten, die in die Wälder zurückweichen, berichten von Chaos: Nachrichtenverbindungen fehlen, und es gibt keine klare Führung vor Ort.

Im Nordelsass nähern sich die Amerikaner der Maginot- und Siegfriedlinie

Der grösste Fortschritt des Tages wurde im südlichen Abschnitt der Westfront durch die Truppen der amerikanischen 7. Armee erzielt. Nach der Einnahme von Hagenau stiessen die amerikanischen Einheiten in schnellem Tempo weiter nach Nordosten vor. Die Spitzenverbände erreichten eine Position, die nur noch acht Kilometer vom Rheinentfernt liegt, direkt gegenüber von Karlsruhe.

Unterdessen sind die Truppen General Patchs durch den grossen Hagenauer Wald ausgeschwärmt. Bei ihrer grossangelegten Bewegung nach Norden, in Richtung der deutschen Grenze, konnte die Frontlinie um etwa acht Kilometer vorverlegt werden. In diesem Gebiet befinden sich die veralteten Verteidigungsanlagen der Maginot-Linie, deren Forts hier grösstenteils überflutet sind. Von den wenigen noch funktionstüchtigen Geschützen der Linie kann lediglich eines Feuer gegen die anrückenden Amerikaner eröffnen.

Die Deutschen versuchen bei Rheinau, etwa 14 Kilometer südwestlich von Erstein, eine grosse Streitmacht über den Rhein zu bringen. Diese Offensive hat jedoch keinen Erfolg, da die alliierten Truppen die Angriffe abwehren können. Es ist jedoch offensichtlich, dass das deutsche Oberkommando weiterhin darauf abzielt, mit weiteren Gegenangriffen die alliierten Streitkräfte im Elsass zu binden und die Truppenbewegungen der 7. US-Armee, die sich in Richtung Karlsruhe und Mannheim bewegen, nach Süden abzulenken. 

Hüninger Flüchtlinge verlassen Basel

Nachdem in den letzten Tagen sämtliche elsässische Flüchtlinge aus Burgfelden und St. Louis nach einem dreiwöchigen Aufenthalt wieder den gastlichen Schweizerboden verlassen haben, kehrt auch bereits ein Grossteil der männlichen Bewohner von Hüningen wieder über die Grenze zurück. Voraussichtlich werden in den nächsten Tagen auch die übrigen Flüchtlinge aus Hüningen, die bisher noch in Basel verblieben sind, die Mustermesse verlassen. Da der Stadtteil Hüningens jedoch noch im Frontbereich liegt, kehren sie vorerst nicht dorthin zurück, sondern nehmen bis auf Weiteres in einer gesicherten Gegend in unmittelbarer Nähe jenseits der Schweizergrenze Unterkunft.

Als vor vierzehn Tagen der Flüchtlingsstrom aus Hüningen über die Grenze kam, wurde auch der 64-jährige Bauunternehmer Alphonse Litzler-Gasser aus Hüningen, der wie bereits gemeldet wurde, schwer verletzt aus seinem durch französische Artillerie zerstörten Einfamilienhaus an der Rue de Sierentz zusammen mit seiner Familie geborgen wurde, in spitalärztliche Behandlung nach Basel überführt. Alphonse Litzler ist seinen schweren Verletzungen erlegen. Gemäss einer letztwilligen Verfügung wurden seine sterblichen Überreste zur Bestattung nach St. Louis überführt.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

09:00 Uhr: Regimentsarzt Ludwig lädt zu einer Besprechung ein.

10:05 Uhr: Herr Hoffmann von der SBB Basel meldet, dass geplant ist, einige in St. Louis stationierte Eisenbahnwagen mit einer Rangierlokomotive aus dem Gebiet zu bergen und in die Schweiz zu bringen. Die Aktion wird bewilligt.

13:22 Uhr – 17:04 Uhr: Fliegeralarm.

15:00 Uhr: Besprechung mit Regimentsarzt Ludwig zum Thema „Soldatenweihnacht“.

Flüchtlingslbestand Basel

  • MUBA: 1022 Personen
  • In Heimen: 86
  • In Basel privat untergebracht: 1320
  • Total: 2428

13. Dezember 1944

Fortschritte der Alliierten im Elsass

Das Hauptquartier von General Eisenhower meldet:  

Nördlich und nordöstlich von Hagenau säubern die Truppen systematisch den nordelsässischen Grenzstreifen. An der östlichen Flanke der Angriffsfront, die sich von Niederbronn bis zum Rhein erstreckt, erreichen sie am Dienstagabend Selz, ein bedeutendes Verkehrszentrum. Dort entbrennt eine heftige Strassenschlacht. Mit diesem Vorstoss durchbrechen die Amerikaner auf breiter Front die deutsche Verteidigungslinie zwischen Hagenau und Bischweiler, was den endgültigen Zusammenbruch der Maginot-Linie einleitet. Die Truppen stehen jetzt in Selz, nur 1,5 Kilometer vom Rhein entfernt, und nähern sich der strategisch wichtigen Brücke nach Karlsruhe.

Die Deutschen leisten kaum Widerstand. Der Mangel an Geschützen und Truppen hindert sie daran, die Maginot-Linie zu verteidigen. Es wird erwartet, dass General Patch bald die gesamte Stellung entlang der Pfälzer Grenze einnimmt.

General Leclerc, der Kommandant der 2. französischen Panzerdivision, in der befreiten Stadt Strassburg empfangen. Diese Stadt hat eine strategische Bedeutung für die französischen Truppen, die sich nun dem weiteren Vorstoss durch das Elsass nähern. Die Einnahme Strassburgs durch die Alliierten trägt massgeblich zur Schwächung der deutschen Verteidigung im Elsass bei.

Überraschender Durchbruch bei Hagenau

Die schnelle Ausnutzung des Durchbruchs bei Hagenau trifft die Deutschen völlig unvorbereitet. Das Hauptquartier von General Patch besitzt Beweise, dass die Deutschen gehofft hatten, von den Vogesen bis Hagenau eine feste Winterverteidigungslinie zu errichten. Stattdessen ziehen sie sich nun auf den Westwall zurück. Bereits 15.000 ausländische Arbeiter werden in die Pfalz geschickt, um die vernachlässigten Befestigungen zu reparieren. Doch durch die Zerstörung der Nachschublinien infolge alliierter Luftangriffe gestaltet sich diese Aufgabe äusserst schwierig.

Erfolge an der Weissenburger Pforte

Der linke Flügel der 7. Armee erzielt nordwestlich des Hagenauer Forsts ebenfalls schnelle Fortschritte. Nach der Einnahme von Reichshofen und Fröschweiler erobern die Truppen auf den historischen Schlachtfeldern des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 mehrere Kilometer in Richtung der Weissenburger Pforte.

Im Zentrum der Front rückt eine andere Kolonne entlang der Bahnstrecke Hagenau–Weissenburg vor. Nach der Besetzung von Walburg und Dürrenbach nähern sich die Truppen Sulz und beginnen den Endkampf um die letzten deutschen Stellungen der Maginot-Linie.

„Unternehmen Habicht“ 

Die deutschen Truppen setzen ihre Bemühungen fort, die alliierten Stellungen bei Kaysersberg und Riquewihr zu durchbrechen. Besonders der Mont de Sigolsheim wird zu einem Schwerpunkt des Angriffs. Das Regiment Ayrer versucht, diesen strategisch wichtigen Hügel einzunehmen, scheitert jedoch unter schwerem Granaten- und Maschinengewehrfeuer. Viele Soldaten fallen oder werden schwer verwundet, bevor sie überhaupt die Stellungen der Alliierten erreichen.

In Riquewihr dringen kleinere Gruppen deutscher Soldaten in die Strassen des Ortes vor. Häuserkämpfe entbrennen, doch die alliierten Truppen nutzen ihre höhere Kampfkraft, um die deutschen Einheiten zurückzudrängen. In der Zwischenzeit setzt die US-amerikanische Artillerie den deutschen Nachschubkolonnen erheblich zu, wodurch Munition und medizinische Versorgung knapp werden.

Deutsche Zeitzeugen berichten von der hoffnungslosen Lage. Einheiten werden in Waldgebieten isoliert, während alliierte Flugzeuge die deutschen Stellungen beobachten und gezielte Angriffe durchführen. Viele Soldaten fühlen sich als "Kanonenfutter" eingesetzt und sehen keinen Sinn in der Offensive.

Der Krieg in der Nachbarschaft: Friedlingen bei Basel unter Minenbeschuss

Kurz nach 10:00 Uhr vormittags explodiert ein Minenwerfergeschoss in unmittelbarer Nähe des Hafens II der Kleinhüninger Anlagen, sodass die Splitter auch auf Schweizer Boden fallen. Etwas später nimmt ein französischer Maschinengewehr-Posten, der sich in einem der früheren Rheinbunker oberhalb des Hanaleinganges und direkt vis-à-vis dem Albbruckquai festgesetzt hat, das Areal der Färberei & Appretur Schusterinsel GmbH auf der Schusterinsel unter Feuer. Die Färberei gehört der Schweizer Familie Joseph Schetty Söhne in Weil. Die Schweizer Veredelungsindustrie drängte Ende des 19. Jahrhunderts wegen der verkehrsgünstigen Grenzlage und der guten Eisenbahnanbindung auf den deutschen Markt. Joseph Schetty war Gründer der Berufsfeuerwehr Basel 1882 und der erste Kommandat dieser. 

Gleich zu Beginn des Nachmittags setzen die Franzosen ihren Minenwerferbeschuss auf das genannte Gebiet fort. Offenbar aufgrund unrichtiger Zielvisierung explodieren nach 14:00 Uhr in kurzen Abständen neun Minenwerfergeschosse zwischen den Lagerräumen am Hafenbecken II und dem Zollamt an der Hiltalingerstrasse auf Schweizer Boden. Glücklicherweise fallen die Geschosse in Gärten und auf freies Gelände und verursachen keinen nennenswerten Schaden.

Später scheint den Franzosen der Fehler bewusst zu werden, und die Beschiessung des Schweizer Gebiets wird sofort eingestellt.

Am gesamten Nachmittag entwickelten die Franzosen vom linken Rheinufer unterhalb Basels eine rege Aktivität und beschiessen mit schweren Infanteriewaffen abwechselnd das Hafengebiet von Weil am Rhein, ein dortiges Barackenlager, die Strasse Friedlingen - Weil-Leopoldshöhe sowie das Areal der Schusterinsel. Dabei setzen sie Minen und Nebelgranaten ein.

Grenzgespräche strengstens verboten!

Als die deutschen Grenzsicherungseinheiten vor etwas mehr als drei Wochen ihre Posten an den elsässisch-schweizerischen Grenzübergangsstellen in aller Eile verliessen, nutzten viele Bewohner der elsässischen Nachbarorte die allgemeine Verwirrung, um sich mit ihren in Basel oder der schweizerischen Grenzregion lebenden Angehörigen, Freunden und Bekannten ungehindert „über den Zaun“ aussprechen zu können. Tagelang duldet das Grenzwachtkommando diese Gespräche aus verständlicher Rücksichtnahme. Einige Personen gelingt es sogar, heimlich Besuche in Hüningen, St. Louis oder Burgfelden zu machen. Als jedoch die kriegerischen Ereignisse nahe der Landesgrenze eskalieren, sieht sich das Kommando der Stadtwachttruppen aus militärischen Gründen gezwungen, eine erweiterte Sperrzone zu schaffen. Das Betreten dieser Zone ist nur mit speziellen Ausweisen erlaubt, wodurch Unterhaltungen über den Stacheldraht bereits mit Schwierigkeiten verbunden sind. Trotzdem erlaubt das Grenzwachtkorps solche Gespräche immer noch, wenn sie gesehen werden.

Mit einem Schlag verschärfen sich jedoch die Grenzverhältnisse: Französische Zöllner und vor allem die „Sécurité militaire“ erscheinen an den Grenzübergangsstellen, halten alle Unbefugten fern und verbieten strikt jegliche Gespräche. Diese Massnahme wird mit militärischen Gründen begründet, wie bei einer kürzlichen Konferenz zwischen den zuständigen Stellen auf beiden Seiten der Grenze betont wurde. Seitdem sind Gespräche an der Grenze vollständig untersagt, und alle, die gegen diese strengen Anordnungen verstossen, müssen mit einer sofortigen Umsiedlung rechnen.

In letzter Zeit haben immer wieder Menschen versucht, bei den zuständigen Behörden wie dem französischen Konsulat oder der Grenzwachtbewilligungen zu erhalten, um Gespräche an der Grenze zu führen. Diese Behörden sind jedoch nicht befugt, solche Erlaubnisse zu erteilen, was häufig zu Missverständnissen und Beschwerden führt. Heute ist allein die Grenzpolizei im „Lohnhof“ zuständig und erteilt Bewilligungen nur in dringenden Fällen wie bei zwingenden geschäftlichen Besprechungen oder im Falle eines Todes. Dies geschieht jedoch nur im Einverständnis mit den zuständigen französischen Amtsstellen.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

03:57 - 04:26 Uhr: Fliegeralarm.

08:15 Uhr: Rapport der MUBA mit dem Kommandanten und dem Flüchtlingsoffizier.

16:00 Uhr: Bericht zur gestrigen Sitzung mit Rgt. Arzt Ludwig.

16:45 Uhr: Mj. Scheidegger organisiert in der nächsten Zeit, jeweils mittwochs, eine Ausbildung für die FHD mit dem Roten Kreuz und der Kinderhilfe zur Flüchtlingsbetreuung.

Kdt. Dr. Ludwig und Mj. Debrunner fahren nach Hüningen.


14. Dezember 1944

„Unternehmen Habicht“ gescheitert

Die deutsche Offensive ist weitgehend zum Erliegen gekommen, als US-amerikanische Truppen Gegenangriffe starten und die erschöpften deutschen Einheiten zurückdrängen. In Riquewihr gelingt es den Alliierten, alle verbleibenden deutschen Kämpfer aus dem Ort zu vertreiben. Am Mont de Sigolsheim erleiden die angreifenden deutschen Einheiten erneut hohe Verluste.

Ein Gefechtsbericht vom 14. Dezember beschreibt besonders hohe Verluste der deutschen Truppen an diesem Tag. Einheiten des Regiments Reimer und Ayrer sind nahezu aufgerieben, viele Soldaten sind erschöpft, verwundet oder traumatisiert. Am Abend gibt die deutsche Führung den Rückzugsbefehl, und die verbleibenden Truppen ziehen sich unter chaotischen Bedingungen in die Wälder zurück. Munition, schwere Waffen und sogar Gefallene müssen zurückgelassen werden, während die Einheiten, oft ohne Kontakt zu ihren Kameraden, weiter zurückweichen.

Anhaltender Rückwandererstrom aus Deutschland in die Schweiz

Seit Wochen hält der Rückwandererstrom aus Deutschland in die Schweiz unvermindert an. Täglich treffen durchschnittlich etwa tausend Schweizer Rückwanderer über Konstanz in Kreuzlingen ein. Dort werden sie nicht nur vom Heimschaffungskomitee Kreuzlingen des Eidgenössischen Kriegsfürsorge-Amtes freundlich in der Heimat begrüsst, sondern auch sanitarisch untersucht.

Die Rückkehrer der letzten Tage befinden sich teilweise in einem bedenklichen Zustand. Die meisten stammen aus Freiburg im Breisgau, einige auch aus Hannover und dem Rheinland. Sie kommen zu Fuss über die Grenze – eine andere Möglichkeit gibt es heute nicht mehr. In Deutschland wusste man nichts mehr mit ihnen anzufangen, da dort Unterbringungs- und Verpflegungsprobleme in grossem Ausmass bestehen. So werden die Schweizer entweder freiwillig oder unfreiwillig über die Grenze geschickt.

Das Bild dieser Rückwanderer verdeutlicht die verheerende Lage in Deutschland. Viele sind völlig erschöpft und sehen sich vor einem Nichts. Besonders Rückkehrer aus Freiburg berichten von den katastrophalen Bombenangriffen, denen ihre Stadt ausgesetzt war. Sie erzählen von den Schrecken des Angriffs, der äusserst heftig war und Chaos hinterliess. Keiner der Einwohner war vorbereitet, und der grösste Teil konnte nur das retten, was er am Leib trug. Oft sieht man Brandspuren an ihrer Kleidung, und die Schrecken sind den Menschen noch anzusehen. Etwa die Hälfte der Einwohner von Freiburg soll obdachlos geworden sein. Viele Rückwanderer glauben nicht, dass die Menschen in Deutschland die Strapazen noch lange aushalten können.

Die Lebensmittelrationen im Januar

Das Eidgenössische Kriegsernährungsamt teilt mit:

Dank der diesjährigen Lenkung der Milchverarbeitung kann für den Januar die Käse-Zuteilung auf den A-, halben B.- sowie den Kinderlebensmittelfarten um je 100 Punkte erhöht werden. Die gesamte Fettstoffration bleibt unverändert bei 650 Gramm, 50 Gramm mehr als im Januar 1944. Mit Rücksicht auf die Vorräte wird die Butterzuteilung auf Kosten der Fett-/Delrationen erhöht. Auch die Kartoffelration bleibt mit 250 Gramm pro Tag noch unverändert. Die Lebensmittelkarte erhält jedoch vorläufig nur Coupons für 225 Gramm Kartoffeln pro Tag. Für die Differenz werden ab Januar jedoch zusätzliche Coupons für Brot in Kraft gesetzt.

Die Fleisch-Grundration der A-Karte ist auf 950 Punkte angesetzt. Sofern die Kälberschlachtungen in den nächsten Wochen den erwarteten Umfang erreichen, soll auch diese Grundration, wenn möglich, durch eine begrenzte Freigabe von zusätzlichen Coupons ergänzt werden. Eine Herabsetzung erfahren ferner die Rationen für Tafelschokolade, Confiserie und Bohnenkaffee, ebenso wie die Fleischration der Kinderlebensmittelfarten. Ab Januar 1945 erhalten die schwer arbeitenden Personen der 4. Zuteilungskategorie, sofern sie keine Selbstversorger sind, zusätzliche Zuteilungen.

Die Zuteilungen an die kollektiven Haushaltungen werden in Anpassung an die erschwerten Transportverhältnisse und die zum Teil herabgesetzten Rationen der Lebensmittelkarten ebenfalls gekürzt.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

Nacht ruhig

07:50 Uhr: Oberleutnant Tscharner teilt mit, dass er heute Morgen mit Hauptmann Gushe telefoniert hat. Er erhielt die Bestätigung, dass die Hüninger Bevölkerung in einigen Tagen von Frankreich übernommen wird.

08:30 Uhr: Regimentsarzt auf dem Kommandoposten (KP).

10:00 – 11:00 Uhr: Platzkommandant auf dem Kommandoposten (KP).

16:10 – 19:00 Uhr: Oberleutnant Tscharner und Hauptmann Gushe fahren zur Absprache nach Stein.


15. Dezember 1944

Der deutsche Gegenangriff im Elsass

Die deutschen Truppen setzen unter der Führung von General Weise einen heftigen Gegenangriff in den oberen Vogesen fort. Ziel ist es, die alliierten Streitkräfte, insbesondere die französischen Truppen unter General Delattre de Tassigny, zu durchbrechen. Die Deutschen haben es geschafft, an mehreren Stellen durch den alliierten Verteidigungsring zu stossen und dabei wichtige Nachschubstrassen zu bedrohen. Ein wesentlicher Teil dieser Offensive ist die Verwendung des neuen „Pather“-Panzers, eines 45-Tonnen-Panzers mit einem 88-Millimeter-Geschütz, der über den Rhein gebracht wurde.

Die deutsche Offensive wird von einer massiven Konzentration von Artilleriefeuer unterstützt, das sich auf die alliierten Stellungen von Schlettstadt im Norden bis nach Mülhausen im Süden richtet. Der erste Durchbruch erfolgt in den Höhenzügen entlang der Strasse Belfort-Mülhausen, was die alliierten Nachschubwege nach Mülhausen gefährdet. Gleichzeitig dringen die Deutschen am Nordende der „Tasche“ durch das gebirgige Gelände vor und erobern wichtige Stellungen, die die Strassenverbindungen zwischen Rappoltsweiler und Markirch kontrollieren. Dies hat das Ziel, die alliierten Versorgungswege weiter zu unterbrechen.

Die erste Phase der deutschen Offensive zeigt erste Erfolge. Die Lage wird für die Alliierten zunehmend gefährlich, doch diese reagieren schnell mit Gegenangriffen und einer Umgruppierung ihrer Truppen.

Fliegeralarm und Angriffe auf Lörrach

Kurz vor 17:00 Uhr, beschiesst die französische Artillerie erstmals die badische Grenzstadt Lörrach mit Granaten. Acht Granaten treffen das Fabrikgelände der Firma Koechlin, Baumgartner & Cie., und richten dort erheblichen Schaden an. Ein Arbeiter wird dabei getötet. Granaten, die mitten auf der Kreuzung Adolf-Hitler-Strasse/Grabenstrasse explodieren, beschädigen die Bäckerei Faller, die Hebel-Apotheke, ein Papierlager und das Warenhaus Glünkin erheblich. Der Sohn des Geschäftsinhabers von Glünkin wird auf der Strasse getötet.

 

Die Grabenstrasse in Lörrach nach dem Beschuss durch französische Artillerie am 15. Dezember 1944 - Foto zVg. von Familie Bornschier - Koloration Patrick Schlenker

Lörrach, Turmstrasse in den 1940er Jahren - Postkarte - Koloration Patrick Schlenker

Lage in der elsässischen Grenzgegend

In der elsässischen Grenzregion, insbesondere in der Umgebung von St-Louis, kehrt langsam wieder Normalität ein, da die Zivilbevölkerung zurückkehrt. Die Militärbehörden haben bestimmte Massnahmen ergriffen, um die deutschen Streitkräfte zu schwächen und die Infrastruktur zu kontrollieren. Ein grosser Teil der lokalen Infrastruktur wurde im Laufe der letzten Kämpfe zerstört.

Die Kämpfe entlang des Rheins und in den umliegenden Gebieten setzen sich fort. Besonders in der Region um Mülhausen gibt es weiterhin schwere Auseinandersetzungen, bei denen Maschinengewehrfeuer und Artilleriebeschuss an der Tagesordnung sind. Trotz der Zerstörungen arbeiten lokale Widerstandskräfte weiterhin gegen die deutschen Besatzungstruppen. In den kommenden Tagen ist mit weiteren schweren Gefechten zu rechnen.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

03:59 - 04:34 Uhr: Fliegeralarm. Luftraumverletzung vom Genfersee - Bern - Wiessenstein - Basel - Scheinwerfer der Armee im Einsatz.

Der Alarm wurde aufgrund eines vermuteten Luftangriffs ausgelöst, jedoch ohne dass feindliche Flugzeuge gesichtet wurden.

08:30 Uhr: Inspektion durch einen Offizier.

Ein Offizier fährt zur Inspektion, um die militärischen und organisatorischen Gegebenheiten vor Ort zu überprüfen.

15:00 Uhr: Besprechung betreffend zusätzlicher Weihnachtspakete des Kantons Basel-Stadt.
Es wird beschlossen, dass für 80 Mann zusätzliche Weihnachtspakete benötigt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Bezahlung für diese Pakete abgelehnt wird. Einige Damen verpflichten sich, bei der Zusammenstellung und Verpackung der zusätzlichen Pakete zu helfen.

Vorbereitungen auf die Soldatenweihnacht - Foto Staatsarchiv Basel - Frau mit Stapel Pakete - BSL 1060c 3/7/1111 - Foto Jeck, Lothar - Kolorieung Patrick Schlenker

18:00 - 19:25 Uhr: Rapport
Der Kommandant informiert, dass die Kdo.-Batterie 86 mit der Verschiebung begonnen hat und dass die HD-Büros 3, 4 und 7 nun dem Territorialkommando Basel zugeteilt werden.
Die Sanitätshilfestelle in Allschwil wird am 16. Dezember besichtigt. Die Ausbildung der HD- und FHD-Personalien in diesem Bereich wird den entsprechenden Ausbildungskursen zugeteilt.
Es wird bekannt gegeben, dass aufgrund von Diebstählen von Verpflegung durch Mannschaften der Beweglichen Kompanie BL1 in der MUBA noch Strafen zu besprechen sind.
Der Regimentsarzt berichtet, dass die Migranten in relativ gutem Zustand sind.
Das Inserat in den Tageszeitungen, das Gespräche über die Grenze betrifft, ist bei der Bevölkerung anscheinend nicht gut angekommen.

Soldatenweihnachten:
Die Weihnachtsfeiern für die Soldaten werden organisiert:

  • Die Feier des Infanterieregiments 5 findet am 21. Dezember 1944 statt.
  • Die Feier des Stabes des Territorialkommandos ist für den 20. Dezember angesetzt.
  • Die Feier des Flüchtlingskommandos findet am 22. Dezember statt.
  • Die Luftschutztruppen werden an der Feier am 21. Dezember teilnehmen.

Rückführung der Flüchtlinge aus Hüningen:
Die Rückführung der Flüchtlinge aus Hüningen verzögert sich, da die Antwort des Armeekorps noch aussteht. Es wird erwartet, dass noch einige Tage gewartet werden muss, bevor weitere Massnahmen ergriffen werden können.


16. Dezember 1944

Unklare Situation im Elsass

Die militärische Lage im Elsass ist weiterhin von Unsicherheit geprägt. Ein regelrechter Stellungskrieg hat sich entwickelt, in dem die Frontverläufe nur in kleinen Schritten verschoben werden. An einigen Stellen erzielen die amerikanischen Truppen lediglich wenige Meter Geländegewinne, während sie in anderen Bereichen komplett zum Stillstand kommen. Diese stagnierende Entwicklung wird durch den Einsatz deutscher Truppen sowie der Luftstreitkräfte der Alliierten zusätzlich erschwert.

Die jüngsten Gegenangriffe deutscher Truppen im Bereich der "Colmar Tasche“ haben zu erheblichen Störungen der französischen Nachschubwege geführt. Besonders betroffen ist die wichtige Strasse von Belfort nach Mülhausen, die einen wesentlichen Versorgungsweg für die Erste Französische Armee darstellt. Es ist derzeit unklar, ob die französischen und amerikanischen Streitkräfte den deutschen Vorstoss bereits erfolgreich zurückgeschlagen haben.

In der Zwischenzeit intensiviert sich die Artillerieaktivität auf beiden Seiten. Die französische Artillerie, die nach der Zerstörung des deutschen Brückenkopfs bei Kembs ruhte, beginnt erneut mit gezielten Schüssen auf die Gebiete von Mülhausen und Altkirch. Kurz darauf eröffnet auch die deutsche Artillerie aus dem Raum Mülhausen eine schwere Beschiessung elsässischen Gebiets. Die Intensität dieser Feuergefechte verschärft die ohnehin angespannten Frontverhältnisse.

An der Grenze zur Schweiz wird die Lage durch wiederholte Granateneinschläge und Minenangriffe weiter destabilisiert. In den umliegenden Ortschaften bleiben die Fronten angespannt, da die französischen und amerikanischen Truppen weiterhin mit starken deutschen Gegenangriffen konfrontiert sind.

Alliierter Gegenangriff 

Das Oberkommando der Alliierten meldet: Die Truppen der Ersten Französischen Armee haben einen erfolgreichen Gegenangriff gestartet. Diese Offensive richtet sich gegen die deutschen Truppen, die sich Tags zuvor aus der Tasche von Colmar ausgebrochen sind und vorübergehend zwei wichtige Nachschubstrassen der Alliierten im Nord- und Südteil der Region bedroht haben. Die französischen Truppen haben die deutschen Kräfte zurückgedrängt und die Kontrolle über die Höhen wiedergewonnen, die diese Strassen beherrschten. Der deutsche Vorstoss, der zunächst mit einigen Erfolgen begann, verliert zunehmend an Kraft. Nachdem die Alliierten ihre Versorgungslinien verteidigen konnten, haben die französischen und amerikanischen Truppen den deutschen Angriff gestoppt und sind selbst wieder in die Offensive gegangen. Sie dringen weiter vor und haben die Initiative zurückgewonnen.

Die deutsche Kriegsführung in dieser Region erweist sich als zunehmend ineffektiv. Die Alliierten haben die Oberhand gewonnen und setzen ihren Vorstoss fort, während die deutschen Truppen in ihren Stellungen verbleiben. Es wird vermutet, dass die Deutschen ihre Kräfte für einen möglichen Angriff auf die Siegfriedlinie schonen. Allerdings stehen sie einem massiven Widerstand gegenüber, da die Alliierten Truppen in der Region von Holland bis zur Schweizer Grenze die Überlegenheit behalten.

Tatsachenbericht aus dem grenznahen Deutschland

Die Luftangriffe und die daraus resultierenden Zerstörungen, die immer schlechter werdenden Wohnverhältnisse und die ständigen Evakuierungen haben zwar die gewohnte Weihnachtsstimmung in Deutschland stark beeinträchtigt, aber sie haben sie nicht vollständig verdrängt. Trotz der Entbehrungen und der kriegsbedingten Einschränkungen bleibt der Wille der Bevölkerung, sich auf Weihnachten vorzubereiten, ungebrochen.

Mit bemerkenswerter Ausdauer versuchen die Deutschen, das Beste aus der Situation zu machen. Viele Menschen, die durch den Krieg stark belastet sind, nehmen sich trotzdem die Zeit, um Geschenke zu organisieren. Inmitten des Chaos widmen sie Stunden ihrer ohnehin schon knappen Freizeit den Vorbereitungen für das Fest. Tauschgeschäfte auf dem Schwarzmarkt, das Basteln von Geschenken und das Organisieren in Tauschzentren sind gängige Methoden geworden, um wenigstens kleine Geschenke zu besorgen.

In den Tauschzentren, die inzwischen in jeder grösseren Stadt zu finden sind, gibt es eine bunte Mischung von Waren – von gebrauchten Möbeln und Kleidungsstücken bis hin zu Musikinstrumenten und alten Haushaltsgeräten. Der Tauschhandel ist mittlerweile zu einer Notwendigkeit geworden, da die üblichen Geschäfte kaum noch zugänglich sind. Manchmal entdeckt man sogar ein Schmuckstück oder eine alte Schreibmaschine, was in der heutigen Zeit ein wahres Fundstück ist. Die Dinge mögen alt und abgenutzt sein, aber angesichts der kriegsbedingten Mangelwirtschaft schätzen die Menschen diese Tauschgeschäfte mehr denn je.

Viele Deutschen nehmen diese einfachen, doch bedeutsamen Geschenke mit der gleichen Freude entgegen, wie man es einst mit den kostbaren Geschenken aus den Juweliergeschäften getan hätte. Auch wenn der Glanz vergangener Zeiten fehlt, bleibt die Hoffnung und der Wille, Weihnachten zu feiern, stark – als Symbol für den Widerstand gegen die widrigen Umstände des Krieges.

Ardennenoffensive geginnt

Die deutsche Ardennenoffensive, bei der im Morgengrauen 14 Infanterie-Divisionen und Panzer-Divisionen gegen nur vier US-Divisionen auf einer 100 km breiten Front vorrücken beginnt. Unterstützt von V-1-Geschossen überraschen die deutschen Truppen die US-Stellungen. Die US-Armee kann ihre überdehnte Front nicht halten und muss sich zurückziehen, wobei sie Waffen und Material zurücklässt. Die Offensive hat einfluss auf den weiteren Verlauf der Kämpfe im Elsass.

Aufruf an die baselstädtische Bevölkerung

Helft unseren elsässischen Grenznachbarn!

Hilfe für unsere Grenznachbarn gehört zu den ältesten und schönsten Traditionen unserer Stadt. Schon zur Zeit der Schlacht bei St. Jakob gewährte Basel den vom Kriegsgeschehen heimgesuchten Sundgauern Obdach und Hilfe. Von solcher Hilfe zeugt auch, weithin sichtbar, das Strassburger Denkmal auf dem Centralbahnplatz.

Heute sind die Elsässer wiederum vom Kriegsleid betroffen. Der Kanonendonner erinnert uns ständig an das, was unsere armen Grenznachbarn durchzumachen haben. Er mahnt uns aber auch an die Pflichten der durch ein glückliches Geschick Verschonten. Die Elsässer waren immer unsere guten Nachbarn, mit denen wir die besten Beziehungen gepflegt haben.

Gebt rasch und reichlich!

Die Not ist gross und erfordert dringend raschmöglichste Hilfe. Die Sammlung stellt eine Teilaktion der später einsetzenden Kollekte der Schweizerspende dar. Jeder Beitrag wird demgemäss als Teilleistung an die Schweizerspende betrachtet. Eine enge Zusammenarbeit des unterzeichneten Hilfskomitees (Postcheckkonto V 4117) mit der Aktion beider Basel der Schweizerspende und der Geschäftsstelle der Schweizerspende verbürgt eine wirksame Hilfe und eine gerechte Verteilung der eintreffenden Geldspenden.

Wir müssen helfen!

Im Namen des Basler Hilfskomitees für Mülhausen und Umgebung
(unter dem Patronat der Schweizerspende):

Regierungsrat Prof. Dr. C. Ludwig, Präsident

Basel

Um 05:00 Uhr inder Früh kommt es zu einem weiteren Schaden durch fremdländische Truppen am Nordquai 75, dem Gebäude des Rheinschiffahrtsamt des Kantons Basel-Stadt.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

05:45 - 06:45 Uhr: Inspektion der Küche und K3 des Ter. Kdo.

08:15 Uhr: Besprechung mit Feldprediger betreffend Soldatenweihnacht vom 20.12.44.

09:45 - 11:30 Uhr: Kdt auf KP.

10:00 - 10:30 Uhr: Platz-Kdt. auf KP.

10:45 Uhr: Kommission für die Flüchtlinge trifft in Basel ein.

11:02 - 12:07 Uhr: Fliegeralarm. 19 Flugzeuge vom Westen her über der Stadt.

15:10 - 16:30 Uhr: Fliegeralarm. 20 Flugzeuge über Basel, Weil, Effringen und Kembs. Schweres Artilleriefeuer aus Altkirch.

16:00 Uhr: Maj. Scheidegger besichtigt die Sanitätsstation der Gemeinde Allschwil in Neu-Allschwil. Sehr gut ausgestattete Station.


17. Dezember 1944

Schwere Artillerieduelle im Elsass und Luftangriffe

In der Nacht zum Sonntag werden viele Bewohner Basels durch heftiges Artilleriefeuer aus dem Schlaf gerissen. Zwischen 00:25 und 00:30 Uhr beschiessen deutsche Batterien – soweit dies in der Dunkelheit feststellbar ist – das linke Rheinufer auf der Höhe von Neudorf. Die Franzosen antworten etwa eine Stunde später mit einem konzentrierten Feuerschlag auf die Gegend zwischen dem Stauwehr und Istein. Die Mündungsfeuer sind im Hügelgelände zwischen Blotzheim und Bartenheim zu sehen. Die Einschläge verteilen sich auf verschiedene Stellen des genannten Gebietsstreifens. Nach zwölf Minuten verstummen die Geschütze plötzlich, und es ist nur noch, wie bereits zuvor, das gelegentliche Rattern einzelner Maschinengewehre am Rheinufer zu hören.

Die deutsche Artillerie antwortet und auch Minenwerfer kommen zum Einsatz. Auf beiden Seiten des Rheins sind Maschinengewehrsalven zu hören. Gegen 02:30 Uhr kehrt für eine Weile Ruhe ein, doch pünktlich um 08:00 Uhr setzt das Artilleriefeuer erneut ein. Auch am Nachmittag ist die französische Artillerie weiterhin aktiv und feuert auf verschiedene Ziele. Besonders in der Nähe von Mülhausen sind intensive Gefechte zu hören. Es scheint, dass die deutschen Truppen versuchen, vom Krieg gefährdete Gebiete schnell zu räumen. In der Umgebung von Basel sind während des gesamten Sonntagnachmittags lange Kolonnen von Pferdefuhrwerken zu beobachten, die mit Hausrat beladen sind, während sich die Zivilbevölkerung und Soldaten aus den gefährdeten Gebieten zurückziehen.

Gleichzeitig rollen militärische Lastwagen, die aus der „Burgunder Pforte“ kommen, in Richtung der Hauptstrassen im Elsass. Die Erste französische Armee scheint diese Bewegungen zu kontrollieren, vermutlich aufgrund der Notwendigkeit, den Nachschub umzuleiten.

Auch intensive Kämpfe auf der Strasse von Ditingen nach Leimen sind zu hören, bei denen vereinzelte deutsche Truppenteile versuchen, den französischen Nachschub zu stören. Trotz dieser vereinzelten Aktivitäten ist eine allgemeine Tendenz zum Rückzug der deutschen Truppen zu erkennen.

Später am Abend, um 22:03 Uhr, erschüttert eine gewaltige Explosion die Gegend um Weil am Rhein. Eine riesige Stichflamme geht auf, und der Luftdruck ist so stark, dass in Basel die Fenster klirren. An der Schulgasse 11 und an der Weiherhofstrasse 101 gehen Scheiben zu Bruch. 

Aktivität der Luftwaffe - Goldener Sonntag

In nur 24 Stunden kommt es heute an der Dreiländerecke zu sechs Fliegeralarmen. Der „Goldene Sonntag“ wird von einer bisher nie dagewesenen Aktivität der alliierten Luftwaffe überschattet, die das klare Dezemberwetter für Angriffe nutzt.

Kurz nach 07:00 Uhr überfliegt ein feindliches Flugzeug die Grenzregion bei Basel in west-östlicher Richtung, was in der badischen Nachbarschaft Fliegeralarm auslöst. Um 11:04 Uhr heulen auch in der nordschweizerischen Grenzregion die Sirenen, nachdem 19 Jagdbomber gesichtet worden sind. Wenig später sind schwere Detonationen im Norden zu hören, vermutlich das Resultat eines Luftangriffs. Eine Stunde später erscheinen zwei deutsche Aufklärungsflugzeuge im Raum Bartenheim-Blossheim und werden heftig beschossen. An der Johanniterstrasse 3 in Basel kommt es zu einem Gebäudeschaden durch herbfallende Granatsplitter.

Zur Mittagszeit überfliegt ein fremder Flugzeugverband mit zweimotorigen Bombern erneut das Grenzgebiet bei Basel. Es wird abermals Fliegeralarm ausgelöst, und unsere Fliegerabwehr tritt in Aktion. Auch hier gibt es auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt mehrere gemeldete Schäden durch Granatensplitter und Flakblindgänger. Dies an der Delsbergerallee 65, Falkensteinerstrasse 48, Farnsburgerstrasse 41, Neuensteinerstrasse 19, Sisgaustrasse 2 und an der Zürcherstrasse 85. Personen kommen keine zu Schaden. 

Beim Überflug werfen die Flugzeuge Gegenstände ab, die sich mehrfach in der Luft überschlagen, bevor sie den Boden erreichen. Es handelt sich um leere Benzintanks, die für Langstreckenflüge mitgeführt werden. Einige Tanks schlagen in der Gustloff-Strasse in der Wohnkolonie Otterbach ein, andere landen in den Langen Erlen, in der Gegend von Münchenstein und im oberen Baselbiet.

Fotografie, Liestal, Flab-Stellung beim Bahnhof Liestal - Kulturgüterportal Baselland - Inventarnummer D2.1105 - Fotograf StrübinTheodor - Fliegerabwehrstellung beim Bahnhof Liestal. Zwei Wehrmänner eines Flab-Detachements, , posieren an ihrem Geschütz. Es handelt sich um eine 20mm Flab-Kanone Modell 1938, wie sie von der Eidgenössischen Waffenfabrik hergestellt wurde. Die Soldaten tragen eine Arbeitsbluse 1940.

Um 13:10 Uhr erscheint ein weiterer schneller Kampfverband von zehn Flugzeugen, der die elsässische und badische Grenzgegend überfliegt und im hinteren Wiesental verschwindet. Einige heftige Detonationen sind später aus nördlicher Richtung zu hören, die vermutlich von einem Luftangriff herrühren.

Am Nachmittag tauchen gegen 15:10 Uhr etwa 20 Thunderbolt-Jäger im Gebiet von Efringen und Kembs auf. Eine Stunde später erscheinen weitere sechs Thunderbolts im Raum Burgfelden-Kembs-Weil, ohne jedoch Angriffe zu fliegen.

Um 15:59 Uhr ertönen die Sirenen erneut. Wieder tauchen fremde Flugzeuge im Alarmbereich auf, aber nach 46 Minuten wird Entwarnung gegeben. Wie aus Rheinfelden gemeldet wird, liessen diese über Badisch-Rheinfelden eine Anzahl kleiner Fallschirme niedergehen. Da keiner dieser Fallschirme auf Schweizer Boden landete, ist unklar, ob daran Propagandamaterial oder etwas anderes befestigt war.

Nach 18:00 Uhr erscheint in der Gegend von Laufenburg ein weiteres mehrmotoriges Flugzeug, und um 18:14 Uhr wird erneut Alarmbereitschaft in Basel und der nordwestschweizerischen Grenzregion ausgelöst.

Für kurze Zeit kehrt Ruhe ein, doch um 20:40 Uhr ist die Stille vorbei. Ein grosser Kampfverband erscheint, begleitet von Jägern, und greift rheinaufwärts an. Die deutschen Scheinwerferbatterien suchen die Bomber, während schwere Flakgranaten in den Himmel geschossen werden. Trotz des intensiven Beschusses setzt der Verband seine Mission fort.

Die Nacht ist geprägt von metallischem Dröhnen und weiteren Angriffswellen, die für die Bevölkerung der Region eine kaum erträgliche Belastung darstellen.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

09:26 - 10:07 Uhr: Fliegeralarm – 18 Flugzeuge von Schaffhausen über Basel in Richtung Pruntruterzipfel.

10:00 Uhr: Besprechung mit General Guisan betreffend Soldatenweihnacht vom 21.12.44.

11:00 Uhr: Rapport.

12:02 - 14:34 Uhr: 15 US-Jäger über Kleinhüningen. 16 (Boston) Bomber im Vorbeiflug. Abwurf von Zusatztanks in den Langen Erlen. 

15:59 - 16:45 Uhr: Fliegeralarm.

18:14 - 19:07 Uhr: Fliegeralarm.

22:43 - 23:56 Uhr: Fliegeralarm – starke Verbände im Rückflug von Ost nach West. Deutsche und Schweizer Fliegerabwehr im Einsatz. Scheinwerferbatterien aktiviert. Leuchtspurregen über St. Louis. Durchflug von über 1000 Flugzeugen innerhalb von 1 ½ Stunden. Angriff vermutlich auf Wien. (Anmerkung des Autors: Der grösste Bombenangriff des Abends fand auf Ulm statt. Zwischen 19:23 und 19:50 Uhr wurde das alte Ulm von ca. 300 britischen Lancaster-Bombern dem Erdboden gleichgemacht. Seit dieser schicksalhaften Stunde war in Ulm nichts mehr wie vorher. Über 80 Prozent der Altstadt lagen in Schutt und Asche, mehr als 700 Kinder, Frauen und Männer fanden bei der schwersten Bombardierung Ulms im Laufe des Zweiten Weltkriegs den Tod.)

Lancaster Bomber - Postkarte "Flight" Photograph - Kolorierung Patrick Schlenker


18. Dezember 1944

Keine Evakuierung von grenznahen deutschen Städten

Eine freiwillige Evakuierung der badischen Grenzlandbevölkerung ist nicht vorgesehen. Nach allen bisherigen Beobachtungen müsste vielmehr damit gerechnet werden, dass ein Befehl zur Zwangsräumung von vielen Anwohnern nicht befolgt würde. Stattdessen wäre eine Flucht auf Schweizer Boden eine wahrscheinliche Reaktion der Bevölkerung, wie dies Wochen zuvor schon viele Elässer gemacht haben.

Die Volksstürmer haben jedoch die Pflicht, unter allen Umständen sicherzustellen, dass gegebenenfalls die gesamten Viehbestände der bedrohten Landgemeinden abgeführt werden können.

Deutsches Minenwerfer- und Artilleriefeuer auf Hüningen

Um 08:30 Uhr, beginnen deutsche Minenwerfer im Raum Friedlingen-Weil am Rhein mit der Beschiessung von Hüningen. Während einer Viertelstunde gerät der Turm der protestantischen Kirche unter anhaltendes Feuer, wobei Granaten links und rechts des Gebäudes einschlagen. Um 09:25 Uhr wurde der Kirchturm getroffen. 

Nachdem das Minenwerferfeuer auf erhöhten Punkten in Hüningen, die eine Sicht auf die deutschen Stellungen und Bewegungen in der badischen Rheinebene ermöglichen, nicht ausreichend Wirkung zeigt, wird zusätzlich Artillerie eingesetzt. Zuerst richtet sich das Feuer gegen den rund 25 Meter hohen Kamin der Färberei Hüningen. Trotz 29 schweren Treffern stürzt der Kamin nicht ein.

Daraufhin zielen die Geschütze auf die protestantische Kirche am Rheinufer, in der Nähe des Kanaleingangs. Nach einigen Fehlschüssen trifft um 09:25 Uhr eine Granate den Turm, reisst dessen rechte Seite auf und bringt die Turmuhr zum Stillstand. Weitere schwere Treffer treffen den oberen Teil des Kirchturms, doch dieser bleibt stehen und kann wahrscheinlich nicht mehr als Beobachtungspunkt genutzt werden.

Zum Ende der etwa fünfundvierzigminütigen Beschiessung nehmen die Deutschen auch den Turm der neuen Kirche sowie den Wasserturm nahe der Rue de St-Louis ins Visier. Beide Gebäude erleiden mehrere schwere Treffer.

Deutscher Gegenangriff im Elsass

Die Deutschen setzen ihren Gegenangriff im Elsass und in den Vogesen mit Nachdruck fort. Die französischen Truppen sehen sich gezwungen, weiteres Gelände aufzugeben. Südlich von Strassburg fällt das Dorf Diebolsheim, das etwa 16 Kilometer östlich von Schlettstadt liegt, in deutsche Hände. Nordwestlich von Colmar müssen zwei Dörfer und eine Anhöhe geräumt werden.

Gleichzeitig gelingt es den Alliierten, auf dem Col du Bonhomme um 1.600 Meter vorzurücken und Kaisersberg unter Kontrolle zu bringen.

Muhlouse weiterhin Frontstadt

Trotz der Besetzung der sundgauischen Industriestadt Mülhausen durch die Erste Französische Armee seit mehreren Monaten bleibt die Stadt ein umkämpftes Kriegsgebiet. Die Frontlinie verläuft immer noch bis nahe an den Stadtrand, und die Zivilbevölkerung leidet weiterhin unter schweren Angriffen. Täglich werden deutsche Geschütze vom Südrand der sogenannten „Tasche von Colmar“ in die Stadt abgefeuert, was die Bedingungen für die Bewohner extrem erschwert. Auch die angrenzenden Städte und Dörfer wie Luttenbach, Pfastatt und Illzach, die im direkten Bereich der deutschen Artillerie liegen, haben erheblich unter den Bombardierungen gelitten.

Obwohl die französischen Truppen Thann erobert haben, ist es ihnen bislang nicht gelungen, die deutschen Kräfte vollständig aus dem strategisch wichtigen St. Amarin Tal zu vertreiben. Sie halten nach wie vor die Kontrolle über Sennheim, und die Frontlinie zieht sich entlang des Flusses Thur, weiter in die Ebenen bis nach Othmarsheim. Die strategisch bedeutsamen Höhenzüge, wie das Bergebiet Moltenrain, Hartmannsweilertopf und der Grosse Belchen, bleiben ebenfalls unter deutscher Kontrolle. Von hier aus können die deutschen Truppen die Strassenverbindungen, wie die Thann-Sennheim-Mülhausen Strecke, sowie wichtige Übergänge über die Doller und die Zufahrtsstrasse von Belfort nach Mülhausen, weiterhin gezielt unter Feuer nehmen.

In den vergangenen zwei Wochen haben die deutschen Artilleriebeschüsse von Mülhausen an die 280 Todesopfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Auch wenn in der Nähe der Schweizer Grenze am Montagnachmittag eine vorübergehende Ruhe eingekehrt war, intensivierten die französischen Streitkräfte ihre Angriffe auf die deutschen Stellungen. Besonders die französische Artillerie verstärkte die Beschiessung der deutschen Vorposten, wobei auch die Stadt Mülhausen wieder ins Visier genommen wurde. Trotz der intensiven Kämpfe bleibt die Region ein zentrales Schlachtfeld, auf dem sich die Frontlinien ständig verschieben.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

04:50 - 05:18 Uhr: Fliegeralarm.

11:00 Uhr: Meldung: HD Bew. Kp 9 BS hat KP bezogen.

11:00 - 11:50 Uhr: Rapport von Major Glatt mit den Offizieren der HD Bew. Kp. 9 BS.

Einrückungsbestand HD Bew. Kp. 9 BS:

  • 2 Offiziere
  • 22 Unteroffiziere
  • 146 Soldaten

Angabe der Bestandtruppen für die Weihnachtsgabe - Erfasst wurden die HD-Soldaten, die im Jahr 1944 insgesamt 200 Tage Dienst geleistet haben.

16:15 - 16:44 Uhr: Fliegeralarm.

16:40 Uhr: Die SBB meldet, dass um 16:48 ein Zug ohne weitere Angaben in Basel eintreffen wird. An Bord befinden sich 80–100 unbegleitete Kinder. Der Flüchtlings-Offizier und der Polizei-Offizier wurden alarmiert. Hauptmann von der Mühle ist bereits am Bahnhof und kümmert sich zusammen mit dem Roten Kreuz darum, dass die Kinder in Privatunterkünften untergebracht werden.

Flüchtlingskinder aus dem Elsass: Doppelporträt, zwei Mädchen in einem Tramwagen, mit Schildern um den Hals - Staatsarchiv Basel - BSL 1045i 1-3-1/8 - Foto Hoffmann, Basel - Kolorierung Patrick Schlenker

16:45 Uhr: Dr. Augustin erscheint auf dem KP. Es geht konkret um die Grenzübertrittsverordnung seitens der Schweizer Zöllner bezüglich Krankenbesuche im Sundgau. Major Debrunner erklärt auf Anfrage, dass er die Zollstellen Neuweiler und Allschwil II entsprechend informiert habe und Dr. Augustin die Grenze passieren dürfe.

Elsass – Ärztliche Hilfe im Sundgau

In verschiedenen Sundgaudörfern, darunter Neuweiler, Hagental und Volkensberg, äusserten Einwohner den Wunsch, dem Schweizer Arzt Dr. Augustin aus Allschwil für seine Betreuung von Patienten in diesem mit ärztlicher Hilfe nur spärlich versorgten Grenzgebiet zu danken.

Dr. Augustin setzt damit eine Tradition fort, die sein verstorbener Vater während eines halben Jahrhunderts aufgebaut hat. Besonders in der aktuellen Übergangszeit, die für die Sundgauer äusserst schwierig ist, leistet er eine unschätzbare Hilfe. Die sonst nächstgelegenen Ärzte aus St. Louis und Hüningen sind entweder unabkömmlich, abwesend oder stehen den westlich gelegenen Ortschaften gar nicht mehr zur Verfügung.

Dr. Augustin konnte durch seine rechtzeitigen und engagierten Einsätze mehrfach das Leben Schwererkrankter retten. Dies wurde uns von einem Vertreter des Roten Kreuzes bestätigt, das die Arbeit des Arztes nach Kräften durch die Beschaffung unverzichtbarer Medikamente unterstützt.

Gerne kommen wir dem Wunsch nach, Dr. Augustin in einer entsprechenden Pressenotiz unsere Anerkennung auszusprechen. Wir hoffen zudem, dass die verschärften Grenzsperren diese menschenfreundliche ärztliche Tätigkeit nicht behindern oder erschweren werden.


19. Dezember 1944

Deutschlands letztes Aufbäumen im Westen?

Über die Beweggründe der grossen deutschen Offensive im Westen berichtet der Berliner Korrespondent von Stockholms Tidningen Folgendes:

Für Beobachter sowohl innerhalb als auch ausserhalb Deutschlands stellt sich die Frage: Ist die deutsche Weihnachtsoffensive ein Akt der Verzweiflung oder ein ebenso kühner wie gut vorbereiteter Versuch, sich von der immer grösser werdenden Gefahr gegen das Eisen- und Kohlezentrum sowie die Kriegsindustrie im Ruhrgebiet zu befreien? Die zweite Erklärung scheint wahrscheinlicher.

Die Deutschen vertreten die Ansicht, dass es sich nicht lohnt, weiterhin passiv in Richtung Ruhrgebiet zu kämpfen. Frontal besitzen die Amerikaner die Übermacht, und die Deutschen haben zwischen Düren und Köln kaum mehr Aktionsraum. Wahrscheinlich sind die Alliierten an der Flanke und im Rücken angreifbarer als frontal. Das hängt damit zusammen, dass die zähe deutsche Verteidigung von Antwerpen und an der Schelde die Alliierten dazu zwingt, ihren Nachschub für die Armee nur provisorisch zu organisieren.

Alles hängt nun davon ab, ob die Deutschen über ausreichende Streitkräfte für eine echte operative Kraftprobe in jenem Abschnitt der Westfront verfügen, an dem die Alliierten für ihre nächste Grossoffensive aufmarschieren. Auf alliierter Seite vermutet man laut Berichten schwedischer Korrespondenten aus London und Washington, dass der deutsche Angriff darauf abzielt, einer grossangelegten Winteroffensive der Engländer und Amerikaner zuvorzukommen, damit diese nicht ihre volle Schlagkraft entfalten können.

Zu diesem Zweck setzen die Deutschen offenbar auch strategische Reserven ein. Alliierten Einschätzungen zufolge handelt es sich um den bislang grössten Kräfteeinsatz der Deutschen seit Beginn der alliierten Invasion in der Normandie. Die Presse zieht Vergleiche zur Ludendorff-Offensive von 1918, betont jedoch die Unterschiede: Während Ludendorff damals reale Siegeschancen hatte, stellt der aktuelle Vorstoss wohl den letzten gross angelegten Angriff dar, den das deutsche Oberkommando durchführen kann.

Foto - Panther Ausf. G – Der Houffalize-Panther - Der Panther mit der Turmnummer 111 (hier noch mit der falschen Nummer 401) war der 17. Panther dieses Typs, der die Werkstore der Daimler-Benz-Werke in Berlin verliess. Zunächst wurde er im Sommer 1944 im Panzerregiment 24 (I./Pz.Regt.24) in der Normandie eingesetzt und entkam Mitte August der Zerstörung im Kessel von Falaise. Im November 1944 wurde er dem Panzerregiment 16 (I./Pz.Regt.16) der 116. Panzerdivision zugeteilt. Zur Zerstörung des Panzers gibt es unterschiedliche Berichte. Eine Version besagt, dass der Fahrer beim Überqueren einer Brücke zu weit nach rechts fuhr und der Panther dadurch zur Seite kippte. Später wurde der Panzer als Denkmal für die Gefallenen in der Stadt Houffalize genutzt.

Alliierte Militärberater sehen die Offensive von Model zwar nicht als alarmierend an, erkennen aber die organisatorische Leistung der Deutschen an, die es Rundstedt ermöglicht, bereits vier Monate nach dem Zusammenbruch in Frankreich neue kampffähige Divisionen in grosser Anzahl bereitzustellen. Dennoch wird offen zugegeben, dass bedeutende deutsche Erfolge den Krieg verlängern und möglicherweise das ganze nächste Jahr andauern lassen könnten. Einige alliierte Beobachter halten es auch für möglich, dass diese Offensive der Auftakt zu einem deutschen Friedensvorstoss ist.

Auch St. Louis unter deutschem Geschützfeuer

Ähnlich wie am Gesternmorgen in Hüningen, als dort deutsche Geschosse einschlugen, geriet am späten Vormittag auch die Gegend um St. Louis, nahe der Schweizer Grenze, unter deutsches Geschützfeuer. Aufgrund der schlechten Wetterbedingungen konnte die genaue Wirkung des Beschusses jedoch nicht eindeutig beobachtet werden.

Am Dienstagvormittag, kurz vor 11:00 Uhr, tauchten in der grenznahen Region bei Bettingen fremde Flugzeuge auf. Dies führte dazu, dass um 10:56 Uhr in Basel sowie in den umliegenden, luftschutzbereiten Orten Fliegeralarm ausgelöst wurde. Der Alarm konnte jedoch nach 21 Minuten aufgehoben werden, da die fremden Flugzeuge weitergezogen waren. Es wurde festgestellt, dass sie das Grenzgebiet überflogen und sich in Richtung Kembs entfernt hatten.

Während der Dienstagmittagzeit wurden in der badischen Nachbarregion erneut Fliegeralarme ausgelöst. Um 14:17 Uhr heulten die Basler Sirenen erneut, nachdem einige fremde Flugzeuge erneut die Grenze überquerten und dann gegen Kembs verschwanden.

Zwangsräumung im oberbadischen Grenzgebiet

Im oberbadischen Grenzgebiet, das sich von Bruchsal bis Lörrach erstreckt, wurde, trotz anderlautenden Informationen der letzten Tage, die Zwangsräumung der Zivilbevölkerung eingeleitet. Der Abtransport erfolgt grösstenteils über Sonderzüge, wobei auch Güterwagen für die Rückführung durch das Höllental genutzt werden. Die evakuierten Bewohner werden in das Bodenseegebiet und nach Bayern gebracht. Im Grenzgebiet verbleiben dürfen nur Männer und Frauen mit kriegswichtigen Sonderaufgaben sowie Volkssturmmänner, die sich um die Versorgung der Viehbestände kümmern sollen.

Die NSDAP veröffentlichte einen dringenden Aufruf, wonach jeder verfügbare Raum für zurückgeführte Badenser freigemacht werden muss. Es gilt die Parole, dass Zusammenrücken um jeden Preis Vorrang hat. Diese Massnahme betrifft auch Angehörige der Wehrmacht aller Dienstgrade, die in Reserve-Stellungskommandos eingesetzt sind. Der Aufruf schliesst mit einer klaren Warnung: Funktionäre der NSDAP werden mit aller Härte durchgreifen, sollte ein Volksgenosse die Bereitstellung eines Quartiers verweigern. Auffällig ist, dass dieser wichtige Aufruf vom Gaupressedienst der NSDAP ohne Unterschrift veröffentlicht wurde – eine ungewöhnliche Abweichung, da solche Bekanntmachungen bislang üblicherweise von Gauleitern oder deren Stellvertretern unterzeichnet wurden.

Nachrichten aus Freiburg im Breisgau

Luftaufnahme des zerstörten Freiburg im Breisgau 1945 - Koloration Patrick Schlenker - Quellen Stadtarchiv Freiburg M 72 B 271 / USAAF National Archiv / The Nation Archiv GB

Ein Schweizer, der kürzlich aus Freiburg im Breisgau zurückkehrte, berichtete von den Auswirkungen der jüngsten Bombardierungen vom 27. November. Die Stadtteile Herdern und Stühlingen seien nahezu vollständig zerstört worden, während der Stadtteil Wiehre fast unversehrt blieb. Die Hauptbahn ist mittlerweile wieder in Betrieb, und die Höllentalbahn blieb unbeschädigt. Am Tag nach der Bombardierung spielten sich dennoch chaotische Szenen ab, da viele Menschen verzweifelt versuchten, die Stadt zu verlassen.

Der Münsterplatz wurde nahezu vollständig zerstört, mit Ausnahme des „Kaufhauses“. Die Universität wurde beschädigt, die Bibliothek blieb jedoch weitgehend unversehrt. Das Theater steht noch, ist allerdings ausgebrannt. Entgegen ersten Gerüchten, die von seinem Tod berichteten, überlebte Erzbischof Gröber den Angriff. Er veröffentlichte unmittelbar nach der Bombardierung ein Hirtenwort, in dem er erklärte, dass die Frage nach der Schuld für den Angriff der Geschichte überlassen werden solle.

Auslandschweizer Versorgung - Foto: Sie & Er Illustrierte Januar 1945 - Privatarchiv 

Die Versorgungslage in Freiburg hat sich mittlerweile stabilisiert, doch es mangelt weiterhin an Wasser, das die Bewohner vom Schlossberg holen müssen, wo gefasste Quellen zugänglich sind. Zur Abdichtung der beschädigten Häuser, deren Türen und Fenster meist fehlen, wird ein neues Material namens „Rollglas“ verwendet. Dieses Material besteht aus Draht und einer sogenannten Rodiomasse. Es ist biegsam und kann einfach an die Fensterrahmen angenagelt werden.

Trotz der Zerstörung sind die meisten Fabriken in der Region noch intakt. Darunter befindet sich auch eine grosse chemische Fabrik, die synthetische Stoffe und das erwähnte Rollglas herstellt.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

10:15 Uhr: Platzkommandant auf Kommando-Posten.

10:50–11:17 Uhr: Fliegeralarm.

14:10 Uhr: Meldung über das Einrücken von 47 Mann der HD Bewachungs Kp. 23.

14:18–14:48 Uhr: Fliegeralarm. Zahlreiche Flugzeuge über Basel Richtung Allschwil - Lörrach. 

Wenig Gefechtstätigkeit an der Grenze.


20. Dezember 1944

Weihnachtem im befreiten Elsass

Nach fünf Jahren Kriegsweihnachten feiert Frankreich im Jahr 1944 zum ersten Mal wieder Weihnachten in Freiheit. Auch wenn die Schrecken der Besatzung beendet sind, ist es keine ungetrübte Festzeit: Frankreich ist durch die vier Jahre der deutschen Besetzung wirtschaftlich geschwächt, und viele Kinder leiden unter Armut und Unterernährung. In zahlreichen Haushalten werden die traditionellen Sabots (Holzschuhe), die als Geschenkträger für den Père Noël dienen, leer bleiben. Dennoch bedeutet diese Weihnacht viel für die Franzosen, da sie ein Symbol für die Rückkehr der Freiheit ist.

Das Land schöpft Hoffnung aus dem Ende der Besatzung, das vor allem von den Kindern als Befreiung von Angst erlebt wird: Statt des bedrohlichen Marschierens der Besatzungstruppen lauschen sie nun in der Weihnachtsnacht auf das Kommen des Père Noël. Trotz der Not wird die Bedeutung dieses Moments auch von anderen Ländern wie Holland, Dänemark und Norwegen erkannt, die Frankreich um diese erste Weihnacht in Freiheit beneiden.

Während die Franzosen selbst die Festtage mit Zurückhaltung und bescheidenen Mitteln feiern, bleibt der Optimismus spürbar. In Kirchen und Gemeinden finden Feiern statt, die nicht nur die Befreiung, sondern auch die Solidarität und den Zusammenhalt des Landes betonen. Dieser Geist von Weihnachten ist für viele ein Hoffnungsschimmer auf eine bessere Zukunft.

So wird Weihnachten 1944 in Frankreich zu einem Wendepunkt: Es ist nicht nur ein Fest der Rückkehr zu religiösen und kulturellen Traditionen, sondern auch ein Moment der Besinnung auf die Errungenschaften des vergangenen Jahres und des Glaubens an eine baldige Erholung des Landes – trotz aller wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen.

Schadenfeuer in Hüningen

Am Nachmittag herrscht im elsässisch-badischen Grenzgebiet mit Ausnahme vereinzelter Maschinengewehrsalven, die über den Rhein gewechselt werden, weitgehend Ruhe. Nach Einbruch der Dunkelheit beginnt jedoch eine ungewöhnliche Aktion: Hinter Burgfelden auf der französischen Seite schiessen die Franzosen mehr als eine Stunde lang verschiedenfarbige Leuchtraketen in unregelmässigen Abständen in den Himmel. Der Sinn und Zweck dieser Signalaktionen bleibt auf deutscher Seite unklar.

Gegen 19:00 Uhr eröffnet ein deutsches Maschinengewehr von der Schusterinsel aus plötzlich das Feuer. Das Ziel des Angriffs ist von den Beobachtern auf der deutschen Seite nicht erkennbar. Kurz darauf bricht jedoch im zweiten Haus rechts des Hüninger Kanalausgangs ein Feuer aus. Die Flammen breiten sich rasch auf das gesamte Gebäude aus und setzen die gesamte Liegenschaft in Brand.

Während das Haus vollständig in Flammen steht, rücken zwei französische Feuerwehrautos an, um den Brand zu bekämpfen. Doch ein deutsches Maschinengewehr nimmt den Brandplatz unter ununterbrochenen Beschuss. Trotz dieser gefährlichen Bedingungen versuchen die Feuerwehrleute zunächst, ihre Arbeit fortzusetzen, doch die Angriffe zwingen sie, die Löscharbeiten einzustellen.

Die genauen Umstände, die zu diesem Vorfall führen, sowie die Gründe für das Feuer bleiben unklar. Die Ereignisse verdeutlichen jedoch die gespannte Lage an der Grenze und die ständige Gefahr für Menschen und Infrastruktur in dieser Region.

Wehrmachtsbericht

Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) gibt am heutigen Mittwochmittag bekannt:

„An der gesamten Angriffsfront im Westen schliessen unsere Armeen weiter auf, räumen einen Grossteil der noch hinter der Front verbliebenen feindlichen Stützpunkte auf und treiben die Angriffskeile voran. Dabei kommt es an vielen Stellen zu Kämpfen mit eilends herangezogenen feindlichen Einheiten, die sofort in den Kampf geworfen wurden. Nach bisher vorliegenden Meldungen wurden über 10.000 feindliche Soldaten gefangen genommen, 200 Panzer vernichtet oder erbeutet und 124 Flugzeuge abgeschossen.

Im Kampfgebiet um Aachen und an der Saar hat der Druck der Nordamerikaner merklich nachgelassen. Im Raum Bitsch, nordwestlich von Weissenburg, und am Westwall östlich davon setzt der Feind jedoch verlustreiche Angriffe gegen unsere Westbefestigungen fort.

Im Oberelsass stehen unsere Truppen in heftigen Kämpfen. Insgesamt wurden an der Front in Elsass-Lothringen gestern 37 feindliche Panzer vernichtet.

Durch den Einsatz von Seemitteln der Kriegsmarine wurde vor der Insel Walcheren ein feindlicher Zerstörer versenkt.

Die Städte London, Lüttich und Antwerpen lagen erneut unter starkem Beschuss durch unsere Fernkampfwaffen.“

Schweizer Rotkreuzambulanz holt Auslandschweizer aus Freiburg i.B. zurück

Die Basler Sektion des Schweizerischen Roten Kreuzes schickt ein Ambulanzfahrzeug nach Freiburg im Breisgau, um hochbetagte Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Sicherheit zu bringen. Der modern ausgestattete Ambulanzwagen nimmt 17 Bewohnerinnen und Bewohner des Altersheims des Schweizerischen Hilfsvereins in Freiburg auf und bringt sie sicher nach Basel.

Die jüngste Bombardierung Freiburgs fordert unter den Mitgliedern der Schweizerkolonie zwei Todesopfer und macht viele obdachlos. Die Kolonie wird, soweit sie nicht bereits evakuiert ist, von der Zerstörung stark in Mitleidenschaft gezogen.

In Basel finden die Rückkehrenden zunächst Unterkunft im Hedwigsheim, einer Einrichtung der Basler Sektion des Schweizerischen Roten Kreuzes. Personen, die eine medizinische Betreuung oder Erholung benötigen, werden vorübergehend im Bürgerspital untergebracht. Diese Rettungsaktion verdeutlicht die enge Verbundenheit der Schweiz mit ihren Landsleuten im Ausland, besonders in schwierigen Zeiten.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

Nacht ruhig.

10:00 Uhr: Rapport des Infanterieregiments 5

14:00 Uhr: Besichtigung des Flüchtlingslagers MUBA

Die im Dienst stehenden Soldaten erhalten ihr Soldatenpäckli. Alle anderen bekommen dieses von der Regierung an der Soldatenweihnacht überreicht.

19:00 Uhr: Beginn Soldatenweihacht Territorial Kommando Basel-Stadt im Sans-Souci in Neu-Allschwil.


21. Dezember 1944

Die deutschen Barrikaden entlang der Schweizergrenze

Die deutschen Behörden errichten entlang der gesamten Schweizer Nordgrenze Barrikaden oder treffen entsprechende Vorbereitungen. Besonders an Grenzübergängen wie bei Konstanz, Stühlingen-Oberwiesen und an der Hallauerbrücke in Stühlingen werden starke Panzerbarrikaden aufgestellt. Jenseits der Wutachbrücke rammen Arbeiter massive Holzpflöcke in den Boden, und schwere Querbalken liegen bereit, um bei Bedarf die Strassen sofort zu blockieren.

Die Massnahmen lösen zahlreiche Spekulationen aus. Im badischen Grenzgebiet kursieren Gerüchte, dass die Schweiz politisch nach links geschwenkt sei und bolschewistisch regiert werde. Angeblich erhalten die Russen, Amerikaner und Engländer freien Durchmarsch, um Deutschland von Süden her anzugreifen. Tatsächlich scheinen die Barrikaden jedoch ein Versuch zu sein, die wachsende Angst der süddeutschen Bevölkerung zu mildern. Zugleich dienen sie offenbar der Kontrolle möglicher Flüchtlingsströme, die beim Vormarsch der Alliierten einsetzen könnten, um zu verhindern, dass diese ungehindert in die Schweiz gelangen.

Evakuierungen und Transporte: Die Wutachtalbahn wird intensiv für Evakuierungstransporte genutzt. Züge bringen Menschen aus dem Oberrheingebiet in sicherere Regionen. Auch schwere, doppelachsige Lastwagen sind unterwegs, vor allem Richtung Allgäu und in die Bodenseeregion. Diese Transporte verdeutlichen die angespannte Lage im Grenzgebiet.

Das Leben in Konstanz

Eine Frau aus Kreuzlingen berichtet von einem Besuch bei ihrer verheirateten Tochter in Konstanz. Sie beschreibt eine bedrückende Atmosphäre in der Stadt:

„Die Strassen sind überfüllt. Überall sehe ich Fremde – Franzosen, Italiener, Polen und Russen. Sie bewegen sich frei, besonders sonntags, wenn sie ihre Landsleute treffen dürfen. Einige Gaststätten sind komplett für sie reserviert. Dort kochen sie ihre eigenen Gerichte, singen, essen und feiern nach ihrer Art. Das wirkt unheimlich. Ach, wenn der Krieg doch nur endlich vorbei wäre!“

Dieses Stossgebet scheint die Gedanken vieler Menschen zu spiegeln und bleibt das Hauptthema in Gesprächen der Region.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

Mitteilung: Das Bürgerspital meldet die Einlieferung eines verletzten Mitglieds der Forces Françaises de l’Intérieur (FFI). Es erfolgt eine Anfrage an das Territorialkommando, ob der FFI-Angehörige als Soldat zu behandeln ist. Major Burckhardt antwortet: Die Person ist als Militärperson anzusehen und entsprechend zu behandeln.

16:00 Uhr: Versammlung der Bewachungskompanien KP 1 BL und KP 9 BS.

17:40 Uhr: Abmarsch der beiden Detachements unter der Führung von Hauptmann Rappred zur Weihnachtsfeier des Infanterie Regiments 5 auf dem Münsterplatz.

18:00 Uhr: Beginn der Weihnachtsfeier für die Soldaten in Anwesenheit des Generals und der Basler Regierung.

19:15 Uhr: Vorbeimarsch der Truppen vor dem General auf dem Marktplatz.

Die Weihnachtsfeier auf dem Münsterplatz in Basel

Soldatenweihnacht: Soldaten auf einem Platz - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/505 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker

Es gibt keinen Moment im Jahr, in dem wir die Gnade, vom Krieg verschont zu bleiben, so intensiv empfinden wie an Weihnachten. Während draussen in den Kriegsgebieten die Menschen sich gegenseitig töten und zerfleischen, während Städte mit alten Kulturen in Staub und Asche versinken und Tausende von unschuldigen Menschen begraben werden, dürfen wir heute, im sechsten Jahr des Krieges, wieder das Fest der Liebe feiern.

Soldatenweihnacht: Soldaten um Weihnachtsbaum auf dem Münsterplatz - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/98 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker

Für Basel ist dieses Fest mit einem tief empfundenen Dank verbunden: nicht nur für die Bewahrung unseres Landes vor all dem Entsetzlichen, sondern auch für unsere Armee, die, obwohl wir ständig das Geräusch von Flieger- und Kanonenschlägen hören, an unserer Grenze treue Wacht hält – Deutsche, Schweizer und Welsche, so wie es der General befohlen hat. Aus diesem Grund ist auch die Soldatenweihnachtsfeier auf dem Münsterplatz, die durch die Anwesenheit von General Guisan besonders wird, ein ergreifender Moment.

Die Truppen marschieren auf dem Platz auf – in Stahlhelm und Mantel, in Fünfzigerreihen, ein Volk in Waffen, das sich auf diesem historischen Platz in Basel als Symbol der Wehrhaftigkeit versammelt. Der mächtige Weihnachtsbaum ragt weit über die Dächer hinaus, seine Lichterketten leuchten bis zur Spitze. Der Baum ist umgeben von Fahnen, und die Rednertribüne ist bereitet. Das Glockengeläute beginnt, und die Feier nimmt ihren Lauf.

Soldatenweihnacht mit General GuisanFoto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1013 1-27 2  (Foto Hans Bertolf) - Kolorierung Patrick Schlenker

Auf dem Podium in den einladenden Winkeln des Rollerhofs steht in Fackelbeleuchtung die Regimentsmusik, flankiert von den Basler Militärtambouren. Als Oberst Guisan den Befehl gibt, erstarren die Reihen in Achtungstellung. Die Basler Tambouren beginnen mit ihren mächtigen Trommeln, begleitet von der Musik, den Wettstein-Marsch zu spielen.

Soldatenweihnacht: General Guisan am Rednerpult auf dem Münsterplatz - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/506 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker

Der General tritt vor die Fahnen, deren rote Farben vom Licht des Weihnachtsbaums erleuchtet werden. Er grüsst die Fahnen, die sich ihrerseits senken, um ihm zu huldigen. Dann steigt er zur Rednerkanzel, um eine kurze, prägnante Weihnachtsansprache zu halten, die wir an anderer Stelle bereits im Wortlaut wiedergegeben haben.

„Stille Nacht, Heilige Nacht“, gespielt vom Regimentsorchester, erklingt über den Platz. Der Regimentskommandant meldet dem General das Ende der Feier, und die Glocken des Münsters beginnen erneut, den Platz zu erfüllen.

Soldatenweihnacht: Soldaten um Weihnachtsbaum auf dem Münsterplatz - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/97 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker

Das Defilee

Nach der bewegenden Weihnachtsfeier auf dem Münsterplatz begeben sich die Ehrengäste durch das Rathaus hinunter zum Marktplatz, der bereits von einer erwartungsvollen Menschenmenge besetzt ist. Auch die Fenster und Balkone rund um den Platz sind überfüllt. Gegenüber dem Rathaus hat das Spiel und die Basler Tambouren Aufstellung genommen. Auf einem Podium vor dem mittleren Rathausportal steht der General im Vordergrund, hinter ihm die Basler Regierung, der Grossratspräsident und die Basler Vertreter in der Bundesversammlung, umgeben von Offizieren im Scheinwerferlicht.

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Soldatenweihnacht des Infanterie Regiments 5 mit General Guisan in der Freien Strasse - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 9864 (Fotoarchiv Wolf) - Kolorierung Patrick Schlenker

Nun beginnt das Defilee: Abteilung für Abteilung marschieren die Soldaten im flüssigen Marsch an den Ehrengästen vorbei, die Augen streng auf den General gerichtet, der mit einem leisen Nicken die Marschierenden grüsst. Angeführt werden die Abteilungen von den Kommandanten, gefolgt von der Fahnenwache. Ein wehrhaftes Schweizervolk zieht vorüber, bis das Defilee, der letzte Akt der feierlichen Weihnachtsveranstaltung, zu Ende geht. Für alle, die daran teilnehmen durften, wird diese Feier der sechsten Kriegsweihnacht in Basel unvergesslich bleiben.

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Soldatenweihnacht: Militärparade vor General Guisan - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/96 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker

Am Ende des Defilees marschieren auch der Basler Luftschutz, Männer und Frauen, in strammer Ordnung. Das leise Wogen der Stahlhelme verschwimmt schliesslich im Halbdunkel des nächtlichen Platzes.

Der Abschied des Generals

Langsam bahnt sich der General mit seiner Begleitung einen Weg durch die jubelnde Menge. Nach dem Abendessen im Schloss und einem traditionellen Ständchen von Musik und Basler Tambouren erklärt Oberstkorpskommandant Miescher, dass das Fundament der Armee der einfache Soldat sei, der seine Pflicht erfüllt. Der General, sichtlich bewegt, bekennt, dass er sich in Basel wohl und wie im Familienkreis fühle. Wir aber dürfen uns freuen, dass der Oberbefehlshaber unserer Armee den Gedanken der Einheit des Schweizervolkes in so natürlicher und volksverbundener Weise verkörpert.

Diese Weihnachtsfeier, inmitten des Krieges, gibt den Menschen in Basel und der Schweiz neue Kraft und Zuversicht.

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Soldatenweihnacht: Militär-Tambouren und Fackelträger auf dem Münsterplatz - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/987 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker


22. Dezember 1944

Wetterwechsel und erneute Aktivitäten in der Dreiländerecke

Im laufe des Tages lichtet sich der Hochnebel, und der endlos blaue Himmel kommt endlich wieder zum Vorschein. Doch mit der fast vollkommenen Ruhe in der Dreiländerecke ist es damit vorbei. Die Tätigkeit der Artillerie und der Luftwaffe nimmt wieder zu. Nach mehreren Tagen schlechter Sicht ist es erstmals seit Montag wieder möglich, grössere Gebiete jenseits der Landesgrenze zu überblicken. Zuvor war es unmöglich gewesen, selbst Vorgänge im Umkreis von zwei bis drei Kilometern zu verfolgen.

Evakuierung und militärische Aktivitäten in Hüningen

In Hüningen wird erneut ein Teil der Stadt evakuiert. Auf den Strassen zwischen Hüningen und St. Louis herrscht reger Verkehr, jedoch ohne unmittelbare militärische Präsenz. Zahlreiche Fuhrwerke und Handwagen, beladen mit Hausrat, bewegen sich Richtung St. Louis. Bereits in den Tagen zuvor waren einzelne Häuser geräumt worden, doch nun wird der gesamte Bereich Hüningens evakuiert, der durch deutsches Maschinengewehrfeuer gefährdet ist. Besonders betroffen sind die Wohnhäuser entlang des Rheins. Die Bewohner werden mit ihren Habseligkeiten nach St. Louis gebracht, von wo aus ein Weitertransport geplant ist. Allerdings handelt es sich nicht um eine vollständige Räumung, da weiterhin viele Einwohner in der Stadt verbleiben. Um die Sicherheit zu gewährleisten, werden Massnahmen ergriffen, um den Zugang zu den gefährdeten Zonen zu kontrollieren.

Maschinengewehrfeuer und Flugbewegungen

Gegen 14:00 Uhr ertönt jenseits der Grenze heftiges Maschinengewehrfeuer, als die Angestellten der Reedereien ihre Arbeitsplätze aufsuchen. Die Franzosen antworten mit ihren automatischen Waffen, deren helleres Geräusch deutlich zu hören ist. Am Himmel sind zunächst nur die Geräusche von Flugzeugen wahrnehmbar. Kurz darauf tauchen zehn Maschinen aus der Richtung Altkirch auf und fliegen ins Wiesental. Sie passieren den Luftraum unbehelligt von der Flugabwehr und verschwinden hinter dem Tüllinger Hügel. Kurz nach 15:00 Uhr später kehren sie mit zwölf Maschinen zurück, offenbar Thunderbolt-Jäger. Eine Maschine trennt sich von der Gruppe und erkundet das Gebiet zwischen Istein und dem Kandertal, bevor sie sich wieder anschliesst.

Artillerieaktivitäten

Gegen 16:00 Uhr sind im badischen Hinterland einige Schüsse zu hören, die Rauch- und Staubwolken bei Neudorf aufwirbeln. Offensichtlich handelt es sich um gezielte Angriffe. Westlich von Blotzheim wird intensiver geschossen, offenbar auf Ziele nördlich des Isteiner Klotzes. Das Gebiet wird weiterhin von deutschen Truppen gehalten. Gegen 17:00 Uhr tritt nach den üblichen Abschiedssalven eine mehrstündige Ruhepause ein.

Gesundheitswesen: Mann mit eingeschientem Arm, in einem Spitalzimmer sitzend, daneben eine Krankenschwester - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/1/4608 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

05:43 - 06:19 Uhr: Fliegeralarm - ein fremdes Flugzeug, aus der Gegend von Belfort kommend, fliegt rheinaufwärts.

Abgabe der von der Regierung des Kantons Basel-Stadt gestifteten Soldatenpäckli an die verschiedenen Spitäler.

Diverse Anfragen betreffend Einladung von bedürftigen Soldaten oder Abgabe von Päckli an diese. Wurde vom Inf. Rgt. 5 zugestimmt.

15:15 Uhr - 16:01 Uhr: Fliegeralarm - 12 Flugzeuge kreisen über Altkirch - Kembs - Weil

20:00 Uhr: Weihnachtsfeier für die Flüchtlinge in der MUBA - 23:10 Uhr


23. Dezember 1944

Gefechte in der Grenzregion

Von der Grenza aus kann man eine Anzahl Kriegsgefangener, die mit Schaufeln und Spaten zur Errichtung von Befestigungsanlagen auszogen beobachten. Ähnliche Schanzarbeiten werden auch in der Gegend zwischen Badisch-Rheinfelden und Sädingen ausgeführt. 

Deutsche Zivilisten bei Schanzarbeiten an der Grenze zur Schweiz und Frankreich Ende Dezember 1944 - Foto Privatarchiv

Der General bei den Flieger und Flab-Truppen im Reduit

Am Abend nimmt der General an einer Weihnachtsfeier auf einem Flugplatz im Réduit teil. Feldprediger beider Konfessionen wenden sich an die Truppen, worauf der General eine Ansprache hält, in der er zunächst auf die besondere Aufgabe und Leistung der Flieger- und Flabtruppen hinweist. Dann spricht er zur gesamten Armee und sagt: „Für viele hat dieses Jahr im Vergleich zu anderen Jahren längere Dienstzeiten gebracht, nicht aber in demselben Masse für alle. Es gibt in der Armee, wie Sie wissen, wegen der Verschiedenheit der Waffengattungen keine Möglichkeit, alle Dienstleistungen auszugleichen. Für viele waren deshalb die Anforderungen ungleich grösser. Zu den Anstrengungen und Opfern kommen für alle noch die Sorgen für die Zukunft.“

Die Weihnachtszeit mahnt zur Einkehr und Besinnung. Für kurze Zeit sollen die Schwierigkeiten des Augenblicks vergessen werden, um die Lage im Allgemeinen zu betrachten.

„Das Wichtigste ist unsere Freiheit, die noch unberührt ist, und unsere unverlegte Heimat in einem vom Kriegsbrand verwüsteten Europa. Weder Ermüdung noch Sorglosigkeit dürfen uns befallen. Wir dürfen uns nicht einreden, dass unser bisher einzigartiges Schicksal dem Land gewissermassen auch für alle Zukunft zugesichert sei. Dankbarkeit soll uns erfüllen gegenüber dem Schutz Gottes, der uns in so reichem Masse beigestanden hat.“

Es ist allgemein bekannt, dass die Massnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit des Landes notwendig sind. Doch die Frage bleibt: Sind wir immer bereit, uns persönlich dafür einzusetzen? Sind wir nicht manchmal versucht, unseren eigenen Pflichten auszuweichen und andere die ganze Belastung der Mobilisation tragen zu lassen? Fast alle wissen übrigens, dass auch wir nur durch Solidarität im Zivilleben wie im Militärdienst zum Ziel kommen können. Leider gibt es immer noch solche, die dies nicht begreifen. Wie jene, die sich für unbedeutende Gründe ein Arztzeugnis ausstellen lassen, in der Hoffnung, am Einrückungstag ihrer Einheit entlassen zu werden, oder solche, die ohne besondere Notwendigkeit zum Nachteil ihrer Kameraden ihren Urlaub ausdehnen. Ferner gibt es Arbeitgeber, die beim Einstellen neuer Arbeitskräfte Leuten den Vorzug geben, die keinen Militärdienst leisten. Ich will gerne glauben, dass dies Ausnahmen sind. Diesen können viele schöne Beispiele von Opfersinn und Solidarität entgegengestellt werden.

Wir lieben es, von unserer Heimat als dem Land freier Männer zu sprechen, für das wir, wenn nötig, das Leben einsetzen. Worin besteht eigentlich diese Freiheit? In einer Gesinnung, die dankbar und gläubig gegen Gott, gerecht und hilfsbereit gegenüber den Mitmenschen und hart gegenüber sich selbst sein soll.

Gedanken zum Ende des Jahres 1944

Es sieht so aus, als ob der geplagten Welt ausgerechnet zu Weihnachten „die grösste und erbittertste Schlacht an der Westfront“ beschert werden sollte. Die deutsche oberste Heeresleitung will ihrem Volk ein Weihnachtsgeschenk präsentieren, um die Stimmung zu heben; als zeitgemässestes Weihnachtsgeschenk betrachtet sie offenbar – denn was könnte eine Heeresleitung anderes schenken? – die Ankündigung, dass so und so viele Soldaten der Feindesseite gefangen wurden oder gefallen seien, so und so viele Landstriche zerstört, Flugzeuge abgeschossen seien und was dergleichen unsere Zivilisation charakterisierende Erfolge sonst noch sind.

Irgendwo lasen wir in diesem Zusammenhang, dass an den vier Weihnachtsfeiern, die die Pariser unter deutscher Besetzung verbrachten, das deutsche Stadtkommando in der grossen Halle eines Pariser Bahnhofs einen riesigen Weihnachtsbaum aufstellen liess. Dieser Appell an die Sentimentalität habe jedoch bei der Pariser Bevölkerung gegenteilige Wirkungen ausgelöst. Nach der Befreiung versprach die neue Pariser Regierung den Bewohnern, dass jede Familie zu Weihnachten einen halben Zentner Kohle erhalten sollte, da bisher überhaupt keine Brennstoffzuteilung erfolgt war. Doch dieses Geschenk scheint wegen Transportschwierigkeiten ausgeblieben zu sein.

Dies wären also Dinge und Ereignisse, die die allgemeine Atmosphäre der sechsten Kriegsweihnacht charakterisieren. Gewalt, Not und Elend, Hunger und Kälte haben das Wort. In einer der vielen Rezensionen, die jetzt überall über die zum Jahresende massenhaft erschienene schöne Literatur zu lesen sind, fanden wir kürzlich die Bemerkung, einer Verfasserin irgendeines Romans sei es gelungen, uns in einer Wirklichkeit zu fangen, die nur dadurch phantastisch wirkt, dass sie „wirklicher ist als unsere faktische Wirklichkeit“. Was mit dieser Empfehlung gemeint sein soll, habe ich zwar nicht verstanden, aber das wäre allerdings das Schönste, wenn wir uns schon durch das Lesen eines Romans eine andere Wirklichkeit beschaffen könnten – eine, die sogar noch „wirklicher“ ist als die „faktische Wirklichkeit“.

Nur rücksichtslose Wahrheit kann uns jene Ausgangsposition verschaffen, von der aus es wieder aufwärts gehen könnte.

Es scheint, als ob in einer brutalen Welt heute Propaganda betrieben wird, um sie als menschlich darzustellen. Ein Eid, schwer von der Zersetzung, wird uns auferlegt, während dieser Krieg meine Gedanken resultieren lässt in Misstrauen. Stolz zerbricht, und doch strebt man danach, wieder aufzubauen.

Ein geistiges Aufbäumen, auch ein Ergreifen von Lösungen, wäre dringend notwendig. Von einem Kaufmann, dessen Geschäft in Schwierigkeiten geraten ist, verlangt man auch zuerst, dass er eine wahrheitsgemässe Bilanz aufstelle.

Der verstorbene Anglist, Professor Berhard Fehr (18.2.1876 Basel, † 30.5.1938 Zürich), hat ein Buch mit dem Titel „Von Englands geistigen Beständen“ hinterlassen. Wie steht es mit den „geistigen Beständen“ unseres eigenen Volkes? Dem Einwand, dass in einer Welt, in der heute die brutale Macht so ausschliesslich regiert, alles Geistige belanglos werde, kann entgegnet werden, dass gerade in diesem Krieg auch die grosse Bedeutung dessen, was man heute „Ideologien“ nennt, deutlich geworden ist. Bei der Propaganda, die eine so ungeheure Macht darstellt, ist zwar oft nicht mehr viel „Geist“ vorhanden, aber sie sucht jedenfalls, auf die „geistigen Bestände“ der Menschen einzuwirken.

Wir können, ohne in Überheblichkeit zu verfallen, feststellen, dass in diesen mehr als fünf Kriegsjahren die geistigen Bestände unserer Eidgenossenschaft als Ganzes gesehen eine ungeheuer schwere Belastungsprobe schlecht und recht bestanden haben. Wir übersehen dabei auch die Zersetzungserscheinungen nicht, und vor allem müssen wir uns eingestehen, dass etwas ganz Ungewisses besteht: wie weit diese Bestände in das Bewusstsein der jetzt heranwachsenden jungen Generation übergegangen sind. Aus manchen Äusserungen junger Menschen kann man feststellen, dass sie aus den Erlebnissen dieser Zeit den Schluss ziehen, die Katastrophe dieses Krieges stelle eine Beurteilung nicht nur der allgemeinen Vorkriegsordnung, sondern auch des ganzen Daseins der Vorgängergenerationen dar.

Daraus resultiert eine Abwehreinstellung, die von Anfang an misstrauisch ist gegenüber allem, was aus der Tradition stammt und dementsprechend vielleicht auch für manches Gute nicht sehr aufnahmefähig ist. Zu dem Stolz darüber, dass sich unser Volk in dieser schwierigen Bewährungsprobe behaupten konnte, gesellt sich daher oft die bange Frage, in welcher Richtung sich unsere nächste und übernächste Generation entwickeln wird. Kriegszeiten sind immer sehr schwer zu beurteilende Zeiten in der geistigen Entwicklung eines Volkes.

Eine ganz andere Frage ist, wie weit unsere geistigen Bestände (und zwar sind dabei hier immer auch die politischen und sozialen Anschauungen inbegriffen) ihrer ganzen Art nach geeignet sind, zur Lösung der so ganz neuartigen Nachkriegsprobleme beizutragen. Allgemein können wir feststellen, dass der geistige Impuls der Schweizer viel mehr auf das Erhalten als auf das Beschreiten neuer Wege eingestellt ist.

Bei verschiedenen Gelegenheiten war es sehr deutlich zu sehen, wie wenig bis heute in unserem Volke irgendeine Abklärung und Einheitlichkeit der Anschauungen in Bezug auf die Nachkriegsaufgaben besteht. Gerade in dieser Hinsicht waren die innerpolitischen Vorgänge der letzten Wochen sehr lehrreich. Die russische Absage an die Schweiz wirkte wie ein Stein, der in ein stilles Gewässer geworfen wird; nach lebhafter Bewegung trat bald wieder eine Beruhigung ein, die Parole lautete: „innere Geschlossenheit!". Es geht nicht darum, ob diese Parole richtig oder unrichtig ist; natürlich ist sie in allen kritischen Zeiten richtig. Das Wesentliche aber war, dass die von rechts nach links und von links nach rechts gerichteten Vorwürfe sofort wieder die alten Fronten bildeten, deren Starrheit wir für weitgehend überwunden hielten. Auf jeder Seite stellte man sich sofort auf die Erhaltung der bestehenden Werte und politischen Strukturen ein.

Die höchsten kulturellen Werte müssen wieder in den breiten Massen der Völker verwurzelt werden. Sie können nicht, wie es für die Zivilisation der Vorkriegszeit typisch war, isoliert neben dem wirtschaftlichen und sozialen Bereich existieren. Gerade aus diesem Grunde ist die Sozialpolitik zum Kernpunkt aller zukünftigen Politik geworden. Wir wissen auch, dass es neben den wirtschaftlichen und sozialen Fragen noch andere geistige Probleme gibt. Aber diese geistigen Werte sind heute der Gewalt ausgeliefert und können nur gerettet werden, wenn durch eine mutige Sozialpolitik in den breiten Massen der Völker die Werte der Freiheit, der Würde des Menschen und des Rechtsanspruchs jedes einzelnen Menschen eine neue Verwirklichung und damit Leben finden. Durch mutige Taten im Kampf für eine bessere soziale Ordnung wird auch das Wirksamste für die Erhaltung unserer übrigen geistigen Bestände geleistet.

Auch unser Volk muss in dieser Zeit aus der Grundhaltung der blossen Verteidigung des Bestehenden, der blossen Abwehr, des Erhaltens dessen, was ist, heraustreten und mutig neue Wege beschreiten. Wie würden die Menschen zum Beispiel aufhorchen, wenn der Bundesrat morgen erklärte: Bei der Altersversicherung wollen wir einmal den alten, normalen Weg verlassen. Es soll nicht, wie kürzlich beschlossen, bis zum 1. Januar 1948 mit der Verwirklichung dieses Postulates gewartet werden. Wir wollen eine kühne Tat tun, alle die guten Willens sind, zum Mithelfen aufrufen und bis in einem Jahr diese soziale Forderung erster Ordnung verwirklichen. Wie würde solcher Elan vielen wieder Hoffnung machen – nicht wegen der an sich bescheidenen Renten, sondern wegen des Elans an sich, wegen der Tatkraft, wegen der Hoffnung, die darin zum Ausdruck käme. Wohl feiert die Gewalt heute in der Welt geradezu entsetzliche Triumphe – aber der Geist wird trotzdem triumphieren, wenn seine Kraft in kühnen Taten zum Ausdruck kommt.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

05:44 - 06:18 Uhr: Fliegeralarm (fast zur selben Zeit wie Tags zuvor)

10:30 Uhr: Platz Kdt. und Arzt A3 auf KP

Nachmittags Kdt. und Stabschef auf KP. Melden sich ab in den Urlaub

Beginn des Weihnachtessens

Dank des Generals für die Weihnachtsfeier auf dem Münsterplatz an die Basler Regierung


24. Dezember 1944

Fliegertätigkeit im Dreiland nimmt wieder zu

Am frühen Morgen, kurz nach halb 09:00 Uhr, werden aus der Gegend von Grenzach-Wyhlen mehrere laute Explosionen gehört. Um 11:10 Uhr tauchen zum ersten Mal zwei fremde Jagdflugzeuge über Lörrach auf, die kurze Zeit später auch über Istein kreisend gesichtet werden. Eine Viertelstunde später werden aus Badisch-Rheinfelden zwei heftige Explosionen vernommen.

Kurz nach Mittag, erneut aus der Richtung Belfort kommend, fliegt ein grosser Verband von 35 mittelschweren Bombern, begleitet von drei Jagdflugzeugen, in vier Wellen über die oberelsässische Grenzregion und steuert den Schwarzwald an. Als dieser Kampfverband sich der Grenze nähert, muss um 12:13 Uhr der Luftalarm ausgelöst werden, der 22 Minuten andauert.

Genau eine Stunde später ziehen erneut drei Staffeln fremder Flugzeuge auf einem West-Ost-Kurs über die Region, sodass um 13:17 Uhr ein neuer Alarmzustand ausgelöst werden muss. Fünf Minuten später kehren die ersten Kampfverbände um, wobei nur noch 36 Maschinen zu zählen sind, die offenbar einen Angriffsflug gegen Süddeutschland abgebrochen und die Grenzregion wieder erreicht haben.

Nach weiteren zwanzig Minuten tauchen fünf schnelle Bomber in der Nähe der Stadt auf und fliegen ins hintere Wiesental. Aus der Gegend von Schopfheim werden wenige Minuten später einige heftige Explosionen gehört. Nach insgesamt 62 Minuten endet der Alarmzustand in Basel.

Kurz nach 22:00 Uhr, erschütterte eine gewaltige Detonation die Stadt. Wie inzwischen festgestellt wurde, handelte es sich um die Sprengung des deutschen Stauwehrs und eines Kraftwerks nahe Märkt. Die rechtsseitige Hälfte des Dienststegs wurde entfernt. Bereits eine Woche zuvor war der linksseitige Abschnitt durch eine französische Granate getroffen worden und hängt seitdem ins Wasser.

Verkehr und Versorgung in Süddeutschland

Die Verkehrsverhältnisse in Süddeutschland verschlechtern sich zunehmend. Bahnstrecken sind vielerorts unterbrochen, und Flüchtlinge sowie Ausgebombte müssen lange Fussmärsche unternehmen, um weiterzukommen. Viele Züge sind beschädigt, mit eingeschlagenen Fenstern, und eine Fahrkartenkontrolle findet nicht mehr statt. Dennoch berichten Rückkehrer aus der Schweiz, dass sie in Deutschland auf viele hilfsbereite Menschen treffen, die sie aufnehmen und über längere Zeit verpflegen.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

12:10 - 12:35 Uhr: Fliegeralarm 

13:15 - 14:17 Uhr: Fliegeralarm 

Zunahme von Gefechtstätigkeiten im Elsass

Weihnachtsdank an die Bevölkerung von Basel

Im Namen der Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, die über Weihnachten in Basel im Dienst gestanden haben, möchte ich der gastfreundlichen Bevölkerung auf diese Weise den herzlichsten Dank aussprechen.

Der hohe Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, insbesondere Herr Regierungspräsident Brechbühl, Herr Militärdirektor Prof. Dr. Ludwig und Herr Regierungsrat Dr. Ebi, haben durch ihr spontanes Entgegenkommen die für uns Soldaten aus dem Welschland und der Urschweiz unvergessliche Weihnachtsfeier auf dem altehrwürdigen Münsterplatz ermöglicht.

Der Vorsteher des Erziehungsdepartements, Herr Regierungsrat Dr. Miville, sorgte dafür, dass vor dem Weihnachtsbaum jeder Einheit Lehrer und Schulkinder mit ihren Liedern der Heimat diesen Feiern tiefen Sinn gaben.

Das Aktionskomitee unter der Leitung von Herrn Oberst F. Iselin erfreute jeden Soldaten mit der Schenkung einer Weihnachtsmedaille zur Erinnerung an seinen Aktivdienst in Basel.

In unermüdlicher Arbeit überreichten die Damen und Herr Hufschmied von der Kriegsschädenfürsorge Basel jedem Soldaten ein spezielles Weihnachtspäcklein.

An alle, die mit echtem Schweizer Geist und offenem Herzen uns in Basel die Hände gereicht haben, richtet sich der tief empfundene Dank aller Soldaten. Wir werden Basel nie vergessen.

Der Kommandant: Oberst Guisan


25. Dezember 1944

Gefechtstätigkeit nimmt wieder zu

In der Christnacht, kurz nach halb 1 Uhr, beginnt die französische Artillerie im Raum von Bartenheim plötzlich ihre Offensive. Ununterbrochen donnern die Schüsse, während Granaten bis zum Morgengrauen des Weihnachtstages auf Ziele im Eingangsbereich des Kandertals, bei Eimeldingen, in Kirchen und anderen Orten abgefeuert werden. Gleichzeitig kommt es zu heftigen Bunkerbeschiessungen sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite, wobei Schüsse aus automatischen Waffen die Luft durchbrechen. Dies folgt auf eine längere Zeit intensiven Maschinengewehrfeuers auf das Festungswerk bei Hüningen.

Gegen 11:00 Uhr erreicht die Nachricht die Region, dass im Schaffhauser Gebiet erneut Bombenangriffe stattfinden. Auch in Basel werden um 13:50 Uhr die Sirenen wieder ausgelöst. Kurz darauf, bei idealem Flugwetter, erscheint ein grosser Verband von 36 Bombern, begleitet von 20 Jagdmaschinen, der in mehreren Wellen über die Grenze fliegt. Sie drehen über der Dreiländerecke ab und setzen ihre Route nach Osten fort. Bis zum frühen Nachmittag, gegen 15:00 Uhr, sind immer wieder fremde Flugzeuge in der Nähe der Stadt zu sehen. Besonders auffällig ist ein zweimotoriger Apparat, der sich gegen halb 3 Uhr im Alleinflug und in niedriger Höhe nach Westen wendet.

Trotz der anhaltenden Bedrohung durch die feindlichen Flugzeuge stellt sich später heraus, dass die Detonationen, die während der 135 Minuten dauernden Alarmbereitschaft in Basel gehört werden, nicht durch Luftangriffe verursacht werden. Stattdessen stammen die Explosionen aus einem heftigen Artillerieduell, das in der Nähe von Mülhausen ausgetragen wird.

Luftkrieg über der Schweiz

Amtlich wird mitgeteilt: Am 25. Dezember 1944 in der Zeit von 12:37 bis 14:47 Uhr wurde unser Grenzraum zwischen Laufen und Romanshorn sowie im Unterengadin durch einzelne und Verbände von unbekannten und amerikanischen Flugzeugen überflogen. Fliegeralarm wurde in den überflogenen und gefährdeten Gebieten ausgelöst. Um 12:57 Uhr wurde bei Würenlingen (Aargau) ein viermotoriges amerikanisches Bombardierungsflugzeug durch unsere Fliegerabwehr abgeschossen. Von Bord des beschädigten Flugzeugs sprangen sieben Mann mit dem Fallschirm ab. Sechs davon wurden interniert, einer ist noch nicht aufgefunden worden. Zwei Mann wurden tot im abgeschossenen Flugzeug aufgefunden.

Um 14:08 Uhr wurde Thayngen (Schaffhausen) durch mehrere zweimotorige amerikanische Flugzeuge bombardiert. Getroffen wurden Bahnhofanlagen, die Ziegelei Thayngen sowie die Nahrungsmittelfabrik Knorr. Nach bisherigen Meldungen sind ein Toter und drei Verletzte zu beklagen. Bei Kessler, nördlich von Eisingen, wurde eine Bombe abgeworfen, die im freien Gelände explodierte.

Der Pressesprecher des zuständigen Territorialkommandos teilt dazu mit: Am 25. Dezember 1944 um 14:10 Uhr ist Thayngen von einer amerikanischen Staffel bombardiert worden. Aus der Richtung Donaueschingen kamen drei Staffeln zu je acht Maschinen; die letzte warf die Bomben ab. Getroffen wurden die Ziegelfabrik Thayngen und das deutsche Reichsbahntracé mit Stellwerk. Es sind an die zwanzig Einschläge mittlerer und grösserer Bomben gezählt worden. Durch Luftdruck und Splitter sind im Dorf Thayngen an verschiedenen Stellen Häuserschäden entstanden. Der Bahnstellwerksarbeiter der Deutschen Reichsbahn, Meier Otto, geb. 1903, ist tödlich getroffen worden. Mehrere Zivilpersonen erlitten leichte Verletzungen.

„Maiden America“

Der US-Bomberverband mit 27 amerikanische Bomber des Typs B-24 Liberator der 450th Bombardment Group (H) der 15th US Army Air Force starteten von seiner Einsatzbasis in Manduria, Italien, darunter die Consolidated B-24G „Maiden America“, mit dem Ziel, den Güterbahnhof von Innsbruck zu bombardieren. Schon vor der Ankunft über dem Ziel wurde die Formation von der deutschen Flak unter Feuer genommen, und die „Maiden America“ wurde schwer getroffen. Beide Motoren auf der linken Seite fielen aus, ebenso Funk, Kompass und Hydraulik. Eine Rückkehr über die Alpen zur Flugbasis war nicht mehr möglich, also entschied sich die Besatzung, den Verband zu verlassen und auf eigene Faust westwärts in die neutrale Schweiz zu fliegen, die sie für sicher hielten.

Der beschädigte Bomber wurde nach seinem Einflug in die Schweiz von der Schweizer Fliegerabwehr, der Schweren Flab-Abteilung 4, beschossen. Die Schweizer Flak-Batterie 89 in Baldingen feuerte 82 Stahlgranaten (StGZZ) 7,5 cm auf die „Maiden America“, wobei mehrere Treffer den Bomber weiter beschädigten. Aufgrund der schweren Schäden war es der Besatzung nicht mehr möglich, eine Notlage zu signalisieren, weder durch das Ausfahren des Fahrwerks noch durch das Abfeuern von Signalraketen.

Zerstörte Consolidated B-24G „Maiden America“ auf einem Feld bei Würenlingen - Foto Privatarchiv / Kolorierung Patrick Schlenker

Auf Befehl des Piloten, 1st Lt. Vincent Fagan, sprangen sieben Besatzungsmitglieder mit dem Fallschirm ab, als die B-24 nordöstlich von Würenlingen auf einem Feld abstürzte. Zwei Männer kamen dabei ums Leben: Der 18-jährige Navigator 2nd Lt. Martin Homistek verhedderte sich anscheinend mit seinem Fallschirm im Flugzeug, und Sergeant Ralph L. Coulson, einer der Bordschützen. Seine Leiche wurde mit intaktem Fallschirm im Wrack gefunden. Tragischerweise wurde auch Co-Pilot Nicholas Mac Koul abgetrieben und ertrank in der eiskalten Aare, nachdem sich sein Fallschirm nicht rechtzeitig öffnete. Zwei Tage später wurde seine Leiche beim Kraftwerk Beznau geborgen.

Die Zerstörungen in Thayngen

Während die Kirchenglocken den Weihnachtsgottesdienst einläuten, greifen gegen 14:00 Uhr drei Staffeln amerikanischer Bomber mit Jägerbegleitung den südlichen Teil der Grenzgemeinde Thayngen an. 

Die 38 B-26 Bomber der amerikanischen 320. Bombergruppe starten um die Mittagszeit vom Luftwaffenstützpunkt Dijon in Frankreich mit dem Ziel, die Eisenbahnbrücke bei Singen zu zerstören. Drei Maschinen müssen wegen technischer Defekte umkehren, sodass 35 Bomber den Einsatz fortsetzen. 26 dieser Flugzeuge treffen die Brücke bei Singen, während neun Piloten fälschlicherweise den Schweizer Grenzort Thayngen für die deutsche Stadt Singen halten.

Der Angriff konzentriert sich auf das Bahnhofsareal. Stellwerk und Gleise werden durch Volltreffer schwer beschädigt. Der vierzigjährige deutsche Bahnangestellte Otto Meier kommt dabei ums Leben. Drei weitere Personen erleiden leichte Verletzungen. Der Bahnverkehr ist unterbrochen.

Etwa 20 Brisanzbomben werden abgeworfen, davon rund 18 mit einem Gewicht von 1000 Pfund und zwei kleinere von etwa 500 Pfund. Die Bombentrichter der grösseren Sprengkörper haben einen Durchmesser von 15 bis 16 Metern und eine Tiefe von 4 bis 6 Metern. Die kleineren Krater beim Stellwerk messen etwa 4 Meter im Durchmesser und 1,5 Meter in der Tiefe.

Auch die Industrieanlagen in Thayngen erleiden schwere Schäden. Die Ziegelei Thayngen wird nahezu vollständig zerstört. Hochkamine stehen noch, ragen jedoch über ein weites Trümmerfeld. Der Südtrakt, bekannt als Neubau, wird völlig vernichtet. Unzählige Dokumente und Akten liegen verstreut, Mauern sind beschädigt oder einsturzgefährdet. Zerschlagene keramische Gegenstände bedecken den Boden. Ein Wiederaufbau ist erst nach einem vollständigen Abbruch möglich. Westlich der Ziegelei wird eine Militärbaracke vollständig zerstört. Einige Soldaten erleiden Verletzungen. Zwei nahegelegene Bauernhäuser müssen evakuiert werden, da sie durch die Bomben stark beschädigt sind.

Bombardierung Thayngen 25. Dezember 1944_2

Die Ziegelei Thayngen wird nahezu vollständig zerstört. Hochkamine stehen noch, ragen jedoch über ein weites Trümmerfeld - Foto Privatarchiv

Auch die Nahrungsmittelfabrik Knorr, die sich zwischen der Ziegelei und dem Dorf befindet, wird schwer in Mitleidenschaft gezogen. Viele Fenster zerbrechen, Türen werden aus den Angeln gehoben. Der Betrieb kommt für mehrere Tage zum Stillstan. In der näheren Umgebung entstehen zudem erhebliche Flur- und Gebäudeschäden. Der Schuppen der Quarantäne-Station wird im nordöstlichen Teil zerstört.

Bombardierung Thayngen 25. Dezember 1944_1

Zerstörtes Bahnhofsgebäude von Thayngen nach der Bombardierung - Foto Privatarchiv

In der Nähe der Ziegelei entstehen Bombenkrater von bis zu 6 Metern Tiefe und 25 Metern Breite. Splitter verursachen Schäden bis zu 500 Meter weit. Im gesamten Dorf Thayngen gehen Fensterscheiben zu Bruch, Dachziegel werden abgedeckt, und auch die Kirchenfenster zerbrechen, als die ersten Orgelklänge ertönen.

Trotz der grossen Zerstörung hat Thayngen Glück im Unglück: Der Angriff trifft das Dorf an einem Feiertag. Wäre er an einem Werktag erfolgt, hätten allein in der Ziegelei, wo 150 Arbeiter beschäftigt sind, sowie in der Knorr-Fabrik zahlreiche Menschen in Gefahr geschwebt.

Bombardierung Thayngen 25. Dezember 1944_3

Schäden an der Knorr-Farbik neben dem Bahnhofsgebäude - Foto Privatarchiv

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

13:46 - 15:33 Uhr: Fliegeralarm - 27 Flugzeuge in 3er Formation in Richtung Tüllingerhügel / Schopfheim

Rege Artillerie- und Gefechtstätigkeit in Grenznähe


26. Dezember 1944

Grenzgebiet und Artilleriefeuer in der Nähe

In der Nacht zum Stephanstag setzt die französische Artillerie ihre Angriffe fort, diesmal in der badischen Grenzregion. Kurz nach 2 Uhr morgens wird eine Salve aus Maschinengewehren aus der Gegend des Bahnhofs von Stetten gehört. Auch in den darauffolgenden Stunden ist das Artilleriefeuer entlang der Grenze zwischen Hüningen und Friedlingen regelmässig zu vernehmen. Neben den schweren Geschützen ertönt immer wieder das markante Geräusch von Maschinengewehrfeuer. Der genaue Ursprung dieses Feuers ist aus der Schweiz schwer zu bestimmen, da die Sicht durch das unwegsame Gelände und die dichte Vegetation stark eingeschränkt ist. Es wird jedoch vermutet, dass diese Schiessereien Teil der laufenden Kämpfe und Auseinandersetzungen in der Grenzregion sind. Die kontinuierliche Präsenz von Artillerie und Maschinengewehren deutet darauf hin, dass die Frontlinien in dieser Gegend weiterhin stark umkämpft sind.

Schäden an einem Wohnhaus unterhalb der Leopoldshöhe - Foto z.V. Reinhold Utke - Kolorierung Patrick Schlenker

Überflüge durch feindliche Flugzeuge

Noch vor dem frühen Morgen, um 06:00 Uhr, tauchen erneut feindliche Flugzeuge über dem Oberelsass auf, was die Sirenen in der badischen Grenzregion wieder heulen lässt und die Einwohner in Alarmbereitschaft versetzt. Auch überfliegen mehrere feindliche Flugzeuge die Schweizer Grenze. Es handelt sich dabei teils um amerikanische, teils um nicht identifizierbare Maschinen. Infolge dieser Überflüge wird in den betroffenen Grenzgebieten erneut Fliegeralarm ausgelöst. 

General de Gaulle inspiziert die Front im Elsass

Strassburg, 26. Dezember. (AFP) Das von den Alliierten befreite Elsass feiert mit Begeisterung und Dankbarkeit die erste Weihnacht seit der Befreiung. Der Kanonendonner in der Nähe der Grenze verleiht den Feiertagen einen ernsten und einzigartigen Charakter. Da das Strassburger Münster noch nicht seiner Bestimmung übergeben werden konnte, findet die Weihnachtsfeier in der St. Peterskirche statt.

Völlig unerwartet trifft General de Gaulle in Begleitung des Kriegsministers zur Inspektion der französischen Truppen an der elsässischen Front ein. Am Dienstagmorgen kehrt er nach Paris zurück und drückt seine lebhafte Genugtuung über den von den Truppen bewiesenen Kampfeifer aus.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

10:30 - 11:30 Uhr: Platz Kdt. auf KP

11:00 Uhr: Arzt A3 auf KP

10:20 - 11:01 Uhr: Fliegeralarm - Einflug zahlreicher Flugzeuge im Puntruterzipfel - Basel / Richtung Nord, aus Nord und West schwere Detonationen vernehmbar

13:52 - 14:28 Uhr: Fiegeralarm - Einflug Fremder Flugzeuge aus Graubünden Richtung Laufenburg / Rückflug Richtung Schaffhausen

14:45  - 16:52 Uhr: Fiegeralarm - Anflug eines grossen Verbandes von Flugzeugen aus dem Elsass Richtung Basel. Aus Nord und Nordwest anhaltender geschützdonner. Vermutlich Bombenabwürfe hinter Lörrach. Artillerieduell aus Istein dauert an. Fortwährende Ein- und Durchflüge im Alarmkreis Basel. Schwere Flab in Gempen, Pratteln und Augst in Aktion.

23:30 - 24:00 Uhr: Fiegeralarm - Grenzverletzungen im Puntruterzipfel  Richtung Basel.

Weihnachtsfeier der Bew. Kp. 9 auf dem Flugplatz Birsfelden

Entlassung von HD Stab


27. Dezember 1944

Andauernder MG-Feuerwechsel bei Hüningen

Die Nacht verläuft in der Dreiländerregion ebenso unruhig wie jene zuvor. Schon bald nach 18:00 Uhr ist aus Richtung Mülhausen schweres Artilleriefeuer zu hören, und auch die Beschiessung der Gegend um Istein setzt sich um 19:20 Uhr fort. Vor allem das Maschinengewehrfeuer zwischen den beiden Rheinufern nimmt lebhaft zu. Die unaufhörlichen kurzen und längeren Salven aus den verschiedenen Bunkern sind im Gebiet der gesamten Stadt und ausser in Kleinhüningen selbst besonders nachhaltig auf dem Bruderholz und im Holesgebiet zu vernehmen. Am stärksten ist das Duell zwischen 22:45 und 23:30 Uhr sowie zwischen 01:00 und 02:00 Uhr früh.

Um 21:00 Uhr werden die Bewohner von Schönenbuch durch einen hellen Feuerschein alarmiert. Es handelt sich jedoch nicht um eine Feuersbrunst, sondern etwa 100 Meter jenseits der Grenze wird aus unerklärlichen Gründen eine Leuchtpetarde angezündet, durch die die Gegend etwa 5 Minuten lang in einen gewaltigen Feuerschein gehüllt wird.

Während des Fliegeralarms von 23:30 Uhr bis Mitternacht hört man in Basel keine Flugzeuge. Der Alarmkreis scheint irgendwo über dem Jura verlegt worden zu sein. Eine halbe Stunde nach Mitternacht bricht an der Strasse nach Mülhausen, ungefähr auf der Höhe von Neuweg-Lange Häusern, aus unbekannter Ursache eine Feuersbrunst aus, die um 02:00 Uhr noch anhält.

Überdies beginnt wenige Minuten nach 02:00 Uhr ein französischer Minenwerfer mit der Beschiessung von Friedlingen und Weil. Der dumpfe Knall der explodierenden Minen weckt manche Bewohner im äusseren Klein-Basel.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

10:30 - 11:30 Uhr: Platz Kdt. auf KP

11:00 Uhr: Arzt A3 auf KP

Augenschein vom Flüchtlingslager MUBA und Flugplatz Birsfelden.

14:50 - 15:15 Uhr: Fliegeralarm - Anflug eines Verbandes aus Westen nach Basel - Abflug nach Osten

22:40 - 23:19 Uhr: Fliegeralarm - Aaus nördlicher Richtung das Geräusch von Motoren zu hören. 


28. Dezember 1944

Intensives Artilleriefeuer im Grenzgebiet

In der Nacht steht die Region um Istein erneut unter schwerem französischen Artilleriefeuer. Nach einer mehrstündigen Pause eröffnen französische Batterien westlich von Blotzheim und Sierentz am Abend ein intensives Feuer auf die Gegend von Istein, das bis weit nach Mitternacht mit nur kurzen Unterbrechungen andauert. Einige Geschosse schlagen nahe der Schweizer Grenze ein, insbesondere in den Gebieten um Märkt und Eimeldingen.

Auch aus der Richtung von Mülhausen ist heftiges Geschützdonnern zu hören. In der Region um Altkirch wird ferner fernes Mündungsfeuer sichtbar, vermutlich von weittragenden Geschützen, die Richtung Thann operieren. Einschläge dieser Geschosse können jedoch nicht festgestellt werden. Die Situation ähnelt den vorherigen Tagen in dieser Woche. Neu ist, dass die Artillerieschüsse offenbar aus etwas höher oder westlicher gelegenen Stellungen abgefeuert werden. Dadurch sind die Einschläge in Basel deutlicher zu hören als zuvor.

Bunker auf der Hauptstrasse in Weil am Rhein (Heute Zollstrasse). Im Hintergrund ist das Silo der Neptung AG im Hafen Kleinhüningen zu sehen - Foto z.V. Reinhold Utke - Kolorierung Patrick Schlenker

In unmittelbarer Grenznähe hält das Maschinengewehrfeuer die ganze Nacht über an. Nach Mitternacht wird zudem ein französischer Minenwerfer aktiv, dessen Geschosse nahe Friedlingen sowie im Bereich des Weiler Hasens einschlagen.

Das günstige Flugwetter nutzen die alliierten Luftstreitkräfte für vereinzelte Aktionen im badischen Raum. Beobachtet werden jedoch nur kleinere Aufklärungspatrouillen. Grössere Formationen überfliegen das Gebiet nicht.

General Delattre de Tassigny lobt Erfolge im Elsass

General Delattre de Tassigny, Oberkommandierender der Ersten Französischen Armee, hält eine Radioansprache, in der er die Erfolge seiner Truppen hervorhebt. Er berichtet von der Befreiung von Belfort, Mülhausen und mehreren Hundert Dörfern. Mehr als 20.000 deutsche Soldaten geraten in Gefangenschaft, während auf dem Schlachtfeld die Leichen von 15.000 deutschen Soldaten zurückbleiben.

Das alliierte Oberkommando würdigt diese Erfolge, indem es General Delattre de Tassigny zum Kommandanten der gesamten elsässischen Front südlich von Strassburg ernennt. Damit unterstehen ihm nun auch die Truppen von General Leclerc sowie weitere französische und amerikanische Einheiten. Gemeinsam, so erklärt er, vertreiben sie die deutschen Truppen vom linken Rheinufer zwischen Basel und Strassburg und vollenden die vollständige Befreiung des Elsass.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

09:30 - 10:30 Uhr: Platz Kdt. auf KP

14:30 Uhr: Adj. Flab Rgt. 23, dass der Bundesrat um 0815 Uhr das Flüchtlingslager in der MUBA besucht hat. Der Bundesrat verlangte Antwort, weshlab der Kdt. nicht auf seinem Posten gewesen sei.

15:18 - 15:44 Uhr: Fliegeralarm

16:15 Uhr: Eintreffen der Offiziere für den Rapport. 


29. Dezember 1944

Fliegerbomben auf Istein / Stärkeres gegenseitiges Artilleriefeuer in der Dreiländerecke

Seit der Heiligen Nacht hält das Artilleriefeuer aus dem hügeligen Oberelsass auf die angrenzende badische Region an, mit einem Schwerpunkt um Istein. Da keine grösseren Offensiven folgen, wird der Beschuss als Störfeuer interpretiert, dessen Ziel unklar bleibt. Die Angriffe verlaufen sporadisch und scheinen Bewegungen oder Vorbereitungen zu behindern, ohne die Lage wesentlich zu verändern.

Vormittags bot sich eine seit Wochen nicht mehr dagewesene Fernsicht, die das oberelsässische Hügelland plastisch hervorhob. Über die elsässische Hard bis nach Bartenheim und Sierenz waren die Landschaft und markante Bauwerke wie das Kraftwerk und die Schleusenanlage von Kembs deutlich sichtbar. Die Felsen von Istein, die badischen Ortschaften und die blau-violetten Schwarzwaldberge bildeten eine eindrucksvolle Kulisse. Das ideale Wetter begünstigte jedoch nicht nur die Sicht, sondern wurde auch für militärische Aktivitäten genutzt.

Schäden an einem Wohnhaus unterhalb der Leopoldshöhe - Foto z.V. Reinhold Utke - Kolorierung Patrick Schlenker

Fliegerbomben trafen die Region um Istein, begleitet von verstärktem Artilleriefeuer in der Dreiländerecke.  Am Nachmittag errichteten deutsche Kräfte bei Leopoldshöhe eine Geschützstellung und eröffneten unter Beobachtung der Franzosen in Hüningen das Feuer. Aus der kurzen Distanz von etwa zwei Kilometern wurden Granaten zielgerichtet nach Süningen abgefeuert. Nach Treffern am Rheinufer und in Neudorf wurde auch Hüningen erneut beschossen. Französische Gegenreaktionen blieben zunächst aus, und der Beschuss endete nach etwa einer Viertelstunde.

Bald richtete die französische Artillerie ihre Angriffe jedoch auf andere Ziele. Granaten schlugen in Istein, Efringen-Kirchen, am Stauwehr und weiteren bekannten Stellen ein, begleitet von Rauchwolken. Ab 16:05 Uhr begann ein intensiver Beschuss der Umgebung des Stauwehrs, dessen Erschütterungen und Detonationen in der Region spürbar waren.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

09:27 - 0954 Uhr: Fliegeralarm

10:30 Uhr - 11:30 Uhr: Platz Kdt. auf KP

13:06 - 13:36 Uhr: Fliegeralarm

17:00 - 16:22 Uhr: Fliegeralarm


30. Dezember 1944

Nächtliches Fernbombardement in Basel hörbar

In der Nacht zum Samstag war von Basel aus, wenige Minuten vor 1 Uhr, eine Anzahl starker, heller Detonationen aus nordöstlicher Richtung zu hören, die offenbar von einem Luftangriff herrührten. Aus der Richtung Sierenz-Mülhausen dröhnte nach Mitternacht schweres Artilleriefeuer.

Aus der Gegend von Hüningen schoss ein Minenwerfer hinüber nach Friedlingen und auf die Schusterinsel (Weil am Rhein), und am Rhein wiederholte sich das übliche Duell der Maschinengewehre aus den Bunkerstellungen heraus. Der Hafen Kleinhüningen wird ein weiteres Mal beschossen. 

Glashaus auf der Schusterinsel (Firma Schetty) nach dem Beschuss durch französische Mörser und MG - Foto Privatarchiv

Vorschuss für die Schweizerspende-Aktion beider Basel

Im November hatte die Schweizerspende-Aktion der beiden Basel versucht, einen Vorschuss von 10.000 Franken für Hilfsmassnahmen in Leymen und Oltingen zu erhalten. Da die Institution zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die notwendigen Mittel verfügte, wandte sich die Aktion mit einem Gesuch an die Regierungen von Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Diese bewilligten je einen Vorschuss von 5.000 Franken. Der Regierungsrat von Basel-Stadt hat diese Zahlung als dringlich genehmigt und legt den Beschluss dem Grossen Rat zur nachträglichen Genehmigung vor.

Helft unseren elsässischen Nachbarn!

Aufruf an die Basler Bevölkerung: Die historischen Verbindungen zwischen Strassburg und Basel, die sich bis ins Jahr 1403 zurückverfolgen lassen, waren stets von gegenseitiger Hilfe geprägt. Während der Belagerung Strassburgs im Jahr 1870 nahm Basel 2.500 Frauen, Kinder und Kranke auf. Auch heute steht das Elsass vor schweren Herausforderungen, und die Schweiz zeigt traditionsgemäss Hilfsbereitschaft. Vieles wurde bereits getan, doch die Not ist weiterhin gross. Spenden können auf das Postscheckkonto V 4117 des Basler Hilfskomitees für Mülhausen und Umgebung unter dem Patronat der Schweizerspende überwiesen werden.

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

08:45 Uhr: Der Luftschutz meldet, dass ein Polizeioffizier soeben den Lautsprecherwagen angefordert hat, um die Bevölkerung in Kleinhüningen zu warnen, da die Fabrik an der Grenze unter Beschuss steht.

08:54 - 09:20 Uhr: Fliegeralarm

09:59 - 11:33 Uhr: Fliegeralarm - Einflug zahlreicher Flugzeuge bei Zurzach - Kaiserstuhl Richtung Westen. Weitere Einflüge von Westen Richtung Basel - Abflug nach Norden.

17:15 Uhr: Ein Polizeioffizier meldet, dass am 3. Januar 1945 etwa 1000 Kinder im Alter von 4 bis 14 Jahren aus der Gegend um Mulhouse in der Schweiz eintreffen werden. Der Empfang erfolgt am Zollamt Leymen.

13:14 - 15:10 Uhr: Fliegeralarm


31. Dezember 1944

Territorial-Kommando

Aus den Berichten der Schweizer Armee:

16:00 Uhr: Rapport betreffend Rückgabe der Flüchtlinge aus Hüningen und Übernahme der Kinder aus der Gegend von Mulhouse.

Die Hüninger Flüchtlinge werden am 3. Januar 1945 zurückgebracht. Die Kinder aus Mulhouse werden in den Turnhallen der Gemeinde Binningen und der Genossenschaft Elektra Baselland untergebracht. Für Kranke wird Rheinfelden in Betracht gezogen. Es wird empfohlen, mit der französischen Führung Kontakt aufzunehmen, damit die Kinder nicht am Zoll Leymen aufgehalten werden.

Fliegeralarm:

14:32 - 15:20 Uhr
19:26 - 20:13 Uhr
21:35 - 21:57 Uhr

 

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