Kriegsschäden und Ereignisse in Basel 1944 / 1945
Einleitung
Bei meinen Recherchen zu den Bombardierungen in Basel in den Jahren 1940 und 1945 sowie den Ereignissen rund um die Bombardierung und teilweise Zerstörung des Stauwehrs Kembs am 7. Oktober 1944 stiess ich auf zahlreiche Dokumente, die belegten, dass die Schäden an Gebäuden und der Verlust von Menschenleben sich nicht ausschliesslich auf die genannten drei Termine beschränkten. Insbesondere im Zeitraum ab dem 7. Oktober 1944, dem Tag des Angriffs und zugleich der Ouvertüre zur Befreiung des Oberelsass, bis zum Kriegsende kam es im Kanton Basel-Stadt zu zahlreichen Schäden durch Granaten unterschiedlichster Art sowie durch Blindgänger.
Während im Oktober vor allem Flakgranaten Schäden verursachten, handelte es sich ab Ende November 1944 zunehmend auch um Artilleriegranaten. Diese wurden während der Gefechte um die Befreiung des Oberelsass entlang der Schweizer Grenze abgefeuert und richteten auf Schweizer Territorium sowohl an Gebäuden als auch an Menschen Schaden an.
In den kommenden Monaten werde ich hier fortlaufend verschiedene Ereignisse veröffentlichen und wie gewohnt zur Verfügung stellen.
Bekanntmachung des Truppenkommandos Basel, angeschlagen an einem Baum - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/733 (Foto Jeck Basel) - Kolorierung Patrick Schlenker
12. Juli 1944
Morgens um 01:35 wurde Basel ein weiteres mal aus dem Schlaf gerissen, als britische Bomber Basel in Richtung Rheinfelden überflogen. Die Schweizer Fliegerabwehr kam nicht zum Einsatz. Um 02:15 ertönte der Endalarm.
Kurz nach Mittag, um 12:15 Uhr, ertönten erneut die Sirenen in Basel. Amerikanische Bomber gerieten vor und nach der Bombardierung von Zielen im Elsass, nahe der Schweizer Grenze, über Schweizer Hoheitsgebiet. Eine Anzahl mehrmotoriger Bomber flog teils im Tiefflug von Frick und Zwingen kommend über Basel, woraufhin die Schweizer Fliegerabwehr im Raum Laufen (Flab Rgt. 25 - Flab Abteilung 39) und auf dem Gempen (Flab Rgt. 21 - Flab Abteilung 37) das Feuer eröffnete, ohne sichtbare Schäden an den Bombern anzurichten.
Die Detonationen im nahen Elsass waren in Basel als ohrenbetäubender Lärm zu vernehmen.
Bericht der Armee
Flak-Splitter fielen auf Schweizer Gebiet
Als das Flak-Feuer von jenseits der Landesgrenze ertönte. Alle Neugierigen, die auf Strassen, Dächern und aus allen Fenstern ihre Hälse streckten, sofort eingehen sein mussten, dass nun plötzlich Gefahr für Leib und Leben bestand. Denn das Bellenn der Geschütze klang teilweise sehr bedrohlich nahe. Man hörte auch hier und da ein mahnendes Wort. Wie recht diese Warner hatten, geht aus der Tatsache hervor, dass nach Feststellung bis Mittwochabend ein Blindgänger und ein Granatsplitter auf Basler Stadtgebiet eingeschlagen haben. In der Liegenschaft Mittlere Strasse 35 durchschlug ein Blindgänger das Haus und fiel auf die Treppe zwischen dem zweiten und dritten Stockwerk. Es handelt sich um ein sechs 16,5 cm langes Geschoss aus einer 3,7 cm Flak 37 (deutsches Geschoss), das nur geringen Schaden anrichtete und niemanden verletzte. Ein grösserer Granatsplitter durchbohrte eines der Dächer der Firma Thomi & Frank AG an der Horburgstrasse. Auch hier entstand nur unwesentlicher Sachschaden. Es muss also in beiden Fällen als glücklicher Zufall bezeichnet werden, dass keine Menschen verletzt wurden. Der Bomber war auf dem Weg nach Basel dem Rhein gefolgt. Über der Gegend von Rheinfelden und Augst geriet er ebenfalls in heftiges Abwehrfeuer zahlreicher Flakkanonen auf der badischen Uferseite. Die Bewohner auf der schweizerischen Seite wurden durch dieses Feuer so sehr beunruhigt, dass sie ihrer Neugier nachgaben und ihre Keller aufsuchten.
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Um 14:35 Flugplatz meldet der Flugplatz Sternenfeld in Birsfelden die Landung eines USA Bombers - 10 Mann Besatzung, von denen 2 verletzt.
Die von 1st Lt Thomas P. Vann pilotierte B-24 der 8th Air Force, 389th Bomb Group mit dem Kennzeichen EE-K war auf dem Weg nach München noch vor dem Erreichen des Ziels in schweres Flakfeuer geraten, der Motor 3 lahmlegte. Kurz vor dem Bombenabwurf trafen weitere Geschosse Motor 4 und den Rumpf, wodurch der Navigator 1st Lt Leon Rosenthal und Stone selbst verletzt wurden. Trotz erfolgreichem Bombenabwurf konnte die beschädigte Maschine die Formation nicht mehr halten und verlor deren Schutz. Da die Besatzung befürchtet, leichte Beute von deutschen Jägern zu werden, entschied die Crew, in die Schweiz zu fliegen. Sie erhielten Geleitschutz von zwei Mustangs bis zur Grenze und landeten sicher in Birsfelden, nachdem das schlechte Wetter eine Landung in der Ostschweiz verhindert hatte. Beim Anflug auf den Flugplatz in Birsfelden geriet das Flugzeug jedoch unter Beschuss der deutschen Flak.
Besatzung:
- Pilot: Thomas P. Vann, Jr., 1st Lt
- Copilot: Robert N. Stone, 2nd Lt
- Navigator: Leon Rosenthal, 1st Lt
- Bombardier: David J. Brick, 1st Lt
- Bordmechaniker: Earl Field, T/Sgt
- Funker: William F. Dwyer, Jr., S/Sgt
- Kugelturm-Schütze: Perry V. Trotter, S/Sgt
- Rechter Bordschütze: Glen W. Cusic, S/Sgt
- Linker Bordschütze: Roland H. Rhodes, S/Sgt
- Heckschütze: George A. Ristom, S/Sgt
Um 15:45 Uhr ertönte der Endalarm
11. September 1944
Da sich der Krieg Basel näherte, war dies nicht nur am Anstieg der täglichen Fliegeralarme zu spüren, sondern auch daran, dass die Rheinbrücken – wie schon 1939 und 1940 – verstärkt bewacht und Abwehrmassnahmen installiert wurden.
Am 5. September 1944 stellte das im Hotel Central untergebrachte Territorialkommando Basel beim Kommando des 2. Armeekommandos den Antrag, die Basler Rheinbrücken wieder bewachen und verminen zu lassen, um einer möglichen Umgehung über die Rheinbrücken durch beide Kriegsparteien entgegenzuwirken.
Die Bewachung sollte durch die HD-Bewachungskompanie 11 übernommen werden. Folgende Aufträge wurden dabei ausgelöst:
- HD-Bew. Kp. 5 und 8 werden über Aufgebotsplakate aufgeboten.
- HD-Bew. Kp. 5 übernimmt die Objektsicherung an der Birs und löst Kp. 22 ab.
- HD-Bew. Kp. 8 bleibt vorläufig als Reserve im Pestalozzi-Schulhaus.
- HD-Bew. Kp. 22 stellt eine Flugplatzwache am Sternenfeld (5 Mann) und löst HD-Bew. Kp. 11 am Bahnhof SBB ab.
- HD-Bew. Kp. 11 verlegt nach der Ablösung nach Binningen als Reserve.
Fesselballon mit Schweizer Kreuz zur Luftraumischerung und markierung der Schweizer Landesgrenzen bei Wasserwerk Basel - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker
Im grenznahen St. Louis kam es immer wieder zu Angriffen amerikanischer Tiefflieger, die Hauptstrassen und Züge mit ihren Bordwaffen unter direktes Feuer nahmen. Betroffen waren auch Züge, die aus Deutschland in die Schweiz einfuhren, sodass die Schäden an einfahrenden Zügen deutlich sichtbar waren.
Der 11. September war ein eher unruhiger Tag für die Basler. Nachdem bereits am 8. September viermal Fliegeralarm ausgelöst worden war, ertönten die Sirenen am 11. September ebenfalls mehrmals.
- 10:06 bis 11:21 Uhr
- 12:49 bis 14:20 Uhr
- 14:34 bis 16:04 Uhr
Während des letzten Alarms konnten im Gebiet von Grenzach mehrere starke Detonationen gehört und eine dichte Rauchentwicklung beobachtet werden. Infolge des Einsatzes der deutschen Luftabwehr schlug ein Flakgeschoss oder dessen Überreste in das Dach des Gebäudes an der Hirzbodenstrasse 42 ein und beschädigten es.
Am 9. September 1944 schrieb Gertrud Löw, wohnhaft Ziegelstrasse 8 in Basel in ihr Kriegstagebuch:
"Das Näherrücken des Krieges spüren und hören wir in vermehrten (Flieger-)Alarmen (4 bis 8 mal täglich), in fast täglichen „Grenzverletzungen“ durch fremde Flugzeuge, in zweistündigem Patrouillenfliegen von zwei kleinen schweizerischen Jagdmaschinen in der Luft, in viel Soldaten um uns herum in der Stadt und in den Garagen im Hof (hinter unserem Haus), an den Barrikaden-Geschichten (Sandsäcke und Stacheldraht en masse im Spalentor u.a.m.) und einer allgemeinen, aufgeregten Unruhe. Auch die Kinder, die teilweise in anderen Schulhäusern Schule haben, weil in vielen Militär einquartiert ist, sind „am Drähtchen“. Wie muss erst das Kriegsgeschehen auf das sensible Kindergemüt (im Ausland) einwirken! "
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Bombardierung Schnellzug Zürich - Basel bei Pratteln
National Zeitung vom 12. September nach dem Angriff auf den Schnellzug Zürich - Basel - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker
Um 14:35 Uhr greifen drei amerikanische Jagdflugzeuge den Schnellzug von Zürich nach Basel zwischen Augst und Pratteln an. Mit Bordwaffen und leichten Bomben ausgestattet, nehmen sie den Zug ins Visier.
Kurz zuvor hatten dieselben drei Flugzeuge bei Augst bereits mehrere kleinere Bomben auf die Bahnanlagen abgeworfen. Zwei Bomben trafen links und rechts den Bahndamm am Südrand von Augst. Dabei blieben die Gleise unbeschädigt, jedoch wurde die Oberleitung heruntergerissen. Grössere Schäden an Wohnhäusern und der Umgebung wurden gemeldet. So wurden Fensterscheiben eingedrückt, Ziegel von den Dächern geschleudert, und Fensterläden hingen lose an ihren Verankerungen. Eine Frau erlitt eine Knieverletzung und musste ins Krankenhaus in Liestal gebracht werden.
Zwei weitere Bomben schlugen etwa 1 km ausserhalb von Augst auf freiem Ackerland ein, entwurzelten mehrere Bäume und beschädigten weitere. Die rund 150 Meter entfernten Häuser an der Ergolzstrasse wurden teils durch Splitter, teils durch den Luftdruck beschädigt. Vier weitere Bomben fielen zwischen Augst und Pratteln auf den Bahndamm. Zwei davon richteten nur Flurschäden an. Die auf dem Feld arbeitenden Bauern konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, allerdings wurde ein Pferd von einem Splitter verletzt.
Die anderen beiden Bomben trafen die Gleise und rissen die Bahnschwellen aus dem Boden, wodurch die Oberleitung zerstört wurde. Der Lokführer des Schnellzugs aus Zürich, der um 14:42 Uhr in Basel hätte eintreffen sollen, leitete geistesgegenwärtig eine Notbremsung ein, die den Zug rechtzeitig zum Stehen brachte. Auch hier richtete die Druckwelle Schäden an. Viele Zugfenster zerbarsten, und die umherfliegenden Glassplitter verletzten mehrere Fahrgäste. Weitere Passagiere wurden infolge der Notbremsung verletzt.
Der Lokführer, der nach dem Halt am Boden des Führerstandes der Lok Schutz suchte, wurde ebenfalls verletzt. Die Lok wies mehrere Einschüsse von Bordwaffen auf, nachem die amerikanischen Flieger nach dem abwurf ihrer Bomben mit Bordwaffen den Zug unter Feuer genommen hatten.
7. Oktober 1944
Im September 1944 erhielt das Bomber Command vom Alliierten Hauptquartier (SHAEF) den Auftrag, das Rheinstauwehr bei Märkt, etwa 3 Kilometer nördlich von Basel, zu bombardieren und zu zerstören. Ziel war es, den Deutschen die Kontrolle über den Rhein und dessen Pegel zu entziehen. Die Alliierten gingen davon aus, dass die Deutschen das Wehr selbst sprengen würden, um die vorrückenden französischen und amerikanischen Truppen aufzuhalten, indem sie weite Gebiete unter Wasser setzten, wie sie es bereits in Frankreich und Holland getan hatten. Die Geschichte des Stauwehrs reicht bis in die frühen Kriegsjahre zurück: 1939 zerstörten die Franzosen den Fahrsteg nach Deutschland, und 1940 beschädigten sie Teile des Wehrs während der Kämpfe um Colmar.
Der Angriff auf das Wehr fand am 7. Oktober 1944 statt. Die 617. Bomberstaffel, bekannt als die "Dam-Busters", führte den Angriff aus. Die Staffel war bereits für die Zerstörung von Talsperren im Ruhrgebiet verantwortlich gewesen und spielte später eine Rolle bei der Versenkung des Schlachtschiffs Tirpitz. 13 viermotorige Lancaster-Bomber wurden für den Angriff mit je einer Tallboy-Bombe ausgerüstet, die speziell für solche Ziele entwickelt worden war und etwa 6 Tonnen wog. An diesem Tag flogen rund 5.000 alliierte Flugzeuge Einsätze gegen das Deutsche Reich und seine Verbündeten.
Die Angriffsstrategie bestand aus zwei Wellen: Sechs Lancaster-Bomber griffen im Tiefflug aus einer Höhe von 100 bis 125 Metern an, unterstützt von P-51 Mustang-Jägern, die zur Ablenkung und Zerstörung der deutschen Flak-Stellungen eingesetzt wurden. Die zweite Welle von sieben Lancaster-Bombern griff aus einer Höhe von 1.500 bis 2.500 Metern an. Der Himmel über dem Zielgebiet war bald von Flak-Geschossen und Leuchtspurmunition übersät, doch deutsche Jagdflugzeuge erschienen während des gesamten Angriffs nicht, sodass sich die Jäger vollständig auf die Bekämpfung der Luftabwehr konzentrieren konnten. Berichten zufolge waren 14 bis 16 Mustangs im Einsatz, die den Angriff absicherten.
Luftaufnahme aus einem Lancaster Bomber während des Angriffes - Foto Schweizerisches Bundesarchiv BAR - Kolorierung Patrick Schlenker
Während des Angriffs auf das Rheinstauwehr bei Märkt am 7. Oktober 1944 wurde die von F/Lt Christopher Howard geflogene Lancaster Mk.III, Kennung LM.482, Code KC°Q, schwer beschädigt. Beim ersten Anflug konnte die Tallboy-Bombe nicht abgeworfen werden, weshalb Howard zu weiteren Anläufen ansetzte. Beim dritten Versuch wurde die Maschine von Flakgeschossen getroffen, die den hinteren Rumpf in Brand setzten. Howard versuchte noch eine Notlandung, doch die Lancaster explodierte über den Baumwipfeln und stürzte zwischen Efringen und Kirchen nahe des Rheins ab. Keiner der Besatzungsmitglieder überlebte den Absturz.
Die Flakbatterie, die Howards Lancaster traf, war eine Heimatflak-Batterie 37/VII, deren Batteriebefehlsstelle in Istein lag. Diese Batterie wurde hauptsächlich von Schülern der Jahrgänge 1926-1928 aus den Gymnasien und Oberschulen der Region betrieben, aufgeteilt in Luftwaffenhelfer-Züge. Ein weiterer Zug bestand aus elsässischen Zwangsrekrutierten, die ebenfalls gegen die Angreifer eingesetzt wurden.
Je länger das Bombardement andauerte, desto schwächer wurde das Flakfeuer, da viele Flakstellungen durch die angreifenden Jäger ausgeschaltet wurden. Die Lancaster-Bomber warfen ihre Bomben nacheinander ab und zogen sich dann zurück. Um 17:10 Uhr meldete ein Schweizer Beobachtungsposten in Kleinhüningen, dass ein weiterer Bomberverband aus Richtung St. Louis anflog. Einer der Bomber brach aus dem Verband aus, flog nochmals im Tiefflug über das Wehr und drang in den Schweizer Luftraum ein, woraufhin die Schweizer Flak das Feuer eröffnete und den Bomber zum Abdrehen zwang. Drei Minuten später war der Luftraum wieder klar.
Um 17:14 Uhr wurde im Elsass Entwarnung gegeben, und der Wasserstand am Wehr wurde als normal gemeldet, ohne sichtbare Schäden an Kraftwerk und Wehr. Die restliche Bombenladung von Howards abgestürzter Lancaster explodierte um 17:23 Uhr zwischen Efringen und Kirchen, was eine gewaltige Detonation auslöste. Die Druckwelle liess in Basel und Kleinhüningen zahlreiche Fensterscheiben zerspringen, und Luftschutzsoldaten wurden zu Boden geworfen.
Um 17:35 Uhr wurde erneut Flugzeuglärm aus Richtung Laufen gemeldet. Eine einzelne Mosquito warf eine weitere Bombe auf das Wehr. Nachdem sich die Gischt gelegt hatte, stellte man fest, dass der eiserne Laufsteg auf der elsässischen Seite abgerissen war. Trotz Flakfeuer flog die Mosquito ein weiteres Mal über das Ziel und entfernte sich schliesslich um 17:42 Uhr in Richtung Westen. Kurz darauf wurde gemeldet, dass weitere Bomben beim Stauwehr explodiert seien, die bis zu 150 Meter hohe Wasserfontänen verursachten, jedoch ohne sichtbare Schäden zu hinterlassen.
Gegen 17:45 Uhr flogen erneut zwei Mosquito-Bomber, darunter die Mosquito KB.215, Code AZ°H der 627 Squadron, unter dem Kommando von F/Lt Hanlon und der Navigation von F/Lt K.G. Tice, in Richtung des Rheinstauwehrs bei Märkt. Diese Mosquitos waren von der RAF Film Production für Luftaufnahmen des Zielgebiets entsandt worden. Die Flugzeuge kreisten längere Zeit über dem Wehr, um die Zerstörungen festzuhalten. Die erhaltenen Aufnahmen, die im Imperial War Museum London aufbewahrt werden, zeigen detailliert das Stauwehr und dokumentieren die Auswirkungen des Angriffs.
Hanlon berichtete später, dass sie zweimal über das Wehr flogen: einmal um 17:40 Uhr in einer Höhe von 3.000 Fuss und erneut um 17:51 Uhr in 6.000 Fuss. Beim ersten Überflug konnten sie eine Explosion auf der Südseite des Wehrs beobachten. Neun Minuten später ereignete sich eine weitere Explosion, die einen Teil des Wehrs zerstörte und das Wasser durch das beschädigte Wehr strömen liess.
Kurz bevor die Mosquitos um 17:48 Uhr abdrehte, explodierte eine weitere Bombe mit Zeitzünder auf der linken Seite des Wehrs. Diese Explosion, die auf den Originalaufnahmen deutlich zu sehen ist, führte dazu, dass das Wehr zwischen dem ersten und zweiten Pfeiler erheblich beschädigt wurde. Der Druck auf das Wehr war so gross, dass es nicht mehr standhalten konnte und der Bereich zwischen den Pfeilern brach weg.
Zerstörte Teile des Stauwehrs - Foto Archiv Weil am Rhein
Um 17:57 Uhr wurde in Basel der Wasseralarm ausgelöst, nachdem die Zerstörung des Rheinstauwehrs bei Märkt durch die Alliierten Bombenangriffe festgestellt worden war. Sofort trat der im Voraus entworfene Rettungsplan in Kraft, um die Auswirkungen der Beschädigung des Wehrs zu bewältigen.
Um 18:04 Uhr ging die Meldung bei der Ständigen Feuerwache Basel ein, woraufhin sechs Einsatzkräfte das Löschboot „St. Florian“ besetzten. Das Boot fuhr schnell zum Hafenbecken am Dreiländereck. Beim Ablegen des Bootes war der Rheinpegel bereits um 40 cm gefallen. Um 18:20 Uhr hatte der Pegel um 1,22 Meter nachgelassen, und bis 18:30 Uhr betrug der Rückgang bereits 1,52 Meter. Bis 19:28 Uhr wurde eine maximale Wasserabsenkung von 3,40 Metern unter dem Pegel von vor dem Angriff erreicht.
Am folgenden Tag war der Pegel immer noch um 0,56 Meter gesenkt. Ein stetiger Strom bildete sich zwischen dem Hafenbecken und dem Rhein, und an vielen Stellen trat der Grund des Rheins hervor.
Gestrandete Schiffe im Hafenbecken 1 - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/7/104 (Foto Jeck Basel)
Mit aller verfügbaren Kraft versuchte man, so viele Schiffe wie möglich aus den betroffenen Hafenbecken in tiefere Gewässer zu verlegen. Zunächst wurde erfolgreich eine Formation von acht Schiffen aus dem Wendebecken gezogen. Weiterhin konnten 15 Schiffe aus dem II. Hafenbecken in das I. Hafenbecken gerettet werden. Für 15 weitere Kanalschiffe im Hafenbecken 2 und 4 sowie im Zufahrtskanal reichte die Zeit nicht mehr, und diese mussten zurückgelassen werden. Unter den zurückgelassenen Schiffen war auch ein italienisches Hochsee-Segelschiff, das während des Krieges in Basel gestrandet war. Das Hafenbecken 2 war vollständig entleert. Das Löschboot „St. Florian“ konnte zudem das Personenschiff „Rheinfelden“ rechtzeitig bergen.
Ein Kiesschiff löste sich aufgrund des starken Sogs und trieb führerlos im Hafenbecken. Dank raschem Eingreifen konnte auch dieses Schiff rechtzeitig gestoppt werden. Der zurückgeschnellte abgerissene Draht verursachte glücklicherweise keine Verletzungen. Viele Zivilisten halfen ebenfalls bei der Bergungsaktion.
Aufgrund des rasch gesunkenen Pegels musste das Löschboot „St. Florian“ die Nacht im Hafenbecken I verbringen. Erst am Sonntagmorgen konnte es, nach Überprüfung des aktuellen Pegelstands, zu seinem ursprünglichen Liegeplatz am Totentanz zurückkehren.
Sicht Richtung Johanniterbrücke in Basel bei einem Pegel von rund 60cm im Oktober 1944 - Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1060c 3/3/643 (Foto Jeck Basel)
Fliegermord an einer Royal Air Force Besatzung
Von den 13 gestarteten Lancaster-Bombern kehrten nach dem Angriff aus das Stauwehr zwei nicht nach England zurück, und drei weitere landeten schwer beschädigt. Eines der vermissten Flugzeuge, die Lancaster Mark III (LM482) unter dem Kommando von Pilot Chris Howard, wurde von der deutschen Flak-Artillerie am Isteiner Klotz getroffen und stürzte in einen Weinberg bei Efringen-Kirchen. Alle acht Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben.
Das zweite Flugzeug, eine Lancaster B I NG180/KC-S unter der Führung von Pilot Drew Wyness, wurde ebenfalls getroffen und musste nach einem schweren Beschuss in den Altrhein bei Kembs/Märkt notwassern. Vier der sieben Besatzungsmitglieder konnten sich mit einem Schlauchboot retten, wurden jedoch von der starken Strömung durch das zerstörte Wehr in Richtung Rheinweiler abgetrieben. Dort wurden sie von lokalen Bewohnern aufgegriffen und gefangengenommen. Das weitere Schicksal dieser vier Männer führte zu einem der grausamsten Kriegsverbrechen der Region.
Hugo Grüner, der NSDAP-Kreisleiter von Müllheim, Lörrach und Thann, spielte eine zentrale Rolle in den Ereignissen, die sich in Rheinweiler an jenem Tag abspielten. Als Grüner von der Gefangennahme der britischen Flieger erfuhr, begab er sich eigenmächtig nach Rheinweiler, obwohl die zuständige Gendarmerie bereits den Luftwaffenstützpunkt Freiburg über die Gefangenen informiert hatte. Grüner handelte ohne Rücksprache und entschied, die Gefangenen unter dem Vorwand, sie nach Schliengen zu bringen, abführen zu lassen. Er ordnete an, dass die Gefangenen in einem Abstand voneinander von den anwesenden Gendarmen und einem Landwachmann Richtung Schliengen marschiert werden sollten. Doch anstatt sie wie angekündigt an die Luftwaffe zu übergeben, liess Grüner die Flieger auf dem Weg dorthin stoppen und erschoss sie eigenhändig am Rheinufer.
Die Namen der vier ermordeten britischen Soldaten, deren Leichen später im Rhein gefunden wurden, waren: Squadron Leader Drew Rothwell Cullen Wyness, Flight Officer Bruce James Hosie, Flight Lieutenant Ronald Henry Williams und Flying Officer Herbert Walter Honig. Ihre Leichen wurden an verschiedenen Stellen am Ufer des Rheins angeschwemmt und später auf Militärfriedhöfen beigesetzt. Die anderen drei Besatzungsmitglieder, Flight Sergeant Thomas James Hurdiss, Flight Sergeant Thomas Horrocks und Flying Officer George Edward Cansell, blieben bis zum heutigen Tag verschollen. Ob sie bei der Notwasserung ums Leben kamen oder später starben, konnte nie geklärt werden. Ihre Grabsteine auf dem Runnymede Air Force Memorial in Egham, Grossbritannien, sind die einzigen Hinweise auf ihr Schicksal.
Nach dem Krieg wurden die Beteiligten an diesem Verbrechen, neben Grüner auch Hans Reimer, Rudolf Birlin und Karl Bohny, die in der Gendarmerie von Schliengen dienten, von den französischen und englischen Militärgerichtsbehörden sowie der Zentralstelle in Ludwigsburg untersucht. Es konnte jedoch nie eine juristische Verurteilung erfolgen, und die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen.
Diese Verbrechen blieben lange Zeit weitgehend unbekannt, erst neu entdeckte Dokumente in verschiedenen Archiven erlaubten eine fast vollständige Rekonstruktion der Ereignisse. Die Aufarbeitung dieser dunklen Kapitel der Regionalgeschichte ist jedoch unvollständig. Bis 2017 erinnerte eine Gedenktafel am Westwall-Bunker am Stauwehr Kembs/Märkt an die britischen Opfer, doch diese wurde entfernt, ohne durch ein neues Gedenken ersetzt zu werden.
Mehr dazu gibt es im Beitrag von BERND HAINMÜLLER: Ein Kriegsverbrecher im Markgräflerland
Einen ausführlichen Beitrag zur Bombardierung gibt es dazu auf der Webseite der "The Royal Air Force over Switzerland 1940-1945".
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Gertrud Löw-Allemann, schrieb am 7. Oktober 1944 in ihr Tagebuch:
Diesmal haben auch wir Basler wieder etwas vom Krieg gespürt. Das war ein fürchterliches Krachen, wie anno 40 nur ganz anders, weil von Bomben herrührend. Es zitterten bei uns die Fenster und bebten die Häuser. Aber es dauerte nicht sehr lang. (Ich selbst erinnere mich noch ganz genau an diesen Angriff auf das Kembser Stauwehr. Ich befand mich auf dem Heimweg von der Schule und zwar auf der Burgfelderstrasse entlang des heutigen Kannenfeldparkes zwischen der Strassburgerallee und dem Felix Platterspital, als mich eine sehr starke Druckwelle fast zu Boden warf. Und das, obwohl schon Endalarm gegeben worden war).
Obwohl vor allem der rasche Pegelabfall zu reden gab und Basel beschäftigte, hatte der Angriff auch Auswirkungen auf die Bevölkerung der Stadt. Es gingen dutzende von Schadenmlendungen ein.
Insgesamt gab es infolge der Detonationen und durch Flakgeschosse im ganzen Statdgebiet 32 Meldungen über Gebäudeschäden.
Schadensübersicht Kanton Basel-Stadt durch Granatsplitter und Blindgänger der deutschen Flak-Geschosse - Plan Geoportal Basel-Stadt / historische Karte 1940 - Bearbeitung Patrick Schlenker
In der Elsässerstrasse 256, bei Stächelin & Cie und an der Petersgasse 32, bei Velo Bohn, wurden durch die enorme Druckwelle der Detonationen der Bomben grosse Schaufenster zerstört. Weitere Schäden traten an verschiedenen Orten auf, darunter Eisengasse 16, Bachburgerstrasse 8, Kleinhüningerstrasse 169, Jungstrasse 4, Kannenfeldstrasse 23, Am Blumenrain 23/25, Septerstrasse 15, Feldbergstrasse 122, Hüningerstrasse 76, Wintergasse 9, Gotthardstrasse 111, Friedensgasse 4a, Grenzacherstrasse 292, Müllheimerstrasse 41, St. Albananlage 13, Kleinhüningeranlage 168, Wattstrasse 5, Schanzenstrasse 7-13, Lichtstrasse 35, Elsässerstrasse 91 & 258, Feldbergstrasse 126, Kleinriehenstrasse 54, Hammerstrasse 105 sowie in Riehen an der äusseren Baselstrasse 23. Die Gesamtschäden an den Gebäuden im Kanton Basel-Stadt beliefen sich damals auf 33'123,85 CHF, was heute etwa 350'000,00 CHF entspräche.
Zusätzlich wurden mehrere Kanalschiffe beschädigt, darunter die „Bernoulli“ der Basler Schifffahrts AG sowie die „Thur“, „Reuss“, „Lütschine“, „Ergolz“, „Birs“ und das Schulschiff „Leventina“ der Schweizerischen Reederei AG. Die „Thur“ wurde von einem Blindgänger eines deutschen Flak-Geschosses getroffen, als sie am St. Johannsquai als äusseres von vier Schiffen vertäut war. Auch die „Uri“ erlitt Schäden durch eine deutsche Flakgranate. Das italienische Hochseesegelschiff „Dijn III“ wurde beschädigt, als es im Hafenbecken II aufgrund abfliessenden Wassers zur Seite kippte. Die Gesamtschäden an den Schiffen beliefen sich auf 27'787,30 CHF, wobei der Grossteil dieser Schäden durch das Auflaufen auf den Grund entstand.
Schäden an Kanalschiffen nach der Bombardierung des Stauwehr Kembs bei Märkt am 7. Oktober 1944
15. Oktober 1944
Seit Monaten waren in Basel schon tausende von Flüchtlingen eingetroffen. So auch am frühen Sonntag-Morgen des 15. Oktober 1944, als um 06:00 Uhr weitere 400 italienische Flüchtlinge ankamen. Abend m selben Tag sollten es weitere 500 sein. Um die grossen Mengen an Flüchtlingen aufnehmen zu können, wurden neben Turnhallen und anderen öffentlichen Gebäuden auch die Hallen der Messe Basel eingerichtet, um den Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Am 12. Juli 1944 hatte das EJPD die Weisung erteilt, alle an Leib und Leben gefährdeten Zivilpersonen aufzunehmen.
Meldung der Polizei Basel-Stadt vom September 1944 ans Territorial Kommando Basel über die Anzahl der eingetroffenen Flüchtlingskinder aus dem Raum Belfort zu Handen des Roten Kreut Kinderhilfe. - Quelle Bundesarchiv Bern
Auch über Basel tat sich wiederum einiges. Die Tage zuvor schon wurd in Basel bis zu 5 mal täglich Flieferalarm ausgelöst, als verschiedene Flugzeuge den Schweizer Luftraum überflogen. Darunter auch ein US Aufklärer, welche Aufnahmen vom teilweise zerstörten Stauwehr Kembs bei Märkt machte. Durch den ganzen Tag über, wurden aus Westen und Nordwesten schwere detonationen ausgemacht.
Es kam wiederum zu mehrfachem Fliegeralarm:
- 11:36 - 12:34 Uhr - Fliegeralarm
Bei leichtem Föhn flogen um 11:40 Uhr elf Flugzeuge, vermutlich B-24 Liberator der USAAF, von Westen kommend über den Rhein in Richtung Schwarzwald. Diese kehrten um 12:25 Uhr auf demselben Weg zurück.
- 13:36 - 14:15 Uhr - Fliegeralarm
Kurz nach 13:00 Uhr waren die heftigsten Detonationen des Tages zu hören, und die Erde vibrierte in der Umgebung von Basel so stark, dass die Häuser erzitterten. Im Laufe des Nachmittags entwickelte sich diese Flugroute zu einer regelrechten "Luftstrasse", die von nachfolgenden Geschwadern beibehalten wurde. Die Route führte über das hügelige Gelände von Oberellen, über Stein und den Eingang des Kandertals in den südöstlichen Schwarzwald, von wo immer wieder Kampfgeräusche und schwere Detonationen zu hören waren. Zwar wählten die Flieger auch andere Richtungen, denn gegen 13:25 Uhr wurden Detonationen aus Westen, Nordwesten, Norden und Nordosten hörbar. Die genaue Entfernung dieser unaufhörlichen Bombardierungen konnte von der Grenze aus nicht festgestellt werden, da keine Rauchschwaden oder andere Anzeichen sichtbar waren. Die von Basel aus beobachteten Fliegeraktionen folgten teilweise so dicht aufeinander, dass es oft nicht möglich war, die einzelnen Aktionen voneinander zu unterscheiden. Daher war es auch schwierig zu sagen, wie viele Flugzeuge insgesamt an diesem Nachmittag am Himmel operierten. Es konnten nur alliierte Flugzeuge gezählt werden. Ständig gab es ein Hin- und Herfliegen, ein Kreisen und Suchen, und oft kehrte die Spitze eines langgezogenen Geschwaders um, um sich wieder der hintersten Staffel anzuschliessen. Von höheren Standorten aus konnte man für einen Moment 21 verschiedene Flugzeuge zählen, an anderen Orten wurde sogar die doppelte Anzahl festgestellt.
Um 13:30 Uhr tauchten in grosser Höhe immer wieder Flugzeuge in die Wolkendecke ein. Etwa zwölf Maschinen flogen im Luftraum zwischen dem hügeligen Gelände des Elsass und dem Markgräflerland, wobei sie besonderes Interesse an der Gegend um Steinen und Kembs zeigten. Auch das Kanalgebiet, in dem sich viele Zivilisten und Soldaten aufhielten, erregte ihre Aufmerksamkeit. Trotz der Überflüge wurde unermüdlich weitergearbeitet, und keine deutschen Flugabwehrgeschütze oder andere Waffen traten in Aktion.
Um 14:15 Uhr ertönte in Basel Endalarm.
- 15:15 - 18:11 Uhr - Fliegeralarm
Ab 15:00 Uhr verstärkte sich die Aktivität der Flieger. Um 15:15 Uhr flogen zwölf Thunderbolts in Richtung Schwarzwald, und eine Viertelstunde später folgte ein Dutzend schwerer Bomber, die südwärts von schwerer Flak beschossen wurden. Kurz darauf kreisten unermüdlich zwei Aufklärungsflugzeuge zwischen Hüningen und Kembs, während aus dem Schwarzwald eine Reihe von Detonationen zu hören war, die auf Kämpfe in Richtung Freiburg hinwiesen. Die gesichteten Fliegerverbände blieben in den südöstlichen Bereichen, wechselten aber ständig den Kurs.
Um 16:20 Uhr waren in nördlicher Richtung gleichzeitig 21 Maschinen zu sehen, die in Richtung Schwarzwald flogen, während andere weiterhin zwischen Hüningen und Kembs kreisten. Um 16:52 Uhr meldete Freiburg, dass im Raum Baden etwa 20 Jagdbomber kreisten. Wenige Minuten später verstärkte sich die Situation dramatisch. Zwischen 17:06 Uhr und 17:08 Uhr kehrten elf Flugzeuge aus Richtung des Kanals zurück. Sie waren tiefer geflogen als alle anderen und gerieten beim Überflug zwischen Hüningen und Kembs unter Beschuss der Flak.
Der Luftraum war bis nach 17:00 Uhr ununterbrochen von Flugzeugen besetzt, die abwechselnd auftauchten, verschwanden und dann wieder südwärts flogen. Die Bewohner im Grenznahen Elsass verhielten sich jedoch bemerkenswert ruhig. Kinder spielten auf den Strassen, und Erwachsene gingen unbeeindruckt ihren alltäglichen Tätigkeiten nach, als würden die Flugzeuge sie nicht betreffen. Es gab zwar keinen Hauptalarm im Elsass, und die Menschen waren nicht verpflichtet, Schutzräume aufzusuchen, doch auch Angst schien niemand zu verspüren. Die Leute drehten sich nicht einmal um, um die Flugzeuge zu beobachten, sondern kümmerten sich weiter um ihre Angelegenheiten.
- 20:35 - 20:55 Uhr - Fliegeralarm
P47 Thunderbold Absturz bei Schönenbuch
Ein aufregendes Schauspiel bot sich nach 5:20 Uhr für diejenigen, die den Rückflug einer alliierten Fliegerformation von mehreren P47 Thunderbold's beobachteten. Zu dieser Zeit drehte die Formation, aus dem Wiesental kommend, nach Nordwesten ab, als plötzlich die Flugabwehrgeschütze auf Schweizer Seite zu feuern begannen. Eine Granate nach der anderen schoss den fremden Fliegern entgegen und im nächsten Augenblick konnte man deutlich erkennen, dass einer der Jäger mehrere Treffer abbekommen hatte. Die Thunderbold's gehörten den L'escadron de chasse II/3 Dauphiné und II/5 La Fayette an und waren auf dem Rückweg von einem Einsatz im Raum Freiburg zurück zu ihrer Base in Ambérieu, nordöstlich von Lyon.
Republic P-47 Thunderbolt der französischen Streikräfte - Aufnahme ort unbekannt - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker
Das Flugzeug begann nach den Treffern leicht zu schwanken, verlor den Anschluss an die Formation, und steuerte nach Backbord ab, während die anderen Maschinen unbeirrt richtung Osten abdrehend ihren Weg fortsetzten.
Die beschädigte Maschine befand sich ungefähr zwischen Hegenheim und Hésingue in einer Höhe von rund 2000 Metern, als sie plötzlich leicht nach vorne kippte und rasend schnell abwärts stürzte. In diesem Moment löste sich ein kleiner Punkt weg von dem abstürzenden Flugzeug, und kurz darauf öffnete sich ein weisser Fallschirm – der Pilot Sergent Collin war abgesprungen. Während der Fallschirm lautlos und langsam zur Erde sank, endete die rasende Fahrt des führerlosen Flugzeugs mit einem gewaltigen Expolsion westlich des Dorfs Schönbuch, etwa 50 Meter jenseits der Grenze und rund 100 Meter von den nächsten Häusern auf schweizer Gebiet entfernt. Die Maschine war auf einem riesigen Strohhaufen abgestürzt, der dort seinerzeit nach der Ernte aufgeschichtet worden war. Der Aufprall war so heftig, dass das Flugzeug augenblicklich in Flammen aufging. Ein Teil der Trümmer, sowie das Triebwerk der bulligen Maschine urde auf Schweizer Boden geschleudert und wurde sofort von der Grenzsicherung beschlagnahmt.
Währenddessen versuchte der abgesprungene Pilot mit rundern seiner Hände den Fallschrim in Richtung Schweizer Grenze zu bewegen. Er setzte etwa 500 Meter von Schönbuch entfernt auf einer Anhöhe des Klöpferhofs in Hagenthal-le-Bas auf einer Wiese auf. Entschlossen packte er den Fallschirm zusammen und machte sich offenbar auf den Weg, die durch Hoheitszeichen gekennzeichnete Grenze zu erreichen. Doch im nächsten Augenblick sah er, dass ein deutscher Wachposten auf ihn zukam und ihn aufforderte, sich mit erhobenen Händen zu ergeben. Der Pilot ergab sich widerstandslos und wurde abgeführt.
Unterdessen brannte das abgestürzte Flugzeug zusammen mit dem riesigen Strohhaufen bis in die Abendstunden hinein. Schliesslich musste gegen 21:00 Uhr die Feuerwehr aus Hagenthal gerufen werden, um den Haufen auseinanderzureissen und die Flammen zu löschen.
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Kurz zuvor war schon in Laufen BL eine P-47 der 81st Fighter Squadron, 50th Fighter Group notgelandet, welche beim Einsatz gegen deutsche Bodentruppen. Nahe der Schweizer Grenze wurde eine der P-47 von deutschen Jägern angegriffen. Im anschliessenden Luftkampf erlitt die Maschine einen Motortreffer und verlor stark Öl, was den Piloten, 2nd Lt Gerald V. Conlan, zwang, Richtung Schweiz zu fliegen. Da das Cockpit durch das austretende Öl verschmiert war, konnte er nicht sicher nach Lyon zurückkehren. Conlan flog in die Schweiz ein und setzte gegen 16:10 Uhr seine Maschine in der Nähe von Laufen not, wobei der Rumpf stark beschädigt wurde. Die Schweizer Luftwaffe untersuchte die P-47, konnte sie jedoch aufgrund fehlender Ersatzteile nicht reparieren. Nach dem Krieg wurde das Flugzeug mit Zustimmung der US-Regierung in der Schweiz verschrottet.
17. Oktober 1944
Die Tag nach der Bombadierung des Stauwehrs Kembs bei Märkt am 7. Oktober, waren äusserst unrugig und es folgten täglich Fliegeralarme.
Am 8.10. gab es vier Alarme, am 11.10. zwei, am 12.10. vier, am 13. und 14.10. jeweils einen und am 15.10. nochmals vier Alarme. Die zahlreichen Einsätze liessen die Basler vermuten, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die ersten Bodenkämpfe in der Grenzregion zu sehen sein würden.
Am 17. Oktober wurde zwischen 08:53 und kurz vor Mittag drei Mal Fliegeralarm in Basel ausgelöst, in dessen Folge um 12:15 Uhr durch Flakbeschuss über Basel zu Schäden an Wohneigentum gab.
- Freiburgerstrasse 62
- Schäferweg 23 - Gaswerk Basel
Schäden an Gebäuden auf dem Kantonsgebiet der Stadt Basel häuften sich fast täglich. Hier durch eine durch das Dach geschlagene Flakgranate - Foto Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1045i 20/7/7
Fliegeralame:
- 08:53 bis 09:32 Uhr
- 09:37 bis 10:38 Uhr
- 11:56 bis 13:13 Uhr
20. Oktober 1944
Schon kurz vor 10 Uhr, um 09:56, ertönte in Basel ein weiterer Fliegeralarm, als sechs amerikanische Bomber auf die Stadt zuflogen und dann nach Norden abdrehten. Gleichzeitig operierten vier Jäger der Schweizer Luftwaffe über Basel, um den Luftraum zu sichern. Nachdem um 10:32 der Endalarm gegeben worden war, heulten die Sirenen um 10:35 erneut auf. Diesmal konnten weitere zwölf Bomber über Basel gesichtet werden, die in Richtung Nordosten abflogen, als Luftabwehrfeuer, vermutlich von deutscher Seite, auf sie eröffnet wurde.
Bei den anschliessenden Bombenabwürfen, einschliesslich Brandbomben, wurden Haltingen und die Schiffbrücke getroffen. In der Folge brachen in Haltingen drei Brände und in Michelbach ein weiterer Brand aus. Zudem schlugen mehrere Brandbomben 50 Meter neben dem Hafenbecken 2 ein, und brennender Phosphor der Bomben konnte auf dem Rhein beobachtet werden. Aufgrund der Abwürfe kam es auch in Riehen, an der Niederholzstrasse 23 und 77, nach 11:15 Uhr zu Einschlägen bzw. Schäden. Nachdem um 13:44 Uhr der Endalarm ertönte, blieb der Nachmittag nicht von weiteren Ereignissen verschont. Kurz nach 16 Uhr wurden erneut Bomber über Basel gesichtet. Diese warfen weitere Bomben auf den Hafen von Weil und erneut auf die Schiffbrücke bei Haltingen. In Hüningen brach daraufhin ein Brand in der Färberei Schwarzenbach aus. Um 17:10 Uhr konnte schliesslich erneut Entwarnung gegeben werden.
Schiffsbrücke zwischen Hüningen und Haltingen im Sommer 1944 - Foto Basler Nachrichten 20. Oktober 1944
Insgesamt wurde in Basel im Monat Oktober 1944 40 mal Fliegeralarm ausgelöst.
4. November 1944
Nachdem alliierte Truppen bis Oktober 1944 die Wehrmacht aus weiten Teilen Frankreichs vertrieben hatten, geriet ihr rascher Vormarsch an mehreren Frontabschnitten ins Stocken. An der belgisch-niederländischen und belgisch-deutschen Grenze sowie entlang der Mosel und ihrer Nebenflüsse gelang es der Wehrmacht, die Alliierten zu bremsen und eine vorübergehende Stabilisierung der Front zu erzwingen. Das Elsass und Lothringen blieben daher weiterhin unter deutscher Kontrolle.
Da sich der Fokus der Alliierten zu dieser Zeit hauptsächlich auf das Rheindelta und die Schlacht um Aachen richtete, beschränkten sich die militärischen Auseinandersetzungen im Oktober 1944 im Elsass und den angrenzenden Gebieten auf lokale Bodengefechte. Parallel dazu intensivierten die alliierten Luftstreitkräfte ihre Bemühungen, die deutschen Nachschublinien durch schwere Bombardements zu zerstören und empfindlich zu stören. Diese Angriffe zielten darauf ab, die Wehrmacht logistisch zu schwächen und den Widerstand an der Front zu brechen. Die Bodengefechte waren von intensiven Scharmützeln und Abwehraktionen geprägt, bei denen die deutschen Besatzer versuchten, ihre Stellungen zu verteidigen. Trotz des begrenzten Massstabs dieser Gefechte war die Lage angespannt und von wechselnden Frontlinien geprägt.
Für die deutschen Verteidiger bedeutete die vorübergehende Entlastung an anderen Frontabschnitten jedoch auch die Gelegenheit, sich neu zu formieren und auf künftige Kämpfe vorzubereiten. Sie konnten ihre Verteidigungslinien verstärken und ihre Truppen auf bevorstehende grössere Auseinandersetzungen einstellen. Die militärische Lage blieb jedoch weiterhin angespannt. Die kontinuierlichen Gefechte und die Massnahmen der Besatzungsmacht belasteten die Zivilbevölkerung stark. Viele Menschen mussten sich mit ständiger Unsicherheit, Mangelversorgung und der Gefahr durch Luftangriffe arrangieren, während der Krieg sich unbarmherzig durch die Region zog.
Frontverlauf am 27. Oktober 1944:
Blaue Pfeile: Angriffe Alliierter Verbände
6. US-Heeresgruppe - Generalleutnant Jacob L. Devers
Französische 1. Armee - General Jean de Lattre de Tassigny
- 1re division motorisée d’infanterie (1re DMI)
- 2e division d’infanterie marocaine (2e DIM)
- 3e division d’infanterie algérienne (3e DIA)
- 4e division marocaine de montagne (4e DMM)
- 9e division d’infanterie coloniale (9e DIC)
- 1re division blindée (1re DB)
- 2e division blindée (2e DB)
- 5e division blindée (5e DB)
Rote Pfeile: Deutsche Gegenangriffe
Französische Flüchtlingskinder am Bahnhof SBB - Foto Staatsarchiv Basel NEG 21602 - Kolorierung Patrick Schlenker
Kurz nachdem um 09:00 Uhr die Bewachungskompanie 22 BS im De-Wette-Schulhaus vis-à-vis des Bahnhofs SBB begonnen hatte, die Bewachungskompanie 21 BS abzulösen, ertönte über Basel ein weiteres Mal Fliegeralarm. Im Keller des Schulhauses wurde es für einen Moment sehr eng, als beide Kompanien Schutz suchten. In der Folge überflogen drei US-Bomber die Stadt in Richtung Altkirch, wobei sie von der deutschen schweren Flak bei Kembs unter Feuer genommen wurden. Um 10:48 Uhr ertönte der Endalarm.
Am Vortag waren 416 Kinder aus dem benachbarten Elsass mit dem Zug in Basel eingetroffen. Am Abend um 20:00 Uhr kamen weitere 399 Kinder und 42 Frauen am Bahnhof an. Das Rote Kreuz und die Armee kümmerten sich um die Neuankömmlinge, versorgten sie mit Essen und Getränken und bereiteten ihre Weiterreise nach Zürich vor.
9. November 1944
Zur Vorbereitung der bevorstehenden Offensive der Alliierten zur Befreiung des Oberelsass rückten drei US-Kolonnen, unterstützt durch Panzer, südlich von Metz in Richtung Mailly-sur-Seille vor. Gleichzeitig gab es Vorstösse an zwei weiteren Brückenköpfen östlich der Mosel. Ziel war es, die Hauptstrasse Metz-Strassburg zu erreichen und die wichtige Verbindung zur Festung Metz zu kappen. In der Nacht gelang es den alliierten Truppen, bis auf 2,5 Kilometer an die strategisch bedeutende Strasse heranzurücken, die von deutschen Bunkeranlagen und Feldbefestigungen verteidigt wurde. Rasch herangeführte deutsche Artillerie lieferte den amerikanischen Geschützen ein stundenlanges Duell. Zur Unterstützung der Bodentruppen kreisten US-Jagdbomber über dem Gebiet und griffen gezielt ein.
Am Vortag wurden in Basel weitere Flüchtlings-Kinder, die bereits vor zehn Tagen aus Colmar angekommen waren, weitergeleitet. Um 11:30 Uhr ertönte erneut Fliegeralarm, und US-Bomber überflogen die Stadt. Vermutlich gehörten diese Bomber zu jenen, die das Städtchen Dietzenhofen sowie das Kraftwerk Eglisau und das Glattviadukt bombardiert hatten. Es erfolgte ein gezielter Bombenangriff auf das Kraftwerk Eglisau., wobei das Kraftwerk nicht getroffen wurde. Zwei Staffeln von US Bombern, bestehend aus jeweils sieben bis acht Bombern, liessen rund 20 weitere Bomben fallen. Die Umgebung der Bahnlinie Eglisau–Koblenz wurde getroffen, während andere Bomben 100 bis 300 Meter südlich des Kraftwerks einschlugen.
Bei dem Angriff kamen der Bahnhofgehilfe Troiblen, Herr Schenkel, und der Monteur Oberle ums Leben. Ein weiteres Opfer wird noch unter den Trümmern des Bahnwärterhäuschens vermutet, möglicherweise Frau Schenkel. Ein Mitarbeiter des Kraftwerks wurde schwer verletzt. Insgesamt gab es vier Verletzte, darunter drei Angehörige der Armee. Zahlreiche Häuser erlitten starke Schäden. Das Kraftwerk Eglisau selbst wurde nicht direkt getroffen, jedoch durch die Druckwelle erheblich beeinträchtigt; die Hochspannungsleitungen wurden an mehreren Stellen beschädigt und herabgerissen.
Angesichts der sich Basel nähernden Kämpfe informierte das Territorialkommando die Bevölkerung mittels Zeitungen und Anschlägen über Verhaltensmassnahmen zum Schutz. Ziel war es, die Bevölkerung bestmöglich auf mögliche Kampfhandlungen vorzubereiten und die Sicherheit in der Region zu erhöhen.