21. November 1944
Allgemeine Lage:
Die Panzer der 1. DB (1ère Division Blindée) rücken in Mulhouse ein. Obwohl sie zahlenmässig in der Minderheit sind, führen sie zahlreiche Vortsösse durch die Hauptstrassen aus, um die Deutschen über ihre numerische Schwäche hinwegzutäuschen. Die Panzer erreichen Bourtzwiller und Pfastatt und werden dort von acht Kompanien der Forces françaises intérieures (FFI) unterstützt. Mulhouse wird befreit, doch die Nachricht von einer möglichen Gegenoffensive verbreitet sich schnell. Die Deutschen fassen neuen Mut und gehen in die Offensive. Sie greifen die alliierten Stellungen nordöstlich von Mulhouse an und stoppen auch den Vormarsch Richtung Chalampé, wobei sie die Kontrolle über die Brücke und das Eisenbahnknotenpunkt endgültig behalten.
Im Süden nterbrechen die Deutschen mehrfach die Versorgungswege des 1. Armeekorps. Die Strasse zwischen Delle und Seppois-le-Bas wird durch deutsche Bataillone abgeschnitten. Bei Suarce wird ein Teil des Regiments der Kolonialinfanterie aus Marokko sowie des 9. Zouaven-Regiments fast vollständig vernichtet. Am Abend wird die RD 463, die für die Versorgung mit Treibstoff und Munition der gesamten 1. DB zuständig ist, zwischen Faverois und Seppois blockiert.
Die Trikolore im Elsass weht wieder:
Im Verlauf des Vormittags meldet sich immer wieder Kampfgeschehen entlang der Frontlinien. Die französischen Truppen setzen ihre Angriffe an der Rheinfront fort. Nach neuesten Meldungen marschieren die Franzosen an einer 15 Kilometer langen Front am Rhein auf, unterstützt von ausgesuchten Verbänden der FFI (Forces Françaises de l'Intérieur), die an den Operationen beteiligt sind.
Augenzeugenbericht: FFI-Männer formieren sich in Gruppen auf der Hauptstrasse von St. Louis. Andere räumen das Dreifachamt und bringen deutsche Ausrüstungsgegenstände auf die Strasse. Aus dem Raum Blotzheim dringt heftiger Gefechtslärm, Maschinengewehr- und Gewehrfeuer herüber. Um 11:30 Uhr fahren drei Männer in die Garde-Mobile-Kaserne und erklären, sie seien zum Angriff bereit. Ein Detachement mit 40 Mann rückt auf dem offenen Feld zwischen Hüningen und St. Louis vor. Ihre MGs zielen auf Hüningen hinüber. Um 11:50 Uhr fährt vor dem Dreiviertelamt in Lysbüchel ein grosser Panzer auf. Die 3. Infanterie rückt in Richtung Garde-Mobile-Kaserne vor.
Die Situation spitzt sich gegen Mittag zu, als die französische Artillerie das badische Rhein-Ufer erneut mit intensiven Bombardierungen überzieht. Kurz nach 12:00 Uhr schlagen etwa ein Dutzend Granaten in die Ortschaft Friedlingen ein, die nur wenige hundert Meter von der Schweizer Grenze entfernt liegt. Bereits zuvor ist der Kirchturm von Kembs in Brand geschossen worden. Diese wiederholten Artillerieangriffe führen zu schweren Zerstörungen, und die französischen Truppen gehen mit äusserster Entschlossenheit gegen die deutschen Besatzungstruppen vor.
Zur gleichen Zeit, im Raum St. Louis, bricht die Belagerung der Garde-Mobile-Kaserne nach einer erneuten Beschiessung durch französische Panzer und Fahrzeuge auf. Französische Panzer dringen in den Hof der Kaserne ein, doch in der Zwischenzeit gelingt es den dort versteckt gehaltenen deutschen Soldaten, unbemerkt durch Lauf- und Splittergräben zu entkommen und nach Hüningen durchzubrechen.
In St. Louis setzen französische Truppen und die FFI ihre Durchkämmungen zahlreicher Gebäude fort, um nach deutschen Soldaten zu suchen. Zuvor ist die Bevölkerung in den Räumlichkeiten der deutschen Gendarmerie und des Grenzschutzes aktiv geworden und hat diese geplündert. Es kursieren Gerüchte, dass sich auch Gestapo-Beamte unter die flüchtenden deutschen Soldaten gemischt haben, um unerkannt zu bleiben.
Auf der badischen Seite des Rheins wird der Verkehr nach Basel aufgrund der andauernden französischen Beschiessungen eingestellt. Auch auf der elsässischen Strecke verkehren vorübergehend keine Züge. In dieser Zeit nehmen die französischen Artillerieangriffe wieder zu und sorgen für weitere Zerstörungen. So wird die Hüninger Fähre, die die zerstörte Schiffbrücke ersetzte, durch einen Volltreffer zerstört. Das Boot liegt zertrümmert am Ufer. Auch die Fähre bei Märkt wird nach einem Angriff versenkt, wobei mehrere Menschen ertranken.
Die französischen Truppen setzen ihre Angriffe auf die deutschen Truppen mit äusserster Heftigkeit fort. Gegen 16:00 Uhr nachmittags lebt das Artilleriefeuer wieder auf, sodass sich die deutschen Behörden genötigt sehen, Weil-Leopoldshöhe und Haltingen endgültig zu evakuieren. In dieser Zeit wird erneut das Gebiet um Volksberg mit Granaten aus dem Raum des französischen Artilleriefeuers beschossen.
Am Nachmittag setzen die französischen Truppen ihre Durchkämmungen in den umliegenden Regionen fort und die Gefechte zwischen Panzern und Bunkeranlagen nehmen merklich an Intensität zu. Aus den kleinen Kanonen der Panzer krachen Schuss um Schuss. Die Einschläge, sowohl neben als auch auf den Bunkern, werden immer häufiger beobachtet. Besonders laut und heftig ist der Kampf auf der Strasse zwischen Hüningen und St. Louis. Der Hüninger Gaskessel, ein exponiertes Ziel, gerät immer wieder in den Fokus der Artillerie, wobei Rauchwolken aus den Einschlägen aufsteigen. Den deutschen Soldaten, die in der Kiesgrube bei St. Louis Deckung gesucht hatten, gelingt es nicht, den heranrückenden Panzern zu widerstehen. Daraufhin werden gegen 16:55 Uhr Minenwerfer, deren Standorte schwer zu erkennen sind, eingesetzt.
Links: FFI an der Grenze Lysbüchel am 21. November 1944 - Foto News Chronicle Iondon (Dr. Pentmann) - Kolorierung Patrick Schlenker Rechts: die selbe Stelle im November 2024
Kurz nach 17:00 Uhr erlischt plötzlich der Gefechtslärm. Die Panzer, die zuvor die Strassen von St. Louis durchzogen haben, verschwinden wieder. Doch es bleibt klar, dass weiterhin kleine Widerstandsnester der Deutschen in der Gegend existieren. An den Randzonen des Kampfgebiets werden die Panzer mit Maschinengewehrfeuer beschossen. Aus dem rechten Gebäudeteil der SS-Kaserne steigt den gesamten Nachmittag über schwelender Rauch auf.
Vor Einbruch der Dunkelheit steigen plötzlich Flammen aus den Fenstern des Erdgeschosses der SS-Kaserne. Innerhalb kurzer Zeit brennt es im Inneren des Gebäudes lichterloh. Es gibt keine sichtbaren Löschversuche, doch das Feuer erlischt nach etwa einer Stunde von selbst.
Gegen 17:12 Uhr steigen auf der gegenüberliegenden Seite der Schusterinjel weisse Rauchwolken auf, eine nach der anderen. Es ist sofort klar, dass es sich um Nebelgranaten handelt, die von der Artillerie zum Einschiessen verwendet werden. Ein neues Ziel wird rund einen Kilometer jenseits der Grenze gesucht. Die Situation lässt darauf schliessen, dass die Nacht ebenfalls unruhig werden wird.
In St. Louis gibt zunehmende Meldungen über Panik unter der elsässischen Grenzbevölkerung, die durch unkontrollierbare Gerüchte befeuert wird. Es wird behauptet, dass etwa 5000 deutsche Soldaten den Belagerungsring von Belfort hätten sprengen können, ein Teil sei jedoch in französische Gefangenschaft geraten, während der Rest sich in Richtung der Grenze bewegt habe. Diese Gerüchte führen zu einer regelrechten Fluchtbewegung auf die Schweiz zu.
Die Kämpfe rund um das Kraftwerk Kembs und die angrenzende Schleusenanlage nehmen zu. Immer wieder treffen Granaten das Gelände, und Fontänen von erheblicher Höhe spritzen in die Luft. Es ist anzumerken, dass die Beschiessung offensichtlich nicht auf das Kraftwerk selbst abzielt, da die Gebäude, die eigentlich ein leichtes Ziel bieten würden, unversehrt bleiben. Möglicherweise befinden sich deutsche Stellungen in der Nähe des Werkes, weshalb die Artillerie eher auf diese Positionen gerichtet ist. Die Gegend wird immer wieder von Explosionen erschüttert, und auch entlang des linksrheinischen Ufers bis zur Rosenau und vermutlich bis nach Loechle sind Detonationen zu hören.
Die militärische Lage bleibt angespannt, da sich die französischen Truppen weiterhin mit aller Entschlossenheit gegen die deutschen Besatzungstruppen zur Wehr setzen, was den Verlauf des 21. November 1944 zu einem bedeutenden und dramatischen Tag in dieser Region macht. Trotz des symbolischen Sieges in der Stadt bleibt die militärische Lage an der Front weiterhin unklar und gefährlich. In der Nacht kommen Meldungen, dass deutsche Soldaten auch weiterhin einzelne Orte besetzen und in einigen Fällen, wie in Neuf-Brisach und St. Louis, Scharmützel mit französischen Soldaten ausgetragen werden.
Basel
Im Laufe des Vormittags und über die Mittagszeit fuhr im äusseren St. Johann und im Gebiet von Kleinhüningen bis zur Dreitosenbrücke ein Lautsprecherwagen des Luftschutzkommandos herum, dessen Sprecher folgendes verkündete:
„Achtung, Achtung! Warnung des Luftschutzkommandos: Die Kämpfe im Elsass bedeuten eine ernste Gefahr. Dringende Aufforderung an die Bevölkerung: Keine Neugierde zeigen; die Strassen meiden; in den Häusern in abseitigen Räumen aufhalten. Bei Artillerieschiessen die Keller oder sonstige Deckung aufsuchen.“
Die militärischen Instanzen in der Region setzen verstärkte Grenzsicherungsmassnahmen, während die Polizeimannschaft im Elsässerquartier in erhöhter Bereitschaft ihre Aufgaben wahrnimmt.
Gegen Mittag verbreitet sich die Nachricht, dass der deutsche Grenzbeamte, der tags zuvor ins Spital Basel gebracht wurde und dort verstarb, von seinen eigenen Soldaten erschossen worden ist. Zuvor hat dieser versucht, desertierende Soldaten davon abzuhalten, in die Schweiz zu flüchten.
Beim Artilleriebeschuss der Leopoldshöhe und Haltingen zerstöre Granaten auch in Kleinhüningen ein Dach einer Reederei und richten dort erheblichen Schaden an. Die Hafenstrasse ist mit zerbrochenen Ziegeln übersät. Aufgrund der anhaltenden Angriffe stellen nahezu alle Reedereien im Kleinhüninger Hafenbetrieb ihren Betrieb ein.
Um 15:37 Uhr ertönt erneut Fliegeralarm in Basel und der näheren Umgebung, als 11 schwere alliierte Kampfflugzeuge, offenbar von einem Angriff auf Industriegebiete in Süddeutschland kommend, rheinabwärts fliegen und die Grenze in Richtung Elsass überqueren.
Am Abend erlebt Basel einen historischen Moment: Mitglieder der französischen Kolonie in der Stadt, darunter auch der als tot geglaubte Jules Pfyfer, der ehemalige Besitzer des bekannten Hotels-Restaurants in St. Louis, überbringen eine neue Trikolore der französischen Kolonie. Dies erfolgt im Rahmen einer kurzen Zeremonie, in der die französische Fahne hochgezogen und die „Marseillaise“ gesungen wird. Doch während in Basel dieser symbolische Akt stattfindet, donnert im Hintergrund weiterhin der französische Artilleriebeschuss über das badische Ufer, und Maschinengewehre der französischen Panzer zerrissen die Dunkelheit bei Hüningen.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit beginnen hunderte Zivilisten, darunter Männer, Frauen und Kinder, mit allen erdenklichen Fahrzeugen und Wagen die Grenze zu erreichen. Sie tragen ihre Habseligkeiten mit sich und suchen in grösster Angst Zuflucht. Die Grenzsicherungsorgane gewähren ihnen vorübergehend Asyl, während die Flüchtlinge unter militärischer Begleitung in die Mustermessehallen in Basel gebracht werden. Nach den ersten Schätzungen sind zwischen 3000 und 4000 Personen während des Abends in die Schweiz übergetreten.
Menschen mit Gepäckstücken und einem Leiterwagen mit Habseligkeiten - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1060c 3/7/362 - Kolorierung Patrick Schlenker
Augenzeugenbricht: Den Beobachtern des Übertritts der Zivilbevölkerung von St. Louis bietet sich ein Bild, das sie wohl nicht so rasch wieder vergessen werden. Es ist deutlich zu sehen, dass die Flüchtlinge in aller Eile all das zusammengepackt haben, was ihnen notwendig und wertvoll erscheint. Das Gepäck der einen befindet sich in einem Rucksack oder in einer grossen Tasche, andere haben ihre Habseligkeiten auf Kinderwagen oder Leiterwagen verladen. Manche haben sich zusammengetan und ihre Koffer, Taschen, Bündel und Bettzeug auf einen gemeinsamen Wagen geladen. Nebenher schieben sie Fahrräder, oft überladen mit Gepäck. Der grösste Teil der Flüchtenden sind Frauen, man sieht es auch an ihrer Kleidung, dass sie sich in der Eile mehr nach der Zweckmässigkeit als nach der Schönheit orientiert haben.
Ergreifende Szenen spielen sich immer wieder ab, wenn sich da und dort aus den Zuschauern eine Frau oder ein Mann löst und laut einen Namen rufend zu der Gruppe der Flüchtlinge hinüberschreitet. Leute, die sich seit vier Jahren nicht mehr gesehen haben und oft kaum vom Schicksal der anderen wissen, sehen sich nun plötzlich wieder. „Seit vier langen, schweren Jahren, in denen wir immer wieder mit Sehnsucht nach Basel hinübergeblickt haben, ist es nun wahr geworden, dass wir wieder kommen können. Ich habe mir meinen ersten Gang nach Basel zwar anders vorgestellt“, sagt uns eine alte Frau, die vor dem Krieg jeden Tag mit frischem Gemüse in die Stadt gezogen ist. „Aber es kommt bald die Zeit, wo man ungezwungen hinüberkommen kann“, tröstet sie ein alter Mann, der nun schon zum dritten Mal während dieses Krieges flüchten muss.
Mit grossem Interesse erkundigt man sich natürlich nach dem, was die Flüchtlinge in den letzten Tagen erlebt haben. Die Aussagen der Evakuierten sind eindeutig, jedoch verschieden. Je nach dem persönlichen Temperament wissen sie von allerhand grösseren und kleineren Aktionen zu berichten. Überall sind Spuren der Kämpfe zu sehen, besonders die äusseren Liegenschaften von St. Louis sind teilweise stark beschädigt. In manchen Strassen liegen noch Reste von Toten. Die meisten Zivilpersonen haben es vorgezogen, sich während der Kämpfe in den Häusern zu verbergen, von einem geregelten Leben ist in den letzten Tagen natürlich nicht mehr zu reden. Eine grosse Zahl der noch in St. Louis verbliebenen jungen Elsässer haben sich den FFI (Forces Françaises de l'Intérieur) angeschlossen.
Schäden in Basel
Während des Beschusses des Fabrikareals an der Wiesenmündung am elsässischen Rheinufer flogen mehrere Geschosse und Granatensplitter in und über den Rhein. Im Rheinhafen wurde das Tankschiff „Furka“ getroffen und fing Feuer. Ein Detachement der Luftschutztruppen konnte den Brand jedoch erfolgreich löschen. Ein grosser Benzintank am Hafenbeckenquai wurde dreifach durchschlagen, hatte jedoch Glück, da er leer war. Zündköpfe und Splitter beschädigten Liegenschaften und Gärten. Es wird erwartet, dass bei Tageslicht noch viele weitere Granatsplitter und Granatentreffer gefunden werden. Eine Granate traf ein offenes Kohlelager am Hafenbeckenquai, während eine andere mitten in der Wiesenmündung landete und die dortige Eisenbahnbrücke beschädigte.
Schäden:
- 08:30 Uhr – Westquaistrasse 31
- 08:30 Uhr – Schulgasse 11
- 08:30 Uhr – Dorfstrasse 51
- 08:30 Uhr – Hafenstrasse 5 & 7, Schweizerische Reederei AG
- 23:15 Uhr – Milchsuppe 175, Bürgerspital Basel
Bei den Elsässern in der MUBA
Aus den Basler Nachrichten
Als am 20. November den ganzen Tag die Kanonen donnerten, musste ich unablässig an meine Bekannten in Hüningen und St. Louis denken. Was machen sie nur? Müssen sie wohl noch einmal evakuieren? Da schrillt das Telefon. Eine Stimme auf gut elsässisch wünscht mir „Bon soir“. „Do simmer ändlig gen wider emol z'Basel!" Aber trotz der Freude klang die Stimme unterdrückt, denn meine Einladung durfte nicht angenommen werden. „Mir mien alle in de Muschtermäss!"
Menschen mit Gepäckstücken und einem Leiterwagen mit Habseligkeiten - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1060c 3/7/367 - Kolorierung Patrick Schlenker
Am anderen Morgen drängte sich vor der Tür zur Soldatenhalle, wo die Elsässer Quartier bezogen hatten, bereits eine grosse Menge. Es waren nicht nur Neugierige. Die meisten hatten das Verlangen, ihre lieben Elsässerbekannten zu begrüssen. Den Schweizer Soldaten fiel es schwer, die Leute abzuweisen, und wenn eine Frauenstimme bettelte „Oh, lassen Sie mich doch rasch meinen Bruder sehen!“, öffnete er wohl einen Spalt, um den Sehnsüchtigen das Wiedersehen zu ermöglichen. Namen wurden von aussen den drinnen Wartenden zugerufen, und wenn die Gerufenen endlich erschienen, war die Freude des Wiedersehens unbeschreiblich. „Wie geht's? Wie geht's?“ fragte ich meine Heimatbekannten. „Ah, jetzt kann uns nichts mehr passieren! Jetzt geht's uns gut, wir sind ja in der freundlichen Schweiz!“
Als ich dann die dicken Strohsäcke musterte und die wenigen Habseligkeiten, die herumlagen, fragte ich nach dem etwa Fehlenden. „Oh, Stoff und Madam, hett Se e Stickl Seif fir nis? Kennt Se verfün mir vielleicht e Zahnbürschtel besorge?" Alles Dinge, die die Flüchtlinge noch benötigten.
Auch in der Mustermesse in Basel, wo viele Elsässer Flüchtlinge untergebracht sind, gibt es jetzt eine spürbare Erleichterung. Die Elsässer Flüchtlinge, die vorläufig unter striktem Ausgehverbot stehen, finden sich gelassen damit ab. Sie geniessen die gute Suppe und den Milchkaffee, der ihnen von Luftschutzsoldaten serviert wird. Alle haben die feste Überzeugung, noch bis Ende der Woche wieder nach Hause zurückkehren zu können. Wenn sie sich in dieser Hoffnung nicht täuschen, wären unsere armen Elsässerfreunde, die schon so viel durch das wechselvolle Schicksal ihrer Heimat erduldet haben, endlich wieder in Sicherheit.
Flüchtlinge in Halle 2 - Foto Staatsarchiv Basel PA 1189b B 2-28 (1) 3-4 - Kolorierung Patrick Schlenker
Territorial-Kommando Basel
Fliegeralarme:
- 08:48 - 09:09 Uhr
- 09:11 - 09:44 Uhr
- 10:37 - 10:59 Uhr
- 15:37 - 17:03 Uhr
Aus den Berichten der Schweizer Armee ist Folgendes zu entnehmen:
01:00 Uhr: Deutsche Truppen ziehen sich nach Hüningen zurück. Mindestens ein deutsches Bataillon in Hüningen in Stellung.
06:00 Uhr: Die Säuberung des linken Rheinufers durch franz. Truppen soll beginnen.
06:40 Uhr: Der Bahnhof Weil steht unter Beschuss. Bahnmaterial wurde evakuiert.
07:00 Uhr: Die Stadtbrücke Rheinfelden wurde von acht deutschen Soldaten zur Sprengung vermint.
08:00 Uhr: Der Kommandant und der Adjutant begeben sich zur Grenze Kleinhüningen.
08:30 Uhr: Das Zeughaus Basel erhält den Befehl, Waffen, Munition und Kriegsmaterial der deutschen Internierten entgegenzunehmen.
08:35 Uhr: Mehrere deutsche Soldaten warten auf die Aufnahme der Civil-Transit-Flüchtlinge. Der Abtransport beginnt sofort.
08:40 Uhr: Auftrag an den Genie-Chef: Grenzmarkierungen an den Strassen nach St. Louis und Hüningen mit rot-weissen Bändern anbringen. Ausführung erfolgt mit Einverständnis des Kdt. Inf. Rgt. 23.
08:48 Uhr: 272 deutsche Militärinternierte werden nach Olten zur Reinigung abtransportiert.
09:00 Uhr:
- Maj. Flückiger, Chef des 2. Armeekorps, und Hptm. Palm, Kdt. des Bewachungsdetachements 8, melden sich auf dem KP. Rekognoszierung technischer Verbesserungen im Abschnitt Basel.
- Meldung über Geschosseinschläge in Kleinhüningen, unter anderem in die Kleinkinderschule, die geschlossen wurde.
14:00 Uhr:
- Der Kommandant und der Stabschef inspizieren die Reederei und die MUBA.
- Anschliessend Inspektion der Bewachungskompanien 1 BL und 10 BS.
- Vorbereitung der Beisetzung eines im Spital verstorbenen deutschen Hilfszollassistenten, der tags zuvor am Grenzübergang Lysbüchel angeschossen wurde. Absprache mit dem deutschen Generalkonsul in Basel findet statt.
15:00 Uhr: 120 Flüchtlinge werden vom Zoll Friedlingen zum Zoll Hornfelsen (Grenzach) transferiert. Keine Pferde oder Vieh.
17:35 Uhr: Maj. Debrunner meldet, dass die Deutschen 2000 Mann auf das linke Rheinufer gebracht haben, um St. Louis anzugreifen.
17:40 Uhr: Meldung, dass Mulhouse wahrscheinlich von den Alliierten besetzt wurde.
18:10 Uhr: Am Lysbüchel warten 1000 Flüchtlinge auf Abholung.
18:20 Uhr: Meldung über einen möglichen deutschen Angriff aus dem Raum Belfort. Bewachungskompanie 1 BL (Birsfelden) wird auf Pikett gestellt.
18:30 Uhr: Die ersten 1000 Flüchtlinge werden in der MUBA untergebracht. Zwei zusätzliche Detachemente werden aufgeboten.
18:45 Uhr: Maj. Debrunner meldet, dass etwa 4000 Flüchtlinge in kleinen Gruppen eintreffen.
18:55 Uhr: Befehl des Territorialkommandanten: Einsatz der Bewachungskompanien 8, 21 und 23 BS am Korps-Sammelplatz.
18:56 Uhr: Platzkommando wird aufgeboten.
19:21 Uhr: Befehl des Platzkommandanten: Zusatzaufgebot von mindestens drei Lastwagen für 21:00 Uhr.
19:22 Uhr: Befehlsausgabe an die Bewachungskompanie 23 BS.
19:25 Uhr: Befehlsausgabe an die Bewachungskompanie 21 BS.
19:38 Uhr:
- Rapport: Panik in St. Louis. Die Bevölkerung strömt nach Basel. Versammlung am Lysbüchel. Einsatz der Bewachungstruppen:
- Detachement 1 BL in die MUBA.
- Detachement 21 BS an die Grenze.
- Detachemente 8 und 23 BS in Reserve.
19:57 Uhr: Meldung aus Lysbüchel: Der Zustrom nimmt ab. Zollorgane schätzen bisher etwa 2000 Flüchtlinge. Noch etwa 500 Flüchtlinge an der Grenze in Burgfelden. In Allschwil werden weitere 200–500 Flüchtlinge erwartet.
20:12–23:00 Uhr: Zahlreiche Kommandanten treffen im Kommandoposten ein.
23:10 Uhr: Inf. Rgt. 23 meldet Artilleriefeuer auf Leopoldshöhe Weil.
23:35 Uhr: Hptm. von der Mühll, Kdt. der Bewachungskompanie 21 BS, meldet: 100 Kinder aus Burgfelden wurden zur MUBA weitergeleitet.