26. November 1944
Weitere Kämpfe in der Region
Die Franzosen beschiessen Hüningen mit Granaten
Die Kämpfe zwischen den ins Elsass eingedrungenen französischen Truppen der Armee von General Delattre de Tassigny, die im Abschnitt von Delle bis Basel unter dem Kommando von General Béthouard stehen und den deutschen Truppen im Raum Delle, Grandvillars, Rhein-Rhône-Kanal, Lepuix-Suarce, Chavannes-les-Grandes und im Hartwald bis nach Neudorf und Hüningen, gehen mit unverminderter Erbitterung weiter.
Die eingekesselten deutschen Angreifer in der östlichen Ajoie verteidigen sich buchstäblich bis zur letzten Patrone. Schliesslich brechen sie, müde und ausgezehrt, auf Schweizer Boden durch – etwa zwei Kompanien, begleitet von etwa 50 Verwundeten. Ein anderes Entkommen bleibt ihnen nicht, da die französische Artillerie eine verheerende Feuerwand gegen sie aufgebaut hat.
Alliierter Nachschub im Hinterland – das schlechte Wetter behindert teilweise den Vorstoss – Foto: Sie & Er Illustrierte Januar 1945 - Privatarchiv Patrick Schlenker
Im Vorfeld der einstigen Maginot-Linie
Am Nachmittag herrscht entlang der ehemaligen Maginot-Linie rege Gefechtstätigkeit, die sich hauptsächlich auf Artillerie und schwere Infanteriewaffen beschränkt. Minenwerfer schleudern in unregelmässigen Abständen Geschosse aus Hüningen in Richtung des Bahnhofs von St. Louis, während deutsche Artillerie zeitweise die Strasse nach Burgfelden mit Sprenggranaten belegt.
Nach Stunden der relativen Ruhe auf französischer Seite eskaliert der Kampf kurz vor 16:00 Uhr Uhr. In der Gegend von Bartenheim, Bartenheim la Chaussée, St. Louis, Rosenau und Neudorf entwickelt sich der bisher heftigste Kampf. Auf diesem etwa sieben Kilometer langen Streifen hämmern zahlreiche Geschütze – darunter Panzerabwehrkanonen und Flugabwehrgeschütze – aufeinander ein. Minenwerfer greifen in das Gefecht ein, Granaten aller Kaliber explodieren, und Maschinengewehre tackern unaufhörlich. Ein dichter Pulverdampf legt sich über das Schlachtfeld, und irgendwo zwischen Rosenau und Kembs, das unaufhörlich vom badischen Ufer aus beschossen wird, bricht ein weiterer grösserer Brand aus.
Es blitzt und donnert, als ob die gesamte Gegend in Schutt und Asche gelegt werden soll. Hoch über den sich auflösenden Rauchwolken kreisen Erkundungsflugzeuge. Dann lässt die Intensität des Kampfes nach, und der Feuerüberfall, der etwa 30 Minuten dauert, ebbt langsam ab.
Artilleriebeschuss und Geländegewinne bei St. Louis
Die Franzosen erzielen am Nordrand von St. Louis einen grösseren Geländegewinn. Nach Einbruch der Dämmerung ändert die französische Artillerie ihr Ziel und richtet Granate um Granate gegen die einstige chemische Fabrik an der Strasse nach Hüningen, die offenbar deutschen Truppen als Unterkunft dient. Der Beschuss dauert jedoch nur zehn Minuten, bevor erneut Ruhe einkehrt.
Nur noch vereinzelte Leuchtspurgeschosse, die vermutlich zur Zielmarkierung dienen, werden vom ehemals rechtsrheinischen Hüninger Brückenkopf aus über den Rhein gefeuert. Diese Geschosse pfeifen über den „Lysbüchel“ und schlagen harmlos im Wiesland ein.
Grenzübergang Lysbüchel - Blickrichtung St. Louis von der Schweizer Grenze aus. Französische Truppen mit Jeeps und einer Harley Davidson - Foto Daly Mail - Kolorierung Patrick Schlenker
Die nächtliche Lage in der Grenzregion
Fahler Mondschein liegt über dem verdunkelten elsässischen Grenzzipfel. In den langen Häuserschatten stehen FFI-Wachen, die nun zum Teil bereits mit französischen Karabinern ausgerüstet sind. Für sie hat der Autor des weltberühmten französischen Soldatenliedes La Madelon ein neues Marschlied geschaffen: Nous avons lutté dans l'ombre mais aujourd'hui nous sommes les plus forts... „Wir haben im Schatten gekämpft, aber heute sind wir die Stärksten...“
In der Kampflinie regt sich kaum etwas. Ein deutscher Soldat, der am vergangenen Dienstagmorgen versucht hat, aus St. Louis zu entkommen, über die Felder nach Hüningen rennt und dort von einer französischen Kugel niedergestreckt wird, liegt noch immer unbestattet im feuchten Gras. Niemand scheint ihm ein Soldatengrab schaufeln zu wollen. (Anmerkung des Autors: Schweizer Soldaten werden ihn im Laufe des Abends begraben – siehe Eintrag Territorial-Kommando Basel).
Am Horizont leuchtet ein grosser Feuerschein aus der Gegend von Kembs, während weiter im Hintergrund Lichter aufblitzen und das monotone Rattern von Motorfahrzeugen ununterbrochen zu hören ist. Es ist bereits nach Mitternacht. Ein schwerer Dunst liegt über der Ebene, und das Thermometer zeigt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Grenzwächter und Wehrmänner stehen in Mäntel gehüllt an der Grenze, ihre Gewehre schussbereit, während ihre Blicke in die Dunkelheit bohren.
Lage nördlich von Strassburg
In der Nacht befinden sich die deutschen Truppen in einer chaotischen Flucht über den Rhein. Sie nutzen Boote, Flösse und alles, was schwimmfähig ist, um aus der Vogesentasche südlich von Strassburg zu entkommen.
Die Überreste der geschlagenen deutschen Vogesen-Armee gerieten in Verwirrung, als sie entdeckten, dass die französische Artillerie und Maschinengewehre nun ihre wichtigste Rückzugsstrasse beherrschen. Das brillante Manöver von General Leclerc führte zu einer vollständigen Überraschung der Deutschen. Sie haben sich mit der neuen Lage noch nicht abgefunden.
In Strassburg selbst werden derzeit die letzten Widerstandsnester beseitigt. Die Stadtbevölkerung geht trotz der Kriegshandlungen weitgehend ihren normalen Tätigkeiten nach. Die Deutschen beschiessen die Stadt weiterhin vom Rhein aus. Noch in der Nacht zum 25. November war Strassburg schwerem Beschuss ausgesetzt. Die Strassen waren voller deutscher Kriegsgefangener.
Widerstand wird immer noch im halbmondförmigen Stadtteil zwischen dem sogenannten Kleinen Rhein und dem Rhein geleistet. Die Deutschen halten weiterhin die Strassenbrücke, die Holzbrücke und die Eisenbahnbrücke, die bei Strassburg über den Rhein führen.
Das Strassburger Münster wurde beim letzten Luftangriff auf die Stadt am 25. September erheblich beschädigt. Eine Bombe durchschlug die Vierungsturmspitze und richtete auch im Inneren der berühmten Kirche bedeutende Schäden an. Im Turm fehlen fast alle Fensterscheiben, und ein Hauptpfeiler links gegenüber dem Haupteingang musste mit Gerüsten abgestützt werden. Der Haupteingang wurde durch eine Bretterverschalung gesichert, doch ein Seiteneingang bleibt offen und führt zu den Luftschutzräumen in den Gewölben. Auch die Uhr des Münsters wurde bei dem plötzlichen, ohne vorherigen Alarm erfolgten Angriff beschädigt. Ein erster Rundgang durch die Stadt zeigt jedoch, dass Strassburg insgesamt nur geringe Schäden davongetragen hat. Lediglich vereinzelte Bombentreffer haben sichtbare Zerstörungen hinterlassen.
Proklamation von General Leclerc
Paris, 26. November:
Der provisorische Gouverneur von Strassburg, General Leclerc, lässt eine Proklamation veröffentlichen. Darin heisst es:
„Während des vierjährigen grossen Kampfes, den wir unter der Führung von General de Gaulle geführt haben, war euer Münster unser ständiges Anliegen. Wir haben geschworen, unsere Fahne wieder auf seinem Turm wehen zu sehen. Das ist nun der Fall. Ich fordere euch auf, allen, die für die Befreiung Strassburgs gefallen sind, zu huldigen. Frankreich und seine Alliierten werden die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen; sie werden sicherstellen, dass der ewige Eindringling nicht zurückkehren kann.“
Territorial-Kommando Basel
Fliegeralarm:
Nachdem die vorhergehenden Tage von Regenschauern und Wolken geprägt waren, klarte das Wetter auf, was wiederum zu vermehrten Grenzraumverletzungen durch fremde Flugzeuge führte.
- 09.38 - 10:22 Uhr: Kurz darauf donnern Flugzeugverbände in west-östlicher Richtung über die Grenzregion hinweg.
- 11:53 - 12:21 Uhr
- 14:17 - 15:01 Uhr - Ein weiterer Verband überfliegt das Grenzgebiet über Basel.
Aus den Berichten der Schweizer Armee für den 26. November 1944:
07:50 Uhr: Zwei verwundete Angehörige der Forces Françaises de l’Intérieur (FFI) werden vom Bataillonsarzt des Regiments 56 ins Bürgerspital Basel transportiert.
10:22 Uhr: Kommandant und Hauptmann befinden sich in Allschwil.
11:00 Uhr: Meldung über das Eintreffen französischer Infanterie in St. Louis.
Ab 16:00 Uhr: Artillerie- und Minenwerfergranaten schlagen in Grenznähe ein.
22:15 Uhr: Meldung: Am nächsten Vormittag werden 300 bis 400 Flüchtlinge am Grenzübergang Lysbüchel/St. Louis erwartet.
22:25 Uhr: Mitteilung: Eine Aktion zur Bergung eines deutschen Toten in Grenznähe soll eingeleitet werden.
- 27 Flüchtlinge: Nach MUBA (Messegelände Basel) weitergeleitet.