28. November 1944
Altkirch
Zwischen der Autobahn Basel-Altkirch-Belfort und der Schweizergrenze, von Delle bis Sept, kämpfen immer noch vereinzelnt deutsche Einheiten, Überreste einer deutschen Division. Diese Division wurde nach dem Durchbruch der französischen Truppen durch die „Burgunder Pforte“ in Eilmärschen von Mulhouse nach Altkirch befohlen. Aufgrund der anhaltenden Bedrängung durch die Truppen der 1. französischen Armee löst sich die Division in kleine Widerstandszentren auf.
Obschon die Front schon weit vorgeschoben ist, befindet sich die Widerstandszentren rund um die Ortschaften Strueth, Hindlingen, Friesen und Ueberstrass. Von hier aus bedrohen die deutschen Truppen die grosse Überlandstrasse Delle-Basel bei Seppois. Diese Strasse ist täglich unter dem Feuer der deutschen Minenwerfer, ebenso wie die Umleitung über Pfetterhausen. Trotz der fast pausenlosen Beschiessung durch die französische Artillerie auf der Höhe zwischen Lébétain und Delle, die auf die ständig wechselnden deutschen Stellungen zielt, halten die deutschen Truppen stand. Besonders in Friesen richten die Bombardierungen grosse Verwüstungen an und entfachen Brände.
Ein weiteres Gefechtszentrum befindet sich südöstlich von Belfort entlang der Strasse Belfort-Réchésy. Das Zentrum dieser Kämpfe liegt in der Ortschaft Vellescot, an der Kreuzung der Strassen Delle-Alt-Münsterol und Dammerkirch. Auch die Orte Alt-Münsterol und Chavannes-les-Grandes befinden sich im Bereich schwerer französischer Artilleriebatterien. Die Kämpfe sind, wie an der Grenze berichtet wird, für beide Seiten sehr verlustreich. In einem kleinen Waldstück werden 170 gefallene deutsche Soldaten aufgefunden. Gleichzeitig wird auch jede Ortschaft, in der sich die Deutschen bisher noch halten konnten, systematisch von den Franzosen zerstört.
Die befestigten Werke Bourogne und Le Fougerais, die die Befestigungsanlagen der Burgunder Pforte vor den Belforter Linien sperrten, sind mittlerweile von marokkanischen Truppen der Armee de Lattre de Tassigny erobert worden. Die Kämpfe werden auf beiden Seiten unerbittlich geführt. So gerät eine französische Sanitätskolonne in den Wäldern von Réchésy unter das Feuer der Deutschen, wobei Ärzte, Sanitäter und Rotkreuzfahrerinnen ums Leben kommen.
Abschied auf Zeit - Im Vordergrund Schweizer Soldaten - Foto Schweizer Illustrierte November 1944 - Privatarchiv Patrick Schlenker
Kämpfe bei Neu-Breisach und Colmar - Hüningen noch nicht gefallen
Drei Stunden lang dauert das schwere Trommelfeuer der französischen Artillerie gegen den deutschen Brückenkopf Neu-Breisach auf der linken Rheinseite. Dieser Vorstoss der Franzosen steht zweifellos im Zusammenhang mit dem schweren Luftangriff auf Freiburg im Breisgau am Montagabend, da die Stadt über eine Eisenbahnlinie mit der festen Rheinbrücke zwischen Alt- und Neu-Breisach und dem nur 23 Kilometer entfernten Colmar verbunden ist. Über den Ausgang des Kampfes liegen bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Meldungen vor.
Neudorf und Rosenau unter Artilleriebeschuss
04:00 Uhr: Mit einem Schlag eröffnen die französischen Batterien ein heftiges Trommelfeuer gegen die Kanalbrücke in Neudorf, die die Verbindung nach St. Louis sowie zu den Ortschaften Langenhäuser und Haberhäuser entlang der „Chaussée“ bildet. Granaten schlagen links und rechts des Übergangs und auf beiden Seiten des Kanals ein und werfen grosse Staub- und Erdfontänen auf. Etwas später wechseln die Franzosen das Ziel und beschiessen die Gegend von Rosenau, dessen Bewohner sich grösstenteils, sofern sie nicht bereits nach Deutschland deportiert wurden, nicht scheuen, den fast zehn Kilometer langen Weg zur Schweizer Grenze zu Fuss zurückzulegen.
20:00 Uhr: Die französischen und deutschen Batterien beschiessen gegenseitig die gegnerischen Stellungen und Ansammlungen zwischen Neudorf und Nation die ganze Nacht hindurch bis Mittwochmorgen.
Übertritt an der Schweizer Grenze
Nur noch der Übertritt auf Schweizer Boden bleibt den überlebenden deutschen Soldaten übrig: Heute trifft eine Handvoll deutscher Soldaten, die französische und amerikanische Gefangene mit sich führen, an der Schweizergrenze ein und ersucht um Erlaubnis, die Grenze zu überqueren. Die Deutschen werden interniert, während die Amerikaner und Franzosen gemäss der Haager Konvention wieder an die Grenze zurückgeführt werden.
Deutsche Truppen an einem Schweizer Bahnhof warten, bewacht von schweizer Soldaten,auf ihren weitertransport in eine Internierungslager. Soldaten an einem Bahnhof - Staatsarchiv Basel BSL 1060c 37853 - Kolorierung Patrick Schlenker
Ältere elsässische Flüchtlinge werden in Heimen untergebracht
Es hat sich gezeigt, dass unter dem grossen Flüchtlingsstrom elsässischer Emigranten und Evakuierter zahlreiche ältere, gebrechliche und kranke Menschen sind, die nicht in den Mustermessehallen mit den anderen Flüchtlingen untergebracht werden können. Das Schweizerische Rote Kreuz hat sich daher zur Aufgabe gemacht, besondere Altersheime einzurichten.
Ein erstes Heim für 50 Personen wird in Hedwigsheim eröffnet, und weitere werden heute und in den kommenden Tagen eingerichtet. Die Bevölkerung wird dazu aufgerufen, durch Spenden von Matratzen, Betten, Wäsche und anderen Hilfsgütern tatkräftige Unterstützung zu leisten.
Übernahme eines gehunfähigen Flüchtlings durch schweizer Truppen an der Grenze - Der Sanitätssoldat in der Mitte trägt noch ein Faschinenmesser der Ordonannz 1842 / 52 - Foto Staatsarchiv Basel BSL 1013 1-24 2 - Kolorierung Patrick Schlenker
Augenzeugenbericht
Am Dienstagmorgen war die Grenzgegend von einem dichten Nebel bedeckt. Es war gespenstisch still, abgesehen von gelegentlichem, entferntem Geschützfeuer, das kaum zu hören war. Gegen Mittag, als die Sicht klarer wurde, begann plötzlich ein intensives Artilleriefeuer von französischer Seite. Die Einschläge waren deutlich zu sehen, besonders auf die Brücke über den Hüninger Kanal am Westausgang von Neudorf. Eine Granate nach der anderen explodierte auf der Brücke und in ihrer unmittelbaren Umgebung. Gleichzeitig antworteten deutsche Geschütze aus Haltingen. Von dort feuerten sie einige Schüsse auf das nahegelegene Dorf St. Louis. Die Atmosphäre war angespannt, und die Detonationen liessen die Luft vibrieren. Gegen Abend nahm die Intensität des Feuers auf beiden Seiten deutlich zu. Die französischen Batterien richteten ihre Angriffe jetzt auch auf Ziele rechts des Rheins. Die zahlreichen Einschläge waren selbst aus der Entfernung unüberhörbar, und die Situation wirkte, als würde der Konflikt bald noch heftiger werden. Es war ein Tag voller Spannung und schwerer Kämpfe, der die ohnehin schon belastete Region weiter erschütterte.
Territorial-Kommando Basel
Aus den Berichten der Schweizer Armee:
03:00 Uhr: Ein Kurier überbringt die Divisionsbefehle für den Truppeneinsatz.
09:10 - 11:00 Uhr: Major Zangg bespricht sich mit dem Luftschutz in Riehen aufgrund der Sichtung einer Fliegerbombe.
11:15 Uhr: Der Kommandant ist am Badischen Bahnhof, um die Aufnahme von Flüchtlingen zu koordinieren.
17:00 Uhr: Der Marie von St. Louis besucht die Flüchtlinge am Lysbüchel und versucht, sie zu beruhigen.
18:00 Uhr: Inspektion des Grenzabschnitts Allschwil - Basel.
Flüchtlingslager MUBA
- Eingang: 14 Personen
- Ausgang: 130 Personen