15. Oktober 1944
Seit Monaten waren in Basel schon tausende von Flüchtlingen eingetroffen. So auch am frühen Sonntag-Morgen des 15. Oktober 1944, als um 06:00 Uhr weitere 400 italienische Flüchtlinge ankamen. Abend m selben Tag sollten es weitere 500 sein. Um die grossen Mengen an Flüchtlingen aufnehmen zu können, wurden neben Turnhallen und anderen öffentlichen Gebäuden auch die Hallen der Messe Basel eingerichtet, um den Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Am 12. Juli 1944 hatte das EJPD die Weisung erteilt, alle an Leib und Leben gefährdeten Zivilpersonen aufzunehmen.
Meldung der Polizei Basel-Stadt vom September 1944 ans Territorial Kommando Basel über die Anzahl der eingetroffenen Flüchtlingskinder aus dem Raum Belfort zu Handen des Roten Kreut Kinderhilfe. - Quelle Bundesarchiv Bern
Auch über Basel tat sich wiederum einiges. Die Tage zuvor schon wurd in Basel bis zu 5 mal täglich Flieferalarm ausgelöst, als verschiedene Flugzeuge den Schweizer Luftraum überflogen. Darunter auch ein US Aufklärer, welche Aufnahmen vom teilweise zerstörten Stauwehr Kembs bei Märkt machte. Durch den ganzen Tag über, wurden aus Westen und Nordwesten schwere detonationen ausgemacht.
Es kam wiederum zu mehrfachem Fliegeralarm:
- 11:36 - 12:34 Uhr - Fliegeralarm
Bei leichtem Föhn flogen um 11:40 Uhr elf Flugzeuge, vermutlich B-24 Liberator der USAAF, von Westen kommend über den Rhein in Richtung Schwarzwald. Diese kehrten um 12:25 Uhr auf demselben Weg zurück.
- 13:36 - 14:15 Uhr - Fliegeralarm
Kurz nach 13:00 Uhr waren die heftigsten Detonationen des Tages zu hören, und die Erde vibrierte in der Umgebung von Basel so stark, dass die Häuser erzitterten. Im Laufe des Nachmittags entwickelte sich diese Flugroute zu einer regelrechten "Luftstrasse", die von nachfolgenden Geschwadern beibehalten wurde. Die Route führte über das hügelige Gelände von Oberellen, über Stein und den Eingang des Kandertals in den südöstlichen Schwarzwald, von wo immer wieder Kampfgeräusche und schwere Detonationen zu hören waren. Zwar wählten die Flieger auch andere Richtungen, denn gegen 13:25 Uhr wurden Detonationen aus Westen, Nordwesten, Norden und Nordosten hörbar. Die genaue Entfernung dieser unaufhörlichen Bombardierungen konnte von der Grenze aus nicht festgestellt werden, da keine Rauchschwaden oder andere Anzeichen sichtbar waren. Die von Basel aus beobachteten Fliegeraktionen folgten teilweise so dicht aufeinander, dass es oft nicht möglich war, die einzelnen Aktionen voneinander zu unterscheiden. Daher war es auch schwierig zu sagen, wie viele Flugzeuge insgesamt an diesem Nachmittag am Himmel operierten. Es konnten nur alliierte Flugzeuge gezählt werden. Ständig gab es ein Hin- und Herfliegen, ein Kreisen und Suchen, und oft kehrte die Spitze eines langgezogenen Geschwaders um, um sich wieder der hintersten Staffel anzuschliessen. Von höheren Standorten aus konnte man für einen Moment 21 verschiedene Flugzeuge zählen, an anderen Orten wurde sogar die doppelte Anzahl festgestellt.
Um 13:30 Uhr tauchten in grosser Höhe immer wieder Flugzeuge in die Wolkendecke ein. Etwa zwölf Maschinen flogen im Luftraum zwischen dem hügeligen Gelände des Elsass und dem Markgräflerland, wobei sie besonderes Interesse an der Gegend um Steinen und Kembs zeigten. Auch das Kanalgebiet, in dem sich viele Zivilisten und Soldaten aufhielten, erregte ihre Aufmerksamkeit. Trotz der Überflüge wurde unermüdlich weitergearbeitet, und keine deutschen Flugabwehrgeschütze oder andere Waffen traten in Aktion.
Um 14:15 Uhr ertönte in Basel Endalarm.
- 15:15 - 18:11 Uhr - Fliegeralarm
Ab 15:00 Uhr verstärkte sich die Aktivität der Flieger. Um 15:15 Uhr flogen zwölf Thunderbolts in Richtung Schwarzwald, und eine Viertelstunde später folgte ein Dutzend schwerer Bomber, die südwärts von schwerer Flak beschossen wurden. Kurz darauf kreisten unermüdlich zwei Aufklärungsflugzeuge zwischen Hüningen und Kembs, während aus dem Schwarzwald eine Reihe von Detonationen zu hören war, die auf Kämpfe in Richtung Freiburg hinwiesen. Die gesichteten Fliegerverbände blieben in den südöstlichen Bereichen, wechselten aber ständig den Kurs.
Um 16:20 Uhr waren in nördlicher Richtung gleichzeitig 21 Maschinen zu sehen, die in Richtung Schwarzwald flogen, während andere weiterhin zwischen Hüningen und Kembs kreisten. Um 16:52 Uhr meldete Freiburg, dass im Raum Baden etwa 20 Jagdbomber kreisten. Wenige Minuten später verstärkte sich die Situation dramatisch. Zwischen 17:06 Uhr und 17:08 Uhr kehrten elf Flugzeuge aus Richtung des Kanals zurück. Sie waren tiefer geflogen als alle anderen und gerieten beim Überflug zwischen Hüningen und Kembs unter Beschuss der Flak.
Der Luftraum war bis nach 17:00 Uhr ununterbrochen von Flugzeugen besetzt, die abwechselnd auftauchten, verschwanden und dann wieder südwärts flogen. Die Bewohner im Grenznahen Elsass verhielten sich jedoch bemerkenswert ruhig. Kinder spielten auf den Strassen, und Erwachsene gingen unbeeindruckt ihren alltäglichen Tätigkeiten nach, als würden die Flugzeuge sie nicht betreffen. Es gab zwar keinen Hauptalarm im Elsass, und die Menschen waren nicht verpflichtet, Schutzräume aufzusuchen, doch auch Angst schien niemand zu verspüren. Die Leute drehten sich nicht einmal um, um die Flugzeuge zu beobachten, sondern kümmerten sich weiter um ihre Angelegenheiten.
- 20:35 - 20:55 Uhr - Fliegeralarm
P47 Thunderbold Absturz bei Schönenbuch
Ein aufregendes Schauspiel bot sich nach 5:20 Uhr für diejenigen, die den Rückflug einer alliierten Fliegerformation von mehreren P47 Thunderbold's beobachteten. Zu dieser Zeit drehte die Formation, aus dem Wiesental kommend, nach Nordwesten ab, als plötzlich die Flugabwehrgeschütze auf Schweizer Seite zu feuern begannen. Eine Granate nach der anderen schoss den fremden Fliegern entgegen und im nächsten Augenblick konnte man deutlich erkennen, dass einer der Jäger mehrere Treffer abbekommen hatte. Die Thunderbold's gehörten den L'escadron de chasse II/3 Dauphiné und II/5 La Fayette an und waren auf dem Rückweg von einem Einsatz im Raum Freiburg zurück zu ihrer Base in Ambérieu, nordöstlich von Lyon.
Republic P-47 Thunderbolt der französischen Streikräfte - Aufnahme ort unbekannt - Foto Privatarchiv Patrick Schlenker
Das Flugzeug begann nach den Treffern leicht zu schwanken, verlor den Anschluss an die Formation, und steuerte nach Backbord ab, während die anderen Maschinen unbeirrt richtung Osten abdrehend ihren Weg fortsetzten.
Die beschädigte Maschine befand sich ungefähr zwischen Hegenheim und Hésingue in einer Höhe von rund 2000 Metern, als sie plötzlich leicht nach vorne kippte und rasend schnell abwärts stürzte. In diesem Moment löste sich ein kleiner Punkt weg von dem abstürzenden Flugzeug, und kurz darauf öffnete sich ein weisser Fallschirm – der Pilot Sergent Collin war abgesprungen. Während der Fallschirm lautlos und langsam zur Erde sank, endete die rasende Fahrt des führerlosen Flugzeugs mit einem gewaltigen Expolsion westlich des Dorfs Schönbuch, etwa 50 Meter jenseits der Grenze und rund 100 Meter von den nächsten Häusern auf schweizer Gebiet entfernt. Die Maschine war auf einem riesigen Strohhaufen abgestürzt, der dort seinerzeit nach der Ernte aufgeschichtet worden war. Der Aufprall war so heftig, dass das Flugzeug augenblicklich in Flammen aufging. Ein Teil der Trümmer, sowie das Triebwerk der bulligen Maschine urde auf Schweizer Boden geschleudert und wurde sofort von der Grenzsicherung beschlagnahmt.
Währenddessen versuchte der abgesprungene Pilot mit rundern seiner Hände den Fallschrim in Richtung Schweizer Grenze zu bewegen. Er setzte etwa 500 Meter von Schönbuch entfernt auf einer Anhöhe des Klöpferhofs in Hagenthal-le-Bas auf einer Wiese auf. Entschlossen packte er den Fallschirm zusammen und machte sich offenbar auf den Weg, die durch Hoheitszeichen gekennzeichnete Grenze zu erreichen. Doch im nächsten Augenblick sah er, dass ein deutscher Wachposten auf ihn zukam und ihn aufforderte, sich mit erhobenen Händen zu ergeben. Der Pilot ergab sich widerstandslos und wurde abgeführt.
Unterdessen brannte das abgestürzte Flugzeug zusammen mit dem riesigen Strohhaufen bis in die Abendstunden hinein. Schliesslich musste gegen 21:00 Uhr die Feuerwehr aus Hagenthal gerufen werden, um den Haufen auseinanderzureissen und die Flammen zu löschen.
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Kurz zuvor war schon in Laufen BL eine P-47 der 81st Fighter Squadron, 50th Fighter Group notgelandet, welche beim Einsatz gegen deutsche Bodentruppen. Nahe der Schweizer Grenze wurde eine der P-47 von deutschen Jägern angegriffen. Im anschliessenden Luftkampf erlitt die Maschine einen Motortreffer und verlor stark Öl, was den Piloten, 2nd Lt Gerald V. Conlan, zwang, Richtung Schweiz zu fliegen. Da das Cockpit durch das austretende Öl verschmiert war, konnte er nicht sicher nach Lyon zurückkehren. Conlan flog in die Schweiz ein und setzte gegen 16:10 Uhr seine Maschine in der Nähe von Laufen not, wobei der Rumpf stark beschädigt wurde. Die Schweizer Luftwaffe untersuchte die P-47, konnte sie jedoch aufgrund fehlender Ersatzteile nicht reparieren. Nach dem Krieg wurde das Flugzeug mit Zustimmung der US-Regierung in der Schweiz verschrottet.