Chatelaine / Zipfelbund

In meinen Kursen über Stil und Etikette wurde kürzlich eine faszinierende Frage aufgeworfen, die die Vielfalt und den Ursprung von Chatelaines betrifft.

Der Begriff "Chatelaine" leitet sich elegant vom französischen Wort für "Dame oder Herrin des Schlosses" ab. Diese wunderbaren Accessoires wurden schon im 16. und 17. Jahrhundert getragen und bestanden aus einer kunstvoll gestalteten Kette, an der verschiedene Gegenstände wie Kreuze und Schlüssel befestigt waren. Sie dienten nicht nur als schmückende Elemente, sondern auch als praktische Werkzeuge des Alltags. Es ist zu bedenken, dass die Wurzeln der Chatelaine bis in das 7. Jahrhundert zurückreichen, wie durch die Entdeckung der ältesten bekannten Chatelaine in der angelsächsischen Bettbestattung von Trumpington belegt wurde. 

Die Geschichte der Chatelaines ist somit reich an Bedeutung und Symbolik, und sie vermitteln uns nicht nur einen Einblick in die Mode und den Lebensstil vergangener Epochen, sondern erinnern uns auch an die wichtige Rolle, die Frauen als "Damen des Schlosses" in der Gesellschaft spielten.

Chatelain Zipf mit Taschenuhr

Ein Chatelaine eine. Hausdame mit ihren notwendigen Schlüsseln. (Links). (Rechts) An der Uhrkette aus Gold gefertigt, prangt ein kleiner Anhänger, ein Zipfel, der die Blicke auf sich zog. Dieser Zipfel trug das Monogramm des früheren Besitzers und verlieh dem Zipfel eine persönliche Note. Es war ein wunderbares Beispiel für die Kunstfertigkeit vergangener Generationen und die Liebe zum Detail.

Dieses einfache Chatelaine und die Uhrkette mit Zipfel erzählen eine Geschichte von Eleganz und Raffinesse, von einer Zeit, in der selbst alltägliche Gegenstände mit Sorgfalt und Stil ausgewählt wurden. Sie sind ein kostbarer Schatz, der die Vergangenheit in einer faszinierenden und ästhetisch ansprechenden Weise lebendig werden lässt.

Portrait Belle Epoque_3 Portrait Belle Epoque_4

Chatelaines waren nicht nur im zivilen Leben von Bedeutung, sondern fanden auch in anderen Berufen, wie dem der Krankenschwestern, Verwendung, wie auf dem Bild links eindrucksvoll zu sehen ist.

Die im 19. Jahrhundert gebräuchlichen Chatelaines waren wahre Meisterwerke in Sachen Ästhetik und Funktionalität. In der Regel bestanden sie aus einem zentralen, kunstvoll verzierten Clip, der mittels eines Hakens auf der Rückseite am Rocksaum oder Gürtel befestigt wurde. Dieser raffinierte Mechanismus ermöglichte es, verschiedene Gegenstände an der Kette anzubringen und so stets griffbereit zu haben.

Die dekorative Pracht und die kluge Anordnung der Chatelaine machten sie zu einem unverzichtbaren Begleiter für Frauen in verschiedenen Berufen und Lebenssituationen. 

Chatelain Chatelain

Zwei originale Chatelaine aus Privtabesitz. Meist waren die Chatelaine swehr aufwendig aus Silber gefertigt. zvg. Hut und Haube & Skaira

Die Mode jener Zeit brachte es mit sich, dass Damenbekleidung oft keine Taschen bot, was jedoch keineswegs die Bedürfnisse und die Alltagspraktikabilität der Frauen ignorierte. In dieser Ära, in der breite Gürtel en vogue waren, fand sich eine geniale Lösung: die Verwendung von großartigen Chatelaines. Diese breiten Gürtel boten die perfekte Bühne für die Unterbringung und Unterstützung von vielfältigen, wenn auch kleinen, aber äußerst nützlichen Gegenständen.

Die Damen jener Zeit begannen, ihre Gürtel immer mehr mit einer erstaunlichen Bandbreite an Haushaltsgegenständen zu schmücken. Unter diesen Gegenständen fanden sich beispielsweise Wachshalter zum Versiegeln von Briefen, Bleistifte, Notizbücher, Kettenhemdtaschen sowie eine Vielzahl von Nähutensilien wie Scheren, Fingerhüte und Nadelbehälter. Selbst Riechfläschchen wurden angebracht. Dieser charmante Brauch führte zur Entwicklung eines funktionalen Schmuckstücks, das heute als Vorläufer der modernen Damenhandtasche angesehen werden kann.

Es war erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Frauen vermehrt außerhalb ihres Zuhauses zu arbeiten begannen, dass Chatelaines langsam an Beliebtheit verloren. Dennoch bleibt die Geschichte dieser exquisiten Accessoires ein faszinierendes Kapitel in der Entwicklung von Mode und Alltagspraktiken, das die Innovationskraft und den Einfallsreichtum vergangener Zeiten bewundernswert widerspiegelt.

Portrait Belle Epoque_2Portrait Belle Epoque_1

Zwei weitere Beispiele für Chatelaines: Links sehen wir eine Chatelaine aus Aberdeen in Schottland, die eine Krankenschwester aus dem Oldmill Military Hospital (heute Woodend Hospital) zeigt. Rechts sehen wir eine Dame aus Boston in einem braunen Dress, an dem eine Chatelaine angebracht ist, an der unter anderem eine Taschenuhr hängt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeichnete sich ein bemerkenswerter Wandel in der Welt der Chatelaines ab. Ein genereller Trend führte dazu, dass sie kleiner und raffinierter gestaltet wurden. In diesem Zeitalter entstanden abnehmbare Broschen, die eigenständig getragen werden konnten und gleichzeitig die Oberteile der Chatelaines zierte. Diese Innovation brachte eine neue Dimension des Schmucks und der Eleganz in die Welt der Chatelaines.

Portrait Belle Epoque_5Portrait Belle Epoque_6

 Zipf / Zipfel

Der "Zipfel", mitunter auch als "Zipf" bekannt, ist zweifellos ein faszinierendes und kunstvolles Schmuckstück, das in einigen Regionen seine ganz eigene Bedeutung und Tradition besitzt. Dieser dekorative Anhänger besteht aus zwei geschickt übereinanderliegenden Stücken Couleurbands, die in kunstvollen Metallfassungen gefasst sind und durch einen Metallschieber miteinander verbunden sind. Die Vorderseite des Schiebers ziert oft stolz das Wappen und/oder den Zirkel, während die Rückseite häufig eine persönliche Widmung präsentiert.

Ein zarte Kettchen, das an der oberen Metallfassung des Zipfels befestigt ist und mit einem winzigen Karabinerhaken versehen wurde, ermöglicht die sichere Befestigung des Zipfels an einem eigens dafür vorgesehenen Zipfelhalter. Dieser wiederum kann mühelos an einem Hosenbund oder an der Westentasche angebracht werden und dient als stilvolle Präsentation des Zipfels. Besonders beliebt war es, den Zipfelhalter an der Uhrkette einzuhängen, was zusätzlichen Charme und Eleganz verlieh.

Darüber hinaus ist die "Couleur" (vom französischen "la couleur" abgeleitet) von großer Bedeutung. Sie repräsentiert eine einzigartige Farbkombination, die als charakteristisches Erkennungsmerkmal für Studenten- oder Schülerverbindungen dient, die diese Farben stolz tragen oder führen. In einem weiter gefassten Sinne spiegelt der Begriff "Couleur" auch die Prägung oder die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten weltanschaulichen Einstellung wider. Es ist eine subtile Art, die persönliche Identität und Verbundenheit mit einer Gemeinschaft oder einem Gedankengut auszudrücken.

Portraitfotos_3 

Die Herkunft des Zipfels ist von vielfältigen Theorien umwoben, jede von ihnen trägt ein Stückchen Geschichte und Charme in sich. Eine Theorie besagt, dass der Zipfel ursprünglich als Chatelaine diente, um daran eine Taschenuhr oder andere nützliche Dinge zu befestigen. Dies würde erklären, warum er oft mit kunstvollen Details und Verzierungen gestaltet wurde.

Eine weitere spannende Theorie führt uns zu den Mitgliedern von Studentenverbindungen, insbesondere nach den Karlsbader Beschlüssen und dem Verbot solcher Vereinigungen. Diese Verbindungen sollen ein kurzes Stück ihres Burschenbandes als Erkennungsmerkmal in ihren Taschen getragen haben, was den Zipfel zu einem versteckten Symbol der Gemeinschaft machte.

Eine weitere interessante Möglichkeit ist, dass der Zipfel dazu verwendet wurde, den eigenen Bierkrug zu markieren, vielleicht aus hygienischen Gründen, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Diese Idee verweist auf die praktischen Anwendungen, die der Zipfel möglicherweise hatte.

Es ist höchstwahrscheinlich, dass alle drei dieser Theorien in gewisser Weise Einfluss auf die Entstehung des Zipfels hatten, und diese Vielschichtigkeit trägt zu seiner faszinierenden Geschichte und seiner zeitlosen Bedeutung bei.

ZipfelZipfel Widmung

Zipfel mit drei farbigem Band und Widmung von Richard Hohl an Walter Zollinger mit unbekanntem Wappen / Verbindung

 

 

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.